Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Keines der Themen, die Sie ansprechen, war zu Antragsschluss nicht auch schon vorhanden. Kein Problem in dieser EU, das es nicht schon vor anderthalb Wochen gegeben hätte.

Deshalb muss ich zunächst erst einmal feststellen: Sie erleben hier und heute den Missbrauch des Parlaments,

(Zurufe - Wolfgang Baasch [SPD]: Halt doch den Mund! - Beate Raudies [SPD]: Dann ge- hen Sie doch raus! Gehen Sie doch einfach!)

Sie erleben den Missbrauch der Geschäftsordnung des Hohen Hauses durch die EU-Kartellparteien.

(Zurufe)

Letzte Woche in Görlitz musste die CDU die Unterstützung des Blocks von Grün über Links bis hin nach Hollywood noch mobilisieren,

(Lars Harms [SSW]: Dann heul doch!)

um knapp den AfD-Oberbürgermeisterkandidaten Sebastian Wippel zu verhindern.

(Beifall Claus Schaffer [AfD] - Zurufe)

In Italien erfreut sich die Politik der klaren Kante unter Innenminister Matteo Salvini höchster Beliebtheit. Da können wir natürlich schon verstehen, dass Sie nervös werden und es Ihnen ganz dringlich auf den Fingernägeln brennt, sich heute noch einmal des gemeinsamen Ziels eines europäischen Superstaates zu versichern, bevor es in die Sommerpause geht und für Herrn Andresen nach Brüssel. Gute Reise an dieser Stelle auch von mir.

(Zuruf Lukas Kilian [CDU])

So und nur so ließ sich eine Dringlichkeit hier und heute herbeikonstruieren. Aber dann müssen Sie auch eingestehen, wie dringlich die tatsächlichen Probleme in der EU sind. Das Geschachere um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten und die Besetzung der Kommission ist wirklich ein erbärmliches Schauspiel, dem tatsächlich dringlich Einhalt geboten werden müsste.

(Tobias Koch [CDU]: Ihr Auftritt ist erbärm- lich gerade!)

Der herablassende Umgang mit den Briten - bei allem selbst verschuldeten Unvermögen des britischen Unterhauses - ist zutiefst uneuropäisch. Das Handeln Italiens hat geradezu zu einer Schockstarre der betroffenen Eurokraten geführt, und die wahren Probleme sind zwar dringlich im Sinne einer Problemlösung, aber halt nicht dringlich im Sinne unserer Geschäftsordnung.

Die grassierende Jugendarbeitslosigkeit sei genannt. Die maroden Staatsfinanzen in Südeuropa, vorneweg in Griechenland, aber natürlich auch in Italien, sind seit vielen Jahren ein bekanntes und

(Stephan Holowaty)

vor allen Dingen auch ein wirklich dringliches Problem. Bei der Grenzsicherung rügen Sie die vorbildliche Politik des Kollegen Salvini, anstatt eine Regierung in Italien dafür zu loben, dass sie nichts anderes macht, als europäische Verträge einzuhalten.

(Beifall AfD)

Dringlich wäre auch, die immer weiter ausufernde Bürokratie auf europäischer Ebene und die ständige Kompetenzanmaßung der EU-Kommission zu stoppen. Da Sie an diese zumindest dem Wortsinne nach dringlichen Probleme aber offensichtlich nicht denken, komme ich zurück zum Ausgangspunkt. Sie haben heute diese Debatte, dieses Parlament dazu missbraucht, einmal mehr Allgemeinplätze und Schönwetterphrasen zur EU loszuwerden, und dafür haben Sie hier und heute die Geschäftsordnung gebogen.

(Zuruf Lukas Kilian [CDU])

Die demokratische Fraktion der AfD lehnt Ihren vermeintlichen Dringlichkeitsantrag selbstverständlich ab.

(Beifall AfD)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Nobis, dieses Parlament hat mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit die Dringlichkeit dieses Antrags beschlossen. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Der Begriff des Missbrauchs ist unangemessen. Ich dulde ihn auch nicht hinsichtlich der Tatsache, dass dieses Thema, nämlich das einige Europa, ein laufendes und immer wieder dringliches Thema ist. Ich finde, Sie sollten sich dafür entschuldigen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher oben auf der Tribüne! Die Dringlichkeit unseres Antrags möchte ich einmal dem Parlament und allen, die heute zuhören, mit Spaß erklären:

(Heiterkeit)

Wir Demokraten fanden es unendlich schade, dass die AfD plötzlich doch keine Lust mehr auf ihren Gesetzentwurf hatte. Wir sind nämlich der Mei

nung, in der ersten Landtagstagung nach der Europawahl ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam über das, was vielleicht und hoffentlich nach der Konstituierung des Europaparlaments passieren muss, unterhalten.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir sind uns darüber einig, dass wir ganz viele Aufgaben meistern müssen und vor einer großen Herausforderung in Europa, in der Europäischen Union stehen. Sie als AfD kommen immer wieder mit Ihren populistischen Äußerungen zu genau den Themen, bei denen Sie meinen, dass Sie damit irgendwo landen können.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Im Europapar- lament!)

Sie sollten irgendwann einmal anfangen - aber das steht Ihnen vielleicht auch nicht in Ihr Parteibuch geschrieben - zu sagen, dass wir alle gemeinsam einen Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit haben. Wir alle gemeinsam haben geschaut, wie wir auch jungen Arbeitslosen in Spanien und in Griechenland helfen können. Wir haben ihnen Ausbildungsplätze - unter anderem in Schleswig-Holstein - angeboten, damit wir genau diese Arbeitslosigkeit senken können. Wir in Deutschland haben nämlich die geringste Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen.

Das ist eine Möglichkeit, um jungen Menschen in der EU eine Perspektive zu geben, damit sie dann zurückgehen und ihr Land mit aufbauen können.

Abgesehen von der Dringlichkeit möchte ich noch einmal dich ansprechen, Rasmus. Wir haben zusammen im gemeinsamen Arbeitskreis der Küstenkoalition gearbeitet. Du kommst aus der Minderheit, das ist richtig. Ich möchte einmal für meine Minderheit und für die Friesen und die Sinti und Roma sprechen. Wir sind hier in Schleswig-Holstein. Da habt ihr alle dazu beigetragen, dass das ein Pfund ist, mit dem ihr wuchern könnt. Wir als Minderheiten sind die Brückenbauer in Europa. Wir konnten zeigen, dass, wenn man gute Minderheitenpolitik macht, das gleichbedeutend mit Friedenspolitik ist.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Den Minderheiten Rechte zu geben, dass sie ihre eigene Sprache benutzen dürfen, dass sie sich in den Parlamenten engagieren dürfen, dass sie politische Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen dürfen, das ist wahre Teilhabe und zeigt, dass genau

(Jörg Nobis)

so echt gelebte Demokratie geht. So geht auch Friedenspolitik.

Insofern ist Schleswig-Holstein Vorreiter. Wir haben immer wieder Besuch zu diesem Thema, wir tauschen uns aus. Ich glaube, darauf können wir gemeinsam stolz sein.

Rasmus, ich gebe dir auch noch mit auf den Weg: Du weißt - Minority SafePack -, wir als Minderheit hätten gern einen eigenen Kommissar für Minderheiten. Ich glaube, das wird schwierig umzusetzen.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Regele das einmal, Rasmus! - Nichtsdestotrotz darf man auch hier in der Bütt mit Spaß Wünsche äußern und mit der Hoffnung, dass sie vielleicht umgesetzt werden.

Ich möchte einmal die jungen Menschen, die am 26. Mai 2019 auch in Schleswig-Holstein die Wahl mitentschieden haben, nennen. Es waren viele junge Menschen, die zur Wahl gingen. Plötzlich hatte die EU eine Bedeutung. Die Themen der EU standen ganz oben auf der Hitliste der jungen Menschen, die zum Teil zum ersten Mal wählen konnten. Insofern glaube ich, dass das Anrüchige weg ist, dass sich die Meinung, keiner hat mehr Bock auf Europa, keiner hat mehr Lust auf die EU, komplett gewandelt hat. Das ist großartig und zeigt, dass wir alle gemeinsam ein vereintes und einiges, friedvolles Europa haben wollen.

(Lang anhaltender Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich kann noch ganz, ganz viel sagen. Ich möchte mit einem abschließen, Rasmus: Du willst im GAK Europa der Jamaika-Koalition bleiben. Ich kann dir sagen: Für den SSW bleibst du auch erhalten. Wir werden in Zukunft in der EFA eine Fraktion bilden. Ich gehe stark davon aus, dass wir uns, wenn wir nach Brüssel fahren, treffen werden. Wir treffen dich. Wir treffen Niclas. Ich glaube, das wird gut werden.

(Birte Pauls [SPD]: Wir treffen Delara! - Weitere Zurufe - Heiterkeit)

- Ja, die treffen wir auch. Dann treffen wir auch noch Patrick Breyer. - Kære Rasmus, tusind tak for det gode samarbejde. På gensyn og du bør ikke glemme os.

(Lang anhaltender Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Wochen war die Wahl zum Europäischen Parlament, eine Wahl, die auf ein viel größeres Interesse gestoßen ist als in der Vergangenheit. Kein Wunder: Klimawandel, Brexit, die internationale Lage - das waren diesmal die Themen, über die diskutiert wurde - und nicht, wie in der Vergangenheit, kleinteilige Einzelthemen oder abstrakte Sonntagsthemen.