Es ist doch nicht nachzuvollziehen - um nur ein Beispiel zu nennen -, dass im Kontext des sogenannten Runden Tisches gegen sexuellen Kindesmissbrauch Bundesministerin Schavan erklärt, künftig dürfe es keine Lehrer- oder Medizinerausbildung geben - ich füge hinzu: auch keine Juristenausbildung -, in der dieses Thema nicht vorkomme. Gleichzeitig wird im Land eine kleine, aber feine und leistungsfähige Gruppe infrage gestellt. Das geht so nicht.
Herr Minister de Jager, Sie hätten sich die Debatte hier und heute ersparen können, wenn Sie auf die diversen Weckrufe, die Sie in den letzten Wochen und Monaten ereilt haben, reagiert und gehandelt hätten, statt das Problem auszusitzen und es anderen vor die Tür zu legen.
Eigentlich müsste diese Landesregierung um die Bedeutung dieser Arbeit wissen. Denn im 3. Opferschutzbericht, der uns vorliegt, loben Sie die Arbeit dieser Einrichtung an verschiedenen Stellen; aber offensichtlich weiß die eine Abteilung bei Ihnen nicht, was die andere schreibt.
Meine Damen und Herren, die prekäre finanzielle Situation der Sektion für Sexualmedizin verfolgt uns schon ein bisschen länger; spätestens seit August 2009 müsste auch der Wissenschaftsminister deutlich wissen, wie die finanziellen Probleme aussehen. Denn bereits im Sommer 2009 hat ihm das UKSH geschrieben, dass es jetzt an der Zeit sei, die vorgezogene Finanzierung durch das Ministerium sicherzustellen. Der Brief schließt mit dem Satz ich zitiere -:
„Da seit nunmehr einem Jahr keine Mittel zur Finanzierung der Stelle des Leiters der Sektion für Sexualmedizin vorhanden sind, bitte ich Sie dringendst, sich dieser Angelegenheit anzunehmen.“
Das schreibt der Kaufmännische Direktor des Universitätsklinikums. Getan haben Sie nichts, passiert ist nichts.
Stattdessen lassen Sie die Situation durch Ihre Staatssekretärin im Bildungsausschuss schönreden, als diese im Januar 2011 verkündete, die Ausstattung der Sektion sei gut und ihr Fortbestand gesichert. - Eine im besonderen Maße faktenunabhängige Aussage.
Wir haben die Landesregierung mehrfach, zuletzt in einer Kleinen Anfrage im Dezember 2011, gefragt, wie sie sicherstellen will, dass der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2011 zur Sicherungsverwahrung ab 2013 geltende Therapie- und Begutachtungsanspruch von verurteilten Sexualstraftätern im Land personell umgesetzt werden soll. Ihre Antwort - ich zitiere aus der Antwort auf die Kleine Anfrage, die ich gestellt habe - lautet:
,,Die Landesregierung hat bezüglich dieser bundesweit eintretenden Veränderungen noch keine Entscheidung getroffen.“
Da verschlägt es einem angesichts der Situation der Sexualmedizin die Sprache - zumal uns vor wenigen Tagen Frau Andreßen im Bildungsausschuss mit der Aussage verblüffte, die Kosten für den Leiter der Sektion Sexualmedizin würden von der Universität getragen, was nachweislich falsch ist. Weiter behauptete sie, das Wissenschaftsministerium
könne keine Trägerkosten für die Sektion übernehmen, weil deren Leistungen auszuschreiben seien, da diese ja auch von anderen erbracht werden könnten. - Von anderen, aha! Wen kennt die Landesregierung denn sonst noch im Land, der sexualmedizinische Forschung und Lehre betreibt? - Das würde mich interessieren.
Weiter wird behauptet, für die Fortsetzung der Arbeit sei eine institutionelle Struktur gar nicht nötig. Das kommt ja auch im Änderungsantrag zum Ausdruck, in dem Sie nur von „Aufgabe“ reden und nicht von „Struktur“. Einmal abgesehen davon, dass dadurch kein einziges Finanzproblem gelöst wird, kann man sich anderenorts ansehen, was passiert, wenn die Organisationsstruktur weg ist: Frankfurt hat die Sexualmedizin gerade per Federstrich abgeschafft.
Meine Damen und Herren, statt Ihre Verantwortung wahrzunehmen und den Beteuerungen Taten folgen zu lassen, lassen Sie lieber die eigene Unzuständigkeit im Raum stehen und die Frau Staatssekretärin Märchen erzählen, wie das vom angeblichen Betrauungsakt des Justizministeriums - ein Vorgang, der eigentlich noch eine parlamentarische Aufarbeitung verdient hätte.
Ich will zum Schluss gern sagen müssen: Sie sich entscheiden, ob Sie die sexualmedizinische Forschung und Lehre haben wollen oder nicht.
Die Sexualmedizin, die vorbildlich interdisziplinär aufgestellt ist - ich komme zum Schluss -, greift die große Nachfrage der Studierenden auf. Unsere Gesellschaft braucht das. Den Antrag auf eine Sicherstellung der Sexualmedizin in Kiel, den wir stellen, könnte man in einem einzigen Satz zusammenfassen: Machen Sie an dieser Stelle endlich Ihre Arbeit, Herr Minister!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Weber, wir beantworten die Frage hier und heute, wir haben sie auch schon im Ausschuss beantwortet: Ja, wir sind dafür, dass die Aufgaben, die derzeit von der Sektion für Sexual
medizin wahrgenommen werden, auch in Zukunft fortgesetzt werden können, ausdrücklich ja. Diese Aufgaben müssen qualitativ gut erledigt werden.
- Nein, nicht im Prinzip, eindeutig sage ich das hier. Ich habe das nicht in eine Klammer gesetzt, sondern sage das hier für meine Fraktion ganz klar. Die Aufgaben müssen allerdings auch effizient wahrgenommen werden. Der Landtag hat mit großer Mehrheit beschlossen, dass das UKSH seine Aufgaben kostendeckend wahrnehmen und dauerhaft eine schwarze Null schreiben soll. Wenn die Sektion für Sexualmedizin im letzten Jahr 142.000 € Unterschuss gemacht hat und sich das UKSH deshalb Gedanken über eine Strukturveränderung macht, um diese Aufgaben trotz alledem wahrnehmen zu können, kann das doch nicht ernsthaft von diesem Haus kritisiert werden.
Deswegen sagen wir ganz bewusst: Uns ist nicht die Struktur wichtig, uns ist nicht wichtig, ob das weiterhin eine Sektion als Unterabteilung im UKSH macht, sondern uns ist wichtig, dass die Aufgaben wahrgenommen werden. Das ist Bestandteil unseres Antrags, und da bitten wir Sie herzlich um Ihre Unterstützung.
Denn Organisation effizienter zu machen ist im Sinne der Steuerzahler. Wir haben es hier mit Mitteleinsatz im Bereich Forschung und Lehre zu tun - ohne Zweifel. Wir haben es mit Krankenversorgungsmitteln zu tun. Wir haben es mit Drittmitteln aus dem Justizministerium zu tun. Wir versuchen, auch Möglichkeiten zu eröffnen, dass in Zukunft verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten über Krankenkassen genutzt werden können.
- Nein, natürlich nicht für die Forschung und Lehre, sondern hier werden auch andere Aufgaben wahrgenommen. Sie können sich den Flyer der Sektion für Sexualmedizin gern durchlesen. Darin finden Sie diverse andere Aufgaben, die dort übernommen werden. Im Moment finden Gespräche darüber statt, übrigens dort, wohin diese Gespräche auch gehören. Nächsten Monat findet hierzu auch ein Runder Tisch statt, weil sich die Verantwortlichen darum kümmern.
Wir haben mit ebenso großer Mehrheit hier im Landtag eine Überarbeitung des Hochschulgesetzes Anfang letzten Jahres beschlossen, die ausdrücklich festgelegt hat, dass auch Fragen der Or
ganisationshoheit in den Universitäten und auch in nachgelagerten Einrichtungen wie dem UKSH wahrgenommen werden müssen. Es kann dann nicht sein, dass dann, wenn die sich darum kümmern, wenn Hochschulautonomie genutzt wird, sofort nach dem Ministerium gerufen und gesagt wird: „Jetzt müsst ihr aber hier mal zwischendurch eingreifen“, obwohl Sie genau wissen, dass einige Entscheidungen hierbei gar nicht vom Landtag und auch nicht von Landesregierungen getroffen werden können, sondern dass das schlicht und ergreifend gesetzlich festgelegter Zuständigkeitsbereich des UKSH ist. - Herr Weber, da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln. Das ist in der Tat genau so, wie ich das gerade gesagt habe.
Wir können - das ist die Gefahr, wenn wir hierüber politisch diskutieren - auch nicht gewisse Animositäten zwischen Wissenschaftlern hier im Landtag klären. Das ist hier nicht der Ort, um diese Organisationsfragen zu diskutieren. Deswegen klammern wir das aus. Ich will heute auch nicht sagen, dass ich es besser fände, wenn die Sektion aufgelöst und alle Aufgaben zukünftig vom ZiP wahrgenommen würden. Das sind auch Fragen, die wir heute nicht beantworten können. Was wir aber wollen, ist, dass diese sinnvollen und wichtigen Aufgaben auch in Zukunft übernommen werden. Das sind Gutachteraufträge im Bereich Strafverfahren bei der Prognose Schuldfähigkeit von Sexualstraftätern. Das ist präventiver Opferschutz, der da durchgeführt wird, das ist das Präventionsprojekt „Kein Täter werden“, das sind Behandlungstherapien bei Pädophilen. Das muss auch in Zukunft fortgesetzt werden.
Wir wollen, dass diese Aufgabe weiterhin in Schleswig-Holstein wahrgenommen wird. Auch wir halten es für wichtig, dass das in unserem Land geschieht, nicht in anderen Bundesländern. Wir haben uns in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses verständigt, dass wir uns am 3. Februar 2012 im Bildungsausschuss auch weiter mit diesem Thema beschäftigen werden.
Deswegen beantragen wir Ausschussüberweisung, sodass wir heute nicht in der Sache abstimmen, sondern die Beratungen im Ausschuss fortsetzen.
Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich weitere Gäste, und zwar Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte vom Gymnasium Wellingdorf in Kiel, vom Diakonieverein
Migration aus Pinneberg mit einem Orientierungskurs für Frauen sowie die Senioren-Union Eutin. Seien Sie uns alle herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden vorliegenden Anträge zeigen, dass in diesem Haus Einigkeit darüber herrscht, dass wir mehr für den Schutz und die therapeutische Begleitung der Opfer von sexuellen Übergriffen tun müssen.
Viel wichtiger ist es aber, dass wir alles tatsächlich Mögliche unternehmen, um zu verhindern, dass wir überhaupt Opfer haben. Dafür ist es wichtig, das Verhalten von Tätern besser zu verstehen und frühzeitig intervenieren zu können. Hier ist die Forschung gefragt. Nur Präventionskonzepte, die auf wissenschaftlichen Ergebnissen beruhen, können zielgerichtet wirken. Denn der beste Opferschutz ist die Prävention.
Nun reicht es aber nicht, nur ein gutes Verständnis für die Täter zu haben. Wir müssen auch Fachleute haben, die die Erkenntnisse der Forschung anwenden und in die Praxis übertragen können. Auch dieser Umstand ist allgemein anerkannt und der Mangel an solchen Personen längst identifiziert. Viel mehr noch ist es notwendig, in verschiedenen Bereichen Erkenntnisse der Sexualmedizin - über den Bereich der Mediziner hinaus - bekannt zu machen und Juristen, Lehrern, Psychologen und anderen dieses Wissen zu vermitteln, damit ein frühzeitiges Eingreifen erfolgen kann.
Dasselbe gilt für intersexuelle Menschen. Sie finden meist erst nach einem langen persönlichen Leidensweg den Weg zur Hilfe durch die Sexualmedizin. Auch hier bedarf es, um frühzeitig Beratung und Hilfe anbieten zu können, eines Wissens über das des Mediziners hinaus.
Dies alles verdeutlicht die Interdisziplinarität des Themas, etwas, was in allen Bereichen der Forschung seit Jahren gefordert und gefördert wird. So sprießen auch allerorts interdisziplinäre Forschungsgruppen aus dem Boden. Mit der Sexualmedizin in Kiel haben wir bereits heute eine solche. Eine Integration der Sektion in eine gemeinnützige GmbH könnte dies, so sagen einige mehr oder we
niger Betroffene, womöglich gefährden. Als mahnendes Beispiel wird in diesem Zusammenhang die Sexualmedizin in Frankfurt am Main genannt.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Sexualmedizin in Kiel ist neben der Arbeit mit und über Sexualstraftäter und deren Opfer auch die Forschung und Therapie von Menschen mit sexuellen Störungen oder Problemen mit ihrer sexuellen Identität. Auch diesen Menschen muss die notwendige Hilfe gewährt werden. So übernimmt die Sexualmedizin auch bei der Patientenversorgung eine wichtige Aufgabe.