Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Sie sehen, es ist sichergestellt, dass wir - genauso wie wir es bei der Kanalschleuse erreicht haben die Erweiterung des Kanals erreichen werden, dass diese Mittel kommen werden. Es gibt eine klare Interessenwahrnehmung Schleswig-Holsteins in Berlin in dieser Frage. Sie werden es in Kürze erleben, Herr Abgeordneter Tietze, es gibt auch eine erfolgreiche Interessenwahrnehmung dieser Landesregierung für die Interessen Schleswig-Holsteins, was die A 20 anbelangt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE, Drucksache 17/2302 (neu), abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag Drucksache 17/2314 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Mädchen und Frauen im Strafvollzug des Landes Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1754

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/2135

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Situation der Mädchen und Frauen im Strafvollzug des Landes ist in der Antwort der Landesregierung umfassend beantwortet worden. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses für ihre ausgezeichnete und aufwendige Arbeit bei der Beantwortung der Anfrage. Es handelt sich um eine Anfrage, die von der LINKEN im April 2011 fast wortgleich bereits im Landtag von Nordrhein-Westfalen gestellt wurde,

(Zurufe von der LINKEN)

so wortgleich, dass das MJGI auch zur Situation weiblicher Häftlinge in Nordrhein-Westfalen befragt wurde.

(Minister Jost de Jager)

(Vereinzelter Beifall und Heiterkeit bei FDP und CDU)

Ich will einem gesteuerten politischen Zentralismus der LINKEN nicht das Wort reden, aber ich gehe davon aus, dass Sie Verständnis dafür haben werden, dass wir diese Frage nicht beantworten konnten.

(Heiterkeit und Beifall des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frauenvollzug kann der besonderen Situation von Frauen in Haft nur gerecht werden, wenn er sich nicht am Vollzug für Männer orientiert. Der Anteil von Frauen im Vollzug im Land beträgt nur 5 %. Auffallend sind die Unterschiede der Delikte zwischen den sich in Haft befindenden Frauen und Männern. So ist der Anteil an Gewaltdelikten bei Frauen gering, und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung spielen zahlenmäßig keine Rolle. Der Anteil von Suchterkrankungen ist hingegen bei den Frauen im Vollzug wesentlich höher als bei den Männern. Im Vollzug stellen Frauen auch ein deutlich geringeres Sicherheitsrisiko dar.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Warum wohl!)

- Weil die Gewaltbereitschaft von Frauen insgesamt geringer ist. Deshalb sind auch die Sicherungsanforderungen niedrig, und die Freizügigkeit innerhalb des Frauenvollzugs ist groß.

Diesen Besonderheiten trägt der Strafvollzug in Schleswig-Holstein in vielerlei Hinsicht Rechnung. Der Frauenvollzug ist auf dem Gelände der JVA Lübeck in einem gesonderten Haus mit 60 Haftplätzen untergebracht. Zudem wurde ein Arbeitsgebäude speziell für Frauen errichtet. Um die besonderen Bedürfnisse der inhaftierten Frauen zu berücksichtigen, wird auf eine weitgehende Selbstständigkeit geachtet. Ein wichtiges Element ist dabei eine hohe Freizügigkeit innerhalb des Vollzugs. Die Zeiten der geöffneten Hafträume sind verlängert, und das Tragen von Privatkleidung auch während der Arbeitszeit ist erlaubt. Die Haftraumausstattung mit eigenen Gegenständen wird großzügig gehandhabt, und es gibt viele Sonderbesuchsmöglichkeiten für Kinder und Familien.

Schulische und berufliche Angebote haben eine andere Bedeutung als im Männervollzug. Die meisten Frauen verfügen über Schulabschlüsse und benötigen daher eher individuelle Angebote und Betreuung. Wichtig ist das Kursangebot „Deutsch als Zweitsprache“ sowie ein Elementarkurs, in dem

auch Inhaftierte, die nicht lesen und schreiben können, Deutsch erlernen können. Die Kurse sind aufgrund der geringen Teilnehmerzahl so gestaltet, dass jederzeit neue Gefangene einsteigen können. Zudem werden EDV-Kurse und eine Teilqualifizierung im Textilbereich angeboten. Insgesamt bietet die Anstalt Arbeitsplätze für 29 Frauen, was ausreichend ist, um alle arbeitsfähigen und arbeitswilligen Gefangenen zu beschäftigen.

Besondere Bedeutung findet in der Betreuung das Thema Drogenberatung. Da ein großer Anteil der inhaftierten Frauen Drogenprobleme hat, ist die externe Drogenberatung speziell auf frauenspezifische Aspekte ausgerichtet und hat spezielle Programme in der Beratung von Frauen. Betreut werden die Frauen von einer Anstaltspsychologin, die für die 60 Haftplätze zur Verfügung steht. Auch sind die Bediensteten im Frauenvollzug speziell für ihre Tätigkeit ausgewählt und werden kontinuierlich im Team fortgebildet.

Ein besonderes Thema stellt der Bereich Kinder und Familie dar. In Lübeck gibt es keine Einrichtung für Mütter mit Kindern, da wegen der geringen Anzahl der Gefangenen die jeweiligen Kinder vereinsamen würden. Das wäre kein kindgerechtes Aufwachsen. Um aber den Kontakt der in Lübeck inhaftierten Gefangenen zu ihren Kindern und Familienangehörigen zu unterstützen, werden die Besuchsregelungen großzügig und individuell gestaltet. Alle Strafgefangenen können regelmäßig vier Stunden Besuch pro Monat empfangen. Auch werden Sonderbesuche gewährt. Der Besuchsraum im Frauenvollzug wird dem Spielbedürfnis der Kinder in seiner räumlichen Gestaltung und dadurch gerecht, dass ausreichend Spielzeug vorhanden ist. Angeboten und genutzt wird auch die Möglichkeit des Langzeitbesuchs, also des Besuchs über einen ganzen Tag in einem gesonderten Raum.

Sobald die Gefangenen lockerungsgeeignet sind, werden zur Stärkung der Beziehung zu Kindern und Familie Ausgänge und Urlaube gewährt, zu deren Vorbereitung und Begleitung in problematischen Situationen sowohl interne als auch externe Mitarbeiter besonderer Fachdienste, zum Beispiel das Jugendamt, herbeigezogen werden.

Jugendliche Strafgefangene befinden sich nicht im Vollzug in Lübeck. Sie werden in der Jugendanstalt in Vechta in Niedersachsen untergebracht. In den letzten Jahren war dort jeweils nur eine Jugendliche inhaftiert. Die jugendlichen Frauen sind in der mit pädagogischen und behandlerischen Angeboten ausgestatteten Anstalt in Vechta besser unterge

(Minister Emil Schmalfuß)

bracht, als sie es zusammen mit erwachsenen Frauen in Lübeck wären.

Auch die Bedürfnisse älterer Frauen im Strafvollzug werden in Lübeck besonders beachtet. So finden besondere Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge auch bei externen Ärzten statt. Physiotherapie oder Massagen werden ermöglicht, und altersgemäße Bewegungsmöglichkeiten werden vorgehalten. Auch kann die Anstaltspsychologin individuell psychotherapeutisch auf die Notwendigkeiten und Bedürfnisse der älteren Frauen im Vollzug eingehen.

Um der Situation ausländischer Frauen im Vollzug gerecht zu werden, werden regelmäßig Dolmetscher herbeigezogen. Ebenso wird Rücksicht auf religiöse Gebräuche in Unterbringung und Ernährung genommen. Das Angebot der Teilnahme an Deutschkursen und eine Bemühung um muttersprachliche Betreuung durch Ehrenamtliche findet großen Anklang. Insgesamt ist der Anteil der ausländischen Frauen im Strafvollzug eher gering. In den letzten Jahren waren unter 10 % ausländische Frauen inhaftiert.

Meine Damen und Herren, alle vorgenannten Fakten machen deutlich, dass der Frauenvollzug in Schleswig-Holstein räumlich und personell gut ausgestattet und mit seinen diversen Behandlungsmöglichkeiten auf die speziellen Bedürfnisse weiblicher Gefangener ausgerichtet ist.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Der Herr Minister hat seine Redezeit um eineinhalb Minuten überschritten. Diese Zeit steht jetzt auch den Fraktionen zur Verfügung.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Ranka Prante für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Über den Strafvollzug von Frauen und Mädchen herrscht große Unwissenheit. Es gibt nur sehr wenig Fachliteratur zu dem Thema, und die ist bereits sehr veraltet. Ich bin sehr froh, dass wir, DIE LINKE, mit dieser Anfrage dazu beigetragen haben, dass dieses Defizit abgebaut werden kann. Ich danke aber auch der Verwaltung für die umfangreichen Antworten, die sehr zur Aufklärung der Situation beigetragen haben.

Im Strafvollzug ist nicht nur die Zahl der Männer viel höher als die Zahl der Frauen; auch die Deliktarten beziehungsweise die Umstände, unter denen Männer und Frauen inhaftiert werden, unterscheiden sich deutlich voneinander. Frauen im Strafvollzug sind weitaus weniger gewalttätig als Männer und können daher auch besondere Freiheiten genießen. Das ist gut, und das ist auch richtig. Aber darauf kann man sich in unseren Augen nicht ausruhen.

In der Antwort der Landesregierung wird aber deutlich, dass es kein Konzept gibt, das den Besonderheiten von Frauen im Strafvollzug Rechnung trägt. Die Landesregierung unterscheidet im Strafvollzug nicht oder nur ungenügend zwischen Frauen und Männern. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass man vom Männervollzug, bei dem es aus unserer Sicht eine Menge Verbesserungsmöglichkeiten gibt, ausgeht und den Frauenvollzug etwas liberaler gestaltet. Unser Ziel ist eine Analyse der besonderen Bedürfnisse von Frauen im Vollzug. Die Frage ist: Was brauchen Frauen, damit sie befähigt werden, ein straffreies, selbstbestimmtes Leben zu führen?

Nehmen wir die Weiterbildung und Arbeitssituation der Frauen in der JVA Lübeck. Während Männer im schleswig-holsteinischen Strafvollzug aus einer Vielzahl von Ausbildungsmöglichkeiten wählen können, haben die Frauen in Lübeck die Wahl zwischen einem genannten Teilqualifizierung-Textilkurs oder einem EDV-Kurs. Das schulische Angebot beschränkt sich auf Deutsch und Hauptschulkurse. In unseren Augen ist das ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem Verständnis der LINKEN müssen Frauen, die aus schwierigen Lebenslagen kommen, im Vollzug die Möglichkeit haben, ihr Leben neu zu ordnen. Sie müssen sich Chancen erarbeiten können, und die Landesregierung hat die Pflicht, ihnen Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen Maßnahmen zu geben. So steht es im Strafvollzugsgesetz. Das kann man von den Angeboten in Lübeck nur mit sehr viel gutem Willen behaupten. Sie geben hier ein Paradebeispiel von struktureller Benachteiligung von Frauen durch die Landesregierung.

Ein weiteres Problem ist die Ausstattung der Vollzugsanstalten mit qualifiziertem Personal. Ich meine damit Sozialarbeiterinnen und Psychologinnen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir

(Minister Emil Schmalfuß)

von Frauen sprechen, die in besonders schwierigen Situationen und Lebenslagen sind. Aber auch ihre psychische Belastung ist enorm hoch. 30 % haben psychische Probleme. 15 % haben sogar selbstverletzende oder suizidale Tendenzen. Ich betone: Das sind die offiziellen Zahlen. Von der Dunkelziffer möchte ich hier gar nicht sprechen, denn Inhaftierung und Trennung von Familie und Freunden ruft bei jedem Menschen eine besondere psychische Belastung hervor.

Die Landesregierung glaubt aber, dieser besonderen Lebenssituation ausreichend zu begegnen, wenn sie eine Psychologin mit 30 Wochenstunden abstellt, um 60 Frauen mit schweren Problemen zu betreuen. Das ist in unseren Augen der blanke Hohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letzter Punkt. Die Hälfte der Frauen im schleswig-holsteinischen Strafvollzug ist von illegalen Drogen abhängig. Das ist ein sehr hoher Wert. Gleichzeitig ist der weitaus größte Teil der Frauen wegen Diebstahl und Eigentumsdelikten inhaftiert. Das lässt vermuten, dass wir es hier zu einem großen Teil mit Beschaffungskriminalität zu tun haben. Diese Frauen brauchen keine Strafe, sie brauchen Hilfe.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen wäre das Ganze - nebenbei gesagt - sogar günstiger für die Staatskassen, denn Hilfe ist wirksamer als Strafe und somit auch billiger.

Wenn man jetzt noch die Frauen, die wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz inhaftiert sind, hinzuzählt, kommt man zu dem Schluss, dass der größte Anteil der Frauen in schleswig-holsteinischen Vollzugsanstalten Täterinnen, aber zugleich Opfer einer verfehlten Drogenpolitik sind.

(Beifall bei der LINKEN)