Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Aus unserer Sicht sind die berufsbildenden Schulen und die Regionalen Berufsbildungszentren mit ihren vielfältigen Bildungsgängen ein gleichrangiger, integraler Bestandteil unseres Bildungssystems. Die Stärkung der Eigenständigkeit und damit auch die Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen ist und bleibt ein wesentliches Ziel der FDP. Wir wollen den Schulen Freiräume eröffnen, damit diese auf Bedarfe vor Ort eingehen können. Die rechtliche Selbstständigkeit, wie sie die RBZ aufweisen, eröffnet den Schulen ein hohes Maß an Gestaltungsmöglichkeiten in der Region, das nur gemeinsam mit dem Schulträger geschaffen werden kann. Wir werden auch weiterhin die Schulen unterstützen, die diesen Prozess in Abstimmung mit dem Schulträger einleiten möchten.

Gleichwohl sehen wir auch noch Möglichkeiten bei der Weiterentwicklung der beruflichen Bildung. Die Einrichtung eines eigenständigen Landesseminars für berufliche Bildung am IQSH war dabei ein wichtiger Schritt zur Stärkung der beruflichen Bildung. Weiter im Fokus stehen für uns die Ausbildungskapazitäten für die Lehrämter in den Mangelbereichen. Diese soll durch einen entsprechenden Studiengang in Kiel erweitert werden.

In diesem Zusammenhang will ich noch einen Satz an die versammelte Opposition richten.

(Zurufe: Oh!)

Mit Ihren Planungen, die Oberstufen an Gemeinschaftsschulen auszubauen beziehungsweise Oberstufenzentren zu schaffen, werden Sie nicht nur die Gymnasien, sondern auch die berufsbildenden Schulen in arge Bedrängnis bringen. Die Gymnasien und die berufsbildenden Schulen bieten ausreichende Angebote, um den Weg zur Fachhochschulreife oder auch zum Abitur zu ermöglichen. Insbesondere die berufsbildenden Schulen bieten hier eine Vielzahl von Bildungsgängen und sichern damit die Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem. Es ist viel besser, die Kooperation von Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe mit den Bildungsgängen der berufsbildenden Schulen voranzutreiben, als wissentlich eine weitere Schulart zugunsten einer anderen zu beschädigen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, nun zu den Anträgen. Der Antrag der Grünen formuliert einige

(Anette Langner)

hehre Rechte, die wir aber nicht als zielführend erachten. Stattdessen halten wir den von der Bundesregierung mit den Tarifpartnern beschlossenen Ausbildungspakt für das richtige Instrument, da sich auch schon Erfolge eingestellt haben. So berichtet die Bundesagentur für Arbeit, dass jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen ein Angebot auf Ausbildung oder Qualifizierung gemacht werden konnte. Ich denke, das ist ein wirklich guter Schritt in die richtige Richtung. Der Fachkräftemangel allerdings ist ein Indiz dafür, dass es schwierig ist, überhaupt entsprechende Bewerber zu finden.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Oder Brillen, Herr Kollege Matthiessen.

Das Angebot an Lehrstellen übersteigt mittlerweile in vielen Regionen und Branchen die Zahl der Bewerber. Deswegen ist ja ein Kernpunkt des Pakts, alle Potenziale zu erschließen, die Ausbildungsreife sicherzustellen und die Berufsorientierung zu verbessern. Auch das Land ist hier ressortübergreifend sehr aktiv mit seinen Initiativen.

Welchen weiteren Gewinn die Ansätze der Grünen bringen könnten, sollten wir dann in den Ausschussberatungen klären, ebenso wie die weiteren Änderungsanträge der Opposition. So halten wir zum Beispiel Ihre Forderung für realitätsfern, die einjährige BFS I verbindlich auf die Ausbildungsdauer anzurechnen. Das muss man sich einmal bei einer zweijährigen Ausbildung vorstellen: Wenn da schon ein Jahr angerechnet werden soll, wird das so nicht funktionieren. Da fehlt dann ja jedes grundlegende, fundierte Fachwissen.

Zum Antrag des SSW betreffend die Einrichtung von Berufsbildungskonferenzen stellt sich für meine Fraktion die Frage, warum es eines neuerlichen Koordinationsgremiums bedarf, da doch bereits jetzt die aufgeworfenen Fragen entweder durch die Fachministerkonferenzen oder auch andere Gremien geregelt werden. Welche Vorteile die neue Konferenz dann bringen soll, sollte vielleicht in einer weiteren Ausschussberatung geklärt werden. Daher stimmen auch wir hier der Ausschussüberweisung zu.

(Beifall bei FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich dem Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Rede erst einmal Folgendes feststellen: Es gibt nach wie vor nicht genügend Ausbildungsplätze in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Jedes Jahr suchen bundesweit Zehntausende Schulabgängerinnen und Schulabgänger vergeblich nach einem Ausbildungsplatz, und nur jedes vierte Unternehmen bildet noch aus. Hier in Schleswig-Holstein ist es ähnlich. Ich möchte Ihnen das auch an Zahlen belegen.

Die Bundesagentur für Arbeit hat 61.787 ausbildungswillige und - wie sie es nennt - ausbildungsfähige Bewerberinnen und Bewerber für das letzte Ausbildungsjahr registriert. Eigentlich muss man noch die hinzurechnen, die die Bundesagentur als nicht ausbildungswillig einstuft; diese Einstufung erfolgt völlig willkürlich. Aber selbst dann, wenn wir das einmal außer Acht lassen, stehen diesen knapp 62.000 Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, nur 50.000 Ausbildungsplätze gegenüber. Das heißt, auf einen Jugendlichen, der nach einer Ausbildung sucht, kommen 0,82 Ausbildungsplätze. Sie können also noch so tolle Übergangsprogramme machen, es nützt alles nichts, wenn es nicht genügend Ausbildungsplätze gibt. Die Zahlen, die immer von Ihnen vorgelegt werden, sind durch Statistiktricks geschönte Zahlen. Sie geben die Realität einfach nicht wieder.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb rückt DIE LINKE von ihrer Forderung nach einer Ausbildungsplatzumlage nicht ab. Wir fordern wie die Gewerkschaften: Wer nicht ausbildet, muss zahlen. Die Unternehmen haben eine gesellschaftliche Verantwortung, junge Menschen auszubilden. Die Politik muss dafür sorgen, dass sie sich dieser Verantwortung stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Grünen wählen mit ihrem Antrag einen ein bisschen anderen Weg. Schulische Ausbildungen und überbetriebliche Ausbildungen sind nicht das, was DIE LINKE unter guter Ausbildung versteht. Wir wollen Jugendlichen eine Ausbildung ermöglichen, die auch hinterher auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt wird.

DIE LINKE setzt sich dafür ein, Jugendliche in ihrer Berufsorientierung zu unterstützen, ihre Stärken und Interessen zu unterstützen und sie auf ihrem Weg in die berufliche Ausbildung zu begleiten.

(Cornelia Conrad)

Deshalb fordern wir, wie die SPD, das Programm „Schule & Arbeitswelt“ auszuweiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch kurz auf den Antrag des SSW eingehen. Eine gemeinsame Bildungsplanung ist für DIE LINKE von zentraler Bedeutung. Deshalb plädieren wir für die Wiederherstellung der Bund-Länder-Kommission „Berufliche Aus- und Weiterbildung“. Ähnlich wie der Flickenteppich aus 16 deutschen Schulsystemen gibt es auch in der beruflichen Ausbildung seit der Föderalismusreform keine länderübergreifende Instanz mehr, die sich mit der beruflichen Ausbildung beschäftigt. Kleinstaaterei betrifft das gesamte Bildungssystem. Wir werden deshalb dem Antrag des SSW zustimmen, wenn er denn aus dem Ausschuss wieder zurückkommt.

Abschließend noch ein paar Sätze zu dem Bericht über die Regionalen Berufsbildungszentren in Schleswig-Holstein. DIE LINKE steht der Idee von RBZ erst einmal grundsätzlich positiv gegenüber. Nur, was für uns als Linke besonders deutlich wird, ist, dass die RBZ angehalten sind, ihren Kompetenzbereich ein bisschen zu verändern. In den Mittelpunkt tritt zunehmend die Wirtschaftlichkeit der Standorte. Dass der Schulleiter plötzlich zum Geschäftsführer wird, ist einer der harmloseren Nebeneffekte dieser Entwicklung. RBZ müssen einen Teil ihres Haushalts selbst erwirtschaften. Die sogenannten Geschäftsführer müssen sich zum Beispiel durch Vermietung von Räumen einen Teil des Haushalts der Schule selbstständig von Dritten finanzieren lassen und auch sonst noch nach Drittmitteln suchen.

Am RBZ in Kiel ist tatsächlich eines deutschlandweit einzigartig: Das RBZ in Kiel ist das größte PPP-Projekt Deutschlands. Ein RBZ, das so finanziert ist, lehnen wir ab.

Langfristig zahlen die Kreise und Kommunen die Zeche dafür, dass sich das Land aus der Ausfinanzierung des Bildungssystems zurückzieht. DIE LINKE will RBZ wieder so ausfinanzieren, dass sie sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können, die Berufsbildung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, bitte ich Sie um Aufmerksamkeit für zwei Bemerkungen bezüg

lich unserer weiteren Zeitplanung. Angesichts der Dauer dieser Debatte schlage ich vor, dass wir bei der einstündigen Sitzungsunterbrechung zur Mittagspause bleiben und uns hier um 14:30 Uhr wieder treffen. Ich verweise darauf, dass wir dann mit dem gesetzten Tagesordnungspunkt 32 - Einheitliche Standards für einen besseren Schutz von Pflegekindern - beginnen, woran sich die Punkte 18 A Wahl der Mitglieder der 15. Bundesversammlung sowie 16 - Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums - anschließen.

Ich weise Sie darauf hin, dass für beide Wahlvorgänge eine qualifizierte Mehrheit im Parlament vorhanden sein muss.

Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, die Drucksache 17/2188 sowie die Drucksachen 17/2280, 17/2308, 17/2309 sowie 17/2220 zur weiteren Beratung an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe. - Stimmenhaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspause.

(Unterbrechung: 13:21 bis 14:31 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Einheitliche Standards für einen besseren Schutz von Pflegekindern

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2259 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 16. Januar starb ein 11-jähriges Kind in Hamburg. Dieses Kind war ein Pflegekind, also ein Kind, das der Jugendhilfe bekannt ist, ein Kind, das aus der eigenen Familie herausgenommen wurde, um in einem sicheren und behüteten Umfeld untergebracht zu werden.

(Björn Thoroe)

Jetzt werden Sie sagen: Das war doch in Hamburg. Stimmt. Schleswig-Holstein kennt so einen Pflegekinderfall bisher nicht. Wir wollen es trotzdem zum Anlass nehmen, das Pflegekinderwesen in Schleswig-Holstein zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Denn der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss kontinuierlich ausgebaut werden.

Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister Garg, hier immer genau hinzuschauen, wie denn die örtliche Umsetzung erfolgt. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss auf Ihrer Prioritätenliste ganz oben stehen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Leider musste das Land erleben, dass der Kinderschutz in Schleswig-Holstein in den letzten zweieinhalb Jahren nicht weiterentwickelt wurde. In diesem sensiblen Bereich haben CDU und FDP sogar Kürzungen vollzogen.

Herr Minister Dr. Garg, Sie sollten sich nicht immer hinter Gesetzen verstecken und die Verantwortung gänzlich abgeben.