Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Zum jetzigen Zeitpunkt benutzen von circa 120.000 Anspruchsberechtigten etwa 30.000 das Bildungs- und Teilhabepakt. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, diese Zahl zeitnah deutlich zu erhöhen. Vorbildlich handhabt das die Freie- und Hansestadt Hamburg. Ich wünsche mir, dass sich die Kreise und kreisfreien Städte bei der Ausgestaltung der Leistungsgewährung hieran orientieren.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Ich äußere gerade eine persönliche Meinung, Herr Baasch. Ich kann Ihre Empörung gar nicht nachvollziehen.

Wie wichtig die Arbeit der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten ist, zeigen die Einzelthemen und Einzelfälle im vorliegenden Bericht auf. Sie erfordern ein breites Wissen über die verschiedensten sozialrechtlichen Fragestellungen. Es ist ein für sich selbst sprechendes Ergebnis, wenn 88,5 % der Petenten geholfen werden konnte.

Liebe Frau Wille, ich wünsche Ihnen für die Zukunft weiterhin alles Gute. Schauen Sie hin, was die Regierung macht. Ich freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wille, herzlichen Dank für diesen Bericht und Ihre engagierte Arbeit. Ohne Sie und Ihr unermüdlich arbeitendes Team hätten viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land keinen Ansprechpartner und keine Unterstützung. In dieser

(Anita Klahn)

Situation leisten Sie erste Hilfe, dies schon seit vielen Jahren und schon immer sehr erfolgreich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für das Jahr 2011 legt unsere Bürgerbeauftragte den Finger in die soziale Wunde in unserem Land. Das ist auch gut so. Wir brauchen sie als Mahnerin und als Kompass für soziale Gerechtigkeit.

Was läuft schief in Schleswig-Holstein? Bürokratie, Sanktionierung und Fehlbescheide beim Arbeitslosengeld II sind leider immer noch möglich. Das Bildungs- und Teilhabepaket - Frau Kollegin Klahn hat es vorhin angesprochen - kommt nicht einmal annähernd bei der Hälfte der Familien an. Das ist für uns ein unhaltbarer Zustand. Deshalb fordern wir Grünen eine grundlegende Nachbesserung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedem Kind, das einen Leistungsanspruch hat, muss Zugang zum Bildungs- und Teilhabepaket gewährt werden. Das muss unser Ziel sein. Ich denke, unabhängig davon, was am 6. Mai entschieden wird, werden sich alle daran beteiligen, dass dieses Paket bei allen Kindern ankommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinderbetreuung ist wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben gestern festgestellt, dass hierbei noch einiges an Arbeit in den nächsten Monaten und Jahren vor uns liegt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne an den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kita-Sozialstaffel. Wir brauchen sie. Ich bin auch optimistisch, dass wir sie irgendwann einmal bekommen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden in Zukunft immer älter. Wir haben in dieser Legislaturperiode oft über den demografischen Wandel gesprochen. Die Anzahl der Pflegebedürftigen nimmt zu. Wir alle brauchen für uns und unsere Angehörigen eine individuelle Beratung. Wir haben jetzt in elf Kreisen und kreisfreien Städten trägerübergreifende Pflegestützpunkte. In vier Kreisen gibt es dieses Angebot noch nicht. Wir Grüne würden uns freuen, wenn wir in den nächsten Jahren dazu beitragen könnten, diese weißen Flecken auf der Karte der Pflegestützpunkte zu begrünen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinweisen möchte ich auch auf die Eingaben zum Merkzeichen der außergewöhnlichen Gehbehinderung. Autos sind in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden. Trotzdem scheinen sich

die ausgewiesenen Parkplätze auf die Maße eines VW-Käfers aus den 60er-Jahren zu beziehen. Hierbei besteht aus meiner Sicht Handlungsbedarf. Dabei teile ich Ihre Meinung, liebe Frau Wille.

Auf den Seiten 38 bis 42 des Berichts werden die Eingaben von Menschen mit Behinderung angeführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Themenfeld wird in den nächsten Jahren ein erheblicher Handlungsbedarf bestehen. Ich nenne nur das Stichwort Eingliederungshilfe. Alle Mitglieder des Sozialausschusses wissen, was in den nächsten Jahren anstehen wird. Ich würde mich freuen, wenn die nächste Regierung gemeinsam mit den Verbänden die Diskussionskultur wieder vorantreibt und mit Blick auf Menschen mit Behinderung dafür sorgt, dass die Zeiten in Schleswig-Holstein wieder besser werden. Frau Kollegin Franzen, ich weiß, dass Sie dabei unabhängig von Ihrer Funktion Unterstützung leisten werden, genauso wie der Kollege Baasch und die Kollegin Klahn dies tun werden. Ich würde mich freuen, wenn wir bei der Umsetzung des persönlichen Budgets ein ganzes Stück weiterkommen würden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grünen haben - zum Teil auf Landesebene, zum Teil auf Bundesebene - zu vielen Dingen, die im Bericht der Landesbeauftragten angeführt worden sind, parlamentarische Initiativen angeschoben. Viele dieser Initiativen sind aber leider nicht aufgegriffen worden. Das ist bedauerlich. Ich hoffe sehr, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten die Gelegenheit haben werden, die Kultur etwas zu verändern. Wir sind uns sicher einig darüber, dass wir im Bereich der sozialen Daseinsfürsorge und im Bereich der sozialen Sicherungssysteme große Aufgaben vor uns haben. Ich freue mich darauf, wenn ich dabei sein kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Antje Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir bedanken uns bei der Bürgerbeauftragten, Frau Wille, für den Bericht und für die gute Zusammenarbeit. Offensichtlich sind die Bürgerinnen und

(Dr. Marret Bohn)

Bürger mit ihren Sorgen bei Ihnen in guten Händen. Dafür spricht, dass 88,5 % der erledigten Eingaben positiv abgeschlossen werden konnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür spricht auch, dass die Zahl der Eingaben mit 3.713 einen neuen Höchststand erreicht hat. Bürgerinnen und Bürger nehmen wahr, dass sie sich an die Bürgerbeauftragte wenden können.

Ein neuer Höchststand bei der Zahl der Eingaben ist in diesem speziellen Fall aber eine Medaille mit zwei Seiten. Die Kehrseite ist, dass es diese Eingaben überhaupt noch gibt und dass sie nicht weniger werden. Wenn die Beschwerden in dem einen Bereich weniger werden, dann wachsen sie im nächsten Themenfeld nach.

Wenn man sich die aufgeführten Einzelbeispiele ansieht und diese mit den Beispielen der Berichte der Bürgerbeauftragten der Vorjahre vergleicht, kommt man nicht an der Feststellung vorbei, dass in vielen Fällen in Behörden und Verwaltungen in Schleswig-Holstein falsche Entscheidungen getroffen werden. Das passiert. Beschämend ist aber, dass nicht die Einwände und Widersprüche der belasteten Bürgerinnen und Bürger zur Berichtigung führen. Sondern erst das Eingreifen der Bürgerbeauftragten führt dazu, dass die Menschen Erfolge erzielen. Dafür danke ich Frau Wille von ganzem Herzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer eine Bestätigung dafür sucht, dass Hartz IV Armut per Gesetz ist, der muss nur Jahr für Jahr in den Bericht der Bürgerbeauftragten schauen. Fast 1.400 Fragen und Beschwerden zum SGB II betreffen die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das sind 38 % aller Eingaben. Damit ist dieses Themenfeld „unrühmlicher Spitzenreiter“ im Bereich des SGB II „mit seinen vielfältigen Missständen, Problemen und Schwierigkeiten sowohl im Verwaltungshandeln als auch in der Gesetzgebung“.

Die Ursache dafür liegt aber nicht bei den Menschen, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Die Reform der SGB-II-Gesetzgebung vom vergangenen Jahr hat daran auch nichts geändert. Die Spannweite der Probleme reicht von der Erreichbarkeit der Jobcenter über lange Beratungszeiten, Berechnungsfehler, fehlende Transparenz und Verständnis der Bescheide bis hin zu mangelnden Fachkenntnissen der im Jobcenter Beschäftigten.

Das alles wussten wir aber schon; denn im vergangenen Bericht wurden die gleichen Mängel aufge

führt. In den Berichten der Vorjahre haben wir ebenso davon lesen können.

Wir kritisieren die immer noch unveränderte Situation seit dem Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze. Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Hartz IV muss weg; denn es funktioniert nicht. Das geht nur zulasten der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bericht der Bürgerbeauftragten macht aber auch deutlich, dass es nicht nur bei Hartz IV brennt. Die Reihe der Problemlagen ist lang. Peinlich ist außerdem, dass der Bericht weiter auf die fehlende Umsetzung einer landeseinheitlichen Sozialstaffelregelung für die Kita-Eltern-Beiträge und den Wegfall der 85-Prozent-Regelung hinweisen muss.

Der Landtag hat dazu im Dezember 2009 einen Beschluss gefasst. Seit mehr als zweieinhalb Jahren warten wir auf eine Lösung. Nach dem Wegfall des beitragsfreien dritten Kita-Jahres ist die Situation unerträglich. Sie wird nicht besser, wenn wir im Bericht lesen müssen, dass Jugendämter es unterlassen, Eltern im Hartz-IV-Bezug über die Möglichkeit zu informieren, vom Kostenbeitrag nach § 90 Abs. 3 SGB VIII befreit zu werden.

Wer diese Regelung kennt und einen Antrag stellt, der wird von den Kosten befreit. Aber viele Eltern hier im Land wissen über diese Regelung überhaupt nicht Bescheid. Hierzu sollten wir den Kreisen und kreisfreien Städten noch einmal eine Information geben, damit sie dann auch die Eltern vor Ort darüber informieren.

Soziale Sicherungssysteme sind für die Menschen da. Der Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten lässt Zweifel zu, dass diese Grundprämisse zum Selbstverständnis in den Ämtern und Verwaltungen gehört. Hier ist Abhilfe nötig, und genau hier bleibt auch für den nächsten Landtag viel zu tun.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass die Anträge, die wir und die anderen gestellt haben, gerade zu den sozialen Fragen, den nächsten Landtag auch weiter beschäftigen werden und hoffentlich durch ihn auch umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

(Antje Jansen)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dass der aktuelle Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten hier im Landtag diskutiert wird, ist enorm wichtig. Auch wir vom SSW begrüßen, dass wir diesmal als gesetzten Tagesordnungspunkt darüber beraten und der Bericht nicht - wie zuletzt zigmal - vertagt wird.

Im Vergleich zum letzten Bericht gibt es wenig Neues. Das Arbeitspensum und die Arbeitsschwerpunkte von Frau Wille und ihrem Team haben sich kaum verändert. Aber der vorliegende Bericht ist in jedem Fall ein eindeutiger Beleg dafür, dass es heute nach wie vor enorme Probleme im Sozialbereich gibt. Für den SSW ist damit klar, dass ohne die wertvolle Beratungsarbeit der Bürgerbeauftragten noch viel mehr Bürgerinnen und Bürger an der Sozialgesetzgebung verzweifeln würden. Wir danken Frau Wille und ihrem Team ausdrücklich für die engagierte und couragierte Arbeit. Vielen Dank!