Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Möglicherweise haben sich einige gefragt: Worin liegt die Eilbedürftigkeit dieses heutigen Antrags? Sie liegt darin, dass dies die erste Landtagstagung nach der Europawahl ist und wir eine Sommerpause vor uns haben. Es ist wichtig, diesen Appell nach draußen zu senden.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Gestatten Sie mir zum Abschluss ein persönliches Wort - das darf ich sicherlich im Namen meiner Fraktion, aber auch im Namen des GAK Europa sagen -: Lieber Rasmus, ich bedanke mich recht herzlich für die konstruktive und fruchtbare - nicht furchtbare, fruchtbare - Zusammenarbeit.

(Heiterkeit)

Es war eine Zusammenarbeit im Sinne der Förderung der europäischen Politik für uns in SchleswigHolstein. Du wirst jetzt als neu gewählter Abgeordneter des Europaparlaments in diesem Sinne weiter wirken. Dafür wünsche ich dir alles Gute. Ich freue mich auf weiterhin gute Zusammenarbeit. Das Ansinnen, weiterhin im Verteiler des GAK zu sein, werden wir sicherlich befolgen können; wir werden auch andere Europaabgeordnete aus SchleswigHolstein einbinden. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Liebe, alles Gute und uns weiterhin einen guten Draht zueinander. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner.

(Dr. Ralf Stegner [SPD] begibt sich mit ei- nem Präsent zum Rednerpult)

Das ist keine Demonstration, auch kein Stofftier, Herr Präsident. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD „tritt ein für die aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit, für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, um damit zur Interessensolidarität der Völker aller Kontinente zu gelangen“. Dieser Text ist knapp 100 Jahre alt. Es ist ein Abschnitt aus dem Heidelberger Programm der SPD von 1925. Heute würde man manches anders formulieren; die Botschaften und Forderungen bleiben aber aktuell.

(Präsident Klaus Schlie)

Die Sozialdemokratie steht uneingeschränkt zur europäischen Integration, zum Zusammenwachsen der europäischen Staaten, zum langfristigen Ziel der Vereinigten Staaten von Europa. Damals war es die Lehre aus dem schrecklichen Ersten Weltkrieg. Es war auch 1945 - nach einem noch grausameren Weltkrieg - richtig. Es bleibt auch heute richtig, nach Jahrzehnten des Friedens, die Europa uns gebracht hat.

Die Nationalisten geben keine Ruhe. Auch wenn die AfD aus taktischen Gründen kurzfristig ihren Gesetzesantrag zurückgezogen hat, bleiben die Gefahren leider konkret. Unabhängig von verschleiernden Formulierungen kennen wir ihr Ziel. Die AfD ist eine nationalistische Partei. Immer größere Teile von ihr vertreten sogar offensiv ein Weltbild, das in völkischem Nationalismus wurzelt. Was sie für Europa wollen, ist nicht vereinbar mit dem, was wir für Europa wollen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Volker Schnurr- busch [AfD]: Bloße Gerüchte!)

Wir ziehen fundamental unterschiedliche Lehren aus der Geschichte, denn wir erinnern uns daran, wohin Nationalismus führt. Ihr Parteivorsitzender träumt davon, auf die Leistungen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg wieder stolz sein zu können. Mit derselben Ideologie hat die Sozialdemokratie schon 1925 gerungen. Das hat sich nicht geändert. Wohin Ihr Weg führt, daran erinnern uns die Soldatenfriedhöfe in ganz Europa.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Jetzt geht es aber los! Jetzt reicht es aber!)

Ich weiß, dass die AfD an der Stelle gern Nebelkerzen zündet. Sie sprechen selbst nicht von Nationalismus, sondern lieber von einem Europa der Vaterländer. Sie sind so dreist, sich auf jemanden wie de Gaulle zu berufen, vergessen aber: de Gaulle war Demokrat, und er hatte - bei allem, was man an ihm kritisieren kann - Anstand. Ihre Verbündeten sind andere.

Das zeigt sich bei der Fraktionsbildung jetzt im Parlament in Brüssel. Da ist die FPÖ, die Österreich gern auf dem Silbertablett an die Oligarchen verscherbeln möchte. Da sind die Lega oder die Rassemblement National, die einen neuen Namen haben mag, aber immer noch für dieselben gestrigen Positionen steht. Ihre Freunde und Kumpane sind die Straches, Salvinis, Le Pens und Wilders. Anständige Demokraten wollen mit solchen Rechtsradikalen nichts zu tun haben, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU - Volker Schnurrbusch [AfD]: Die regieren Länder!)

Der Mord an Walter Lübcke zeigt, dass wir gut beraten sind, rechte Hetzer und ihre Parolen niemals zu verharmlosen. Der widerliche Facebook-Kommentar von heute kann die erschütternde Tat von morgen sein. Der Brandrede folgt der Brandsatz.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Geht es noch um die EU und Europa, oder worum geht es?)

Man muss es in dieser Deutlichkeit sagen: Vertreter der AfD haben mit der Diffamierung von demokratischen Politikern als Volksverräter, mit der wiederkehrenden Ankündigung, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, ein Klima geschaffen, das rechte Gewalttäter anfeuert.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das ist doch nur Hetze!)

Es muss Schluss sein mit der schleichenden Grenzverschiebung des vermeintlich gerade so noch Sagbaren. Das ist Gift für unsere Demokratie. Wir brauchen eine konsequente Ächtung derer, die dieses Gift versprühen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Gut, dass wir diesen Antrag gestellt haben! Da könnt ihr wieder hetzen!)

Mit Blick auf Äußerungen aus Sachsen-Anhalt dieser Tage füge hinzu: Wer ernsthaft davon spricht ich zitiere wörtlich -, „das Nationale mit dem Sozialen zu versöhnen“, und deswegen den Schulterschluss mit der AfD sucht, muss den konsequenten Widerspruch seiner gesamten Partei bekommen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wenn Konservative mit Rechtsradikalen paktieren, wird es für Deutschland gefährlich. Wir brauchen klare Kante der Demokraten gegen Rechts. Der guten Ordnung halber füge ich hinzu: Eine Partei, in der ernsthaft über Bündnisse mit der AfD nachgedacht wird, könnte kein Koalitionspartner für die Sozialdemokratie sein.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Ihr macht es lieber mit den Kommunisten!)

Anstelle von solchen Gedankenspielen - damit komme ich zum erfreulichen Teil - brauchen wir den konsequenten Schulterschluss der Demokraten. Die gemeinsame Resolution heute in diesem Landtag gegen Nationalismus zeigt, dass wir auf einem

(Dr. Ralf Stegner)

anderen Weg sind, und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Die Fraktion der Rechten im Europäischen Parlament ist nach den Wahlen im Mai 2019 gewachsen, auch die Gruppe derjenigen, die nicht konstruktiv an einem friedlichen Europa mitwirken. Es ist umso wichtiger, dass die progressiven Kräfte gute, junge Leute nach Brüssel schicken, um gegenzuhalten, Europa im sozialen und ökologischen Bereich voranzubringen und das Friedensprojekt Europa zu verteidigen. Es ist eine fordernde und spannende Zeit, in der neue Abgeordnete wie Rasmus Andresen oder Delara Burkhardt nach Brüssel gehen.

Lieber Rasmus Andresen, im Namen der Sozialdemokratie bedanke ich mich herzlich bei Ihnen für die kontroversen Debatten in zehn Jahren - gemeinsam in der Opposition, gemeinsam in einer Koalition und auch in der neuen Rollenverteilung der vergangenen beiden Jahre. Alles Gute für die vor Ihnen liegenden Aufgaben!

Wir haben Ihnen etwas mitgebracht, das einerseits Nervenstärkung ist, andererseits die bunte Ordnung, die wir uns im Parlament wünschen und für die Sie in gewisser Weise stehen, dokumentieren soll. - Alles Gute für Sie und vielen Dank für die gute Zusammenarbeit!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD] übergibt ein Geschenk an Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen.

(Heiterkeit)

Sehr geehrter Herr Präsident! Für das Protokoll: Ich habe Herrn Dolgner mein Geschenk kurz zum Zwischenaufenthalt gegeben, nicht zum Essen, aber ich teile es gern mit Frau Burkhardt oder der SPDFraktion.

(Heiterkeit und Zurufe)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in Brüssel werden in diesen Wochen wichtige Weichenstellungen verhandelt. Es geht nicht nur um die Frage, wer was wird, sondern es geht darum, ob wir es schaf

fen, gemeinsam europäische Lösungen für Zukunftsthemen wie die Klimakrise, die soziale Spaltung, die Digitalisierung oder auch die Diskriminierung von Minderheiten zu finden. Wenn wir Antworten auf diese Fragen gemeinsam finden, werden - da bin ich mir sicher - Rechtsextreme und Nationalisten in der nächsten Zeit noch weniger erfolgreich sein, als sie es bei der Europawahl gewesen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Herr Schnurrbusch, auch darüber täuscht Ihr Gesetzentwurf, den Sie inzwischen zurückgezogen haben, nicht hinweg: Die Europawahl war für die AfD, gerade in Schleswig-Holstein, ein komplettes Desaster.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: 7,5 %!)

Sie haben deutlich schlechter abgeschnitten als Ihre Bundespartei, und auch Ihre Bundespartei ist deutlich unter der Erwartung geblieben. Man kann eindeutig sagen, dass Schleswig-Holstein bunt und europäisch tickt und dass für Ihre Politik bei uns kein Platz ist. Das hat sich bei den Wahlen erwiesen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW - Zuruf Volker Schnurr- busch [AfD])

Ich war bei vielen Veranstaltungen mit Vertretern Ihrer Partei, die geglaubt haben, wenn man auf Listenplatz 22 steht - sprich 22 % erreicht -, dass man die realistische Chance hat, für die AfD ins Europaparlament einzuziehen. Das haben Sie offenkundig nicht geschafft; es sitzen weniger AfD-Vertreter im neuen Europäischen Parlament, und aus SchleswigHolstein ist niemand dabei. Das ist ein gutes Signal.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW - Zurufe Dr. Frank Bro- dehl [AfD] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Eine deutliche Mehrheit bei uns will mehr europäische Zusammenarbeit. Die meisten Menschen wollen, dass Nationalstaaten nicht immer Initiativen aus dem Europäischen Parlament blockieren, zum Beispiel bei Steuertransparenz oder Klimazielen.

Wir Grüne sind bei den Wahlen zum Europäischen Parlament mit einem klaren Programm angetreten und haben gleichzeitig den Wunsch nach Veränderungen in der Europäischen Union gespürt. Ich will nicht lange über das Wahlergebnis reden, aber gestehen Sie es mir zu, dass wir uns natürlich darüber freuen, dass wir sehr erfolgreich gewesen und in