Protokoll der Sitzung vom 27.11.2020

Dass sich die beiden ehemaligen Krankenhäuser, die es heute in ihrer Trägerstruktur noch gibt, zusammenschließen und sich daraufhin auf ihre Religion berufen und sagen: „Wir werden keine Abbrüche mehr vornehmen!“, das kann uns doch nicht in die Situation bringen, dass wir in Flensburg keine standortnahe Versorgung mehr hinbekommen.

(Zuruf)

- Doch, darum geht es. Das ist doch genau der Punkt.

Dann muss ich sagen: Ja, die Oberbürgermeisterin hat zu einem Runden Tisch eingeladen. Es ist auch gut so, dass sie es getan hat. Aber die Ärztin oder den Arzt, der diese Abbrüche vornehmen soll, gibt es noch gar nicht. Es gibt eine Idee, aber der Mensch, der das ausführen soll, ist noch gar nicht da. Das heißt, wenn wir heute wirklich den Frauen in Schleswig-Holstein, aber auch den Männern ein Signal senden wollten, dann hätten wir einen gemeinsamen Antrag haben müssen, der sagt: Natürlich unterstützen wir die standortnahe Versorgung in Flensburg. - Punkt!

(Beifall SSW)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Anita Klahn?

Frau Abgeordnete Waldinger-Thiering, Ihnen ist aber durchaus bekannt, dass es auch in Flensburg weiterhin wie bisher - ambulant tätige Ärzte in Praxen gibt, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und dass die Nachsorge durch die Klinik gewährleistet ist? Oder haben Sie andere Erkenntnisse? Gibt es das nicht mehr?

- Ich habe auch diese Erkenntnisse, aber es soll auch so sein, dass es im Krankenhaus auf dem gleichen Campus eine Möglichkeit gibt, einen Abbruch vornehmen zu lassen. Darum geht es doch. Sonst könnte ich auch überall anders hinfahren. Aber genau das hätten wir gemeinsam - entweder durch einen gemeinsamen Antrag oder noch einmal Diskussion im Sozialausschuss - diskutieren können. Das ist auch das, was die Anhörung im Petitionsausschuss gezeigt hat: Wie definieren wir „wohnortnah“? Sind das 50 km? Ist das eine ganze Tagesreise? Oder wie machen wir das?

Wir als Frauen sollten doch dafür Sorge tragen, dass wir bessere Bedingungen schaffen. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass wir das im Ausschuss diskutieren oder einen gemeinsamen Antrag gemacht hätten. Das ist es einfach nicht wert, dass wir uns untereinander kabbeln, weil wir der Meinung sind, es gebe doch schon alles. Nein, es gibt leider noch nicht alles.

Deshalb - sorry - würde ich trotzdem gern alle drei Anträge in den Sozialausschuss überweisen. Ich weiß, Jamaika wird gleich in der Sache abstimmen, aber das ist mir wumpe. Wir hätten heute echt etwas für die Frauen in Schleswig-Holstein setzen können.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Beate Raudies.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine meiner ersten Erinnerungen ist das Titelbild des „Stern“ vom Anfang der 70er-Jahre mit Fotos von vielen, vielen Frauen. Auf diesem Titel stand: „Wir haben abgetrieben!“. Ich war sechs oder sieben, ich wusste gar nicht, was das war, aber ich habe begriffen, dass es etwas Besonderes war, dass diese Frauen auf diesem Bild, die ich aus dem Fernsehen von der „Tagesschau“ oder aus dem Sport kannte, sich da hinstellten - auf einem Schwarz-Weiß-Fahndungsfoto, so war es damals angelegt - und dieses Bekenntnis abgaben. Das war der Auftakt zur großen Reformdebatte über den § 218.

Liebe Kollegin Touré, seien Sie mir nicht böse: Da waren die Grünen noch nicht dabei, weil es die damals noch nicht gab. Aber es waren viele Frauen im Bundestag - und damals auch ganz, ganz viele aus

(Jette Waldinger-Thiering)

der FDP, liebe Anita Klahn -, die das mit auf den Weg gebracht

(Anita Klahn [FDP]: Was soll das denn hei- ßen?)

und einen Riesenschritt vorangebracht haben. Dann kam das Bundesverfassungsgericht und hat uns in die Situation gebracht, in der wir heute sind: Wir haben ein Schwangerschaftskonfliktgesetz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, in Ihrem Antrag stellen Sie fest: Das gilt in Schleswig-Holstein - na doll! Dann stellen Sie fest, dass die Beratungsangebote gemäß den gesetzlichen Vorgaben finanziert werden. Na toll! Das ist ja wohl selbstverständlich, will ich dazu sagen, alles andere wäre ja ein Skandal.

(Beifall SPD und SSW)

Jetzt bitten Sie die Landesregierung, Gespräche zu führen, wie man eine verbesserte Information und Übersicht sicherstellen kann. Ein erster Schritt wäre schon einmal ein Bekenntnis dieses Hauses zur Abschaffung des § 219 a gewesen. Das hat Jamaika nicht hinbekommen. Auf Bundesebene hat die CDU im Bundestag eben auch einen Beschluss dazu verhindert. Das muss hier einmal so gesagt werden.

(Zuruf)

- Das weiß jeder, aber ich sage es trotzdem gern noch einmal, weil es mir wichtig ist, dass noch einmal alle das hören. Das ist uns zu wenig.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Anita Klahn?

Sehr gerne, klar.

Sehr geehrte Frau Raudies, Sie haben eben so vehement reklamiert, dass in unserem Antrag nicht die Abschaffung oder die Reform des § 218 steht. Steht das in Ihrem Antrag drin?

- Sehr geehrte Kollegin Klahn, ich habe mich auf Ihren Antragstext bezogen, in dem Sie die Regierung bitten, Gespräche zu führen, wie eine verbesserte Information und Übersicht über Angebote zum Schwangerschaftsabbruch hergestellt werden kann. Darauf habe ich gesagt, ein erster Schritt dazu hätte ein klares Bekenntnis dieses Hauses zur Abschaffung des § 219 a sein können.

(Zuruf Annabell Krämer [FDP])

- Das steht bei uns auch nicht drin.

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Darum geht es heute auch gar nicht. Das ist ein netter Ablenkungsversuch.

(Beifall FDP)

Uns geht es um etwas ganz anderes.

(Beifall FDP)

Uns geht es darum, dass das Land sich seiner Verantwortung stellt, die nämlich auch im Schwangerschaftskonfliktgesetz festgelegt worden ist. Ich zitiere gern einmal Frau Professor Mangold aus der Anhörung des Petitionsausschusses - Zitat mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -:

„Das Land Schleswig-Holstein muss nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben ein umfassendes Konzept erstellen, um ein ausreichendes Angebot an Abbrucheinrichtungen auch in der Fläche des Landes sicherzustellen.“

Nichts anderes fordern wir mit unserem Antrag.

(Beifall SPD)

Das Land soll Verantwortung übernehmen und nicht als Zuschauer am Rand stehen und darauf warten, dass vielleicht irgendwo eine engagierte Oberbürgermeisterin den Karren aus dem Dreck zieht.

(Zurufe CDU und FDP)

Schade, dass wir nicht einmal im Ausschuss in eine Diskussion gehen.

Ich habe noch 13 Sekunden, aber da erlaube ich mir ein Zitat aus dem Weltbevölkerungsbericht der UNO mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin:

„Sexuelle und reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte sind universelle Menschenrechte. Sie sind integraler Bestandteil der unteilbaren Menschenrechte.“

Punkt. Ende. Aus.

Auch ich bitte noch einmal um Überweisung in den Ausschuss.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Kay Richert.

(Beate Raudies)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich eigentlich nur deswegen melden, weil hier viel über die Situation in Flensburg fabuliert wird, was man in Gänze so nicht stehen lassen kann. 2016 standen wir vor der Situation, dass die Küstenkoalition - damals Ministerpräsident Albig - in Flensburg auftauchte und sagte: Wir müssen die Krankenhäuser an ihrem jetzigen Standort erhalten. Er hat dafür Förderbescheide überreicht, was allerdings nicht die Auffassung der Flensburger Lokalpolitik war.

Es gab dann auf Veranlassung einer einzelner Ratsfrau, die mittlerweile bei der FDP ist, ein Treffen aller planungspolitischen Sprecher und Fraktionsvorsitzenden der Flensburger Ratsfraktionen. Dabei waren FDP, CDU, SSW, SPD, Grüne, die Linke und auch die Bürgerinitiative. Wir haben uns damals besprochen, was wir wollen: Wollen wir eine neue Ausschreibung, oder wollen wir an den beiden Trägern festhalten, die in Flensburg tief verankert sind, und zwar sehr viel tiefer, als das in vielen anderen Orten der Fall ist, weil diese Träger seit den deutsch-dänischen Kriegen bei uns sind?