Protokoll der Sitzung vom 27.11.2020

Perspektiven für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch in Schleswig-Holstein aufzeigen und Versorgungsangebot sicherstellen

Alternativantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2619

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Birte Pauls.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach § 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt auf Grundlage der sogenannten Beratungsregelung bei einer medizinischen oder kriminologischen Indikation straffrei. Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch macht sich keine Frau leicht.

Die Tatsache, sich mit dieser Entscheidung innerhalb des Strafgesetzbuches zu bewegen, setzt die Frauen zusätzlich unter moralischen Druck und gehört nicht mehr in unsere Zeit.

(Beifall SPD und SSW)

Die betroffenen Frauen befinden sich eh schon in einem emotionalen Ausnahmezustand, der häufig durch Unsicherheit, Scham und Angst geprägt ist, und oft stehen sie im persönlichen Umfeld mit der Entscheidung allein.

Um nur ein Beispiel einer ungewollten Schwangerschaft zu nennen: Wenn sich Frauen keine Verhütungsmittel leisten können, muss man ihnen finanziell, vielleicht auch organisatorisch helfen, aber man sollte sie bitte nicht in die Nähe von Straftaten rücken.

(Beifall SPD)

Die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung bietet den Frauen oft die einzige Möglichkeit, die Situation neutral, ohne Vorwürfe und ohne Druck zu betrachten.

(Kay Richert)

Frauen müssen den Eingriff selbst bezahlen, außer ihr Einkommen ist so gering, dass es einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten gibt. Besonders für ganz junge Frauen ist das eine zusätzliche Hürde.

Die Bundesärztekammer verpflichtet sich, die Praxen und Krankenhäuser, die Abbrüche vornehmen, zu listen, wenn diese es denn wollen. Davon nehmen aber mittlerweile viele Abstand, weil sie Repressalien von Abtreibungsgegnern befürchten. Wer hat schon gern blutbeschmierte Wände und Demonstrationen vor der Tür! Sogenannte Gehwegberatungen belästigen die Frauen auf ihrem Weg - eine weitere emotionale Zumutung.

Schauen wir auf die Situation in Schleswig-Holstein am Beispiel Flensburg: Aktuell sind auf der Liste der Bundesärztekammer für Schleswig-Holstein 26 Praxen gelistet; die nördlichste liegt laut Liste in Kappeln. Wir wissen aber - auch durch meine Kleine Anfrage vom Oktober -, dass es in Flensburg noch vier Praxen mit ambulanten Angeboten und ein klinisches Angebot gibt. Vor wenigen Jahren waren es noch zwölf Praxen.

Die Anhörung im Petitionsausschuss hat aufgezeigt, dass nicht nur durch die zukünftige Einstellung des stationären Angebots in Flensburg nach der Fusion der Kliniken, sondern auch durch die Verrentung von Ärztinnen und Ärzten, die aktuell Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, Versorgungslücken entstehen. So wird es bald nur noch zwei Praxen in Flensburg geben. Hinzu kommt, dass immer weniger Ärzte folgen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, da er nicht Bestandteil der Regelausbildung in der Medizin ist.

Wir freuen uns sehr, dass in Flensburg eine neue, moderne Klinik entstehen soll. Wir freuen uns auch, dass an dieser Stelle kein privater Konzern im Spiel ist, sondern die beiden jetzigen Träger, die evangelische Diakonissenanstalt und das katholische Sankt-Franziskus-Hospital. Der katholische Träger lehnt jedoch Schwangerschaftsabbrüche aus Prinzip ab. Für die Fusion war das nicht verhandelbar.

Somit wird ein weiteres Angebot und die Sicherheit eines Krankenhauses für die Frauen vor Ort wegfallen. Das Diktat aus Rom, der männlich dominierten katholischen Kirche trifft die Frauen in Not im nördlichen Schleswig-Holstein. Die Frage, ob das mit dem christlichen Glauben vereinbar ist, müssen sich die Entscheidungsträger gefallen lassen.

Die Landesregierung zuckt zu all dem mit den Schultern. Auf Nachfrage im Sozialausschuss und in der Antwort auf meine Kleine Anfrage sieht das

Ministerium auch in Zukunft keinerlei Engpässe in der Versorgung, weder in Flensburg noch im Land. Das sehen sehr viele Frauen ganz anders. Deshalb ist es gut, dass sich eine engagierte sozialdemokratische Oberbürgermeisterin, Simone Lange, gemeinsam mit den Frauen vor Ort des Themas annimmt.

Wir Sozialdemokraten lehnen sämtliche Pläne ab da gibt es verschiedene Pläne -, dass irgendwo auf dem Hinterhof der neuen Klinik ein Extragebäude errichtet und die Stigmatisierung der Frauen quasi in Beton gegossen wird. Kein Mensch, erst recht kein Mann, kann uns diese Verantwortung abnehmen. Eine sukzessive Reduzierung von gesetzlich vorgeschriebenen Angeboten für Frauen in Not quasi durch die Hintertür, nämlich durch das Nichtstun dieser Landesregierung, ist mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zu machen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, den in § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes formulierten Versorgungsauftrag für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen wahrzunehmen und eine flächendeckende Planung für Schleswig-Holstein zu erstellen.

(Beifall SPD)

Mittlerweile liegen drei Anträge zu dem Thema vor. Ich finde es der Wichtigkeit des Themas angemessen, dass wir alle drei Anträge in den Sozialausschuss überweisen, sodass wir uns da noch einmal mit dem Thema beschäftigen können. Das sind wir den Frauen in Not in diesem Land schuldig. - Danke.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! - Das Publikum ist kaum noch da. Liebe Gäste! Ungewollt schwangere Frauen brauchen unsere Unterstützung, sie brauchen unsere Hilfe, und sie brauchen Beratung. Wenn sie sich entscheiden, ein Kind zu bekommen, gibt es Beratung durch die Stiftung Mutter und Kind, durch die Initiative „wellcome“ und durch Frühe Hilfen. Das

(Birte Pauls)

ist richtig, und das hilft über so manche Krise hinweg.

Aber in besonderen Lebenslagen und Umständen entscheiden sich Frauen auch dafür, ein Kind nicht auszutragen. Keine Frau trifft diese Entscheidung leichtfertig. Keine Frau hat keinen triftigen Grund. Es ist wichtig, dass wir den Frauen zur Seite stehen, und das ist auch möglich, denn Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nicht strafbar, wenn die betroffene Frau den Vorgaben der Beratungsregelung nach § 218 a Strafgesetzbuch folgt. Die schwangere Frau muss sich mindestens drei Tage zuvor durch eine staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen. Erst dann darf der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis durchgeführt werden.

Die einzelnen Bundesländer sind nach dem Gesetz dazu verpflichtet, die Sicherstellung der Versorgung mit dieser ärztlichen Leistung zu gewährleisten. Diese medizinische Leistung kann ambulant in einer Fachpraxis oder auch in einer Klinik durchgeführt werden. Die Schwangere hat ebenfalls die Möglichkeit, den Abbruch stationär in einem Krankenhaus durchführen zu lassen. Schwangerschaftsabbrüche finden in Deutschland überwiegend nämlich zu 98,5 % - ambulant in einer Praxis oder in einer Klinik statt.

So ist das auch in der Stadt Flensburg. Jüngst beschäftigte sich der Petitionsausschuss des Landtages mit der Versorgungssituation und einer Petition zu Schwangerschaftsabbrüchen in der Region Flensburg. Hier ging es um ein niedrigschwelliges, medizinisch vielfältiges und würdevolles Angebot in der Region. Dieser Petition liegt die Befürchtung zugrunde, dass sich im Rahmen der geplanten Fusion der beiden Kliniken DIAKO und Sankt Franziskus die Versorgungslage in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche verschlechtern wird.

Zudem steht im Raum, dass das klinische Angebot zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in Flensburg künftig wegfallen wird. Dazu ist jedoch zu sagen, dass es bereits jetzt schon klinische Möglichkeiten in der Nähe von Flensburg gibt, nämlich in Husum, in Heide und in Schleswig. Fakt ist auch, dass zu erwarten ist, dass im neuen geplanten DIAKO und Sankt-Franziskus-Klinikum keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

In Kenntnis dieser Entwicklung hat sich in Flensburg, und das muss ich sehr begrüßen, ein örtlicher Runder Tisch gegründet, und zwar mit dem Ergebnis: Die Stadt sichert zu, als Gewährleistungsträger

die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen auf dem Peelwatt - das ist das neue Klinikgelände zu installieren. Die Stadt will eine dauerhafte, kommunale Lösung, was heißt, dass eine bei der Stadt Flensburg angestellte Fachärztin oder ein Facharzt ich hörte gerade, es ist wohl schon jemand gefunden worden - das Angebot der Abbrüche gewährleisten soll. Die Träger des neuen Klinikums gewährleisten die medizinisch indizierte stationäre Versorgung bei den Schwangerschaftsabbrüchen. Meine Damen und Herren, diese Gesamtentwicklung ist sehr zu begrüßen.

(Beifall CDU und FDP)

Zu der allgemeinen Versorgung in Schleswig-Holstein bemerkt das Sozialministerium in einem Schreiben von Anfang des Jahres: Das Land hat keine Hinweise darauf, dass es in Flensburg zu Versorgungsengpässen kommt oder kommen könnte. Auch wenn die Zahl der gynäkologischen Praxen durch die Bildung von medizinischen Versorgungszentren abgenommen hat, gibt es in der Region nach wie vor eine ausreichende Zahl von Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Die Versorgungslage ist in Schleswig-Holstein zurzeit gut. Wir werden die Situation im ganzen Land sorgfältig im Auge behalten, damit das auch in Zukunft so bleibt. Deshalb gibt es ein Projekt, und das steht im Haushalt 2021, aber es gilt auch schon für 2020. Es ist ein Projekt, um Frauenärztinnen und -ärzte dafür zu gewinnen, sich im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung zu engagieren, sodass auch die Beratungsebene weiterhin gewährleistet ist. Wir wollen auch sehen, dass die Frauenärztinnen und -ärzte in Sachen Schwangerschaftsabbruch ausgebildet werden, denn hier gibt es mittlerweile eine Unterversorgung.

Wir haben die ganze Lage im Blick. Wir schauen genau, was da passiert. Zurzeit ist alles in Ordnung -

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich möchte erst mal den Satz zu Ende sprechen, danke.

(Zurufe - Heiterkeit)

(Katja Rathje-Hoffmann)

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte jetzt zum letzten Satz.

(Wortmeldung Birte Pauls [SPD])

Frau Pauls, gern!

(Heiterkeit)

Frau Kollegin, ich will Ihre Redezeit jetzt nicht künstlich verlängern, aber ich habe eine Frage: Ist Ihnen bewusst, dass behandelnde Ärzte überhaupt nicht in der Schwangerschaftskonfliktberatung tätig sein dürfen?

- Dann habe ich mich vielleicht ein bisschen missverständlich ausgedrückt. Sie sollen sich betätigen, indem sie die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht in der Beratung. Hier gab es ein Missverständnis. Vielleicht habe ich mich nicht ordentlich ausgedrückt. Das muss ja jemand machen. Frauenärzte sind dazu in der Lage, sie müssen das machen. Das passiert nicht mehr in dem ausreichenden Maß, das wir uns vorstellen. Deswegen wollen wir, dass dort mehr passiert.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Abgeordnete Aminata Touré.