Die Spezialisierung auf ein eigenständiges Lehramt für Grundschulen ist fachlich sicherlich sinnvoll. Es darf aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass es unter dem Strich eine Lehrerausbildung erster und zweiter Klasse gibt. Der fachwissenschaftliche Bezug muss sichergestellt sein, und mehr als alles andere gilt auch hier der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Eine weitere Baustelle bei der Lehrerbildung betrifft die Minderheitensprachen. Der Minister hat im Ausschuss mündlich über die Situation des Friesisch-Unterrichts referiert. Ich muss eingestehen, dass ich nach Erfahrungen in der Vergangenheit zutiefst beunruhigt bin, wenn der Bildungsminister erklärt, alles sei in Ordnung.
Die Fakten geben mir recht: Der Europarat hat im Rahmen der Evaluation der Sprachencharta Schleswig-Holstein wegen der lückenhaften Unterrichtsversorgung für Friesisch gerügt. Des Weiteren ist die geringe Zahl neuer Friesisch-Lehrer, die Friesisch nur noch zusätzlich zu zwei anderen Fächern studieren können, in hohem Maße beunruhigend. Das Friesisch-Angebot im Bereich der Sekundarstufe II ist so gut wie gar nicht vorhanden. Der vom SSW in seinem Antrag geforderte Ausbau des Angebots ist in Schleswig-Holstein überhaupt nicht zu erkennen, sondern das krasse Gegenteil. Hier gibt es noch Hausaufgaben zu erledigen. Darum habe ich diesen Antrag heute noch einmal genannt.
Die „Kieler Nachrichten“ haben es letzte Woche auf den Punkt gebracht: Nie zuvor wurde so vehement der Schulfrieden eingefordert, und dabei ist Schulfrieden so weit entfernt wie eh und je. Da wiederhole ich gern, was ich in den Bildungsdebatten der letzten Monate oft genug gesagt habe: Mit dem von CDU und SPD getragenen Schulgesetz von 2007 gab es eine echte Chance für einen Schulfrieden - nicht, weil dieses Gesetz ohne Schwachstellen war, im Gegenteil, sondern weil beide großen Fraktionen mit im Boot saßen und es alle Möglichkeiten gab, die damals angestoßene Schulreform laufend zu evaluieren und weiterzuentwickeln.
Daraus ist bekanntlich nichts geworden. In der CDU gewannen nach 2009 diejenigen wieder die Oberhand, die 2007 dem Schulgesetz nur zähneknirschend zugestimmt hatten. Alle anderen gaben klein bei oder ließen sich von der FDP über den Tisch ziehen. Denn Fakt ist auch, dass die FDP in Bildungsfragen so strukturkonservativ ist, wie es die CDU nie gewesen ist. Es ist daher kein Zufall, dass der noch amtierende Bildungsminister Ekkehard Klug immer wieder gegen ,,die Benachteiligung des Gymnasiums“ gewettert hat. Er sieht das im Gegensatz zu den Gemeinschaftsschulen und wollte - so hat er immer wieder gesagt - das von Anfang an ändern.
Auch sein heutiger Bericht zielt in diese Richtung. Daher noch einmal, sozusagen für Spätzünder: Der SSW will das allgemeine Gymnasium nicht abschaffen - das können wir auch gar nicht -, schon gar nicht die gymnasiale Bildung. Denn diese Bildung ist notwendig, weil wir mehr Jugendliche mit einem weiterführenden Abschluss brauchen.
Um noch einmal auf die unerfreuliche Diskussion über G 8 und G 9 zu sprechen zu kommen: ich kann mich noch gut daran erinnern, wie G 8 2007 ins Schulgesetz hineinkam. Das war nicht zuletzt die Forderung der Wirtschaftsverbände, nicht zuletzt die Forderung der CDU und nicht zuletzt auch die Forderung auf Bundesebene. Da ist man in Schleswig-Holstein eingeknickt. Wenn man jetzt sagt, man brauche die Wahlfreiheit vor Ort, dann muss man sehen, dass diese Wahlfreiheit überhaupt nicht vorhanden ist. Die meisten Gymnasien haben G 8.
- Dann muss man das auf Bundesebene ändern, lieber Herr Kollege. Alles andere geht nicht. So ist das ja auch nach Schleswig-Holstein gekommen.
Wenn man jetzt einen in Beton gegossenen Schulfrieden einfordert und in diesem Zusammenhang alle Vorurteile mobilisiert, die es schon immer gegeben hat, spielt man mit Gefühlen von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schulkindern. Denn alle schulpolitischen Kontroversen der letzten zwei Jahre sind der Regierungskoalition geschuldet. Sie hat handwerklich schlecht gearbeitet bei der Erstellung von Erlassen und Verordnungen, und sie hat Schulträger und Kommunen gegen Schulkonferenzen ausgespielt.
Hinzu kommt - auch das scheint völlig ausgeblendet zu werden -, dass sich Kommunen im ländlichen Raum überwiegend für das Modell der Gemeinschaftsschule entschieden haben, und zwar unabhängig von politischen Mehrheiten. Es ist daher fast wie ein Schlag ins Gesicht dieser kommunalen Schulträger, wenn triumphierend eine aktuelle Studie des Allensbacher Instituts herangezogen wird, wonach es in Schleswig-Holstein eine deutliche Mehrheit gegen die „Einheitsschule“ gibt. Das ist natürlich ungemein beruhigend, denn wer will denn die „Einheitsschule“? - Ich nicht. Ich kenne keinen, der sie will. Keiner, der verantwortlich mit Schulpolitik umgeht, will die „Einheitsschule“.
Um weiterzukommen, brauchen wir eine andere Debatte, die aus den Ihnen bekannten Gründen nicht heute, nicht vor der Wahl geführt werden kann. Wir brauchen natürlich eine Debatte über die qualitative Weiterentwicklung von Schule.
Viele Punkte haben wir schon in anderen Debatten im Plenum und im zuständigen Bildungsausschuss miteinander erörtert. Ein paar Stichworte dazu.
Wichtig ist natürlich die Frage der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Da hat die neue Regierung nach 2009 weitere Barrieren eingebaut. Die Schulartempfehlung ist eine Barriere, und die Reduzierung der Zahl der Differenzierungsstunden bei den Gemeinschaftsschulen ist auch eine neue Barriere.
Wir brauchen eine Diskussion über die Durchlässigkeit und die Frage, wie wir sicherstellen können, dass die soziale Gerechtigkeitslücke im Bildungssystem geschlossen wird.
Wir brauchen auch eine weitere Diskussion über Inklusion. Wir wissen, dass Inklusion vielerorts als Sparmodell gehandhabt wird. Das geht nicht. Hier kommt noch richtig etwas auf uns zu.
Natürlich müssen wir auch über die Frage diskutieren, wie wir weitere Ressourcen ins Bildungssystem hineinkriegen. Der SSW steht dazu, dass die sogenannte demografische Rendite im System bleiben soll,
im Schulbereich, im Kita-Bereich und auch im außerschulischen Bildungsbereich. Das sage ich vor dem Hintergrund der Debatte, die wir morgen zum Bibliotheksgesetz führen. Daher ist die ganze Schulfriedensdiskussion mehr als wirklichkeitsfremd. Fakt ist, dass wir eine andere Diskussion brauchen.
Zu den vorliegenden Anträgen: Wir werden dem Änderungsantrag der SPD zum Schulfrieden zustimmen und uns beim Antrag der Grünen der Stimme enthalten. Bei den Anträgen der LINKEN werden wir uns überwiegend enthalten. Es geht mir mittlerweile wirklich gegen den Strich - die LINKEN sind in ihren Äußerungen oft nicht zu toppen. Sie versprechen den Menschen das Blaue vom Himmel.
Man hängt die Messlatte so hoch, dass man immer schön darunter hindurchlaufen kann. Die Konsequenz ist, dass nichts geschieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss auch sehen, wie man sich dorthin bewegt. Ziele sind wichtig, aber der Weg dorthin ist auch wichtig.
Auch wir sehen, dass viele junge Leute jetzt aufgerufen sind, sich am Bildungsstreik zu beteiligen. Das ist gut, das deutet darauf hin, dass sie ihre Rechte in Anspruch nehmen. Denn was bei der Bil
dungsdiskussion und beim Bildungsstreik unterm Strich bleibt, ist die Notwendigkeit, dass wir bessere Beteiligungsrechte für Jugendliche, für Schülerinnen und Schüler bekommen. Weniger Wahltagsdemokratie und mehr Alltagsdemokratie - das ist unserer Meinung nach immer noch der richtige Schritt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns die Redezeit in der Grünen-Fraktion aufgeteilt, weil ein Thema nicht zu kurz kommen darf - ich bin Anke Spoorendonk sehr dankbar für ihren Beitrag -: das ist die Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Wir beraten heute auch unseren grünen Gesetzentwurf in der neuen Fassung. Wir haben seit 2007 immer wieder Gesetzentwürfe vorgelegt und uns immer wieder mit den betroffenen Hochschulen, mit Experten, die sich mit dem Thema befassen, und mit Verbänden auseinandergesetzt und immer wieder unseren Gesetzentwurf überarbeitet. So auch dieses Mal. Anke Spoorendonk hat schon viel Richtiges gesagt, was die inhaltlichen Veränderungen angeht. Der Gesetzentwurf kommt ursprünglich vom Stufenlehrer. Er beinhaltet jetzt ziemlich viel von dem, was an der Universität in Flensburg vor Kurzem als Konzept vorgelegt wurde.
Ich möchte trotzdem noch auf ein paar Kontroversen, die es bei unserem Gesetzentwurf immer noch gibt, aufmerksam machen. Das eine ist, dass wir den Gemeinschaftsschullehrer zu Ende denken, dass wir Gemeinschaftsschule nicht nur bis zur 9. oder 10. Klasse denken, sondern dass wir sagen: Wer Gemeinschaftsschule ernst nimmt, der muss die Oberstufe mitdenken.
Genau deshalb schlagen wir vor, dass in Flensburg nur für die Sekundarstufe II ausgebildet wird, denn nur dann, Frau Franzen, haben wir einen fai
ren Wettbewerb zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, wo sich beide mit der jeweils eigenen Leistung aneinander messen können. Diese Zweiteilung würde - nach unserer Meinung jedenfalls - ein Stück weit aufhören, und es würde Bildungsgerechtigkeit für ganz viele junge Menschen in diesem Land bedeuten.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Detlef Buder [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])
Wir haben noch eine andere Sache gemacht - ähnlich wie Herr Kubicki, der gerade nicht hier ist, aber das gilt auch für viele andere -, nämlich Meinungsforschungsinstitute zu befragen. Das fällt in letzter Zeit in jeder Debatte auf. Man kann eigentlich keine Debatte mehr führen, ohne dass irgendein Umfrageinstitut bemüht wird. Das möchte ich jetzt auch einmal machen. Allensbach hat gestern eine Meinungsumfrage unter jungen Lehrkräften veröffentlicht. Die Frage war, ob die jungen Lehrkräfte das Gefühl haben, dass sie in ihrer Ausbildung genug Praxisbezug gelernt haben. Das ist keine Umfrage, die sich nur auf Schleswig-Holstein bezieht, sondern bundesweit gilt, aber meine These ist, dass Schleswig-Holstein kein Vorreiter ist, was den Praxisbezug in der Lehrerbildung angeht.
Es ist interessant, dass 40 % gesagt haben, dass sie finden, dass sie viel zu wenig Praxisbezug in ihrer Lehrerbildung hatten. Die Anzahl der Menschen, die gesagt haben, es sei zu viel Praxisbezug gewesen, ist deutlich kleiner. Deswegen haben wir auch gesagt, dass wir in unserem Lehrerbildungsgesetzentwurf sowohl für den Bachelor wie auch für den Master bestimmte Praxiswochen - für den Bachelor 15 und für den Master 20 Wochen – für den Praxisbezug festschreiben, weil das eine Aufgabe ist, bei der wir als Land gemeinsam mit den Hochschulen Verantwortung tragen, sodass die Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Zukunft praxisnäher stattfindet.
Herr Klug, ich finde es unerträglich, Sie zur Lehrerbildung in einem Punkt zu hören - vielleicht auch an einigen anderen Punkten -, und zwar, weil Sie als Landesregierung und als Koalition unter Lehrerbildung immer nur verstehen, dass es ein paar Veränderungen in Flensburg geben muss, damit die Studiengänge akkreditiert werden können. Es ist richtig: Es muss eine Veränderung in Flensburg geben, weil die Studiengänge akkreditiert werden müssen. Lehrerbildung aber nur darauf zu beziehen,
ein bisschen etwas zu verändern, um die Akkreditierung zu schaffen, greift nach unserer Ansicht zu kurz.