Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Jahrelang konnte die Atomlobby hier darauf bauen, dass die Energiewende nicht kommt, dass die alte Politik weitergeführt werden kann und der Netzausbau blockiert wird. Jetzt werden die Solarförderung massiv gekürzt, das EEG beschädigt sowie Innovationspotenziale und Arbeitsplätze vernichtet, nicht nur in Schleswig-Holstein.

(Zuruf von der FDP: Das glauben Sie doch wohl selber nicht!)

Da wird zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium gestritten, was zur Untätigkeit bei Energieeffizienz und Energieeinsparung führt. Darüber hinaus setzen Sie weiterhin auf große zentrale und privatwirtschaftliche Strukturen, statt die Chancen und Potenziale der Dezentralität offensiv zu nutzen und die regionale Wertschöpfung zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Steuererleichterungen sind der falsche Weg. Sie kosten die Länder Einnahmen, die wir dringend brauchen. Stattdessen sollte die Bundesregierung die energetische Gebäudesanierung wieder auf das Niveau bringen, das wir schon einmal hatten.

In Pinneberg, schwarz-gelbe Mehrheit, ist man gegen Repowering auf bestehenden Flächen. Herr Kollege de Jager, wir hatten Ihnen eine hervorragende Ausgangsposition hinterlassen: 1988, als Sie aufgehört hatten, 0,05 % Energieerzeugung aus regenerativen Energien, und 2012 waren wir bei über 40 %. Das ist gute sozialdemokratische und rot-grüne Energiepolitik in Schleswig-Holstein gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt ist es aber so: Die Allianz schwarz-gelber Wirtschaftsminister - dazu gehört auch der mit dem grün gefärbten Schal - führt bundesweit zu Verzögerungen beim Netzausbau. Was nützt uns der Ausbau in Schleswig-Holstein, wenn er in Niedersachsen endet? Sie, Herr de Jager, sollten nicht einfach die Position von TenneT übernehmen und die Verzögerungen in Lauenburg und in Ostholstein beim Netzausbau hinnehmen, sondern aktiv und real den Ausbau der Netze beschleunigen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. von Abercron?

(Jens-Christian Magnussen)

Mit dem größten Vergnügen.

Das freut mich sehr, Herr Dr. Stegner. Mich interessiert, welche Flächen Sie meinen, wo der Kreis Pinneberg ein Repowering abgelehnt haben soll.

- Das will ich Ihnen gern sagen. Wenn Sie einmal die Stadtwerke in Uetersen besuchen würden, was ich vor Kurzem getan habe, dann würden Sie feststellen, dass sie dort Flächen haben wollen, Repowering machen könnten, sogar die ganze Region versorgen könnten. Aber leider hat Schwarz-Gelb das im Kreistag gegen die Stimmen der anderen verhindert. Wenn Sie jetzt, da Sie es erfahren haben, dazu beitragen würden, dass sich das ändert, wäre das großartig, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD)

Insofern können Sie etwas im Landtag lernen. Ich bedanke mich sehr für Ihre Zwischenfrage.

Wir müssen die Netze hochspannig und niederspannig massiv ausbauen und die zuständigen Verwaltungen ertüchtigen. Dazu gehören die Netze in öffentlicher Hand, ein Masterplan und eine bundesweite Koordination. Und, wir müssen die Regionalisierung von Energieerzeugung und -versorgung, Ausbau von Speichertechnik und Umwandlung in Wasserstoff voranbringen. Das sind die Schlüssel zu einer schnellen und bezahlbaren Energiewende, die wir eben nicht den großen Energieunternehmen und Netzbetreibern überlassen dürfen. Ich glaube übrigens auch, dass wir die Zusammenarbeit mit Hamburg in dieser Frage verbessern müssen. Auch da ist es nicht nützlich, Herr de Jager, immer nur öffentlich über die Hamburger zu schimpfen. Solidarität heißt übrigens auch, dass die Netzintegrationskosten bundesweit umgelegt werden müssen. Wir dürfen hier nicht bestraft werden für die Erzeugung von Windstrom.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum sind wir so hartnäckig? Weil es die Befürchtung gibt, wenn das nicht klappt mit der Energiewende, dann reden Sie bald wieder über Restlaufzeiten der Atomenergie, für die Sie ja noch bis vor einem Jahr eingetreten sind. Eine Energiewende ist möglich, sie ist nötig, und sie ist ein Projekt, das die Dimension der Deutschen Einheit betrifft, was die Anstrengungen angeht. Ich glaube, wenn wir sie auf Landesebene gut voranbringen, richtig gemacht, ist das eine großartige Gestaltungschance für die Kommunen und kann ein Job- und Wirtschaftskraftmo

tor für Schleswig-Holstein sein. Wir könnten im Grunde das sein, was das Ruhrgebiet nach dem Zweiten Weltkrieg für den Rest des Landes war; denn wir erzeugen hier die Energie, die bundesweit gebraucht wird, wenn wir das vernünftig voranbringen.

(Beifall bei der SPD)

Aber Schwarz-Gelb ist nicht von ungefähr die Farbe, die vor Radioaktivität warnt. Herr Kollege Magnussen, Sie sind geradezu die Verkörperung dieses Grundsatzes, wie wir gerade festgestellt haben. Wenn ich Sie darauf hinweisen darf, Herr Kollege Magnussen: 1976 hat die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie den Atomausstieg beschlossen. Das war schon lange vor Ihrer Zeit; das ist sogar vor der Gründung der Grünen. Uns jetzt vorzuwerfen, wir seien plötzlich für den Atomausstieg, ist schon reichlich frech, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Da verschlägt es einem glatt die Sprache.

Die Mitglieder der Ethikkommission von Frau Merkel, also von Klaus Töpfer bis zu Volker Hauff, sehen das gefährdet, was im letzten Jahr großspurig verkündet worden ist. Da muss man ganz nüchtern feststellen: Über Energiewende zu reden ist das eine, es zu tun das andere. Da fehlt es vorne und hinten; wahrscheinlich deswegen, weil zwar Frau Merkel und dazu die CDU überall gut geworden sind im Kopieren der Stichworte. Das machen Sie beim Mindestlohn so, das machen Sie fast überall, auch bei der Energiewende. Aber so richtig wollen Sie das eigentlich nicht; denn das muss man sonst im Zusammenspiel von Energieeinsparung, erneuerbaren Energien, Netzausbau und auch dezentralen Strukturen voranbringen. Ich glaube, dass die Energiewende machbar ist, konsequent erneuerbar, bezahlbar und nachhaltig wertschöpfend. Das werden wir nach dem Regierungswechsel in SchleswigHolstein in die Hand nehmen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Oliver Kumbartzky.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stegner, ich freue mich für Sie, dass Sie jetzt auch in den erlauchten Kreis der energiepolitischen Sprecher aufgestiegen sind. Sie haben heute ja auch schon zu Bildung und Finanzen

geredet. Das passt ja zu dem Tweet gestern. Da hat er sich nämlich bei Twitter gewünscht: „So lonely“. Das passt heute zur SPD-Fraktion.

(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, beim Ausbau der Windenergie gehörte Schleswig-Holstein 2011 zur Spitzengruppe im Vergleich der Bundesländer. Das ist ein Erfolg, an den wir in den nächsten Jahren weiter anknüpfen wollen und auch müssen, wenn wir die gesteckten Ziele erreichen wollen. Es gibt noch Luft nach oben, auch wenn wir beim Zubau der installierten Megawattleistungen im letzten Jahr bereits auf Platz zwei lagen. Ein akutes Problem in Sachen Windenergie sind die Zwangsabschaltungen aufgrund von Netzengpässen. Geradezu alarmierend ist die Tatsache, dass 85 % aller deutschen Härtefallabschaltungen im Rahmen des Einspeisemanagements in Schleswig-Holstein stattgefunden haben.

Wir bitten daher die Landesregierung in unserem Antrag, ergebnisoffen zu prüfen, ob mit einem initiativen Feldversuch die Forschung nach Alternativen zum Einspeisemanagement in Schleswig-Holstein ermöglicht werden kann. Es ist volkswirtschaftlich geboten und verantwortungsvoll, die Nutzbarmachung von nicht in das Stromnetz eingespeistem Windstrom zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, in einem weiteren Antrag bitten wir die Landesregierung, dem Landtag bis zum 30. Juni eines jeden Jahres über den Stand der Energiewende zu berichten. Durch ein jährliches Monitoringverfahren wollen wir, dass in Schleswig-Holstein die Entwicklung der erneuerbaren Energien systematisch erfasst, bewertet und gegebenenfalls angepasst wird. Damit wird sichergestellt, dass wir den Umbau zu einem zukunftsfähigen Energiemix schnell und sicher gestalten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Jetzt nicht, aber ich komme auf Herrn Matthiessen gleich zu sprechen, weil ich jetzt zum Thema Solarförderung komme.

Meine Damen und Herren, wir brauchen einen Mix von verschiedenen erneuerbaren Energien. Wind, Biogas und Solarenergie spielen in Schleswig-Hol

stein eine sehr wichtige Rolle. Zur Windenergie habe ich anfangs etwas gesagt. Zum Thema Biogas haben sich die Grünen ja in der letzten Woche ausgelassen und sich dabei in die Nesseln gesetzt. Den Landwirten vorzuschreiben, welche Früchte sie anbauen müssen, zeigt wirklich wieder, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, beim Thema Solarenergie haben die Grünen - das war ja wieder einmal sonnenklar - unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne auf Bundesebene den vorliegenden Antrag geschrieben. Sie wollten Aktionismus dokumentieren und waren wohl auch sehr in Eile. Anders kann ich mir die zahlreichen Komma-, Rechtschreib- und Grammatikfehler in dem Antrag nicht erklären. Was Sie hier betreiben, Herr Matthiessen, ist das, was Sie sonst oft und gern anderen vorwerfen, nämlich Klientelpolitik reinster Güte.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Solarenergie wird aus ideologischen Gründen um jeden Preis gestützt, obwohl das jeglicher wirtschaftlicher Vernunft und vor allem der sozialen Gerechtigkeit widerspricht. Ich erinnere mich noch gut an die Debatte im Februar 2010 hier im Hause zum selben Thema. Auch damals sprachen die Grünen aufgrund der angekündigten Kürzung der Einspeisevergütung vom Ende der Solarbranche.

Doch was ist geschehen? Die Zielkorridore wurden trotz Kürzung bei der Vergütung weit überboten, und selbst die Branche sprach und spricht sich für Kürzungen aus. Doch wenn es nach den Grünen gegangen wäre, hätte es keine Solarkürzung gegeben, und die Strompreise wären wirklich explodiert. Es ist Ihnen anscheinend gleichgültig, wenn immer mehr Verbraucher ihre Stromrechnungen nicht bezahlen können. Das soziale Gewissen, das Sie sonst so gern zur Schau tragen, ist Ihnen in dieser Frage offenbar abhandengekommen. Grüne Politik, meine Damen und Herren, muss man sich eben leisten können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Photovoltaik trägt etwa 15 % zur Ökostromproduktion bei. Trotzdem bekommt sie mehr als die Hälfte der Gesamtförderung für erneuerbare Energien. Unser Ziel ist, Anreize zu setzen und Überförderungen zu vermeiden. Wir wollen die Verbraucher vor ausufernden Energiekosten schützen. Für die Akzeptanz der Energiewende ist für viele Menschen neben der Versorgungssicherheit nämlich auch die Kostenfrage entscheidend. Die Anpassung

(Oliver Kumbartzky)

der Vergütung für Solarenergie wird die steigenden Verbraucherkosten dämpfen. Bei aller Aufregung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sollten Sie auch nicht verkennen, dass die Einspeisevergütung weder abgeschafft noch gedeckelt oder starr begrenzt wird. Sie wird gekürzt.

Wäre es bei der bestehenden Regelung im EEG geblieben, wäre es quasi automatisch zu einer sehr drastischen Kürzung gekommen. Daher halten wir es für richtig, wenn die Bundesregierung nun dezent auf die Bremse tritt und den rasanten Ausbau von Photovoltaikanlagen verlangsamt, damit aber die Überlebensfähigkeit der Branche sichert.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich stehen wir für eine verlässliche Energiepolitik. Das heißt auch, dass sich die Investoren auf die gesetzten Rahmenbedingungen verlassen können. Daher setzen wir uns dafür ein, dass es einen Vertrauensschutz für bereits geplante Projekte gibt. Wir wollen, dass der Bundesrat auch zukünftig in Sachen EEG beteiligt wird.

Meine Damen und Herren, mit der Akzeptanz für die erneuerbaren Energien steht nicht weniger als das Gelingen der Energiewende auf dem Spiel. Strom muss auch künftig bezahlbar sein. Es ist richtig, dass bei der Solarförderung reagiert wurde. Ebenso richtig ist, die Windenergie, Offshore, Onshore und auch in Form von Kleinanlagen, weiter auszubauen. Gleiches gilt für den Netzausbau und für die Entwicklung von Speichertechnologien.

Ich bitte daher um Zustimmung zu den Anträgen von CDU und FDP.

Zum SPD-Antrag noch ein Satz: Für Sie scheint ja weiterhin eine Landesnetzagentur das Allheilmittel zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie einen solchen Antrag stellen. Zudem fordern Sie in Sachen erneuerbare Energien eine bessere Zusammenarbeit mit Hamburg. Wenn damit eine Zusammenarbeit gemeint ist wie bei der Windmesse, dann wünsche ich gute Reise.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe.