Die Anfrage der LINKEN zeigt aber in ihrer Detailfreudigkeit auch, dass Sie offenbar auch nach über 20 Jahren DDR-Vergangenheit immer noch davon ausgehen, dass ein Staat, eine Regierung alles über einen Menschen, über seine Bürger weiß oder wissen muss, was ihn ausmacht. Datenschutz null, wie damals!
Freiheitsentzug belastet Frauen im besonderen Maße. Sie werden häufiger von ihren Lebenspartnern verlassen und leiden stärker unter der Trennung von ihren Kindern als Männer. Weibliche Kriminalität ist anders als männliche, was sich auch dadurch ausdrückt, dass wirkliche Gewaltdelikte eher nicht vorkommen, dafür Eigentums- und Vermögensdelikte. Dass Frauen anders sind als Männer, werden mir sicherlich alle männlichen Anwesenden bestätigen; umgekehrt, davon gehe ich aus, gilt dasselbe. Deshalb ist es richtig, dass sich der Strafvollzug bei Frauen auch von dem der Männer unterschei
det. Da Frauen aufgrund fehlender Gewaltbereitschaft ein geringeres Sicherheitsrisiko darstellen, kann auch die Freizügigkeit innerhalb des Frauenvollzugs größer sein als bei Männern. Allein das macht deutlich, dass hier ein anderer Ansatz im Strafvollzug für Frauen gemacht wird als bei Männern.
Der Bericht zeigt eindrucksvoll, dass in SchleswigHolstein auf genau diese unterschiedlichen Kriterien eingegangen wird und der Resozialisierungsgedanke eine überwiegende Rolle spielt. Da entgegen übrigens allen anderslautenden Vermutungen und Behauptungen die meisten Frauen, die im Strafvollzug sind, einen Schulabschluss haben, gibt es individuelle Angebote in der Weiterbildung. Es wird auf Kinder und Familie Rücksicht genommen, indem es ausgeweitete Besuchszeiten gibt. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ebenso gibt es für die familiäre Bindung und Wiedereingliederung großzügige Ausgangszeiten und Urlaub.
Wie in anderen Haftanstalten anderer Bundesländer gibt es auch in Schleswig-Holstein einen großen Anteil Frauen mit Drogenproblemen. Ich habe dem Bericht nicht entnommen, dass dieses Problem im Strafvollzug entsteht, sondern dass die Frauen dieses Problem haben, wenn sie in den Vollzug oder sogar deshalb im Strafvollzug sind, weil sie eine entsprechende Straftat begonnen haben. Es ist gut und richtig, dass dieses Problem im Vollzug frauenspezifisch behandelt wird. Man muss dort sicherlich etwas tun, obwohl wir zur Lösung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe ganz sicherlich woanders ansetzen müssen. Hier kann der Vollzug vielleicht heilen, aber nicht die Wurzel des Problems lösen.
Insgesamt zeigt der Bericht, dass in Schleswig-Holstein nicht nur ein an rechtsstaatlichen und sozialstaatlichen Erwägungen orientierter Strafvollzug für Frauen und Mädchen existiert, sondern auch ein menschlicher.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst einmal der Fraktion der LINKEN für die Große Anfrage zum Thema danken, das einen vernachlässigten Aspekt des Strafvollzugs in den Fokus nimmt. Und ich bedanke mich bei der Landesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht. Er ist ein guter Anfang und eine Basis dafür, diesem Thema etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Die Auffassung vom Strafvollzug hat sich im letzten Jahrhundert gewandelt, übrigens auch bei uns Grünen, falls vielleicht gleich wieder diese Frage kommen sollte. Der Gedanke der Resozialisierung steht im Mittelpunkt. Die Straftäterinnen sollen auf ein Leben in der Gesellschaft für die Zeit nach der Entlassung vorbereitet werden. Dazu müssen die Bedingungen in der Haft mit den Anforderungen der modernen Welt Schritt halten.
Hier zeigt sich aus unserer Sicht die erste Schwäche des Strafvollzugs für Frauen und Mädchen in Schleswig-Holstein. Die Angebote zur schulischen und beruflichen Qualifizierung gehen an den Bedürfnissen der Inhaftierten vorbei. Warum wird nur ein Hauptschulabschluss angeboten, wenn doch die Erfahrung zeigt, dass inhaftierte Frauen in der Regel bereits einen Schulabschluss haben? Das macht doch keinen Sinn. Auch das Angebot der Teilqualifizierung Textil spiegelt aus grüner Sicht nicht unbedingt ein modernes Berufsverständnis für Frauen wider.
Für Männer steht im Strafvollzug in Lübeck eine Reihe von Angeboten zur Verfügung, und das ist auch gut so. Dagegen ist die Ausbildungswelt für Frauen nach wie vor am letzten Jahrhundert angesiedelt. Wieso eröffnet die Landesregierung den Frauen und Mädchen nicht einen adäquaten Zugang zur besseren Bildungsperspektive? Es sieht nicht so aus, als hätte die Landesregierung hierzu ein Konzept vor Augen. Frauen und Männer müssen aber auch im Gefängnis gleiche Chancen bekommen.
Zwar ist in der Antwort viel die Rede davon, dass die Landesregierung die Gender-Perspektive im Blick hat. Dennoch bleibt der Bericht an vielen Stellen oberflächlich und erklärt pauschal, dass auf die Besonderheiten Rücksicht genommen werde. Bei Bedarf könne Unterstützung herangezogen werden. Wer legt den Bedarf fest? Wie wird das kontrolliert? Wie sind die Richtlinien, in denen das festgelegt wird? Das ist leider in dem Bericht nicht
Die Landesregierung bleibt eine Antwort schuldig, inwieweit sie sich die Mühe gemacht hat zu evaluieren, was die Frauen in der Inhaftierung zusätzlich benötigen, um gut gerüstet zu sein für die Anforderungen der Welt nach der Inhaftierung.
In einem zweiten Schritt sollte ehrlich darüber Aufschluss gegeben werden, ob die Praxis auch den heutigen Anforderungen eines gleichberechtigten Vollzugs gerecht wird. Wir dürfen die Frauen an dieser Stelle nicht zurücklassen. Sonst nehmen wir den Resozialisierungsgedanken nicht ernst.
Aus der Antwort geht aus unserer Sicht deutlich hervor, dass die besonderen Gründe, die bei Frauen zu Straffälligkeiten führen, keinen Niederschlag in der Personalpolitik finden. Ich kann das nur noch einmal wiederholen, was die Kollegin eben gesagt hat: Überdurchschnittlich viele der inhaftierten Frauen sind drogenabhängig und psychisch krank. Eine psychologische Betreuung, die nach unserer Berechnung etwa 2,4 Stunden pro Monat und Gefangener zur Verfügung steht, ist nach unserer Einschätzung deutlich zu wenig. Diese Maßnahmen reichen nicht aus, um die Frauen gut auf das Leben nach der Entlassung vorzubereiten.
Auch die Qualifizierungsanforderungen und Fortbildungsnachweise für das Personal sind aus unserer Sicht so, dass die geschlechtsspezifischen Belange zu kurz kommen. Wir alle haben die Verantwortung, dass die Frauen, die im Strafvollzug sind, an ihrer Mitbestimmung teilnehmen können. Wir müssen darauf hinwirken, dass die Möglichkeit für Vorsorgeuntersucherungen allen Frauen zur Verfügung gestellt wird.
Die Arbeitsmöglichkeiten müssen gleichberechtigt sein, und auch für das Personal müssen angemessene Bedingungen im Strafvollzug herrschen, und zwar mit entsprechenden Schulungen für die besonderen Gegebenheiten vor Ort.
Wir Grünen wünschen uns, dass der offene Vollzug noch weiter gefördert und gestärkt wird. Wir wünschen uns auch, dass die Mauer, die die Gefängnisse umgibt, uns nicht den Blick auf die Bedürfnisse der Frauen hinter der Mauer verschließt, und wir möchten den Bericht gern mit Ihnen weiter im Ausschuss besprechen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE fördert viele Fakten und Informationen zutage. Dafür sage ich herzlichen Dank. Ich sage auch herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für die Antworten, denn die Antworten belegen meines Erachtens eindrücklich, wie komplex die Struktur im Strafvollzug ist. Die Geschichte mit Nordrhein-Westfalen lasse ich weg. Sie war witzig, und der Herr Minister hat humorvoll darauf geantwortet.
Zu dem Inhalt der Großen Anfrage: Mit den Antworten auf die Fragen werden einmal mehr die Unterschiede zwischen den Geschlechtern deutlich, die sich auch im Strafvollzug zeigen. Die Frauen sind im Strafvollzug unterrepräsentiert und begehen andere Taten als die Männer. Aus der Antwort ergibt sich, dass die Frauen im Vergleich zu Männern weniger zu Gewalt neigen. Darüber hinaus zeigt sich der enorme Einfluss von illegalen Drogen auf die Frauen. Jede zweite Inhaftierte ist drogenabhängig, sodass klar wird, dass Drogenkonsum bei Frauen in Straffälligkeit mündet und meistens auch zu privaten Schulden führt, die ohne Schuldnerberatung direkt zur nächsten Straftat führen. Das entsprechende Engagement in Lübeck erscheint mir daher vorbildlich.
Wir erfahren eine Menge über Strukturen; über bestehende und fehlende. Zu Letzteren zähle ich die fehlende Mutter-Kind-Unterbringung und die fehlende Unterbringungsmöglichkeit für jugendliche Täterinnen in Schleswig-Holstein. In beiden Fällen ist zu überlegen, ob Alternativen zur derzeitigen wohnortfernen Unterbringung bestehen oder eingerichtet werden können. Zwar kann den jungen Frauen in Vechta eine Reihe von Therapie- und Eingliederungsangeboten gemacht werden, andererseits ist der Kontakt nach Hause entfernungsbedingt erschwert. Von Flensburg fährt man beispielsweise fünf Stunden mit dem Zug nach Vechta. Solche Entfernungen können gerade bei den jungen Frauen nicht im Sinne der Resozialisierung sein.
Die Antworten bezüglich der Kontakte der inhaftierten Frauen zu ihren Kindern lassen keinen Rückschluss auf den Umfang der Besuche zu. Das
ist ebenso bedauerlich wie die zu allgemein gehaltene Antwort zum arbeitsmarktorientierten Übergangsmanagement. Schließlich ist der Drehund Angelpunkt einer erfolgreichen Resozialisierung ein mehr oder weniger intaktes soziales Umfeld, zu dem ein klares berufliches Profil gehört.
Auch wir haben uns darüber ausgetauscht und darüber diskutiert, wie die Problematik mit dem Schulabschluss zu verstehen ist. Einerseits ist es richtig, dass es fünf Jahre her ist, dass eine Strafgefangene in Schleswig-Holstein einen Hauptschulabschluss gemacht hat. Das ist eine erschreckende Zahl. Andererseits deutet vieles darauf hin, dass Frauen mit einem Abschluss kommen, der das Problem relativiert. Die Kollegin Bohn hat dies angedeutet. Dazu möchte ich im Ausschuss gern etwas mehr hören.
Eine letzte Bemerkung zur Abschiebehaft: Ich finde, dass der Abschnitt darüber eigentlich nicht in diesen Kontext hineingehört. Abschiebehaft hat nichts mit Kriminalität zu tun. Dies kriminalisiert die ausländischen Frauen und Jugendlichen.
Wir haben es mit einem Flüchtlingsproblem zu tun. Ich finde, so müssen wir dieses Problem auch betrachten. Ansonsten denke ich, dass wir über weitere Fragen im Ausschuss diskutieren werden.
Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 17/ 2135, an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.