Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich möchte noch einmal deutlich sagen, weil die Vertreter ja hier sind, dass wir selbstverständlich Vertrauen auch zur Reaktoraufsicht hier im Lande haben.

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt der Herr Abgeordnete Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sehr schön, dass Sie hier so Pseudodebatten untereinander führen, obwohl Sie sich im Kern alle einig sind. Sie wollen Brokdorf bis zum Jahr 2021 weiterlaufen lassen. Das haben Sie letztes Jahr beschlossen. Das ist in unseren Augen unverantwortlich, auch angesichts der Vorfälle, die hier heute besprochen werden.

(Detlef Matthiessen)

(Beifall bei der LINKEN - Günther Hilde- brand [FDP]: Wo? In Brokdorf?)

Der Kern der ganzen Debatte, auch wenn es immer wieder Einzelfälle gibt, die diskutiert werden, ist, dass es keine sicheren Atomkraftwerke gibt. Deshalb haben wir hier heute den Antrag eingebracht, dass man Brokdorf unverzüglich mit vom Netz nimmt, und hoffen, dass wir heute noch Zustimmung zu diesem Antrag bekommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ein Antrag, der übrigens auch das Begehren der Menschen aufnimmt, die heute hier vor der Tür stehen und für die sofortige Abschaltung von Brokdorf demonstrieren und auch vor zwei Wochen schon demonstriert haben. Ich habe unter ihnen auch viele Grüne gesehen. Ich bin gespannt, wie das Abstimmungsverhalten heute aussehen wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir auch!)

Ich will noch einmal ganz kurz auf die Historie bei den Grünen eingehen. Mittwochabend war ich noch mit Herrn Matthiessen in der „FördeRunde“. Da hat Herr Matthiessen, als ich gesagt habe, dass wir diesen Antrag stellen werden, gesagt, die Grünen seien die Realisten, und die Linken seien die Populisten, deshalb wäre es keine Lösung, Brokdorf sofort abzuschalten. Einen Tag später verbreitet sich langsam die Meldung, dass auch Leute vor der Tür stehen werden und mitbekommen werden, wie die Grünen abstimmen. Gestern stellen die Grünen dann einen Änderungsantrag, der übertitelt ist mit „AKW Brockdorf schleunigst abschalten“.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So sind sie!)

- Genau! So sind sie, die Grünen. - Im Text steht dann:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die schnellstmögliche Umsetzung des Atomausstiegs.“

Auf das „schnellstmöglich“ haben Sie sich mit den anderen Parteien, die hier sitzen, außer dem SSW und natürlich uns, ja schon geeinigt. Deshalb kann ich Ihnen nur mitteilen, dass jetzt wir diejenigen sind, die die Speerspitze der Anti-AKW-Bewegung darstellen. DIE LINKE tritt für die sofortige Abschaltung von Brokdorf ein. Wir haben es auch vor zwei Wochen deutlich gemacht und haben es auch letztes Jahr direkt, nachdem Sie dem Atomkompromiss zugestimmt haben, deutlich gemacht, als wir versucht haben, die Revision in Brokdorf - mit den

Leuten übrigens, die draußen vor der Tür stehen zu blockieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben das anscheinend für so gefährlich befunden, dass Sie das sogar in Ihren Verfassungsschutzbericht schreiben mussten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schottern! - Un- ruhe - Glocke der Präsidentin)

DIE LINKE ist überzeugt davon, dass es richtig ist, auf den Einsatz von Atomkraft zu verzichten. Unfälle sind überall möglich.

Ich möchte einmal die meldepflichtigen Ereignisse vom AKW Brokdorf aus dem letzten halben Jahr aufführen: 9. November 2011, ein meldepflichtiges Ereignis, eine Rückschlagklappe in einem Not- und Nachkühlsystem des AKW Brokdorf konnte nicht geschlossen werden; 20. Oktober 2011, ein meldepflichtiges Ereignis, Schalterdefekt an einem Notstromdiesel löst das Reaktorschutzsystem im AKW Brokdorf aus; 6. September 2011, ein meldepflichtiges Ereignis, Defekt an einer Pumpe des Not- und Nachkühlsystems im AKW Brokdorf.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen kleinen Augenblick. - Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, auch dem Kollegen Thoroe etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

7. August 2011, das AKW Brokdorf geht unplanmäßig vom Netz, der Grund ist ein Defekt an einem der beiden Maschinentrafos.

Meine Damen und Herren, Atomkraft ist nicht beherrschbar, das zeigt nicht nur der kurze Abriss über die meldepflichtigen Ereignisse aus dem letzten halben Jahr, das zeigt auch die Häufung von Krebserkrankungen in der Gemeinde Wewelsfleth. Auch aus der Gemeinde Wewelsfleth stehen heute Leute vor der Tür, und sie glauben Ihnen nicht, dass das Atomkraftwerk für die Häufung von Krebserkrankungen in Wewelsfleth angeblich nicht der Grund sein soll. Sie sagen immer, es könnte vielleicht die Werft sein, es könnte vielleicht die Lebensweise der Leute sein, die da leben, aber das AKW sei es auf keinen Fall. Das glaubt Ihnen da draußen und in Wewelsfleth überhaupt keiner.

(Beifall bei der LINKEN)

(Björn Thoroe)

Auch das ist ein Grund, das Atomkraftwerk Brokdorf sofort vom Netz zu nehmen. Atomkraft ist nicht beherrschbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Deutlich vor Augen geführt haben uns das wieder die Vorkommnisse in Brunsbüttel. Am 7. März berichten Medien über verrostete Atommüllfässer im Atomkraftwerk Brunsbüttel. In Schleswig-Holstein lagern im Moment 3.386 Atommüllfässer, davon 600 in Brunsbüttel, 617 in Brokdorf, 110 in Krümmel und der Rest in Gesthacht auf der Landessammelstelle.

Der Betreiber Vattenfall des AKW Brunsbüttel, übrigens auch Anteilseigner am AKW Brokdorf, hat es zum wiederholten Male versäumt, die Kieler Atomaufsicht über Vorkommnisse im und am Atomkraftwerk Brunsbüttel zu informieren. Daraus kann man nur die Schlussfolgerung ziehen: Entziehen Sie die Genehmigung! Bauen Sie unter öffentlicher Verantwortung ab, und stellen Sie die Kosten dafür Vattenfall in Rechnung!

(Beifall bei der LINKEN)

Eine andere Möglichkeit, das Atomkraftwerk in Brunsbüttel schnell abzubauen, gibt es übrigens auch nicht. Wir haben eine Kleine Anfrage gestellt. Ich war ein bisschen überrascht, aber vor allem auch entsetzt, als die Antwort war: Wir können Vattenfall überhaupt keine Anweisung geben, das Atomkraftwerk in Brunsbüttel abzubauen, die müssen das selber entscheiden. - Die warten natürlich so lange, bis die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Atomausstieg verhandelt sind. Frühestens dann werden sie das Atomkraftwerk abbauen, wenn wir Pech haben, und das Bundesverfassungsgericht Ihren Atomkompromiss für ungültig erklärt, dann schmeißen sie das sogar wieder an.

Wir haben auch noch den Antrag von CDU und FDP zu Endlagern. Sie fordern die zügige Inbetriebnahme des Endlagers Schacht Konrad. Dieser Antrag ist an Ignoranz über die tatsächliche Situation und an Unwissenheit eigentlich nicht zu überbieten, denn der Schacht Konrad wurde in den 70er-Jahren während der Atomeuphorie von der Energiewirtschaft ausgewählt. Was jetzt angesagt ist, ist eigentlich die Untersuchung einer Möglichkeit einer oberflächennahen Lagerung von Atommüll, denn es gibt kein sicheres Endlager. Es gibt nirgendwo auf der Welt ein sicheres Endlager für Atommüll. Wir müssen Möglichkeiten finden, den Atommüll oberflächennah zu lagern, damit er jederzeit wieder rückholbar ist.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich komme zum Schluss. Die Atomkraftwerke in unserem Land müssen sofort stillgelegt werden. Vattenfall muss die Betriebsgenehmigung entzogen bekommen. Dies beides wären die einzigen zu verantwortenden Konsequenzen aus den ganzen Vorfällen, eigentlich aus den Vorfällen der letzten 30 Jahre Atomkraft.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir einmal den Informationsgehalt der umfangreichen und umfänglichen Informationen des Ministers zusammenfassen, dann könnte man das in einem Satz tun. Man könnte sagen: Es liegt in Brunsbüttel ein verrostetes Fass herum und in Baden-Württemberg auch.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das war es. Mehr haben Sie inhaltlich nicht zur Klärung des Sachverhalts beigetragen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Zweitens. Sie haben davon gesprochen, dass Politik, die sich der Verantwortungsethik rühmt, die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen soll. Das ist ein wahrlich guter Ansatz.

Und Sie haben gesagt: Es soll durch umfängliche Kommunikation erfolgen.

Herr Minister, wir haben gestern in der Kreistagssitzung in Dithmarschen unseren Landrat gefragt: Inwieweit wurde der Kreis Dithmarschen als Katastrophenschutzbehörde vom Ministerium in den Informationsfluss und aktuelle Maßnahmen des Ministeriums und des Betreibers Vattenfall einbezogen? Unser Landrat hat uns geantwortet: Die Atomaufsicht hat den Kreis Dithmarschen als untere Katastrophenschutzbehörde bislang nicht informiert. Ob katastrophenschutzrechtlich eine Meldung angezeigt gewesen wäre, ist unklar. Das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration prüft zurzeit noch, ob eine formale Meldung nach atomrechtlicher Meldeverordnung erforderlich gewesen wäre.

(Björn Thoroe)

Das ist kein Stil verantwortungsvoller Kommunikation mit nachgeordneten Behörden.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Wir haben den Landrat weiter gefragt: Wann wurde die Kreisverwaltung vom zuständigen Ministerium der CDU/FDP-Landesregierung Schleswig-Holstein von den schadhaften Atomfässern und von dem davon ausgehenden Gefahrenpotenzial informiert? Unser Landrat hat geantwortet: Das für die Atomaufsicht zuständige Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration des Landes Schleswig-Holstein hat den Kreis Dithmarschen bislang nicht informiert. Die Kreisverwaltung hat ihre Informationen aus der regionalen Presse bezogen.

Mit Schreiben vom 9. März 2012 hat sich der Landrat schriftlich an den Minister gewandt und um fortlaufende Informationen in der Angelegenheit gebeten. Eine Antwort auf das Schreiben steht bis heute aus. Das war gestern. Das stand auch noch heute Vormittag bis 11 Uhr aus. Ich habe dort in der Kreisverwaltung angerufen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Toll!)