derung der Minderheiten- und Regionalsprache Friesisch natürlich in diesen Kontext. Friesisch gehört zu den Lebenschancen, die es gilt durch Bildung zu stärken.
Noch in den 60er-Jahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurden viele Kinder eingeschult, die kein Hochdeutsch sprachen, sondern Plattdeutsch oder Friesisch. Eine Alphabetisierung der Kinder in ihrer Muttersprache unterblieb aber, und das mit weitreichenden Folgen. Aus den Kindern von damals wurden Erwachsene, denen ihre eigene Sprache als Schriftsprache fremd blieb. Heute können viele Erwachsene nicht einmal eine simple Einkaufsliste in ihrer Muttersprache schreiben, geschweige denn ihren eigenen Kindern ein friesisches Märchen vorlesen, weil die damalige Schulpolitik Friesisch als Belastung definierte und „wegerzog“.
Diese Versäumnisse sollten uns Mahnung sein. Friesisch fristet in den meisten Schulen eine Randexistenz, die Schülern und Eltern teilweise zu überbrückende Freistunden zumutet. Dementsprechend oft wird Friesisch gar nicht erst gewählt. Sprachliches Erbe und sprachliche Identität werden sehenden Auges zerstört.
Wir fordern ausdrücklich keinen Stellenplan für die Angebotssicherung des Friesischunterrichts, sondern ein tragfähiges Konzept, das die Schulen in Nordfriesland und auf Helgoland zu qualitativ hochwertigen Friesischunterrichtsangeboten ermutigt. Von oben verordnet werden müssen aber entsprechende Rahmenbedingungen, also gut ausgebildete Lehrkräfte, solide Materialien und eine gut funktionierende Lehrplanung. Diese Bedingungen sind seitens des Bildungsministeriums zu schaffen. Das verlangt übrigens auch die Landesverfassung, die nicht nur den Schutz der Minderheiten, sondern auch deren Förderung festlegt.
Rückwirkend betrachtet zeigen die Diskussionen der letzten Monate, dass es der Landesregierung praktisch nur um Symptombehandlung geht. Losgelöst von allem Wahlgeplänkel wird es also nach der Landtagswahl notwendig sein, eine Bestandsaufnahme zu machen. Wir brauchen eine Evaluation des schulischen Betriebs und konkrete Ziele zur Verbesserung der Unterrichtsqualität. Dabei muss es um alle Facetten des Bildungsbereichs gehen, zum Beispiel auch um die Frage, wie Schule räumlich so gestaltet werden kann, dass Inklusion vor Ort in den Kommunen eben nicht als Sparmo
dell ankommt. In Sonntagsreden wird gern gesagt, dass Schleswig-Holstein nicht schlecht dasteht, wenn es um inklusive Beschulung geht. Dennoch steckt auch hier der Teufel im Detail, und von einer inklusiven Gesellschaft sind wir noch weit entfernt.
Oder anders formuliert: Es darf aus Sicht des SSW nicht sein, dass wir aus Haushaltsgründen besondere Klassen für lernbehinderte Kinder machen - das hatten wir schon einmal -, weil wir mehr Ressourcen nicht zur Verfügung stellen wollen. Wir brauchen Integration, und wir brauchen Inklusion, und das ist zum Nulltarif nicht zu haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einer Bestandsaufnahme gehört auch die Frage, wie in den kommenden Jahren die Unterrichtsversorgung überhaupt sichergestellt werden kann. Wenn über den demografischen Wandel geredet wird, dann klingt das ja oft so, als könnten wir damit Haushaltslöcher stopfen. Tatsächlich wird andersherum ein Schuh daraus. Die Fragen des Lehrermangels, des Fachkräftemangels, aber auch die besonderen Herausforderungen für Schule sind durch den demografischen Wandel gegeben und sind erst einmal nur andiskutiert. Das heißt, da liegt noch sehr viel vor uns.
Bildung als Lebenschance heißt mit anderen Worten, dass Bildung als Investition gesehen werden muss. Aber auch da sind wir erst am Anfang der Diskussion. Die Landesregierung hat mit ihren Entscheidungen zu dieser Diskussion bisher nichts beigetragen.
Für die Landesregierung hat der Herr Ministerpräsident um das Wort gebeten. Ich erteile ihm das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gemerkt, dass es etwas Aufregung gab, als ich hier reinkam. Das erstaunt mich ein bisschen, weil es mit Ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer, Herrn Weber, abgesprochen war, dass ich heute Morgen ein Gespräch mit einem Minister aus Korea
Herr Ministerpräsident, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Stegner zu? - Nein.
Dann fahren wir jetzt in der Debatte fort. Ich erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Robert Habeck das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte steht quasi spiegelbildlich zur Finanzdebatte vom Mittwochnachmittag. Sie war umkämpft und heftig. Während und nach der Debatte hat sich mancher, ich mich auch, dazu hinreißen lassen, seinen Zorn in Worte zu fassen. Das ist selten hilfreich.
- Bei mir war es Zorn. - Ich will deswegen versuchen, zum sachlichen Kern der Auseinandersetzung zurückzukommen.
Meine Damen und Herren, weil beide Debatten zueinander gehören, lassen Sie mich nochmals feststellen, dass wir uns streng an die Schuldenbremse halten, uns aber die Spielräume für Debatten und Beschlüsse wie diese jetzt erhalten wollen, die innerhalb der Schuldenbremse stattfinden.
Wir tun das vor dem Hintergrund, dass wir ein doppeltes Defizit erkennen: das haushalterische und das der öffentlichen Güter, zu denen als erstes die Bildung gehört. Herr Minister Klug, dass Sie - ich zitiere; ich habe eben versucht mitzuschreiben - Familienförderung als Förderung der materiellen Ressourcen der Familie bezeichnen, macht mich sprachlos. Ich sage Ihnen das auch als Vater, auch sehr persönlich: Für mich sind Bildung und Kita und Schulen eine viel bessere Investition in meine Familie als weitere materielle Güter.
Dass Sie das nicht so annehmen wollen, macht mich traurig und macht Sie nicht zu meinem Bildungsminister, Herr Klug.
Die Kernfrage der politischen Herausforderung ist also kein Gegensatz. Die Kernfrage lautet nicht, charakterloses Schuldenmachen oder kurzsichtiges Kaputtsparen. Die Kernfrage lautet, wie beides, Abbau der Neuverschuldung und Investition in Bildung und öffentliche Güter, auszutarieren ist. Das ist eine große Herausforderung. Da gibt es keine einfachen Antworten. Der Wettstreit über die Ideen zur Haushaltsfinanzierung und die Alternativen für kluge Investitionen sind Salz und Pfeffer der politischen Auseinandersetzung jedenfalls gewesen.
Die Schuldenbremse war für mich immer Ausdruck dieser Logik. Sie beschreibt einen Pfad, der einzuhalten schwierig genug ist, aber den einzuhalten sich beide Seiten des Hauses verpflichtet haben und der dazu zwingt, die eigene Programmatik zu überprüfen. Die, die es gern wollen - ich gehöre gern mit dazu -, können nicht mehr so viel Geld ausgeben, und die, die gern weniger Steuern hätten, können das auch nicht mehr wollen. So waren die letzten zwei Jahre letztlich ein Lernprozess für uns alle hier im Parlament. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist deshalb Geschäftsgrundlage jeder seriösen Politik und jeder Landesregierung der nächsten Jahre.
Wenn wir in den nächsten Jahren aufgrund der geringeren Kreditaufnahme und des geringeren Zinssatzes mehr Luft haben, dann heißt das nicht, dass wir diese Luft vollständig verbrauchen müssen. Das sage ich auch ausdrücklich noch einmal an die Adresse der SPD gerichtet, deren teure Wahlversprechen ja nicht seit vorgestern weg sind.
Wir Grünen haben bei der Programmaufstellung mit uns gerungen, haben miteinander - Rasmus gerungen, wo wir überall keine finanzwirksamen Versprechungen machen können. Letztlich ist als einziger größerer Block nur der Bildungsbereich übrig geblieben. Selbst da haben wir Zusagen nur bis 2015 gemacht, die demografische Rendite im System zu halten. Ich werde im Wahlkampf auch nichts anderes versprechen. Wenn wir schneller von der Neuverschuldung herunterkommen, dann umso besser.
Ein doppeltes Defizit, Haushalt und Bildung, auszugleichen, ist ein Balanceakt. Nun haben ein schnellerer und ein langsamerer Konsolidierungs
pfad jeweils bestimmte Konsequenzen, bestimmte Vor- und Nachteile. Aber beide sind grundsätzlich legitime Politikangebote, zwischen denen die Wählerinnen und Wähler die Wahl haben.
Eine Konsequenz der Debatte vom Mittwoch ist, dass Sie die Lehrerstellen nichts als feste Stelle dem Bildungssystem zur Verfügung stellen wollen, sondern nur als Vertretungsstellen. Sie streichen also feste Stellen und geben sie dann als Vertretung zurück. Uns erscheint das nicht richtig und nicht nachhaltig. Für Sie muss es so sein, weil Sie nicht wissen, wie Sie sonst die Debatte vom Mittwoch in die Tat umsetzen sollen.
Eine zweite Konsequenz ist, dass Sie nur die Hälfte von dem zurücknehmen wollen, was Sie insgesamt einkassieren. Sie haben ja schon zum Schuljahr 2011/2012, dem laufenden Schuljahr, 300 Stellen gestrichen, und zum Schuljahr 2012/2013 sollen noch einmal 300 dazukommen. Ihr 14-Millionen-€-Vertretungslehrerfonds umfasst ab 2013 aber nur eine der beiden Tranchen. Sie stellen also, wie es manchmal heißt, nicht mehr Lehrerinnen zur Verfügung, sondern Ihr Verband ist letztlich nur halb so groß wie die Wunde, die Sie reißen. Dass wir an anderen Stellen im Bildungssystem - wir haben es ja bei den Reden meiner Vorrednerinnen gehört - große Bedarfe haben, muss ich nicht noch einmal erwähnen.
Drittens sind die Äußerungen, was denn für ein gutes Bildungssystem notwendig wäre, auf Ihrer Seite durchaus changierend. Es gibt da diverse FDP-Äußerungen, aber auch Jost de Jager sprach vor zwei Monaten im „Abendblatt“ noch davon, „dass es Probleme bei der Unterrichtsversorgung gibt“. Aber natürlich gibt es auch, meistens von Frau Franzen, ellenlange Ausführungen darüber, wie toll das Bildungssystem ausgestattet ist.
Wir haben seit Beginn der Debatte gefordert, über einen Nachtragshaushalt 300 gestrichene Lehrerstellen vor allen Dingen für die Differenzierungsstunden und für die Fortbildung wieder einzusetzen. Das war übrigens auch die Forderung der FDP, Herr Minister Klug, Ihres Parteitages. Wenn Sie sagen, das sei alles Schuldenmacherei, und bezeichnen das jetzt so, dann will ich Sie daran erinnern, dass das exakt die Forderung Ihres Parteitages war.
Das zeigt - das sage ich in aller Gemütsruhe -, genau so, wie Sie es festgestellt haben, wie der Wahlkampf natürlich Argumente noch einmal verdreht. Das trifft Sie leider auch.
Wir haben diese Forderung früh erhoben und mit einem Nachtragshaushalt verknüpft, damit die jungen Lehrerinnen und Lehrer Schleswig-Holsteins eine Perspektive und die Schulen Planungssicherheit bekommen. Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses von FDP und CDU sind hingegen völlig unverbindlich. Ein Koalitionsausschuss am Ende der Legislatur, der für die nächste Legislatur entscheidet, ist so relevant - Anke, ich meine das ganz neutral, ich brauche nur ein Bild -, als hätten sich SSW und Linke zusammengesetzt und irgendetwas versprochen. Das hat allein deklaratorischen Charakter. Sie könnten Ihr Wahlprogramm schreiben oder auch nicht, aber der Koalitionsausschuss ist doch eine Farce.
Während wir also seit Beginn der Debatte sowohl im Bildungs- wie auch im Finanzbereich mit einer Stimme und entlang einer Argumentationslinie verfahren sind, hat sich wenigstens die FDP mehrfach verwandelt und sich letztlich der CDU-Politik unterworfen. Das ist schade.
- Nein, es ist eben nicht umgekehrt, Herr Kubicki. Es zeigt, liebe FDP - Vorschlag zur Güte -, dass man innerhalb der Schuldenbremse - sonst wäre ja Ihr Parteitagsbeschluss Schuldenmacherei gewesen - sehr wohl so oder so mit veränderten Rahmenbedingungen umgehen kann.
Wir sollten also damit aufhören, uns innerhalb des Rahmens Schuldenbremse gegenseitig Unredlichkeit oder Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen. Denn auch die Regierung weicht ja ihrerseits vom harten Konsolidierungspfad hier und da ab und schafft mit zusätzlichen Ausgaben neue Schulden und Zinsen, in diesem Fall in den Straßenbau. Das kann man machen, man kann es anders machen, man muss nur aufhören, zu sagen, ihr seid die unmoralischen oder charakterlosen Schuldenmacher.
Die Debatte über die Schuldenbremse ist eine über das richtige Lot zwischen Ausgaben und Einsparen, eine Debatte über das richtige Austarieren. Da unterscheiden wir uns in der Tat.