Die entscheidende Frage ist von ihr nicht gestellt worden: Wie soll die Tierhaltung in Zukunft aussehen? - Ich komme zum Schluss. - Die Entscheidung liegt klar auf der Hand: Wir alle müssen bereit sein, mehr für ein Hähnchen zu zahlen; nicht 1,99 € im Sonderangebot, sondern deutlich mehr. Sollte sich nichts ändern, so kann ich nur folgenden Hinweis geben: Vor dem Verzehr eines Hähnchens fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sparen Sie sich die Grippeimpfung, essen Sie mehr Hähnchenschnitzel! Sie alle kennen ähnliche Witze, diese haben gerade wieder Hochkonjunktur. Dabei ist das Thema überhaupt nicht zum Lachen. Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tiermast fördert die Bildung von Resistenzen und stellt eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Das ist uns allen im Grunde seit Langem bekannt. Die Lobby der Fleischindustrie bemüht sich, das herunterzuspielen, und hat dabei leider in der Vergangenheit allzu oft Schützenhilfe von konservativen Regierungen im Bund und in den Ländern bekommen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD] und Ulrich Schippels [DIE LINKE])
Das darf dieses Mal nicht wieder passieren. Wir müssen das Problem ernsthaft angehen, und wir müssen das Übel an der Wurzel packen und nicht nur an den Symptomen herumkurieren. Wir haben bereits im Oktober einen Antrag in den Landtag eingebracht, der die wesentlichen Handlungsfelder nennt, um zu einer flächengebundenen und artgerechten Tierhaltung zu kommen. Ich nenne an dieser Stelle Anpassungen bei der Privilegierung im Baurecht, im Planungsrecht, im Immissionsschutzrecht, beim Tierschutz und bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln und eben auch im Arzneimittelrecht.
Die Debatte über diesen Antrag ist wieder und wieder verschoben worden. Jetzt wurde sie auf März verschoben. CDU und FDP wissen wohl, wie viel Sprengkraft in diesem Thema steckt. Ihr Versuch, dieser Debatte auszuweichen, wird jedoch scheitern. Im Grunde ist er schon gescheitert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat keinen Überblick über das Ausmaß des Einsatzes von Antibiotika in der Hähnchenmast. Sie weiß darüber so gut wie nichts. Das ist durch die Antwort auf unsere Kleine Anfrage herausgekommen. Sie schreiben - ich zitiere -:
„Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass beim Einsatz von Antibiotika in Hähnchenmastbetrieben Schleswig-Holsteins ähnlich wie in NRW verfahren wird.“
Gut wäre, wenn die Landesregierung in SchleswigHolstein Best-Practice-Beispiele nennen und vorführen könnte, mit welchen Verfahren es Fleischerzeuger schaffen, in der Erzeugung mit weniger oder ohne Antibiotika klarzukommen.
Auch bei uns gibt es die Tendenz zu immer größeren Beständen mit zigtausend Mastplätzen, die oft unterhalb der Grenzen der Genehmigung nach Immissionsschutzrecht gebaut werden, um einfacher durch das Verfahren hindurchzukommen. Wir müssen aus diesem kranken, verrückten System aussteigen. Das gebieten die Risiken für die menschliche Gesundheit, das gebietet unsere Verantwortung für das Tierwohl, das gebietet unsere Verantwortung für eine zukunftsfähige ländliche Entwicklungsstruktur, und das gebietet unsere Verantwortung für die Dritte Welt.
Die Fleischexporte aus Deutschland sind in den letzten zehn Jahren verdoppelt worden. Die Steigerung der Fleischproduktion für den Export für den sogenannten Weltmarkt ist nur möglich, weil wir woanders in riesigem Ausmaß Flächen in Anspruch nehmen. Eine Bratwurst beansprucht woanders - irgendwo in Südamerika zum Beispiel - 6 m² Sojaoder Maisfläche, um diese Dimension einmal aufzuzeigen.
Ich habe am Wochenende gemeinsam mit 23.000 Menschen in Berlin gegen diese Art der zerstörerischen Erzeugung demonstriert
unter dem Motto „Wir haben es satt“. Die Polemik von Frau Aigner hat unter Entwicklungspolitikern Kopfschütteln und Empörung ausgelöst: Deutsches Billigfleisch zur Bekämpfung des Hungers in der Welt - ich dachte, wir wären in dieser Debatte eigentlich schon weiter.
Ein weiteres Wort zu unserem Antrag. Er enthält die Forderung nach einer lückenlosen Dokumentationspflicht für den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung.
Schwarz-Gelb hat in der Vergangenheit - gerade erst wieder vor einem Jahr - in unverantwortlicher Weise Ausnahmen für die Geflügelbranche geschaffen. Diese müssen endlich abgeschafft werden. Wir müssen endlich Transparenz in die Antibiotikaströme in der Tierhaltung hineinbringen.
Ich hoffe, wir haben in der Kürze der noch verbleibenden Legislaturperiode Zeit, die Anträge von uns, der SPD und der LINKEN, im Ausschuss zu beraten, um sie dann auf den Weg zu bringen, damit endlich mit einer klaren Positionierung aus Schleswig-Holstein heraus eine Anpassung der Bundesgesetzgebung erfolgt.
Ich betone nochmals: Es reicht nicht aus, an den Symptomen herumzudoktern, wir müssen uns den Ursachen zuwenden. Dieser Antibiotika-Einsatz ist systemimmanent in der industriellen Massentierhaltung. Im Geflügelbereich haben wir seit Jahrzehnten Zustände erreicht, die unerträglich und inakzeptabel sind. Es gibt dafür überhaupt keine Akzeptanz mehr in der Bevölkerung. Diese Entwicklung ist weder im Interesse von Bäuerinnen und Bauern noch im Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Formen von Tierhaltung, die hier praktiziert werden, sind weder umweltnoch tiergerecht und haben mit Bäuerlichkeit überhaupt nichts zu tun.
Die Tierhaltung zerstört jeden Ansatz einer nachhaltigen ländlichen Wirtschaftsentwicklung und ist alles andere als ein Modell einer Zukunftslandwirtschaft.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hay, die Initiative, die Sie gestartet haben - ich weiß, wir haben im Agrarausschuss schon des Öfteren darüber diskutiert - begrüßen wir von der CDU.
Ihr Schlusswort - zur Hälfte zumindest - können wir nur unterstützen. Jegliche Initiative für höhere Preise für den Erzeuger in der Hähnchenmast können wir nur gutheißen und würden wir auch politisch jederzeit unterstützen. Das kann nur gut sein.
Fakt ist aber - damit komme ich zum Punkt -: Alle guten Wünsche und alle guten Initiativen sind bisher leider gescheitert. Das liegt nun nicht vorrangig an der Politik, sondern zum Teil auch am System, da muss ich Ihnen teilweise recht geben.
Wir kommen zu Schleswig-Holstein. Ich will Ihnen einmal darstellen, wie heutige Geflügelhaltung - besonders im Hähnchenmastbereich - aussieht. Wir haben erwähnt, dass wir momentan in Schleswig-Holstein 36 Betriebe mit insgesamt 2,5 Millionen Mastplätzen für Hähnchen und einem Produktionszyklus von 35 Tagen haben, also mit sieben bis acht Durchgängen im Jahr, mit wenig Zuchtunternehmen, die das Zuchtmaterial - die Eintagsküken liefern und mit wenig abnehmenden Unternehmern im Handel. Das beschränkt sich meist auf ein, zwei oder drei Unternehmen, und das macht die Situation nicht einfacher.
Die Mindestgröße einer Stallanlage muss bei 40.000 Plätzen liegen, sonst lohnt es sich wegen der Festkosten nicht. Man braucht eine Lüftung, man braucht eine Fütterung, man braucht Infrastruktur, man braucht Wasser, man braucht eine Genehmigung und alles, was dazugehört. So rechnet es sich unter dieser Mindestgröße überhaupt nicht.
Ich habe mich - ich bin froh, dass Sie die Initiative mit ergriffen haben - mit aktiven Hähnchenmästern in Verbindung gesetzt und es mir vor Ort angeschaut. Es sieht dann so aus: Sie bekommen zu einem festgelegten Termin die Menge an Eintagsküken aus definierten Herkunftsbetrieben geliefert. Sie bereiten den Stall vor, heizen auf, desinfizieren und streuen ein. Sie machen alles so, dass sich ein Eintagsküken - es ist einen Tag alt, das müssen Sie wissen - in diesem Bereich so wohlfühlen kann, dass es am zweiten Tag nicht durch Kälteschock, weil es seinen eigenen Energiehaushalt noch nicht regulieren kann, zu Schäden kommt oder krank wird.
Der Erzeuger, der bestellt, weiß, aus welchem Herkunftsbetrieb diese Küken kommen, informiert sich und bekommt ein Antibiogramm vom Herkunftsbetrieb - das ist den Lieferprotokollen beigelegt -, und er weiß, wie er zu reagieren hat. Über
QS - Qualität und Sicherheit; ein gefordertes Siegel des Handels, das alle Erzeugerbetriebe das liefern wird vorgeschrieben, was an Vitaminen an einer sogenannten Einstallprophylaxe eingesetzt werden darf. Es gibt einen genauen Plan, wie sie damit umgehen. Insofern sind die Halter gut vorbereitet und bereiten auch für das Tier alles optimal vor.
Dann beginnen zwangsläufig im Vergleich zum schweine- oder rinderhaltenden Betrieb die Unterschiede. Wir wissen, wenn 40.000 kleine Eintagsküken in einem Stall aufgestallt nebeneinander auch bei optimalen Bedingungen - gehalten werden, ist es nicht möglich - auch wenn man täglich erfahrenes Personal durch den Stall laufen lässt - zu erkennen, ob ein Tier nun klinisch erkrankt ist oder nicht. Sollten Sie aber feststellen, dass etwas in der Futterkurve, im Wasserverbrauch oder tatsächlich im Bestand der abgehenden Tiere nicht stimmt, müssen Sie sofort eingreifen. Wenn Sie nicht eingreifen, wissen Sie, dass Sie dem Tierwohl enorm schaden. Also müssen Sie behandeln, und das möglichst schnell. Deswegen ist ein durchaus annehmbarer Einsatz von Antibiose begründet. Das muss sein, das wird von Tierärzten begleitet, und es läuft bisher aus unserer Sicht in der Praxis in SchleswigHolstein ausgesprochen ausgeglichen und hervorragend zum Wohl der Tiere.
Bei der Preisgestaltung müssen Sie wissen, dass Sie am Ende heutzutage Preise von circa 85 ct je Kilogramm Schlachtgewicht erlösen. Das ist nicht sehr viel. Die Halter und Hähnchenmäster, die ich kenne, würden natürlich gern sehr viel mehr erlösen. Das haben Sie erwähnt. Es gibt Initiativen in Süddeutschland - auch über große Erzeugerorganisationen -, die durchaus bereit sind, auf die Wünsche des Handels und der Kundschaft - das haben Sie kundgetan - einzugehen.
Würden - das sind Aussagen vom Geflügelhalterverband - die Erzeugerpreise um nur 10 ct auf 95 ct oder sogar auf 1 € pro Kilogramm Schlachtgewicht steigen, wäre man durchaus in der Lage, die Bestandsdichten zu verringern.
Wir wollen nicht zurück in die 50er-Jahre. Wir wollen moderne Landwirtschaft. Wir wollen das Tierwohl. Wir wollen auch, dass die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein sich einem Markt stellt, der durchaus zukunftweisend ist. Wir wissen, dass die Dritte Welt mit unseren Produkten nicht überlastet und überfrachtet wird. Wir liefern heute in Märkte, die das durchaus bezahlen können. Die Wachstumsmärkte - das wissen Sie alle - sind in China und Indien. Die wollen Geflügelfleisch. Geflügel hat eine hervorragende Futterumsetzung - mit die beste der
Wir hoffen, dass wir in eine gemeinsame Richtung gehen, die positiv für das Tier und für unsere aktive Landwirtschaft sind. Wir unterstützen eine Initiative vom BMELV, ein Monitoring, das im Frühjahr beginnt. Wir hoffen auch auf Initiativen ähnlich wie im Bereich der Schweinehaltung, wo im Bereich Tierwohl und Medikamenteneinsatz geforscht wird. Wenn das der Kunde, der Handel, die Erzeuger und die Erzeugerorganisationen gemeinsam gestalten und wir in der Politik das unterstützen, sind wir für alle auf einem guten Weg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt zum AntibiotikaEinsatz in der Tierhaltung reden wir heute über ein Thema, das in den letzten Jahren in der Agrar- und Verbraucherpolitik immer wieder diskutiert wurde. Zu oft waren leider negative Schlagzeilen der Anlass.
Der Einsatz von Antibiotika in der Lebensmittelproduktion sollte stets mit Sorgfalt und Verantwortung stattfinden. Ich gehe davon aus, dass in diesem Punkt fraktionsübergreifende Einigkeit herrscht.
Die FDP ist davon überzeugt, dass in SchleswigHolstein die Landwirtschaft verantwortungsvoll mit dem Einsatz von Antibiotika umgeht. Bevor nicht eine belastbare Datenerhebung in Schleswig-Holstein stattgefunden hat,