Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

(Unruhe)

- Das Wort hat der Kollege Sönnichsen. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Anmerkungen zu vorangegangenen Beiträgen und dann noch ein Punkt zum Gesamten. Lieber Lars Harms, moralische Handschellen - ich möchte daran erinnern, dass die Landesregierung mit dem, was sie uns hier vorgelegt hat, dem nachkommt, was wörtlich in den Bemerkungen des Landesrechnungshofs 2011, die wir sehr ernsthaft bearbeitet haben, steht, der Mahnung, dass das Ausführungsgesetz vorgelegt wird. Nichts anderes steht da. Ich will der vereinigten Opposition gern zugutehalten, dass sie das nicht mitgetragen hat. Dafür müssen wir dann wie immer den Rücken gerade machen - und das tun wir auch gern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Liebe Frau Kollegin Herdejürgen, zu der Personalkostensteigerung um 71 Millionen €. Ich habe das so aufgefasst, als ob jetzt eine Sozialdemokratin zum ersten Mal Tariferhöhungen beklagt. Das ist nun einmal das wirkliche Leben.

(Heiterkeit bei CDU und FDP - Widerspruch der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

- Ich will Ihnen das erklären.

(Zuruf der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

- Meine Redezeit läuft gleich ab. - Dahinter liegt das Geheimnis, über das wir hier debattieren, von strukturellen Veränderungen. Es ist unsere Aufgabe, den Haushalt in seinen Ausgaben so zu gestalten, dass wir in der Lage sind, Tariferhöhungen, allgemeine Preissteigerungen und so weiter in jedem Jahr, so auch im abgelaufenen Jahr, zu realisieren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir diesen Weg gefunden haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen sind schon genannt worden. Noch nie wurde in einem Gesetzentwurf und einem Änderungsantrag so deutlich, wo die Unterschiede liegen. 900 Millionen € wollen Sie nach den Sollbeträgen von 2011 bis 2019 mehr ausgeben, so viel, wie wir in einem Jahr

Zinsen bezahlen. Wenn der Finanzminister das auf die Istzahlen bezieht, sind es sogar 1,8 Milliarden €. Das ist das, was wir in zwei Jahren an Zinsen bezahlen. Und das wollen Sie die nächsten acht Jahre mit herauspusten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier ist der ganz entscheidende Punkt, der mir auch ein bisschen Sorge bereitet - Herr Dr. Habeck, vielen Dank für Ihren Zwischenruf -, dass wir, nämlich die Koalitionsfraktionen, das, was hier im Gesetz steht, als absolute Höchstgrenzen ansehen, Sie das aber offensichtlich als Zielmarke ansehen. Das ist fatal für unser Land.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Jürgen Weber von der SPDFraktion hat nunmehr das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Regel sehe ich und sehen wir solche Wahlkampfinszenierungen sportlich und mit einer gewissen Gelassenheit. Aber anders als der Kollege Habeck hatte ich auch schon vor dieser Debatte keine Hoffnung, dass wir hier eine seriöse Debatte auf den Kernpunkt hin zugespitzt, wie wir die Schuldenbremse in diesem Land zu einem Erfolg führen können, erwarten können. Meine Erwartungen sind in der Tat erfüllt worden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es ist doch bemerkenswert - so viel will ich schon sagen -, dass wir in diesem Land die Schuldenbremse auch in unsere Landesverfassung integriert haben, um zu unterstreichen, dass wir das tun wollen, was wir aufgrund der grundgesetzlichen Bedingungen sowieso tun müssen, dass wir damit ein klares Signal abgeben. Sie können hier gern diese „Schulden-Koalitions-Nummer” fahren, denn es ist ja nicht sozusagen ein freiwilliger Akt oder ein Wunschakt, sondern es ist ein Verfassungsgebot, dass man die Schuldenbremse einhält. Jeder, der hier regiert - wer immer das ist -, muss die Verfassung einhalten. Wir werden das ab dem 6. Mai auch tun.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Und im Wahlkampf vorher nicht?)

Es ist aber ein zentraler Unterschied, wie man den Schuldenabbau in einer Gesellschaft, die noch viele Aufgaben zu erledigen hat, gemeinsam einbettet. Wir sagen: Wir können nicht Entwicklungen, Bildungschancen abwürgen, um nachher dann noch mehr Kosten für diese Gesellschaft zu verursachen, weil dann wieder repariert werden muss. Wir müssen beides tun: Schuldenabbau und eine vernünftige Sozial- und Bildungspolitik.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie vereinzelt bei der LINKEN und SSW - Zurufe von der FDP)

Deshalb trauen wir uns als Land Schleswig-Holstein genau das zu, was sich alle anderen Länder und auch der Bund zutrauen, einen Abbaupfad zu definieren, wie er in unserem Gesetzentwurf definiert ist. Wir tun das, was alle anderen auch tun. Wir machen keine „Brüning-Politik”, die die Chancen der Menschen in diesem Land abwürgt und sie nicht zur Entfaltung kommen lässt.

(Zurufe von der FDP)

Es gibt überhaupt keinen Grund - und das will ich gern leise sagen -, eine völlig illusorische Vorlage vorzulegen, wie das der Finanzminister tut. Es stellt sich auch die Frage - das darf man am Schluss einer solchen doch eher wahlkampfgeprägten Debatte sagen -,

(Zurufe von CDU und FDP)

wieso sozusagen ein Ausführungsgesetz zu einer Verfassungsnorm als „Last-Minute-Gesetz” hier „durchgehuscht” werden soll. Die meisten Länder bereiten das mit Sorgfalt vor. Sorgfalt ist hier längst vom Tisch, Sorgfalt kehrt wieder ab dem 6. Mai 2012 in dieses Haus ein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat sich der Kollege Lars Harms vom SSW gemeldet. Ich erteile ihm hiermit das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Sönnichsen hat sich gerade eben darüber empört, dass ich von moralischen Handschellen gesprochen habe. Aber es ist doch ei

gentlich ganz eindeutig, und auch der Kollege Habeck hat es noch einmal deutlich gemacht: Wir haben einmal einen Konsens gehabt. Der lautete in Zahlen gefasst: 1,3 Milliarden € als Ausgangswert. Sie haben den Konsens aufgekündigt, weil Sie der Auffassung sind, einer neuen Regierung unbedingt Handschellen anlegen zu wollen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Widerspruch bei CDU und FDP)

Dazu sage ich das, was wirklich der Fall ist: Sie wollen uns beziehungsweise einer neuen Regierung - also doch uns - Handschellen anlegen. Das ist von Ihnen aus gesehen das Verlassen des gemeinsamen Konsenses. Ich finde das schade, denn wir waren in diesem Land schon einmal weiter.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Koch?

Gern. Ich habe ja noch Zeit.

Herr Kollege Koch!

Sie haben gerade gesagt, wir hätten einen Konsens über 1,3 Milliarden € gehabt. Ich würde Sie gern fragen: Zu dem Zeitpunkt, als wir den Konsens hatten, nämlich im Mai 2010, als wir die Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben haben, kannten wir da die Zahl 1,3 Milliarden € schon, oder gab es damals die Zahl von 1,25 Milliarden € auf Basis der Landesmethode errechnet, die sich dann am Ende des Jahres 2010 auf 1,1 Milliarden € reduziert hat?

(Martin Habersaat [SPD]: Ich bin sicher, dass es damals schon alle Zahlen gab! - Weitere Zurufe von der SPD)

Lieber Kollege Koch, es gab im Prinzip zu dem Zeitpunkt noch gar nichts.

- Doch, es gab -

- Lieber Kollege Koch, hören Sie mir doch bitte zunächst einmal zu. Ich wollte Ihnen noch eine Antwort geben.

(Jürgen Weber)

- Entschuldigung!

(Weitere Zurufe von der CDU)

- Es wäre nett, wenn man auch mir einmal zuhören würde. Ich möchte dem Kollegen Koch gern eine Antwort geben. Es gab damals nur die Klarheit, dass sich die Landesregierung Schleswig-Holstein wie viele andere Landesregierungen auch - auf Bundesebene mit dem Bund ins Benehmen setzen und Regelungen finden wollte, wie man diese Größe nachher für alle geltend auch entsprechend berechnet. Ich habe gesagt, am Ende kamen dann 1,3 Milliarden € dabei heraus. So ist das Leben. Das ist auch in Ordnung, weil das ein Konsens ist, den alle zusammen hier gefasst haben. Das ist nicht nur ein schleswig-holsteinischer Konsens, sondern ein bundesweiter Konsens, wie man auf diese Zahl kommt. Deshalb finde ich es schade, wenn man diesen Konsens hier im Parlament aufkündigt.

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Nein, nein. Meine Frage wurde nicht beantwortet. Gab es damals, als wir die Verfassung geändert haben, eine Zahl von 1,25 Milliarden € auf Basis der Landesmethode errechnet, die damals auch Konsens war? Sie haben alle davon gesprochen, wir müssten sie in 120-Millionen-€Schritten abbauen. Ich glaube, diese Zahl hat jeder noch im Kopf. Gab es die damals im Jahr 2010 oder nicht, und war das nach der Landesmethode berechnet?

Lieber Kollege Koch, selbst diese Zahl liegt über den Werten, die Sie heute anwenden wollen. Insofern könnte das vielleicht ein Kompromiss sein, wenn Sie sich hier einmal bewegen würden, lieber Kollege.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist viel wichtiger, über Inhalte zu diskutieren als über diese Zahlen zum Abbaupfad. Es geht doch darum, was wir in der Bildung erreichen wollen. Brauchen wir noch mehr Lehrerstellen oder nicht?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])