Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

schen mit verschiedenen Bedarfslagen zugänglich sind, können jetzt durch die Kommunen entwickelt werden.

(Beifall bei der FDP)

Hilfen werden passgenauer, und Menschen mit Behinderung wird ein Leben in der Mitte der Gesellschaft ermöglicht.

Inklusion und Barrierefreiheit sind ein Ausdruck der Wertschätzung der Individualität eines jeden einzelnen Menschen. Die FDP wird sich auch weiterhin dafür einsetzen. Es ist aber nicht unsere Sache, allen alles zu versprechen. Wir halten an der Beschlussfassung des Ausschusses fest und lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Kollegin Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht sehen zu können ist eine starke Beeinträchtigung. Menschen nehmen einen überproportional großen Teil ihrer Umgebung durch das Sehen wahr. Eine Orientierung ohne optische Wahrnehmung ist schwer. Deswegen brauchen blinde Menschen in ihrem Alltag vielfältige Unterstützung: technische Geräte, persönliche Unterstützung, einen Blindenhund. Wer welche Dienstleistungen oder welches Hilfsmittel braucht, ist unterschiedlich. Es hängt auch von den Lebensumständen ab.

Obwohl die Landesregierung dies alles weiß, hat sie das Landesblindengeld auf 200 € gekürzt. Damit nicht genug: Sie hat auch den Blindenfonds ersatzlos gestrichen. Aus ihm wurden seit Jahren Projekte finanziert, von denen blinde Menschen profitieren. Das war für blinde Menschen in SchleswigHolstein gleich ein doppelter Schlag ins Gesicht. Jedem hier im Plenarsaal dürfte bekannt sein, dass der Blindenfonds vor Jahren eingerichtet worden ist, um die vorherige Kürzung des Blindengeldes wohlgemerkt damals „nur“ um 10 %, nicht um 50 %, wie es die jetzige Landesregierung gemacht hat - zumindest ein wenig wieder gut zu machen.

Wir haben in den Haushaltsverhandlungen vorgeschlagen, das Blindengeld nicht zu kürzen. Und wir haben vorgeschlagen, das Volumen des Blindenfonds an die Höhe der tatsächlichen Ausgaben an

(Anita Klahn)

zupassen. Eine denkbare Alternative wäre gewesen, den Fonds in Höhe von 400.000 € zu belassen und - liebe Kollegin Franzen, liebe Kollegin Klahn, darüber sind wir uns durchaus einig - allen Behinderungsformen zu öffnen. Weder das eine noch das andere hat die CDU gemacht. Schade, schade, schade!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Jetzt möchte DIE LINKE den Blindenfonds wieder einführen. Die Finanzierung soll aus den Mitteln für die Blindenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII kommen. So haben wir es verstanden; ich sehe an der Handbewegung, DIE LINKE hat den eigenen Antrag etwas anders interpretiert; darüber können wir uns sehr gern noch einmal unterhalten. Das mag auf den ersten Blick eine charmante Idee sein. Wir Grünen halten sie dennoch für schwierig.

Zum Ersten: Niemand kann sagen, wie viel Geld von den für die Blindenhilfe reservierten Mitteln durch die Kommunen als Leistung ausgezahlt worden ist. Dies muss aus grüner Sicht erst einmal ermittelt werden, damit wir eine Grundlage dafür haben.

Zum Zweiten: Wenn sich bewahrheitet, dass ein Großteil der Blindenhilfeberechtigten sie gar nicht beantragt hat, ist die logische Konsequenz eine andere. Die Konsequenz ist, dass wir alles dafür tun, dass die Menschen, die einen Leistungsanspruch haben, diesen auch in Anspruch nehmen können.

Zum Dritten. Punktuell Projekte zu finanzieren, von denen eine mehr oder minder kleine Anzahl von Personen profitiert, ist ehrenwert und gut gemeint. Aber es darf nicht dazu führen, dass an anderer Stelle Mittel für einen individuellen Leistungsanspruch nicht zur Verfügung stehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vierte Punkt, der uns auffällt an der Konsequenz, den Ihr Antrag hätte: Forschung und private Unternehmen sollen auch Gelder aus dem Blindenfonds erhalten können. Das sehen wir Grüne sehr kritisch. Dafür gibt es andere Töpfe und andere Zuständigkeiten. Forschungsförderung ist gut und schön. Sie schafft gesellschaftlich positive Beispiele. Sie bringt öffentliche Wahrnehmung und Inklusion voran. Ich bin mir da nun wieder sicher, dass wir die alle voranbringen wollen. Aber wir halten es nicht für richtig, Leistungsansprüche und Projektmittel gegeneinander auszuspielen. Wir brauchen im Idealfall beide. Wenn dies nicht möglich

ist, dann sollte aus unserer Sicht der Rechtsanspruch den Vorrang haben.

Wir sehen also, dass der Antrag der LINKEN gut gemeint ist und ein gutes Ziel vor Augen hat. Leider können wir ihm aus den genannten Gründen, weil wir zwar das Ziel teilen, aber inhaltlich anderer Meinung sind, was den Weg anbetrifft, nicht unterstützen und werden uns enthalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der LINKEN ist vom Grundsatz her unterstützungswürdig. Blinden und sehbehinderten Menschen in Schleswig-Holstein wurden im Rahmen der schwarz-gelben Kürzungsorgie über Gebühr belastet. Die Verabschiedung des aktuellen Doppelhaushaltes durch CDU und FDP hat unter anderem dazu geführt, dass unser Bundesland beim Blindengeld weit abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt. Dabei hat zumindest meine Fraktion keinen Zweifel daran, dass es sich hier um einen absolut berechtigten Nachteilsausgleich handelt.

Dass auch der Blindenfonds der Haushaltskonsolidierung zum Opfer gefallen ist, halten wir für sehr bedauerlich. Natürlich hätten auch wir uns gewünscht, dass die hierdurch geförderten Maßnahmen und Projekte zur Herstellung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum fortgesetzt werden könnten.

Mit diesen Maßnahmen von CDU und FDP wird die Situation von Blinden und sehbehinderten Menschen im Lande ganz sicher nicht verbessert. Weder die Förderung gleichwertiger Lebensbedingungen noch das Herstellen von echter Chancengleichheit scheint für die Landesregierung einen besonders hohen Stellenwert zu haben.

Auch wenn uns durchaus bewusst ist, dass die Konsolidierung des Landeshaushaltes eine schwierige Aufgabe ist, die von allen Opfer verlangt, möchte ich an eines erinnern: Aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung entstehen konkrete Pflichten für das Land Schleswig-Holstein. Nicht nur den Blinden und sehbehinderten Bürgerinnen und Bürgern im Lande, sondern allen Menschen mit Behinderungen muss eine

(Dr. Marret Bohn)

gleichberechtigte Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft ermöglicht werden.

(Beifall beim SSW)

Hier gibt es noch viel zu tun. Für den SSW steht fest, dass wir unsere Bemühungen verstärken müssen, anstatt sinnvolle Projekte und Maßnahmen zu beenden und berechtigte Leistungen zu kürzen.

Selbstverständlich würde auch die Weiterführung des Blindenfonds dazu beitragen, die Situation der Blinden und sehbehinderten Menschen zu verbessern. Aber so einfach, wie es DIE LINKE in ihrem Antrag darstellen, ist es leider nicht. Wir können nicht ohne Weiteres die in der Blindenhilfe nicht verausgabten Mittel in einen Blindenfonds umleiten. Es sind zweckgebundene Gelder des Bundes. So gern der SSW auch eine Fortführung des Fonds sehen würde, dem Antrag können wir aus diesen Gründen leider nicht zustimmen.

Wir haben allerdings die Erwartung, dass die aus dem Fonds finanzierten Projekte endlich gründlich evaluiert werden. Dies wurde uns im Sozialausschuss zugesagt und ist aus unserer Sicht auch das Mindeste; denn schließlich sollten diese Maßnahmen und Projekte Pilotcharakter haben und uns für die Zukunft eine Lehre sein.

Neben der wichtigen Aufgabe, Barrieren für die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen abzubauen, hat das Land nach Artikel 8 der UNKonvention auch die Pflicht, die individuelle und allgemeine Bewusstseinsbildung voranzutreiben. Die Wertschätzung von Menschen mit Behinderungen und die Sichtweise, dass eine Behinderung ein wertvoller Beitrag zur menschlichen Vielfalt ist, muss weiter gefördert werden. Hierfür sind unter anderem Aufklärungs- und Informationskampagnen für alle Teile der Gesellschaft nötig.

Darüber hinaus halten wir es aber auch für wichtig, eine Einrichtung zu schaffen, in der sich Menschen mit und ohne Behinderung austauschen und voneinander lernen können. Hier reichen periodisch zugängliche Dunkel-Cafes nicht aus. Ein solches dauerhaftes Angebot wäre nicht nur im Sinne der Sehbehinderten und Blinden im Lande, sondern käme allen Menschen mit oder ohne Behinderung zu gute.

Abschließend muss ich für den SSW deutlich sagen: Auch wenn wir dem Antrag der LINKEN aus den genannten Gründen nicht folgen können, haben sie in einem Punkt natürlich völlig recht. Die einkommensabhängige Blindenhilfe ist mit einer Bedürftigkeitsprüfung verbunden, und das wird von

vielen Blinden und sehbehinderten Menschen zu Recht als Zumutung empfunden. Sie ist keine Alternative zum halbierten Blindengeld. Diese Kürzung ist einfach ungerecht und muss dringend rückgängig gemacht werden.

(Beifall beim SSW)

Für uns steht fest, Aufgaben wie die Schaffung von Barrierefreiheit und die Förderung von gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinderungen müssen auch in Zeiten knapper Kassen höchste Priorität haben.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Ich melde mich noch einmal zu Wort, weil ich jetzt auch die Argumentation von Herrn Meyer gehört habe. Ich möchte dazu noch etwas sagen. Es kam auch schon von den Grünen der Vorwurf, wir würden das mit der Blindenhilfe verquicken. Aber gucken Sie sich doch bitte das noch einmal im Antrag an. In dem Antrag selbst taucht das Wort „Blindenhilfe“ überhaupt nicht auf. Es ist in der Tat so, dass wir in der Begründung gesagt haben: Liebe Leute, guckt euch das mal an, es gibt da noch zusätzliche Gelder. Das ist nur die Begründung und nicht der Antrag. Hier im Landtag wird ja über den Antrag abgestimmt und nicht über die Begründung.

Ich möchte zu diesem Punkt noch einmal sagen: In dieser ganzen Debatte sollten wir uns einig sein. Es geht hier um 400.000 €. Wir wissen doch selbst, dass wahrscheinlich nur 200.000 bis 250.000 € abgerufen werden.

Zu sagen, dass das Land Schleswig-Holstein dieses Geld für diejenigen, die es am dringendsten benötigen, nicht hat, oder zu sagen, wir enthalten uns an dieser Stelle, wird, finde ich, den Notwendigkeiten wirklich nicht gerecht. Ich möchte bitten, noch einmal zu gucken, ob man nicht doch zustimmen könnte. Noch einmal: Wir stimmen über den Antrag ab und nicht über die Begründung.

(Beifall bei der LINKEN)

(Flemming Meyer)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Maßnahmen zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, die hier von niemandem infrage gestellt werden, reichen von Maßnahmen im Straßenverkehr und im öffentlichen Personnahverkehr, beispielsweise der Absenkung von Bordsteinen, behindertengerechten Ampeln und behindertengerechten Beförderungsmitteln, Zuschüssen zum barrierefreien Tourismus oder den Einsatz von Mitteln der Wohnungsbauförderung zur Schaffung behindertengerechten Wohnraums über Mittel des Bildungsministeriums und der Kommunen für den behindertengerechten Umbau von Kitas, Schulen und Hochschulen bis hin zu dem barrierefreien Zugang zu Einrichtungen der Kultur und den Medien. All dies berücksichtigt die Anforderungen von Menschen mit ganz unterschiedlichen gesundheitlichen beziehungsweise körperlichen Voraussetzungen, darunter selbstverständlich auch blinde und sehbehinderte Menschen. Aber bereits dieser Querschnittsansatz - das haben sowohl Kollege Baasch als auch Kollegin Franzen sehr deutlich gemacht - spricht gegen einen Fonds, der lediglich auf eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen ausgerichtet wurde. Genau aus diesem Grund ist der Blindenfonds in der Vergangenheit auch immer wieder von Menschen mit anderen Behinderungen kritisiert worden: weil sie ausgeschlossen wurden.

Der Fonds erklärt sich im Übrigen auch nicht daraus, dass es ansonsten keine Maßnahmen für die Barrierefreiheit im Interesse von Menschen mit Sehbehinderungen gebe, sondern - das haben die Kollegin Franzen und der Kollege Baasch auch dargestellt - es war eine Kompensation im Zusammenhang mit der Kürzung des Blindengelds 2006 durch die frühere Landesregierung.

In diesem Zusammenhang - ich bitte, das einfach zur Kenntnis zu nehmen - war gerade angesichts des angesprochenen Gerechtigkeitsproblems von Anfang klar, dass der Fonds auf fünf Jahre beschränkt sein würde. Das war zwischen der damaligen Landesregierung und dem Blinden- und Sehbehindertenverein die Geschäftsgrundlage. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Fonds gestri

chen oder irgendetwas oder irgendjemand zum Opfer gefallen ist, sondern er wurde schlicht und ergreifend nicht neu aufgelegt. Der Fonds sollte zeitlich befristet modellhafte Projekte ermöglichen. Ich meine, auch wenn einige Projekte möglicherweise nicht die übergreifende Wahrnehmung und Nachahmung gefunden haben, die man sich vielleicht gewünscht hätte, dass dieser Zweck im Großen und Ganzen erfüllt wurde.

Noch einmal - ich will das ganz deutlich sagen -: Zweck war die modellhafte Erprobung und keine dauerhafte Etablierung einer Benachteiligung anderer Gruppen.