Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Von einer Energiewende redet die CDU nach dem Atomausstiegsbeschluss. Leider ist Reden das eine, Handeln das andere.

(Beifall des Abgeordneten Olaf Schulze [SPD])

Die Erweiterung der Windflächen wird in die nächste Legislaturperiode geschoben, Herr Innenminister. Ich sage Ihnen: Weisen Sie wenigstens die unstrittigen - so sehr interessiert Sie das vielleicht auch nicht, habe ich den Eindruck - vorzeitig aus. Die Landesregierung steht im Moment auf einer Investitionsbremse.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wortmeldung des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

- Ich freue mich auf Ihre Zwischenfrage.

Herr Kollege Matthiessen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klaus Schlie?

Herr Kollege Matthiessen, da Sie der absolute Energieexperte sind,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Heinz-Werner Jezew- ski [DIE LINKE])

- jedenfalls halten Sie sich dafür -: Ist Ihnen klar, dass wir, um die Windenergieflächen in allen fünf Regionalplanungsbereichen rechtssicher ausweisen zu können, am Ende dieses Prozesses bei der erheblichen Abweichung, die wir zum Entwurf dieser fünf Regionalpläne - Teilfortschreibung Wind - hatten, weil wir jetzt bei 1,68 % und nicht bei 1,5 % der Landesfläche liegen, eine Gesamtabwägung brauchen und erst dadurch Rechtssicherheit erlangen würden? Ist Ihnen auch bewusst, dass wir ansonsten jegliche Investition verzögern oder gar verhindern würden? Ist Ihnen das alles bewusst?

- Herr Kollege Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Wir teilen, dass wir mit einem

rechtssicheren Verfahren am Ende eine Erweiterung der Windflächen durch einen neuen Teilregionalplan Wind brauchen. Gleichzeitig sage ich Ihnen aber auch, dass jegliche Planung - wir kennen das zum Beispiel auch aus Planvorhaben von Gemeinden - eine rechtserhebliche Vorwirkung hat. Daraus ergibt sich, dass die heute unstrittigen Flächen in dem Plan die ganz überwiegende Mehrheit darstellen. Ich schätze, dass 10 oder 20 % der Flächen strittig sind. Dann können wir die unstrittigen Flächen sozusagen vorausweisen, indem wir die Ausschlusswirkung der bestehenden Teilregionalpläne insoweit aussetzen, als diese schon als verkündungsreife Vorhaben hinzugefügt werden. Das war die rechtliche Seite. Darüber liegen uns Gutachten vor. Ich habe auch mit dem Wissenschaftlichen Dienst besprochen, dass dies möglich ist. Warum handelt eine Landesregierung und eine CDU-geführte Landesregierung, die sich eine große Wirtschaftskompetenz zumisst, nicht so?

Ich sage Ihnen: Die Gutachten ergeben 6 GW Windenergiezubau auf den geplanten Flächen. Das sind 6 Milliarden € Investitionen in unserem Land. Da stehen Sie auf der Bremse und sorgen für eine Verzögerung. Weisen Sie morgen die ersten Flächen aus, damit die Investitionen beginnen können, Herr Minister. Das ist die Beantwortung Ihrer Frage.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Matthiessen, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist? Ich bitte Sie, einen letzten Satz zu formulieren.

(Beifall des Abgeordneten Peter Sönnichsen [CDU])

Eine traurige Bilanz der Energiepolitik in Schleswig-Holstein - Überschrift: CDU. Da nützt es wenig, auf Plakate im Wahlkampf 100 % zu schreiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD, der LINKEN und SSW)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

(Detlef Matthiessen)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben den beiden Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel avanciert nun auch das Atomkraftwerk Brokdorf zum Pannenmeiler. Der einstige Vorzeigemeiler in Schleswig-Holstein wurde nach dem Fund gebrochener Niederhaltefedern an Brennelementen vollständig heruntergefahren und unterliegt nun der Revision. Es bleibt natürlich abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Atomaufsicht in dieser Frage kommen wird. Eins steht jedoch heute schon fest: Brokdorf wird spätestens 2021 endgültig abgeschaltet. Auch wir hätten uns hierfür einen früheren Zeitpunkt gewünscht, aber so ist es im Atomgesetz festgelegt. Wie wir wissen, handelt es sich hierbei um ein Bundesgesetz. Daher ist die Forderung der LINKEN, das AKW sofort abzuschalten, in dieser Form so nicht nur umsetzbar, sondern sogar rechtswidrig.

(Zuruf des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Darüber hinaus gibt es mit dem Betreiber bestehende Verträge, die zu akzeptieren sind, weil sie nach Recht und Gesetz geschlossen wurden. Daran haben wir uns zu halten, auch wenn es uns politisch nicht erfreut. Letztendlich ist es so, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Weiter will ich auf den Antrag der LINKEN hier nicht eingehen, weil die Kolleginnen und Kollegen Vorredner schon einiges zu dem Antrag gesagt haben.

Kommen wir nun zu den Anträgen der SPD und der Grünen. Mehrfach konnten wir den Eindruck gewinnen, dass das Atomgesetz eher dem Schutz der Anlagen dient als der Sicherheit der Menschen. Wie kann es sonst sein, dass die Betreiber von Krümmel und Brunsbüttel derart vorgehen konnten, wie wir es hier im Land erlebt haben?

Herr Abgeordneter Harms, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Thoroe zu?

Nein, die Mittagspause naht.

(Vereinzelter Beifall)

Daher begrüße ich die Forderung nach strengeren Gesetzen für den Betrieb und strikteren Vorgaben für die Abwicklung der Meiler. Die Abwicklung der Meiler mit ihren radioaktiven Elementen wird uns über Jahre beschäftigen. Damit sich dies nicht

bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinzieht, brauchen die Kraftwerksbetreiber klare Vorgaben.

§ 7 Abs. 3 Atomgesetz sieht derzeit zwei Möglichkeiten für die Stilllegung der Anlagen vor, den sicheren Einschluss oder den Abbau der endgültigen stillgelegten Anlage. Mit dem sogenannten sicheren Einschluss wird das Ziel verfolgt, über einen längeren Zeitraum Radioaktivität abklingen zu lassen, um den Rückbau zu erleichtern. Je nach Art der Anlage kann dies mehrere Jahrzehnte dauern. Die meisten Experten gehen von Zeiträumen von bis zu 60 Jahren aus.

Damit haben die betroffenen Kommunen über Jahrzehnte keine Planungsmöglichkeit für den Betriebsstandort, sondern, wenn man so will, eine Investitionsruine in ihren Gemeindegrenzen stehen. Bereits der Wegfall eines Kraftwerks stellt für die betroffenen Kommunen einen wirtschaftlichen und finanziellen Einschnitt dar. Wenn auch noch das Betriebsgelände nach der Stilllegung über Jahrzehnte unbeplant und brachliegen bleiben muss mit einem alten, unsicheren Atomkraftwerk unter Einschluss -, ist dies ein weiterer Einschnitt für die Kommune. Denn solange das Atomkraftwerk stehen bleibt, ist das Gelände für nichts zu gebrauchen. Eine dauerhafte Gefährdung bleibt bestehen. Wenn man ehrlich ist, sieht man: Wenn so etwas in einer Kommune rumsteht, ist das nicht gerade werbewirksam. Daher fordern auch wir als SSW, dass die Atomkraftwerke nach der Stilllegung unverzüglich zurückgebaut werden müssen. Die Kosten des Rückbaus dürfen nicht ausschlaggebend sein und den Rückbau möglicherweise verzögern.

Eine aktuelle Studie von Greenpeace kommt zu dem Ergebnis, dass für die Abwicklung sowie für die Entsorgung der Kernkraftwerke rund 34 Milliarden € benötigt werden. Da die Endlagerkosten aber nur schwer einzuschätzen seien, müsse hier mit weiteren Ausgaben gerechnet werden. Alles in allem kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der Atomausstieg mindestens 44 Milliarden € kosten wird, die natürlich die Energiekonzerne zu tragen haben.

Dies ist eine Stange Geld. Wir wollen die Betreiber nicht aus ihrer Verantwortung lassen. Laut der Studie belaufen sich die Rückstellungen von E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall nun auf rund 30 Milliarden €, die zurzeit aber nicht insolvenzsicher sind. Hier brauchen wir eine gesetzliche Regelung, die die finanziellen Mittel sichert. Es darf nicht so sein, dass der Steuerzahler am Ende auf den Kosten sitzen bleibt. Das heißt, wir brauchen einerseits das, was die Grünen fordern, nämlich Insolvenzsicher

heit, andererseits aber auch eine Erhöhung der Rücklagen auf die Summe, die tatsächlich notwendig sein wird. Die Konzerne müssen die Kosten des Atomausstiegs bezahlen und nicht der Steuerzahler.

Mit dem unverzüglichen Rückbau der stillgelegten Anlagen kommen wir automatisch zu der Frage: Wohin mit dem radioaktiven Müll? Derzeit wird das Ganze in korrodierten Fässern eingelagert. Selbstverständlich brauchen wir eine gesetzliche Grundlage, die diese Einlagerung regelt. Wohin also mit dem atomaren Müll, wenn die ersten Meiler zurückgebaut werden? Es ist ganz klar: Wir brauchen ein Endlagergesetz. Wir müssen so schnell wie möglich eine entsprechende Lösung finden.

Meine Damen und Herren, wir als Gesellschaft müssen nun eine Last tragen, die die politische Fehleinschätzung „pro Atomkraft“ ausgelöst hat. Ein Endlager - wo auch immer - wird notwendig sein. Wir kommen leider nicht daran vorbei. Entscheidend in der politischen Diskussion der Zukunft ist, dass die, die jahrzehntelang riesige Geldsummen mit der Atomkraft verdient haben, jetzt auch für den daraus entstandenen Schaden geradestehen und den Schaden für die Gesellschaft so gering wie möglich halten. Deshalb stimmen wir sowohl dem SPD-Antrag als auch dem Antrag der Grünen zu.

(Beifall beim SSW)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Klaus Schlie das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Mittagspause eigentlich schon angefangen hätte, will ich auf das eingehen, was der Kollege Matthiessen gesagt hat. Er wird das auch in der letzten Woche benutzen, um die Legende aufzubauen, wir verhinderten Investitionen in die Windkraft.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Ihre Rechtsauffassung ist falsch, Herr Abgeordneter Matthiessen. Wir haben in allen fünf regionalen Planungsräumen erhebliche Abweichungen von dem Entwurf. Wir haben viele zusätzliche Flächen. Wir erweitern bestehende Flächen in erheblichem Maße. Bei bestehenden Flächen sind auch Verringerungsansprüche in das Verfahren eingebracht worden. Es bedarf bei den Bereichen, die hinzuge

kommen oder erheblich erweitert worden sind, einer öffentlichen Anhörung und der Abwägung. Zum Schluss bedarf es einer gesamträumlichen Abwägung. Diese gesamträumliche Abwägung ist nicht möglich, wenn es - wie Sie in den Raum stellen, was Sie aus irgendwelchen wissenschaftlichen Gutachten herauslesen wollen - zu einer vorzeitigen Genehmigung kommt. Das ist nach dem Raumordnungsrecht des Bundes nicht möglich. Das ist übrigens auch nach entsprechenden Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts nicht möglich. Deshalb ist es leider falsch, was Sie sagen.

Versuchen Sie ruhig, das in der letzten Woche noch in die Diskussion zu bringen. Versuchen Sie einfach einmal, das politisch nachzuvollziehen. Glauben Sie nicht, dass wir, die Landesregierung von CDU und FDP, wenn es die Chance gegeben hätte, auch Teilbereiche rechtlich abgesichert auszuweisen, das nicht getan hätten? Glauben Sie, dass wir darauf warten, dass Sie uns das vorhalten? Nein. Was Sie treiben, ist reiner Klamauk, und nichts anderes.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie wollen nämlich den Eindruck erwecken, dass Sie es schneller können. Nein, Sie konnten es nicht schneller. Wir haben dafür gesorgt, dass die Verdopplung in den Landesentwicklungsplan kommt. Wir haben dafür gesorgt, dass über die Zielsetzung im Landesentwicklungsplan - Ausweisung von 1,5 % der Landesfläche - jetzt 1,68 % ausgewiesen werden. Wir werden das in der nächsten Legislaturperiode konkret umsetzen. Übrigens wird - um das ganz klar zu sagen - der Plan Teilfortschreibung Wind in allen fünf Regionalplanungsräumen in diesem Jahr rechtskräftig. Daran werden Sie mit Ihren Zwischenrufen nichts ändern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

(Günther Hildebrand [FDP]: Detlef, geh schon mal dahin! Das spart Zeit!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte ein paar Sachen aus dieser Debatte festhalten. Ich möchte festhalten, dass der SSW das Gegenteil von dem erzählt, wie er letztes Mal abgestimmt hat. Wir haben nämlich in der letzten Tagung den Antrag eingebracht: „AKW Brokdorf

(Lars Harms)