Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Die Position der FDP zum Betreuungsgeld ist völlig klar. Wir lehnen es ab.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Andreas Tiet- ze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Betreuungsgeld setzt die falschen Anreize.

(Demonstrativer Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Ul- rich Schippels [DIE LINKE] und Flemming Meyer [SSW] - Zurufe)

Wir haben das Thema nie begrüßt. Wir wollen Familie und Beruf besser vereinbaren. Nach unserer Vorstellung soll das Geld besser in Infrastrukturmaßnahmen der Kinderbetreuung gesteckt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flem- ming Meyer [SSW])

Oder das Vorhaben wird ganz gestrichen - als Beitrag, um im Jahr 2014 auf Bundesebene einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

(Birte Pauls [SPD]: Was für eine Einigkeit!)

Auch in der Union beziehungsweise in Teilen der Union ist das Betreuungsgeld umstritten.

Frau Klahn, entschuldigen Sie bitte. Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Liebe Frau Kollegin Klahn, da Sie eben in den letzten zwei Minuten genau den Inhalt unseres Antrags vorgetragen haben, darf ich daraus schließen, dass Sie dem dann auch zustimmen werden heute?

- Ich würde sagen: Warten Sie es einfach ab!

Der Fraktionsvorsitzende Kauder schlägt vor, Kindererziehungszeiten besser bei der Rente anzurechnen. Unterstützung findet er bei Frau Böhmer und der Frauenunion. Andere unterstützen unsere Position. Herr Seehofer wiederum hat klargestellt, dass die CSU am Betreuungsgeld festhält, und auch die Kanzlerin hat sich in diese Richtung geäußert. Ministerin Schröder hat neue Vorschläge.

Auch auf Landesebene gibt es ablehnende Äußerungen zum Betreuungsgeld. Wenn ich auf Podiumsdiskussionen bin, lehnen Unionskandidaten regelmäßig dieses ab. Meine Kollegin Katja RathjeHoffmann hat sich diesbezüglich schon geäußert. Wie Sie sehen, ist die Meinungsbildung offensichtlich in der Union deswegen nicht abgeschlossen. Unsere Position ist an dieser Stelle: Der Ball liegt bei der Union auf Bundesebene.

(Beifall des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Vor allem muss sie eine gemeinsame Position mit ihrer Schwester, der CSU, finden.

Klar ist aber auch, dass mit der FDP nur das Betreuungsgeld verabredet wurde. Wir lehnen neue Leistungen bei den Renten zulasten der Beitragszahler ab. Nach unserer Schätzung würde diese Verbesserung, die zugegebenermaßen fachlich immer noch besser ist als das Betreuungsgeld, einen hohen einstelligen Milliardenbetrag kosten. Das entspricht nicht unserer Vorstellung von generationengerechter Familienpolitik. Wir wollen unseren Kindern keine Schuldenberge hinterlassen.

Dieser letzte Punkt bringt mich zu einigen grundsätzlichen Aussagen, die unser Abstimmungsverhalten klarstellen sollen. Auch in diesem Punkt wiederhole ich mich sicherlich im Vergleich zu meinen vorherigen Reden. Die FDP ist vertragstreu, wir stehen zum Koalitionsvertrag. Das gilt sowohl für die Bundesebene als auch auf Landesebene. Wenn man sich nicht an getroffene Vereinbarungen hält, geht jede Vertrauensgrundlage in der Politik zugrunde. Ein zielgerichtetes Regieren wird nicht möglich sein. Ich weiß, dass nicht jeder diese Haltung in der Politik hat, aber es die Haltung der Liberalen.

Die FDP ist ein verlässlicher Partner. Wir stehen zu unseren Vereinbarungen, die wir getroffen haben. Auf Bundesebene wurde das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag verankert und jüngst durch einen Koalitionsgipfel erneut bestätigt. Das Betreuungsgeld gehört zu einem gesamten Paket von Kompromissen, die notwendig sind, damit Koalitionsregierungen handlungsfähig werden. Diese Mechanismen gelten allgemein - ganz unabhängig davon, welche Parteien ihnen angehören.

Auf Landesebene haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass FDP und CDU bei Abstimmungen im Landtag und in den Ausschüssen und Gremien ein einheitliches Votum abgeben. Entsprechend wird meine Fraktion abstimmen, obwohl wir den Antrag inhaltlich ablehnen. Das beantwortet sicherlich jetzt Ihre Frage, Herr Dr. Stegner.

Eine Sache möchte ich am Ende aber noch darstellen: Gemeinsame Beschlüsse können auch gemeinsam geändert werden. Ich hoffe daher, dass sich die Union auf Bundesebene in dieser Frage noch bewegt. Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer guten Lösung kommen werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie bitte gemeinsam mit mir auf der Tribüne Fraktionsgäste des Girls’ Day! - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau einem Jahr - im Mai 2011 - haben wir Grüne den ersten Antrag zum Betreuungsgeld in den Landtag eingebracht. Eine Prämie dafür zu zahlen, dass ein Krippenplatz nicht in Anspruch genommen wird, ist falsch. Es ist falsch im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, es ist falsch im Sinne der frühkindlichen Bildung, und es ist falsch im Sinne einer nachhaltigen Armutsbekämpfung.

(Zuruf)

- Doch, Frau Kollegin Franzen, genau das ist es.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Da sind sich alle Experten einig, nur einige wenige sind stur wie Maulesel und wollen das nicht zur Kenntnis nehmen. Aber es soll noch schlimmer kommen als in unseren schlimmsten Albträumen befürchtet: Das Betreuungsgeld soll auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus. Ein Manager, der 500.000 € im Jahr verdient und dessen Frau zu Hause bleibt, um das gemeinsame Kind zu versorgen, bekommt künftig 150 € mehr, eine Alleinerziehende, die Hartz IV bezieht, bekommt die 150 €, anschließend werden sie ihr vom Regelsatz abgezogen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Wo bleibt da die Chancengleichheit? Auf die Podiumsdiskussionen - da bin ich der Kollegin Klahn sehr dankbar - haben Sie schon hingewiesen. Sie haben selbst Kritik am Betreuungsgeld geäußert. Wir haben versucht, Ihnen eine Brücke zu bauen und haben gesagt: Setzen Sie sich doch dafür ein, dass die CSU, die immer als die Schuldige dargestellt wird - sie ist es möglicherweise auch -, in Bayern ihren Willen bekommt, und Sie setzen sich dafür ein, dass wir hier in Schleswig-Holstein einen anderen Weg gehen. Haben Sie das getan? - Nein, das haben Sie nicht getan. Der Antrag kam ja aus der Opposition, und deswegen wird der grundsätzlich abgelehnt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Zur Wahlfreiheit! Ist Ihnen eigentlich klar, dass es diese Wahlfreiheit, die Sie wie ein Mantra vor sich hertragen, liebe Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, nicht für alle Frauen und alle Männer gibt, die sich in dieser Situation befinden?

(Katja Rathje-Hoffmann [CDU]: Das habe ich erklärt!)

- Sie haben versucht, das zu erklären. Leider sind Sie einen Teil der Antwort schuldig geblieben. Wir haben vor einiger Zeit den Bericht über Alleinerziehende in Schleswig-Holstein bekommen. Fast 90.000 Alleinerziehende in Schleswig-Holstein! Ich habe Ihnen auch das Beispiel der Krankenschwester genannt, drei Kinder, keine Familie, die einspringen kann. Sagen Sie doch einmal bitte vielleicht melden Sie sich noch einmal -: Bei 150 € zusätzlichen Rentenbeiträgen, die geplant sind, was

(Anita Klahn)

meinen Sie, welche Tarifstufe das bei einem Rentenbeitragssatz von 19,6 % ist? Das ist eine Armutsfalle, in die Sie die Frauen laufen lassen. Das ist unerhört.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass alle Kinder gute Chancen bekommen, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, unabhängig von ihrer Muttersprache und unabhängig davon, wo in Schleswig-Holstein sie aufwachsen.

Ab 2013 gibt es einen Rechtsanspruch - da sind wir uns endlich wieder einmal einig. Sie sind so optimistisch und meinen, dass die Kommunen das umsetzen können. Ich bin sehr gespannt, ob das alles wirklich funktionieren wird, denn nach unserem Kenntnisstand sind die Kassen der Kommunen leer.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, rechnen wir das doch einmal durch! Sie wollen ab dem Jahr 2013 für Zweijährige jeden Monat 100 € Betreuungsgeld zahlen. Das sind 1.200 € pro Jahr. Das macht bei 20.000 Kindern, die pro Jahr in Schleswig-Holstein geboren werden, eine Summe von 24 Millionen €.

Ab dem Jahr 2014 sollen für Zwei- und Dreijährige jeden Monat 150 € gezahlt werden. Das sind 1.800 € pro Jahr. Bei 20.000 Kindern sind das 72 Millionen € pro Jahr. 72 Millionen €, die wir Grüne gern in den Ausbau der Kinderbetreuungsstätten investieren wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Und Sie sagen Nein zu diesem Vorschlag.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Rathje-Hoffmann?

Sehr gern.

Frau Kollegin Bohn, ist Ihnen bekannt, dass Eltern, die in den ersten drei Jahren nicht arbeiten, trotzdem Rentenanwartschaften sammeln?

- Ja, Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, das ist mir bekannt. Ist Ihnen auch bekannt, dass letztlich bei all denjenigen, die irgendwann einmal in Rente ge