- Ja, Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, das ist mir bekannt. Ist Ihnen auch bekannt, dass letztlich bei all denjenigen, die irgendwann einmal in Rente ge
Die Höhe der Rente leitet sich von den Anwartschaftspunkten ab. Diese 100 € beziehungsweise 150 € werden auch in Anwartschaftspunkte umgerechnet. Ich glaube, das blenden Sie aus, Frau Kollegin Bohn!
- Nein, liebe Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, das sehen Sie ganz falsch. Ich blende gar nichts aus. Deswegen habe ich bewusst gefragt, ob Sie das einmal durchgerechnet haben. Dort in den Reihen sitzt ja jemand - er unterhält sich bei diesem Thema gerade -, der möchte einmal Ministerpräsident für alle Menschen in Schleswig-Holstein werden. Sagen Sie doch einmal: Wie hoch ist nach Ihren Berechnungen der Tariflohn, der gezahlt wird, damit es sich für die Familien auch lohnt? Ganz abgesehen davon, dass sie das Geld sehr viel später bekommen. Die Familien brauchen das Geld jetzt. Sie brauchen jetzt die Kinderbetreuung und nicht morgen oder übermorgen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Förderung der frühkindlichen Bildung sind in allen Parteiprogrammen zur Landtagswahl Schwerpunkte. Ich bleibe bei unserer Rechnung: 24 Millionen € für das Jahr 2013, 72 Millionen € für jedes Jahr ab 2014 bedeuten insgesamt bis zur nächsten Wahl eine Summe von 264 Millionen €.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stellen heute gemeinsam noch einmal unseren gemeinsamen Oppositionsantrag. Wir wollen das Geld gezielt in den Ausbau der Kinderbetreuung stecken. Das ist gut für die Kinder. Das ist gut für alle Familien. Das ist gut für die Kommunen. Ich fordere Sie auf - das ist Ihre letzte Möglichkeit -, dem zuzustimmen. Ich habe bei allen Podiumsdiskussionen gesagt: Das Angebot von grüner Seite steht bis zum letzten Tag der Legislaturperiode, gerade weil aus Ihren eigenen Reihen immer kritisch gesagt worden ist: Wir haben durch die Koalition ein Problem. Ich fordere Sie auf: Unterstützen Sie unseren Antrag! Springen Sie über Ihren großen schwarzen Schatten, und lauschen Sie der Frau Kollegin Pauls!
Frau Kollegin Bohn, ist Ihnen bekannt, dass die Vorsitzende der Frauenunion im Kreis Schleswig-Flensburg bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion in der vergangenen Woche das Betreuungsgeld scharf kritisiert hat?
- Das ist mir nicht bekannt. Aber ich kann mir gut vorstellen, liebe Frau Kollegin Pauls, dass das eine kluge Frau ist, die das aus guten Gründen kritisiert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ist es nicht zu spät. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir haben hier in den letzten zweieinhalb Jahren viel über die Schuldenbremse diskutiert. Wir stimmen gleich darüber ab, ob die nächste Landesregierung bis zur nächsten Wahl 264 Millionen € mehr oder weniger für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat.
(Lebhafter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW- Wortmeldung des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass wir über mehrere Anträge zum Betreuungsgeld diskutieren, macht doch klar, dass die Mehrheit auf Bundesebene und auch dieses Hauses einfach noch nicht begriffen hat, was Eltern brauchen, die Kinder großziehen, um Ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen. Sie haben die gesellschaftliche Debatte nicht verfolgen können, dass das, was Sie wollen, nämlich das Betreuungsgeld, nicht die Vorstellung derjenigen ist, die heute Kinder großziehen.
Das Betreuungsgeld verkörpert das Familienbild der 50er- und 60er-Jahre. So haben wir immer argumentiert. Frauen bleiben zu Hause, weil sie immer noch weniger verdienen. Männer gehen zur Arbeit. Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, wenn heute eine
Frau drei Jahre zu Hause bleibt - das zeigen alle Studien -, hat sie hinterher ganz große Schwierigkeiten, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Die Debatte im Sozialausschuss über die Situation der Alleinerziehenden hat doch gezeigt, dass diejenigen, die zu Hause bleiben und Schwierigkeiten mit der oder keine Kinderbetreuung haben, kaum noch Arbeit finden, sondern auf Hartz IV angewiesen sind.
Wir wollen eine Familienpolitik des 21. Jahrhundert, in dem wir jetzt leben. Ihr Vorschlag der Einführung des Betreuungsgeldes ist kontraproduktiv.
Das Betreuungsgeld, das CDU/CSU und FDP verfolgen, speist Frauen mit einem Taschengeld ab und ist unsozialer Nonsens.
In Wahrheit geht es darum, die Mängel in der desolaten Infrastruktur für Kinder mit dem Betreuungsgeld komplett zu übertünchen. Sie wollen dafür kein Geld mehr ausgeben. Frauen, die arbeiten wollen, werden ins Abseits gestellt. Das Betreuungsgeld ist eine Fehlinvestition. Wir brauchen die Mittel, um Beruf und Familie endlich besser miteinander zu vereinbaren.
Bundesweit werden die Kosten für das Betreuungsgeld auf 1,2 Milliarden € pro Jahr geschätzt. Dieses Geld fehlt doch dann unseren Kommunen an allen Ecken und Enden, um zusätzliche Betreuungsplätze einzurichten. Die Kommunen haben doch jetzt schon große Schwierigkeiten, den Betreuungsauftrag bis 2013 überhaupt zu erfüllen. Wir müssen 35 % erreichen und haben bisher - Mitte 2012 - nur 21,8 %. Es sind noch acht Monate, und es müssen noch 9.000 weitere Plätze geschaffen werden. Dafür brauchen wir die Mittel, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind.
Die müssen eingesetzt werden, um möglichst schnell gute und kostenfreie Krippen, Kitas und viel mehr Ganztagsschulen einzurichten.
Wir brauchen keine Debatte mehr über die traditionellen Rollenbilder. Wir brauchen keine täglichen neuen und absurden Ideen, die das Betreuungsgeld
doch noch irgendwie wieder auf den Weg bringen. Alles, was jetzt auf Bundesebene diskutiert wird, ist unsäglich, eine Diskussion, die zulasten der Eltern, insbesondere der Frauen, und der Kinder geht.
Letztlich geht es nur darum, die Koalition auf Bundesebene auf dem Rücken der Frauen zu retten und das auch noch mit einer stockkonservativen CSU gerade, was Familienpolitik anbelangt.
Ihr Vorschlag zur Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rente ist eigentlich überfällig. Alle Frauen brauchen natürlich eine höhere Rente, damit wir der Altersarmut gerade bei Frauen begegnen können. Damit müssen wir jetzt anfangen. Aber die Anerkennung der Erziehungszeit bei der Rente an das Betreuungsgeld zu koppeln, ist eine Verhöhnung jeder Frau.
Jetzt zu dem Vorschlag, das Betreuungsgeld auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen. Dieser Vorschlag stößt ja wohl dem Fass vollends den Boden aus. CDU und CSU einigen sich auf Kosten der Ärmsten. Hier muss ich auch noch einmal betonen: Das sind letztlich die Auswirkungen von dem Gesetz Hartz IV, das 2005 eingeführt worden ist. In jeglicher Diskussion sind Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger immer benachteiligt. Auf deren Kosten wird gespart. Es wird jetzt nicht mehr Geld ausgegeben, sondern Sie sparen dort Geld ein und nehmen das für das Betreuungsgeld.
- Nein. Sie sind gegen das Betreuungsgeld, entschuldigen Sie. Aber setzen Sie sich doch auch kraftvoll auf Bundesebene dafür ein, dass das Betreuungsgeld nicht ausgezahlt wird! Verhindern Sie das, und stimmen Sie unserem Antrag heute zu!
Ja. - Sie meinen jetzt auch noch, dass die Betreuung von Kindern in Hartz-IV-Familien weniger wert ist als in Familien mit auskömmlichem Einkommen. Ich möchte auch noch sagen -
Es gibt hier in Europa ein Modell des Betreuungsgeldes, und zwar in Norwegen. Das ist vor Jahren dort eingeführt worden.
Ja. - Und die Erfahrungen zeigen, dass die Wirtschaft beklagt, dass seit der Einführung 12 % weniger Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Jetzt fängt in Norwegen die Debatte an, das Betreuungsgeld wieder abzuschaffen, weil es bei den Eltern so unbeliebt geworden ist. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, überlegen Sie sich das noch einmal, und ziehen Sie das zurück!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit welcher abenteuerlichen Begründung und durch welche merkwürdigen Zwänge auch immer auf Bundesebene Beschlüsse zu diesem Thema gefasst werden, für den SSW steht eins unverändert fest: Das Betreuungsgeld ist ausgemachter Blödsinn und darf niemals eingeführt werden.