Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

(Dr. Ralf Stegner)

Dazu kann ich nur sagen: Ich hätte mehr erwartet. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sie einfach nicht begreifen, was die jungen Eltern wirklich wollen.

(Zurufe)

Wenn Paare Eltern werden, wollen sie sich in den allermeisten Fällen auch um ihr Kind kümmern. Im ersten Lebensjahr bleibt fast immer ein Elternteil zu Hause, um für den jüngsten Nachwuchs zu sorgen. Auch immer mehr Väter entscheiden sich zunehmend häufiger, zumindest die ersten beiden Vätermonate in Anspruch zu nehmen. Diese Entwicklung scheint auch bei der Opposition - es ist ja gerade ruhig - weitgehend unstrittig zu sein.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Warten Sie einmal ab, Herr Stegner! - Doch dann trennen sich die gemeinsamen Auffassungen. Nach Ihrem Weltbild gibt es danach scheinbar ausschließlich nur noch eine richtige Entscheidung, nämlich die: Kind in die Krippe und auf zur Arbeit! Dabei wird von Ihnen völlig ausgeblendet, dass immerhin weit mehr als die Hälfte aller Eltern - oft sind es ja die Frauen - nicht unbedingt das vordringliche Ziel haben, während der ersten drei Jahre nicht bei ihrem Kind zu bleiben. Es geht um die ersten drei Lebensjahre eines Kindes.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Anita Klahn [FDP])

Wir maßen uns nicht an, das Erziehungsmodell, das die meisten Eltern immer noch für sich wählen, zu verunglimpfen oder zu verurteilen. Sie behaupten, dass diese Kinder zu Hause von Bildung ferngehalten werden. Meine Damen und Herren, das ist ein Affront gegen die Eltern.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir wehren uns gegen Ihren Kampfbegriff der „Fernhalteprämie“.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist Ihr Welt- bild!)

Sie behaupten damit, dass Eltern zu Hause nicht in der Lage seien, ihre Kinder zu erziehen. Sie stellen alle diese Eltern unter Generalverdacht. Ich finde das unerhört.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn?

Liebe Kollegin Rathje-Hoffmann, wie schätzen Sie die Möglichkeiten von Frauen ein, die drei Jahre zu Hause geblieben sind, um ihre Kinder zu betreuen, wenn sie fachlich gut qualifiziert sind, wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden und auf demselben fachlichen Niveau wieder einen Arbeitsplatz zu erhalten?

- Das ist von Fall zu Fall verschieden. Ich denke schon, dass es da Unterschiede gibt. Es ist den Frauen selbst zu überlassen, wie sie diese Situation einschätzen und wie sie sich entscheiden. Diese Entscheidung kann ich diesen Frauen nicht abnehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Serpil Midyatli?

(Wolfgang Baasch [SPD]: Dafür haben Sie auch die Arbeitsmarktinstrumente zusam- mengestrichen!)

- Herr Baasch, die Abgeordnete Serpil Midyatli stellt eine Frage.

Wenn ich Ihre Ausführungen gerade richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass die Eltern ihre Kinder zu Hause problemlos, wunderbar und gut erziehen. Davon gehen auch wir aus. Ich frage Sie, warum dann nicht alle Eltern das Betreuungsgeld bekommen? Warum selektieren Sie dann? Warum machen Sie zwischen Hartz-IV-Eltern und anderen Eltern Unterschiede?

Liebe Frau Midyatli, Hartz IV hat seine Tücken und Schwächen. Darauf möchte ich gern eingehen, Sie bringen mir jetzt diesen Impuls. Es ist sicherlich ein Fehler von Hartz-IV, aber zugrunde liegt das System der Grundsicherung bei Hartz IV. Ich weiß

(Katja Rathje-Hoffmann)

nicht, wer Hartz IV in diesem Land eingeführt hat. Ich glaube, es war Rot-Grün.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe)

- Ich mache mal weiter!

(Peter Lehnert [CDU]: Schröder war gar nicht in der SPD! - Günther Hildebrand [FDP]: Nur virtuell! - Weitere Zurufe)

Wir wissen und erkennen an, dass Lebensentwürfe durchaus unterschiedlich sein können und auch sein sollen. Wir sprechen uns weder ausschließlich für die Betreuung der Jüngsten zu Hause aus noch für die Betreuung der Kleinen in der Krippe oder bei der Tagesmutter. Wir wollen und stehen für die echte Wahlfreiheit der Eltern.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Bohn?

(Zurufe)

Wir können ja unterschiedlicher Meinung sein. Welche Wahlfreiheit hat eine alleinerziehende Krankenschwester mit drei Kindern, wenn niemand auf die Kinder aufpassen kann?

- Frau Dr. Bohn, das erkenne ich wohl an. Deswegen sind wir dabei, die Betreuungsplätze auszubauen. Das können Sie ja nicht verkennen. Es geschieht eine Menge vor Ort. Natürlich haben einige keine Wahl.

(Beifall bei CDU und FDP)

Diese Leistung sollen diejenigen erhalten, die sich für diesen Weg mit ihren Kindern entscheiden. Das betrifft meistens die Mütter, manchmal die Väter, und es können auch die Großeltern sein, die sich um die Enkel kümmern. Ja, auch diese Variante kommt für uns infrage.

Wir erkennen Erziehungsleistungen an. Manchmal haben die Eltern auch keine andere Wahl. Jeder von uns kennt Familien, bei denen ein Kind krank ist, das Kind einen erhöhten Frühförderbedarf oder einen erhöhten Betreuungsbedarf hat oder behindert oder von Behinderung bedroht ist, oder - ganz simpel - Geschwister rasch nacheinander geboren wer

den. In all diesen Fällen kann es natürlich sinnvoll sein, dass die Möglichkeit besteht, in den ersten drei Jahren die Kinder selbst zu betreuen und zu erziehen.

Deshalb sagen wir Ja zum Betreuungsgeld, jedoch das sagen wir offen und ehrlich - möchten wir nicht, dass die zu erwartenden Betreuungsgeldleistungen in bar an die Erziehenden ausgezahlt werden. Hier kommt es unserer Meinung nach auf die konkrete Ausgestaltung dieser weiteren staatlichen Leistung an. Auch wir möchten verhindern, dass es zu möglichen Fehlanreizen kommt. Das gehört für uns auch zur Wahrheit dazu. Es wäre ein falsches Signal, wenn Eltern des Geldes wegen zu Hause blieben. Wir setzen uns dafür ein, dass das Betreuungsgeld ausschließlich für die Alterssicherung also wahlweise für die gesetzliche Rentenversicherung oder für eine private Alterssicherung - verwendet werden darf. Denn hiermit werden ein Grundstock für eine zusätzliche Altersversorgung gebildet oder zusätzliche Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet. Das mit dem Duplo oder dem Kinderriegel sollten Sie einmal nachrechnen. Dies wiederum ist ein weiterer Baustein zur Vorbeugung der drohenden Altersarmut gerade bei Frauen, die davon häufig betroffen sind.

Das nennen wir echte Wahlfreiheit. Dafür machen wir uns gemeinsam im Bund stark und werben für unsere Variante des Betreuungsgeldes. Wir alle wissen, dass der Gesetzentwurf des Bundes noch nicht vorliegt und dass man in Berlin derzeit an der Ausgestaltung arbeitet. Dieser von uns vorgeschlagene Weg bietet aus unserer Sicht eine echte Wahlfreiheit und Sicherheit. Beide Wege der Betreuung sind richtig, und beide Wege werden von uns unterstützt - für alle jungen Eltern.

(Beifall bei der CDU)

Besonders erwähnen möchte ich abschließend, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein es aller Voraussicht nach bis zum nächsten Jahr schaffen werden, die festgelegte Versorgungsquote von durchschnittlich 35 % für die Betreuung der unter Dreijährigen zu gewährleisten. Diese schwierige Aufgabe wurde gemeinsam von allen Beteiligten gestemmt - vom Bund, vom Land und von den Kommunen. Das ist gut so.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

(Katja Rathje-Hoffmann)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Opposition, ich wiederhole gleich zu Beginn, was ich bereits in allen Reden zu diesem Thema gesagt habe: Sie bekommen diese Koalition nicht auseinanderdividiert.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das fürchtet die CDU auch!)

All Ihre Versuche sind schlicht und einfach untauglich. Die Aktuelle Stunde von gestern hat noch einmal eindrucksvoll bewiesen: Schwarz-Gelb steht geschlossen, während die letzte Dänen-Ampel nicht einmal den Tag überlebt hat.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU - Zu- rufe)

Die Position der FDP zum Betreuungsgeld ist völlig klar. Wir lehnen es ab.