Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Verbraucher abzuwälzen, um maximal zu profitieren.

Politisch wurde nicht gehandelt, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Gerade wurde wieder von den Energieversorgern eine Preiserhöhung um circa 4 % angekündigt. Das zeigt ganz deutlich, dass nachgesteuert werden muss. Dabei muss endlich auch an die sozialen Auswirkungen gedacht werden.

Die großen Energieriesen haben nämlich in den letzten zehn Jahren ihre Gewinne versiebenfacht. Allein E.ON hat letztes Jahr einen Gewinn von rund 10 Milliarden € eingefahren. Da zeigt sich, wo noch Spielraum ist, wo Sozialtarife herkommen können. Die Gewinne der großen Energiekonzerne müssen für Sozialtarife verwendet werden, damit alle Menschen auch zukünftig in Deutschland noch an der Energieversorgung teilhaben können.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Abgeordneter Thoroe, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen zu?

Herr Abgeordneter Matthiessen, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Thoroe, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Energieversorgung zu den unverzichtbaren Menschenrechten gehören würde. Meinen Sie das im rechtlichen Sinn? Und würden Sie uns das gegebenenfalls bitte kurz erläutern oder herleiten, wie das gemeint ist?

Herr Matthiessen, ich erläutere Ihnen das gern. Ich habe Ihnen das aber auch schon erläutert. Ich habe gesagt, dass im Grundgesetz steht, dass der Staat für die Daseinsvorsorge zuständig ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo steht das denn?)

Dort steht, dass alle Menschen am öffentlichen Leben teilhaben können müssen. Deshalb treten wir auch für Sozialtarife ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Gegenfrage ist: Sehen die Grünen kein Recht auf Energieversorgung? Das würde mich einmal interessieren. Vielleicht können Sie dazu in Ihrer Rede noch etwas sagen, ob die Grünen tatsächlich abstreiten, dass jeder Haushalt in Deutschland ein Recht hat, an der Energieversorgung teilzunehmen.

Der Staat muss endlich die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, genauso wie Kleinst- und Kleinunternehmen. Denn es ist doch so, jeder und jede, die mit einem geringen Einkommen auskommen muss, trifft jede Erhöhung in einem besonderen Maß. Deshalb brauchen wir nicht nur wieder eine staatliche Preisaufsicht, sondern auch Sozialtarife, die tatsächlich eine finanzielle Entlastung für einkommensschwache Haushalte darstellen. Das ist übrigens auch der einzige inhaltliche Punkt, bei dem ich mit dem Vorstand von E.ON einer Meinung bin, der sich gerade auch für Sozialtarife ausgesprochen hat.

Gute Vorbilder in diesem Bereich gibt es bereits in Belgien oder auch Frankreich. Zum einen entfällt dort für einkommensschwache Haushalte die Grundgebühr, zum anderen gibt es eine Freimenge. Erst wenn die überschritten ist, wird es teurer. Das wiederum ist dann nicht nur sozial sinnvoll, sondern hat auch positive ökologische Auswirkungen und ist genau das Gegenteil von dem, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU und FDP, gemacht haben, als Sie die größten Dreckschleudern noch von den Energiepreisen entlastet haben, indem Sie Ausnahmen für die großen Konzerne zugelassen haben, die besonders stark die Umwelt verschmutzen. Das zeigt, dass Sie den falschen Weg gehen, das zeigt aber auch, dass es möglich ist, Sonderpreise für einzelne Gebiete einzuführen. Wir wollen das nicht für die großen Konzerne, sondern für die Menschen mit geringem Einkommen durchsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich gehe noch kurz auf den Antrag der SPD zum Rückbau der Atomkraftwerke ein, dem wir selbstverständlich zustimmen werden. Ich war wirklich überrascht und entsetzt, dass wir eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt haben,

(Lachen und Beifall bei der FDP)

(Björn Thoroe)

und auf die von uns gestellte Frage, was die Landesregierung machen kann, damit die Atomkraftwerke in diesem Land zurückgebaut werden, in dieser Kleinen Anfrage die Antwort der Landesregierung lapidar lautete: Es gibt keine rechtliche Grundlage, Atomkraftwerksbetreiber anzuweisen, wann der Rückbau stattfinden soll. Das halte ich für einen handfesten Skandal. Theoretisch können diese Atomkraftwerke dann noch 20, 30 oder 40 Jahre stehen, ohne dass es eine Handlungsgrundlage für das Land Schleswig-Holstein gibt.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - Deshalb werden wir dem Antrag der SPD auch gern zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter JensChristian Magnussen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig dieses Thema für dieses Hohe Haus ist, zeigt die doch starke Präsenz der Kolleginnen und Kollegen bei diesem Tagesordnungspunkt. Ich bedanke mich dafür, dass zumindest die Spitzen der Fraktionen von CDU und FDP hier im Haus anwesend sind. Das dokumentiert eindrucksvoll, wie wichtig dieses Thema heute ist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kai Dolgner [SPD])

Liebe Kollegen der SPD, Sie fordern in Ihrem Antrag von der Koalition eine strengere Gesetzeslage. Ich sage: Wir haben heute die strengsten Gesetze und Auflagen, die es überhaupt gibt.

Sie fordern striktere Vorgaben. Ich habe gelernt, die SPD ist Vorreiter des Ausstiegs seit Mitte der 70erJahre.

(Beifall des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

Ich stelle fest: Für eine Partei, die den Ausstieg seit 30 Jahren will, ist der eine Satz zu diesem Thema in Ihrem Regierungsprogramm - ich verweise auf Seite 20 - nun wirklich mutig, wirklich, wirklich mutig.

(Zurufe von der SPD)

- Dann lesen Sie einmal selber nach!

Aber was haben Sie auf dem Weg in den Ausstieg für Schleswig-Holstein tatsächlich vorbereitet? Ich sage: Nichts. Denn die SPD hat kein Ausstiegsszenario. Ein richtiges Ausstiegsszenario ist in Wahrheit ein Umstiegsszenario. Ein einfaches, generelles und sofortiges Abschalten funktioniert nicht.

(Olaf Schulze [SPD]: Das haben wir auch nicht drin stehen! Das hätten Sie einfach le- sen sollen!)

Und ein einfaches Abbauen funktioniert schon gar nicht. Als CDU wollen wir die Energiewende konsequent durchsetzen. Auch deshalb haben wir am Mittwoch die Zustimmung zum Dringlichkeitsantrag der Grünen zum Thema Photovoltaik abgelehnt. Denn die Branche selbst wünscht keine Verzögerung durch den Bundesrat mehr. Die Branche will Rechts- und Planungssicherheit, damit sie zügig weiterarbeiten kann.

Stichpunkte zum Umstiegsszenario, die wir als CDU verfolgen: Wir weisen die Windeignungsflächen neu aus und verdoppeln sie. Das tun wir auf der Grundlage eines rechtssicheren Verfahrens. Deshalb bauen wir mit den Bürgern zusammen die Netze in Schleswig-Holstein aus. Deshalb bereiten wir in Brunsbüttel ein Symposium zu dezentralen Speichertechnologien für Wind- und Sonnenenergien vor - unter der Schirmherrschaft der Wissenschaftsministerin Frau Dr. Schavan.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Und wir werden nicht wie Sie analog zur Fehmarnbelt-Querung handeln und sagen, wenn die Netze fertig sind, dann lassen wir den Strom fließen. Nein, wir wollen die Lösung für das große Ganze inklusive Netzausbau. Die CDU will die Energiewende mit den Bürgern.

Liebe Kollegen, leider ist Ihr heutiger Antrag rein populistisch und versucht wieder einmal, Emotionen zu schüren. Wenn es Ihnen nicht um Wahlkampfgeplänkel gehen würde, könnte man Ihnen redliche Absichten unterstellen.

Ein Rückbau mit festen Fristen ist leicht dahergesagt. Ich weiß nicht, ob Sie mitbekommen haben, dass der Nachbetrieb in einem Kernkraftwerk mehrere Jahre dauert. Herr Kollege Schulze, das gesamte Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren wird in mehreren Phasen durchgeführt und dauert mindestens ein Jahrzehnt - völlig losgelöst von der Bereitstellung der Castoren, die notwendig sind, um die

(Björn Thoroe)

Endlagerung durchzuführen. Wir wollen keine festen Fristen zulasten der Sicherheit. Die Sicherheit der Kernenergie steht für die CDU - das haben wir in diesem Hause immer betont - über allem.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Für einen derartigen Rückbau bedarf es einer ausgiebigen sachlichen und inhaltlichen Prüfung. Natürlich sind die grüne Wiese und die Nutzbarmachung der Fläche für alle das einzig gewollte Ziel. Dieses Ziel müssen wir sorgsam vorbereiten. Wir sind gern bereit, dieses hochsensible und komplexe Thema nach der Landtagswahl angemessen zu erörtern. Wir sind aber nicht bereit, eine Woche vor der Landtagswahl hier mit irgendwelchen undurchdachten Schnellschüssen Wahlkampf zu betreiben. Wenn Sie allen Ernstes meinen, dass die Atomaufsicht des Landes - dazu wird sicherlich der Herr Minister etwas sagen - hier die Vorgaben machen soll, dann sind Sie nicht mehr zu retten.

Die Stilllegung und der vollständige Rückbau gehören für uns zur verantwortungsvollen und verlässlichen Umsetzung der Energiewende. Stückwerke und Einzelbetrachtungen helfen uns nicht weiter. Darüber hinaus befinden wir uns in Brunsbüttel in einem FFH-Gebiet, Stichwort: naturschutzverträgliche Verfahren. Deshalb brauchen wir eine Auseinandersetzung mit diesem Thema, in die zum Beispiel auch die Erfahrungen des Abbaus der Kernkraftwerke von Lubmin und Rheinsberg einfließen sollten. Wir müssen Sach- und Fachkompetenz einbinden. Auch die Endlagerfrage gehört dazu, in der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundesebene Gesprächsbereitschaft signalisiert haben. Liebe Kollegen, dazu gehört auch der Schacht Konrad, Datum 2019.

Wenn Sie Ihren eigenen Antrag ernst nehmen würden, würden Sie ihn jetzt zurückziehen. Die CDU wird diesen Antrag zum jetzigen Zeitpunkt vor der Wahl ablehnen, weil sich hieran kein vernünftiges parlamentarisches Verfahren mehr anschließen lässt. Lassen Sie uns gemeinsam in Verantwortung für eine erfolgreiche Energiewende handeln! Wir als CDU lehnen alle drei Anträge ab.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir wieder einmal über Kernenergie reden. Die Debatte hat uns die ganze Legislaturperiode über begleitet - bei den meisten Anträgen zu Recht, wie ich finde, obwohl es auch einige Anträge der LINKEN, zum Teil auch der Grünen gab, die man sich durchaus hätte sparen können.

(Beifall der Abgeordneten Katharina Loedige [FDP])

Wie dem auch sei - wir befinden uns im Jahr 2012 nach Christus. Ganz Schleswig-Holstein arbeitet aktiv und konstruktiv an der Energiewende. Ganz Schleswig-Holstein? Nein! Eine von unbeugsamen Linken bevölkerte Landtagsfraktion hört nicht auf, der Energiewende Widerstand zu leisten.