Trotzdem bin ich wie Sie der Auffassung, dass neue Wege gefunden und gegangen werden müssen, damit diese für Menschen und Tiere wichtigen Arzneimittel nicht durch die Entwicklung und Ausbreitung resistenter Bakterienstämme ihre Wirksamkeit verlieren. Es ist deshalb - Herr Brodersen, da stimme ich mit Ihnen überein - neben den in der Humanmedizin zu treffenden Maßnahmen auch notwendig, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu überdenken und auf das zur Behandlung ernsthafter Infektionskrankeiten unerlässliche Maß zu minimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es meines Erachtens aber nicht erforderlich, weitere landesweite Studien durchzuführen, sondern Lösungsansätze zu finden, die länder- und mitgliedstaatenübergreifend wirksam sind.
Als Reaktion auf die in den Studien aus NordrheinWestfalen und Niedersachsen gewonnenen Erkenntnisse hat Bundesministerin Aigner als ersten Schritt ein Maßnahmepaket und einen Änderungsentwurf des Arzneimittelgesetzes vorgelegt. Damit wird die Transparenz in der Arzneimittelanwendung ermöglicht und der Einsatz von Antibiotika bei Tieren gezielter vorgenommen und damit reduziert.
Schleswig-Holstein unterstützt die vom Bund vorgeschlagenen Änderungen des Arzneimittelrechts, die aber durch weitere flankierende Maßnahmen in einem ganzheitlichen Ansatz zu ergänzen sind. Nur eine umfassende Betrachtung und Berücksichtigung aller Aspekte, also Tierhaltung, Tiergesundheit, Tierschutz, Tierzucht, Tierernährung und Hygiene, haben aus meiner Sicht Aussicht auf Erfolg. Deshalb ist die Konzeption eines durch Bund und Länder getragenen nationalen Antibiotikaminimierungskonzeptes der richtige und der vorrangige Weg. Wir sollten uns hüten, hier in Aktionismus zu verfallen. Das würde niemandem nützen - ebensowenig wie eine pauschale Systemdebatte.
Diese Gedanken werden von meinen Länderkollegen parteiübergreifend geteilt. Auf der Amtschefkonferenz der Agrarressorts von Bund und Ländern am 19. Januar 2012 in Berlin ist das Bundesministerium daher gebeten worden, in Zusammenarbeit mit den Ländern ein verbindliches nationales Antibiotikaminimierungskonzept zu erarbeiten, in dem die einzelnen Schritte zur notwendigen Reduktion
des Antibiotika-Einsatzes in der Nutztierhaltung festgelegt werden. Dieses Konzept soll ein umfangreiches Paket praktikabler Lösungen enthalten wie zum Beispiel die verbindliche Einführung von Indikatoren zur quantitativen und qualitativen Einschätung des Antibiotika-Einsatzes und Änderungen der einschlägigen Rechtsnormen für eine erhöhte Transparenz der Vertriebswege. Auch die Tierhalter sollen durch die verpflichtende Einführung wirksamer Eigenkontrollsysteme einen wichtigen Beitrag hierzu leisten. Ziel muss in jedem Fall die Sicherstellung und Verbesserung des sorgfältigen Einsatzes von Antibiotika sein, um die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu begrenzen.
Die Europäische Kommission hat sich akutell mit einem entsprechenden Aktionsplan in die Diskussion eingebracht. Dieser Aktionsplan enthält Maßnahmen für die nächsten fünf Jahre, die die steigende Gefahr der Antibiotikaresistenzen mit den daraus erfolgenden globalen Gesundheitsproblemen abwehren sollen. Dieses wird von mir auch ausdrücklich begrüßt. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass die EU-weit und national vorgesehenen Maßnahmen sorgfältig geprüft und möglichst schnell bundeseinheitlich umgesetzt werden. Ich begrüße auch die beantragte Ausschussüberweisung. Ich denke, dass wir einige Dinge aus der heutigen Debatte noch fachlich gründlich beraten und zum Teil richtigstellen können.
Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Mich hat die Diskussion doch eher beunruhigt als beruhigt. Ich erlebe die CDU-Seite wieder einmal als diejenige, die Probleme, die erkannt sind, kleinredet, die Lösungen möglichst klein hält. Auch Ihr Beitrag, Frau Ministerin, hat im Wesentlichen die Botschaft gehabt, in SchleswigHolstein sei die Welt noch in Ordnung. Da verwechseln Sie den Nachweis von Antibiotika in Lebensmitteln mit dem Entstehen von resistenten Keimen, die auf Lebensmitteln massenhaft nachgewiesen worden sind.
Selbstverständlich haben wir die Hemmstofftests in der Fleischhygiene. Die Hemmstoffe werden in einer ausreichenden Frequenz amtlich nachgewiesen. Die Resistenzbildung setzt die minimale Hemmstoffkonzentrationsüberschreitung vorweg, und die haben wir dann in der Anwendung. Da entstehen resistente Keime im Organismus der betroffenen Tiere während der Behandlung und bei dem sie pflegenden Personal. Dann finden wir solche resistenten Keime nachweislich in den Produkten, die zu den Menschen kommen. Da ist die schleswig-holsteinische Haltung in keiner Weise frei von Beiträgen negativer Art.
Wir haben es schlicht mit dem Problem zu tun, dass wir eine massenhafte Tierhaltung etabliert haben, die für die Tiere nicht verträglich ist. Die Tiere dekompensieren, sie können mit diesem System nicht klarkommen. Damit sie klarkommen, werden Antibiotika eingesetzt. Wir haben es tierschutzrechtlich mit dem Phänomen der Anpassung von Tieren an Haltungssysteme zu tun. Das ist meiner Meinung nach die Ursache.
Ich möchte erst noch meinen Gedanken zu Ende bringen. Von der CDU ist vorgetragen worden, es sei so schön, dass wir Wachstumsmärkte in Indien und China mit günstigem Geflügelfleisch versorgen könnten. Wenn Sie damit die Dritte-WeltDebatte führen wollen, geht der Schuss gewaltig nach hinten los.
Solange Europa Futtermittel von 30 Millionen ha importiert, also seine Fläche sozusagen in der Dritten Welt um 30 Millionen ha erweitert, haben wir es mit einer Situation zu tun, dass wir diese 30 Millionen ha den Bewohnern in der Dritten Welt als Anbaufläche schlicht stehlen.
Die sind dann nicht in der Lage, unsere so produzierten Lebensmittel zu kaufen. - Bitte schön, Herr Rickers!
Ich habe eine ganz andere Frage: Auf der Grünen Woche ist vom Bundesinstitut für Risikoforschung berichtet worden, dass die multiresistenten Keime - anders als Sie behaupten - oft im Schlachtbetrieb von Tier zu Tier übertragen werden. Sie sind Fachmann. Teilen Sie meine Auffassung, dass das die richtige Aussage ist? Es muss nicht sein, dass sich die multiresistenten Keime in den Betrieben so vermehren, dass sie auf dem Tier sind.
Zweite Frage: Ist Ihnen bekannt, dass beim Zubereiten von Geflügelfleisch die tägliche Hygiene eingehalten werden soll und in der Vergangenheit eingehalten werden sollte, also unterschiedliche Bretter zum Schneiden, Messer unterschiedlicher Art verwendet werden sollen, Händewaschen wichtig ist und die Speisen natürlich so erhitzt werden, dass multiresistente Keime leicht abgetötet werden? Dann besteht für den Verbraucher überhaupt keine Gefahr.
- Herr Kollege, beide Fragen beantworte ich mit Ja, sie befreien uns aber nicht von den Kausalbetrachtungen. Richtig ist, dass es durch Schlachtvorgänge zu einer Verbreitung solcher multiresistenten Keime kommt, einer Übertragung auf Tiere, die sie vorher möglicherweise nicht hatten und die sie nach der Schlachtung haben. Die Frage befreit uns aber nicht von der Kausalitätsbetrachtung, woher die resistenten Keime kommen. Die werden natürlich vom angelieferten Schlachtvieh in die Schlachtung gebracht. Da müssen wir ansetzen, wir brauchen eine tierverträgliche Haltung, die so tierkonform und artgerecht ist, dass wir keinen Antibiotika-Einsatz mehr brauchen, um die Tiere an die Haltungsform anzupassen.
Wir müssen es umdrehen, die Haltungsformen müssen so konfiguriert sein, dass die Tiere nicht oder nur noch in sehr geringem Maße krank werden.
Auch die zweite Frage ist wichtig, der Umgang in den Haushalten. Wir haben eine Fülle von Convenience-Produkten. Das habe ich gemerkt, als ich Bratäpfel verteilt habe. Es gibt Haushalte, die überhaupt keinen Herd mehr haben, wo sie etwas in den Backofen tun können. Ich habe ihnen gesagt, es gehe auch in der Mikrowelle. Da habe ich gemerkt, dass es Leute gibt, die nicht kochen und mit Lebensmitteln nicht ordentlich umgehen können. Das ist ein weiteres Problem. Die Probleme, die es gibt,
werden - genauso wie der Hunger in der Welt, den es gibt - als wohlfeile Ausweichargumente herangezogen, um ja nicht die Produktionsbedingungen für unsere Tiere diskutieren zu müssen; die sollen durch solche Nebenkriegsschauplätze aus der Argumentation herausgehalten werden.
Wir wollen nicht über die Hausfrauen und Hausmänner diskutieren, die nicht ordentlich kochen können, sondern wir wollen die Ursachen diskutieren. Wir brauchen eine bessere Tierhaltung. Das hat etwas mit Politik zu tun. - Die Zwischenfrage wäre damit beantwortet.
Wir diskutieren das in einem politischen Umfeld. Es hat mit Politik zu tun, dass die Zahlen in einem grün geführten Ministerium herausgearbeitet, untersucht und veröffentlicht wurden.
Lieber Kollege Matthiessen, Ihre Redezeit war schon vor Stellung der Zwischenfrage abgelaufen. Ich bitte Sie, den letzten Satz zu formulieren.
Ich sehe zu meinem Entsetzen das auch hier auf der Uhr, Frau Präsidentin, und muss Ihnen in jeder Beziehung recht geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 17/2065 und 17/2163 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/2204 dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Trotzdem mache ich der guten Ordnung halber die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Ich erteile dem Berichterstatter des Umwelt- und Agrarausschusses, Herrn Abgeordneten Detlef Buder, das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Entgegen dem üblichen Vorgehen muss ich etwas näher erläutern, was wir gleich beschließen werden.
Der Landtag hat dem Umwelt- und Agrarausschuss den Gesetzentwurf zur Änderung des Landesjagdgesetzes durch Plenarbeschluss vom 23. August 2011 überwiesen. Dieser hat den Gesetzentwurf in drei Sitzungen beraten und eine mündliche Anhörung durchgeführt. In dieser wurden schwerpunktmäßig unter anderem die Themen Abschussplanung insbesondere für Rotwild und Verwendung nicht bleihaltiger Munition diskutiert. Die letzte Beratung fand am 11. Januar 2012 statt.
Ich erinnere daran, dass der Landtag in seiner Dezember-Tagung das Gesetz zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes beschlossen hat. Hieran wurde eine Änderung notwendig. Deshalb kam der Ausschuss einstimmig zu der Auffassung, Ihnen zu empfehlen, den Gesetzesbeschluss der Dezember-Tagung aufzuheben und das Gesetz in geänderter Fassung zu beschließen. Diese Änderungen finden Sie in den neuen Artikeln 2 und 3. Daraus resultieren Folgeänderungen in Artikel 4, dem Inkrafttreten, und der Überschrift des Gesetzes.
Artikel 2, der Änderung des Landesjagdgesetzes, in der Fassung der rechten Spalte in Drucksache 17/ 2161 stimmten die Koalitionsfraktionen zu, die Oppositionsfraktionen stimmten dagegen.
Meine Damen und Herren, der Ausschuss empfiehlt Ihnen mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW, die Überschrift des Gesetzes in „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesjagdgesetzes, zur Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes sowie zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes“ zu ändern und dem Gesetz in der Fassung der rechten Spalte der aus Drucksache 17/2161 ersichtlichen Gegenüberstellung zuzustimmen.
Ich gehe davon aus, dass Sie das alles sachlich verstanden haben, und beende damit meine Ausführungen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für diese ausführliche, transparente und umfassende Berichterstattung. Herzlichen Dank, Herr Kollege Buder.
Wir kommen damit zur Aussprache, die ich hiermit eröffne. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Herr Abgeordnete Hartmut Hamerich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte als Erstes dem Kollegen Buder dafür danken, dass er in die etwas komplizierte Beschlussfassung eingeführt hat. Mein lieber Kollege Buder, eins möchte ich hier schon gleich richtigstellen für die, die es verstanden haben oder nicht verstanden haben: Bei den Problemen der Abschussplanung ging es nicht um das Rotwild, sondern um das Rehwild. Das ist etwas kleiner mit den kleineren Hörnern obendrauf.