Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Da die Stiftungsuniversität als Dienstherr und Arbeitgeber aber das Recht erhält, Tarifverträge abzuschließen, könnten das öffentliche Dienstrecht und die Flächentarifverträge für den öffentlichen Dienst leicht umgangen werden. Dass solche Bedenken begründet sind, haben die GEW und ver.di bei der Etablierung anderer Stiftungsuniversitäten erfahren müssen. Beim Abschluss von Haustarifverträgen wird es also von der Durchsetzungsfähigkeit der Personalvertretung und der Gewerkschaften abhängen, um bestehende Tarifstandards der Beschäftigten langfristig zu sichern.

Insgesamt sehen wir also eine Reihe von Problemen. Andererseits sehen wir auch, dass die Etablierung einer Stiftungsuniversität für Lübeck eine Chance darstellt. Wir wollen deshalb sehen, wie der Prozess konkret weiterläuft. Wenn es ein Konzept gibt, dann will ich, dass alle Betroffenen diesem Konzept auch zustimmen.

Genau das ist ja auch Kernpunkt des vorliegenden Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP. Es gibt also noch Gestaltungsspielräume. Wir wollen uns diesen Gestaltungsspielräumen nicht verschließen. Daher werden wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE nicht zustimmen. Aber wir werden dem anderen Antrag zustimmen.

(Beifall beim SSW)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zu einem Dreiminutenbeitrag hat sich Herr Abgeordneter Jürgen Weber von der SPD-Fraktion gemeldet. Ich erteile ihm hiermit das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tatsache, dass man sich heute der Stimme enthält, hat einen ziemlich guten Grund. Es ist nämlich keinesfalls so, dass durch die Dinge, die in dem Konzept aufgeschrieben worden sind, alle Fragen beantwortet worden sind. Mindestens genauso viele Fragen sind noch offen. Und die Tatsache, dass der Kollege de Jager jetzt sieben Jahre an zwei verschiedenen Stellen Verantwortung für die Hochschulen hat und fünf Wochen vor dem Ende dieser Legislaturperiode etwas vorlegt, wird nicht ernsthaft die Grundlage dafür sein können, dass wir heute sagen: „So machen wir es“. Das ist das Erste, was ich sagen möchte.

Zweitens. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Erfahrungen mit dem Thema Stiftungshochschulen, Stiftungsprofessuren und Ähnliches. Eine Grunderfahrung ist die - in aller Kürze; wir können das jetzt nicht ausbreiten, aber wir kennen das auch in Schleswig-Holstein aus dem Bereich der Stiftungsprofessuren -: Wir wissen, dass es häufig interessante, auch privat mitfinanzierte Anschübe gibt, die sehr schnell wieder in die Verantwortung des Steuerzahlers zurückfallen, nämlich in die Grundhaushalte der Hochschulen, wenn die ersten fünf Stiftungsjahre vorbei sind. Also muss man sich genau überlegen, was man will.

Wir machen hier Hochschulpolitik für SchleswigHolstein und nicht nur für Lübeck. Wenn die Lübecker Universität, was ich nachvollziehen kann, aus den Erfahrungen der letzten Jahre, einen rechtlichen Handlungsrahmen will, der sozusagen für mehr Sicherheit des Bestandes sorgt, dann kann ich das nachvollziehen, dann kann ich das auch akzeptieren. Deswegen ist das ein offenes Verfahren. Sich jetzt aber hinzustellen und zu sagen „Wir wollen andere und bessere Rahmenbedingungen als die anderen Hochschulen“, muss ja doch zumindest mal abgewogen werden, was das in der Konsequenz für andere Hochschulen heißt. Wir machen nicht Hochschulpolitik für die Universität Lübeck, sondern wir machen Hochschulpolitik für alle

Hochschulen des Landes. Deshalb gilt es, diese Interessen auch gemeinsam abzuwägen.

(Beifall bei der SPD)

Meine vorletzte Bemerkung! Die Frau Kollegin Spoorendonk ist schon darauf eingegangen: In dem Antrag, den Sie vorgelegt haben, heißt es, Sie halten es für unabdingbar, dass dem Konzept für eine Stiftungsuniversität alle Beteiligten Hochschulgruppen vom Präsidium über den Mittelbau bis zum AStA zustimmen. Mit dem AStA meinten Sie wahrscheinlich das Studentenparlament, weil das ja das gewählte Gremium ist. Da frage ich mich: Sind damit die akademischen Gremien gemeint oder vielleicht auch die Personalvertretungen der Mitarbeiter an den Hochschulen? Das geht daraus überhaupt nicht deutlich hervor. Das sind schon zwei unterschiedliche Paar Schuhe, die berücksichtigt werden müssen.

Weil hier immer das Hohelied der Autonomie der Hochschulen gesungen wird, möchte ich zum Schluss noch darauf hinweisen, dass Autonomie der Hochschule ein starkes, großes und wichtiges Gut ist. Das steht völlig außer Zweifel. Aber Hochschulen haben einen öffentlichen Auftrag. Wir als Land Schleswig-Holstein, unterstützt durch den Gesetzgeber, ausgeführt durch die Regierung und gegossen in Zielvereinbarungen, formulieren natürlich auch das, was wir erwarten, was Hochschulen leisten mit den Steuergeldern, die wir zur Verfügung stellen. Wie sich ein solcher Prozess in einer Stiftungsuniversität abbildet, die sich außerhalb der Gremien und der Struktur der bisherigen Hochschullandschaft befindet, ist überhaupt noch nicht ausdiskutiert.

Auf dieser lauen Grundlage können Sie nicht ernsthaft erwarten, dass wir für diesen allgemein gehaltenen Antrag die Hand heben. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Jost de Jager das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass die beiden letzten Beiträge der Frau Abgeordneten Spoorendonk und des Herrn Abgeordneten Weber doch noch zu einem interessanten Dreh in einer ansonsten ja doch durch die

(Anke Spoorendonk)

nachmittägliche und zeitgeprägte Debatte geführt haben. Auf beide Punkte möchte ich gern noch eingehen. Zunächst möchte ich darauf eingehen, Frau Spoorendonk, was die Chronologie anbelangt.

Die Chronologie der Überlegungen der Universität Lübeck, Stiftungsuniversität zu werden, hängt überhaupt nicht mit den Beratungen des Doppelhaushaltes im Jahre 2010 zusammen, sondern ist sehr viel älter.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das war später!)

- Ja, ich komme gleich noch auf die von Herrn Weber genannten sieben Jahre zurück. Die sind also sehr viel älter, und sie finden sich übrigens auch schon in dem gemeinsamen Koalitionsvertrag von CDU und FDP. Dort heißt es nämlich:

„Wir“

- das sind also CDU und FDP

„werden die von der Universität Lübeck damals schon gewünschte Entwicklung hin zu einer Stiftungsuniversität sorgfältig prüfen und unsere Entscheidung hierzu in Abstimmung mit der Universität Lübeck insbesondere auf das Ziel ausrichten, die künftige Entwicklung dieser Universität finanziell und strukturell besser abzusichern.“

Das haben wir uns im Jahre 2009 schon vorgenommen. Das liefern wir, das machen wir. Ich werde Ihnen gleich erläutern, warum wir es jetzt machen. Aber das Thema lag auf dem Tisch, und jeder konnte sich damit auseinandersetzen. Wir haben es getan, und deshalb können wir jetzt ein Ergebnis vorweisen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Unterschied zwischen uns und Ihnen, Herr Weber, besteht darin, dass Sie kein Ergebnis vorweisen können. Ich finde es ganz bemerkenswert, dass bei einem wesentlichen Thema der Landespolitik - und dazu gehört das Thema Stiftungsuniversität - die SPD-Fraktion nach einem so langen Vorlauf und nach einem so langen Beratungsprozess nicht in der Lage ist, in der Apriltagung des Jahres 2012 eine fest unterlegte Haltung einzunehmen.

(Beifall bei CDU und FPD)

Es ist ja selten, dass ich mit dem Herrn Abgeordneten Andresen einer Meinung bin, aber in diesem Fall bin ich es. Es passt in das Muster der SPD, sich einfach nicht festlegen zu wollen. Entweder können Sie sich nicht festlegen, oder Sie wollen sich nicht

festlegen. Aber Sie sind auch in diesen wesentlichen Inhalten nicht in der Lage, Ihre Position zu bestimmen. Das halte ich für bemerkenswert.

(Beifall bei der CDU)

Seit dem übrigens, Herr Kollege Weber, in der Großen Koalition beschlossenen neuen Hochschulgesetz gibt es die Ermächtigung in dem Hochschulgesetz, auf eigener Gesetzesbasis Stiftungsuniversitäten einzuführen. Das heißt, jeder wusste, dass diese Möglichkeit besteht; jeder wusste, dass von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht werden kann, und deshalb passiert es ja.

Wenn Sie jetzt auf einmal mit doch sehr grundsätzlichen Bedenken kommen und sagen, Sie wüssten gar nicht, ob Sie eine Stiftungsuniversität wollten, weil sich unter Umständen eine Stiftungsuniversität in dem Ort A anders entwickelt als eine Nicht-Stiftungsuniversität an dem Ort B, dann sind wir haargenau an dem Punkt, an dem sich die Weltbilder von uns unterscheiden. Wir lassen Vielfalt zu und Sie nicht. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist der Grund dafür, weshalb wir gesagt haben, dass Stiftungsuniversitäten auf der Basis einzig gesetzlicher Ermächtigungen stattfinden sollen. Ich weiß nicht, ob es noch mehr geben wird, aber jede Stiftungsuniversität in ihrem eigenen Umfeld braucht natürlich auch besondere Bedingungen. Einmal ist es so, dass die Autonomie, die schon im Hochschulgesetz angelegt ist, die von der Universität Lübeck jetzt noch einmal weitergeführt werden soll, natürlich ein Punkt ist, der in diesem Stiftungsgesetz aufgenommen werden soll und in besonderem Maße übrigens auch den Ansprüchen der Universität Lübeck entspricht, weil sich die Universität Lübeck anders als andere für eine anderen Verfassung entschieden hat, die keine Fakultäten mehr kennt, sondern die sich jetzt schon in einer ganz anderen Weise entwickelt, als andere Universitäten dies tun. Insofern ist es schon jetzt eine besondere Universität.

Hinzu kommt, dass Lübeck ein Umfeld bürgerschaftlicher Stiftungen hat, das wir in anderen Städten in Schleswig-Holstein nicht kennen. Die Möglichkeit von Zustiftungen - übrigens nicht nur privater Sponsoren oder Unternehmen, sondern vorhandener Bürgerstiftung - gibt es in Lübeck, aber nicht in anderen Städten. Deshalb macht es Sinn, dass eine erste Stiftungsuniversität auch tatsächlich in Lübeck startet und nirgendwo anders.

(Minister Jost de Jager)

Wenn man dagegen grundsätzliche Bedenken hat das höre ich bei der SPD heraus -, dann ist das eine klare Ansage. Dann sagen Sie, dass Sie diese Zustiftung nicht wollen. Ich persönlich als Wissenschaftsminister freue mich, dass wir jetzt auf dem Weg sind, eine gesetzliche Basis dafür zu schaffen, dass die Possehl-Stiftung, deren Zweck darin besteht, Bildungseinrichtungen und gerade die Universitäten und Hochschulen in Lübeck zu unterstützen, ihr Geld für die Universität leichter einbringen kann, als es bisher der Fall gewesen ist. Das ist eine gute Politik, und deshalb wollen wir sie auch machen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich freue mich, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und CDU zu einem gemeinsamen Antrag gekommen sind. Er nennt Bedingungen, die mir auch wichtig sind. Auch halte es für richtig, dass alle beteiligten Gruppen der Universität zustimmen müssen. Auch ich halte es für richtig, dass die Studienbeitragsfreiheit fester Bestandteil des Stiftungsgesetzes sein muss. Das ist auch mit der Universität so vereinbart. Sie wissen, dass das ursprüngliche Konzept der Universität es anders vorsah. Wir haben in den Eckwerten ausgeschlossen, dass es zu Studienbeiträgen kommt, ganz einfach, weil ich keine Partei und keine Fraktion in diesem Landtag oder in dem nächsten Landtag kenne, die Studiengebühren erheben will. Das ist übrigens auch eine ganz klare Ansage, dass dies nicht geschehen soll. Insofern ist es, glaube ich, eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass dieses breit getragen wird.

Ich möchte Ihnen auch kurz erläutern, weshalb jetzt erst der Zeitpunkt gekommen ist, wo man dieses Eckpunktepapier vorlegen musste. Es hing nämlich von zwei Bedingungen ab, die wir jetzt erst kennen.

Die erste Bedingung war, inwieweit die Umsetzung des PPP-Projekts „Baulicher Masterplan“ möglicherweise mit den Bedingungen einer Stiftungsuniversität kollidieren würde. Seitdem aber durch Beschluss der Landesregierung und auch durch Beschluss des Landtags klar ist, dass die PPP-Maßnahme des baulichen Masterplans sich nur auf die Krankenversorgungsgebäude erstreckt und nicht auf die Forschungsbauten, ist die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Forschungsbauten auch tatsächlich in das Stiftungskapital einfließen können.

Der zweite Punkt, weshalb es jetzt erst möglich war, ist die Einigung, die es zwischen den Universitäten und den Fakultäten hinsichtlich der Empfehlung des Wissenschaftsrats gegeben hat, was die

strukturelle Weiterentwicklung der Hochschulmedizin anbelangt. Denn wenn es zu einem Integrationsmodell zwischen Klinikum und Universität gekommen wäre, wäre ein Stiftungsmodell nicht möglich gewesen. Die Einigung, die jetzt zwischen allen Beteiligten gefunden wurde, sieht aber ein Kooperationsmodell vor. Das ist eine weitere Voraussetzung dafür, dass eine Stiftung kommen kann. Das ist der Grund, weshalb erst jetzt dieses Eckpunktepapier vorgelegt werden konnte. Ich bin froh, dass es zu einer Einigung mit der Universität Lübeck gekommen ist. Ich glaube, es ist der richtige Weg, und ich trage ihn aus voller Überzeugung mit.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um drei Minuten überzogen. Diese stehen nun allen Fraktionen zur Verfügung.

Ich habe eine Meldung zu einem Dreiminutenbeitrag aus der Fraktion DIE LINKE gesehen. Herr Abgeordneter Björn Thoroe hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich in dem Antrag von Grünen, CDU und FDP lese, man wolle den Erhalt von freier Forschung und Lehre, man möchte keine Studiengebühren und man möchte die studentische Mitbestimmung bewahren, dann frage ich mich: Warum will man dann überhaupt die Stiftungsuniversität? Denn wenn man wirklich Forschung und Lehre unabhängig erhalten will, dann wird man von privaten Spenderinnen und Spendern kein Geld bekommen, weil diese niemals selbstlos Geld in diese Universität geben werden. Es wird immer Einfluss damit verbunden sein, wenn Träger oder andere Private der Universität Lübeck Geld geben. Ich habe viele Beispiele dafür genannt. An diese möchte ich auch Herrn Günther noch einmal erinnern, der mich anscheinend nicht so richtig verstehen konnte. Dann sollte er vielleicht besser zuhören.

Dass die Haushaltsmittel gleich bleiben, wenn Geld über die Stiftung akquiriert wird, wird, wenn ich mir anschaue, wer diesen Antrag gestellt hat, ein frommer Wunsch bleiben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Grünen!)

Ich glaube nicht daran, dass da nicht wieder der Sparhammer zum Vorschein kommt, wenn Geld von woanders an die Universität Lübeck fließt. Ich