Die bundesweit erste raumordnerische Regelung zur Erprobung von innovativen Entwicklungsmaßnahmen soll deshalb die Entwicklungsfunktion unserer Raumordnungspläne unterstützen, Stichwort: Denken in neuen funktionalen Räumen.
Wir möchten in herausragenden, in besonderen Fällen im Rahmen von schnellen Zielabweichungsverfahren zu modellhaften und experimentellen Entwicklungsmaßnahmen kommen und beitragen. Diese können beispielsweise im Zusammenhang mit der Digitalisierung, der Siedlungsentwicklung und der Sicherung der Daseinsvorsorge stehen. Dadurch werden vor allem Kommunen, die neue und zukunftsgerichtete innovative Entwicklungen einleiten wollen, bei dieser Umsetzung unterstützt und ihre Zukunftsperspektiven sicherlich gestärkt.
Die Erprobung von Entwicklungsmaßnahmen eröffnet uns nicht zuletzt die Chance, wichtige Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die Raumordnung in Schleswig-Holstein zukünftig ausgestaltet sein sollte.
Die Regelung betrifft jedoch nur Abweichungen von Zielen der Raumordnung. Abweichungen von Rechtsvorschriften in anderen Rechtsnormen, wie zum Beispiel Baurecht, Naturschutzrecht oder dem Denkmalschutzrecht, sind damit nicht möglich und auch nicht beabsichtigt. Mit weiteren Gesetzesänderungen möchten wir aber auch gleichzeitig die Verfahren zur Aufstellung von Raumordnungsplänen verschlanken und vor allem auch beschleunigen. Dies erreichen wir insbesondere durch die Flexibilisierung der Beteiligungsfristen in diesen Verfahren. Die Neuregelung ermöglicht uns zukünftig, die Frist je nach Bedeutung und Umfang eines solchen Planfeststellungsverfahrens angemessen zu gestalten.
Mit der künftigen Vorgabe von Höchstfristen tragen wir dem Bedürfnis nach einer Beschleunigung der Verfahren Rechnung und sorgen für schnellere Rechtsklarheit und schnelle Entscheidungen.
Einen Punkt möchte ich abschließend noch ansprechen, der derzeit noch nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens ist. Sie müssen wissen, die Bundesregierung plant, höhere Siedlungsabstände zu Windkraftanlagen gesetzlich vorzuschreiben. Wir haben ja mit unserer Regionalplanung bereits Siedlungsabstände bei Standorten ohne Bestandsanlagen von 1.000 m eingeführt. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen hätten die neuen Abstandsvorgaben der Bundesregierung erhebliche Flächenverluste bei uns zur Folge. Viele Bestandsanlagen stünden dann außerhalb der Vorranggebiete, würden auf den Bestandsschutz reduziert und absehbar ersatzlos zurückgebaut werden müssen. Das Energie- und Klimaschutzziel unseres Landes wäre erheblich gefährdet, wenn nicht sogar grundsätzlich infrage gestellt.
Der Bund plant aber im Wege einer sogenannten Opt-out-Regelung, den Ländern eine Abweichungsmöglichkeit von den bundesrechtlichen Abständen einzuräumen. Ich möchte bereits jetzt dafür werben, die vorliegende Änderung des Landesplanungsgesetzes zu nutzen, um eben von dieser Opt-out-Regelung Gebrauch zu machen. Wir erhalten uns damit die Möglichkeit, auch andere als die vom Bund vorgesehenen Abstände zu wählen. Wir können damit an unseren breit diskutierten und, ich denke, gut austarierten Regionalplänen und unserer Regionalplanung festhalten. - Vielen Dank.
Der Minister hat die vorgesehene Redezeit um 1 Minute erweitert. Diese steht nun allen anderen Fraktionen auch zur Verfügung. - Für die CDUFraktion hat der Abgeordnete Claus Christian Claussen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesplanungsgesetzes vorgelegt. Ziel ist es - das haben wir eben gehört -, die Raumordnung auf die Herausforderungen der kommenden Jahre einzustellen.
Da Raumordnungspläne auf die Entwicklung der kommenden 15 Jahre ausgerichtet sind, müssen diese hinreichend flexibel sein, damit man auf Unvorhergesehenes reagieren kann und Anpassungen vorgenommen werden können. Dabei sollen gerade die Chancen, die sich in einer wandelnden Gesellschaft bieten, genutzt werden.
Es gibt in der Raumordnung verbindliche Ziele, die bei Planaufstellung festgelegt werden. Nachträglich sind die Ziele bislang nur durch aufwendige Zielabweichungsverfahren abänderbar.
Der Gesetzentwurf konkretisiert und ergänzt die bisherigen Regelungen, um in bestimmten Fällen eine Zielabweichung zu erleichtern. So wird mit dem § 13 a die Erprobung von Entwicklungsmaßnahmen durch raumordnerische Verträge ermöglicht, um zum Beispiel von den Zielen für Modellvorhaben oder Experimente abweichen zu können. Die Ergebnisse sind von der Landesplanungsbehörde verpflichtend auszuwerten, also, wie es so schön heißt, zu evaluieren. Damit sollen insbesondere interkommunale Entwicklungen ermöglicht und gefördert werden.
Des Weiteren werden auch die Beteiligungsfristen flexibler ausgestaltet. Es wird auf die Präklusionsregelung in § 9 Absatz 2 Satz 4 ROG verwiesen. Schließlich wird der Verwaltungsaufwand reduziert, da die Veröffentlichung der Pläne als Verordnung im Internet erfolgt und die Unterlagen nur noch bei der Landesplanungsbehörde vorgehalten werden. Die Auslegung der Verfahrensunterlagen soll nur noch bei den betroffenen Ämtern und amtsfreien Gemeinden, aber nicht mehr in allen betroffenen Gemeinden erfolgen. Meines Erachtens können wir
hier im weiteren Verfahren durchaus darüber nachdenken, ob nicht auch dieser Aufwand noch weiter reduziert werden kann. Tatsächlich dürfte die Einsichtsmöglichkeit der Papiere vor Ort aufgrund der Verfügbarkeit der Unterlagen im Internet gar keine oder kaum noch eine Rolle spielen. Wir haben noch weitere redaktionelle und klarstellende Regelungen, die sich auch auf das Flurbereinigungsgesetz beziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz enthält Regelungen, die die Landesplanung in die Lage versetzen, auf künftige Entwicklungen besser und flexibler zu reagieren. In einer Zeit des ständigen und sich beschleunigenden Wandels ist der Entwurf eine richtige und notwendige Antwort. Demografie, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Klima, Mobilität und Innovationen stellen uns vor neue Herausforderungen. Wir brauchen Instrumente, mit denen wir die damit verbundenen Chancen und Risiken abwägen und nutzen können.
Der Gesetzentwurf ist dazu ein richtiger Schritt. Ich bitte, der Überweisung in den Ausschuss zur weiteren Beratung zuzustimmen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Herr Minister, die Experimentierklausel, die Sie uns vorgestellt haben, scheint für Sie das Planungs-Ei des Kolumbus zu sein.
Meine Sorge ist, dass es ein Kuckucksei ist. Es wird etwas daraus schlüpfen, das nach Belieben Ziele und Grundsätze aus dem Landesentwicklungsplan schubsen soll.
Dieser Gesetzentwurf geht in den Ausschuss. Das ist gut so; denn da ist eine ganze Menge, was wir im Detail zu diskutieren haben und bei dem wir auf die Anhörungen dazu gespannt sein dürfen.
Lassen Sie mich zwei Punkte besonders herausheben. Zum einen ist es das Thema Landesplanungsrat. Sie wissen, dass wir über den Landesplanungs
rat hier im letzten Mai ausführlich diskutiert haben. Unsere Bitte, den Landesplanungsrat nach Gesetz zu beteiligen, wurde von den Jamaikanern abgelehnt.
Was jetzt im Gesetz geblieben ist, ist die Tatsache, dass der Ministerpräsident nicht mehr der Vorsitzende des Landesplanungsrates sein wird. Das ist konsequent, denn letztes Jahr im Mai haben Sie den Minister ganz aus dem Gesetz geschubst. Das ist etwas, was ich als ein echtes Zeichen werte. 65 Jahre lang war es in Schleswig-Holstein so, dass diese Idee - und der Minister hat es gerade beschrieben -, die Entwicklung des Landes, die Zusammengehörigkeit des Landes, all das immer unter der Überschrift des Ministerpräsidenten beraten wurde. Es wurde immer von den zuständigen Ministern ausgetragen, aber es war ein Symbol: Die Verantwortung des Landes liegt in der Hand des Ministerpräsidenten. - Das ist jetzt nicht mehr so.
Dankbar bin ich allen, die sich dafür eingesetzt haben, dass die Regelungen zum Landesplanungsrat erhalten bleiben. Er soll weiter zweimal jährlich tagen; das bleibt so.
Im Mai letzten Jahres hat uns der Minister noch erklärt, das stehe zwar im Gesetz und sei auch ein Soll, aber eigentlich brauche man den Landesplanungsrat nur bei Bedarf.
Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren zweimal getagt. Man muss nicht schlau rechnen können, um mitzuschneiden, dass das deutlich zu wenig ist und das in einer Zeit, in der uns die raumwirksamen Planungen nur so um die Ohren fliegen: die Windenergieplanung, der Landschaftsrahmenplan, die Landesentwicklungspläne, die Regionalpläne I bis III, die Vereinbarungen mit Hamburg für den Speckgürtel. Der Minister hat in den letzten zweieinhalb Jahren nur zweimal Bedarf gesehen, den Landesplanungsrat zu beteiligen. Ich hoffe sehr, dass wir da in eine regelmäßigere und zügigere Abwicklung kommen.
Liest man den Gesetzentwurf der Regierung aufmerksam, sind es die Ausführungen zum Thema Experimentierklausel, die besonders ins Auge fallen. Statt dem Land in diesen Zeiten von großen Veränderungen, von großen Diskussionen über unterschiedliche Tempos in der Entwicklung einen Rahmen zu geben, einmal das Ziel zu beschreiben Stadt und Land, überall gleiche Bedingungen -, füh
ren wir Experimentierklauseln ein, die im Kleinen, in einzelnen Bereichen, Möglichkeiten eröffnen, obwohl wir ein Planänderungsverfahren haben, Zielabweichungsverfahren haben, Raumordnungsverfahren haben.
Es ist doch nicht so, dass die Zeit in SchleswigHolstein in den letzten 15 Jahren stillgestanden hat, nur weil wir einen Landesentwicklungsplan gehabt haben. Da ist eine Menge möglich gewesen. Ich sehe überhaupt nicht, warum wir hier jetzt herumexperimentieren müssen.
In der Begründung steht: Damit „sollen auch Entwicklungen möglich werden, die derzeit noch nicht gedacht oder für möglich gehalten werden“. So eine Formulierung in der Gesetzesbegründung ist reichlich nebulös. Herr Minister Grote, dahinter verbirgt sich die Idee, dass auf der Grundlage eines raumordnerischen Vertrags zwischen kommunalen und privaten Trägern in herausragenden Fällen räumlich oder zeitlich begrenzt von Zielen der Raumordnung abgewichen werden kann. - Wer entscheidet darüber? Wer setzt die Kriterien? Wie lange ist „zeitlich begrenzt“? Was kommt danach? Was ist, wenn Sie mit einem Privaten einen Vertrag machen, die Kommune aber kein Interesse daran hat?
Diese Fragen müssen wir dringend klären, die müssen wir miteinander besprechen. Hier sehe ich eine Gefahr, wenn Entwicklung und Experimente nach Gutsherrenart vergeben werden, im Idealfall mit Fördergeldern hinterlegt und regional geschickt verteilt. Natürlich muss Raumordnung flexibel sein, aber Raumordnung muss auch nachvollziehbar sein und einheitlichen Kriterien folgen.
Der Landesentwicklungsplan darf der Zukunft nicht im Weg stehen, aber er muss auch für eine geordnete und gerechte Entwicklung im ganzen Land sorgen. Der Landesentwicklungsplan wird von der Landesregierung auf den Weg gebracht, aber zustimmen muss das Parlament. Wenn Sie aus der Experimentierklausel Änderungen von Zielen und Grundsätzen ableiten, wo ist dann der parlamentarische Prozess, wo ist das Verfahren, wo wird das Parlament beteiligt? All das sind Fragen, die noch nicht geklärt sind, und all das läuft. Während der Landesentwicklungsplan schon in Aufstellung ist, während die Anhörung gelaufen ist, während die Abwägung in Gang ist, eröffnen Sie solche Änderungsprozesse.
Ich freue mich auf eine engagierte, umfangreiche Debatte im Ausschuss. Dann wird es wohl gemeinsam gelingen. - Danke.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Raumordnung legt die planerische Grundlage für die räumliche Entwicklung in Schleswig-Holstein über einen Zeitraum von 15 Jahren fest. Das ist bei den Herausforderungen, vor denen wir im Moment stehen, ein unglaublich langer Zeitraum. Das Land verändert sich: neue Optionen der erneuerbaren Energien, Umgang mit dem Klimawandel, schneller technologischer und gesellschaftlicher Wandel.
Ja, wir wollen die Raumordnung flexibel genug machen, um bei späteren Entwicklungen, die wir jetzt noch nicht erkennen können, zeitnah reagieren zu können. Im Prozess der Landesentwicklungsstrategie der Küstenkoalition mit ihren Megatrends wurden diese Anforderungen an eine fortschrittliche Landesentwicklung mehrfach herausgehoben, und wir setzen sie jetzt um. Damit in jedem Bereich innovative Lösungen, die wir heute noch nicht vorhersehen können, schnell und flexibel möglich werden, stärkt der vorliegende Gesetzentwurf mit der neuen Experimentierklausel die Gestaltungskraft eines Landesentwicklungsplans. Man muss reagieren können.
Diese Änderung ist meines Erachtens im Gesetzentwurf besonders hervorzuheben. Die neue Regelung ist bislang ziemlich einmalig, sie ist ein ziemliches Novum in der Bundesrepublik. Baden-Württemberg ist ein Stück weit parallel gelaufen.
In der Koalition haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, Freiräume für neue Vorhaben und Ideen zu schaffen, und im Koalitionsvertrag finden wir diesen Passus ganz besonders deutlich beim Kapitel ländlicher Raum. Klar, Innovationen kommen häufig aus dem ländlichen Raum.