Protokoll der Sitzung vom 18.06.2020

dienen Frauen im Schnitt weniger als Männer, und noch immer stoßen zu viele Frauen zu häufig an statt durch die gläserne Decke zu den oberen und obersten Entgelt- und Besoldungsgruppen. Diese Missstände müssen wir endlich wirksam angehen.

In den beiden vorliegenden Anträgen finden sich durchaus interessante Vorschläge. Der Jamaika-Antrag enthält zwar viele altbekannte Phrasen, dennoch unterstützen wir selbstverständlich die niedergeschriebenen Zielvorgaben. Der vorgeschlagene Vergleich mit anderen europäischen Staaten, die über eine hohe Platzierung im Gleichstellungsindex der EU verfügen, könnte sicherlich interessante Ergebnisse liefern, und dazu zählt auch Island. Der SPD-Vorschlag mit dem potenziellen Vorbild Islands liest sich hier schon deutlich konkreter.

Der Ansatz, einzelne Tätigkeiten zu betrachten und ihnen unabhängig von den Personen, die diese ausüben, einen Wert beizumessen, ist in der Tat überaus interessant. Die große Herausforderung bleibt dabei natürlich das Einstufen, sprich die Überlegung: Wie viel ist eine bestimmte Tätigkeit wert? Denn gerade jetzt in der Coronakrise zeigt sich ja einmal mehr: Gerade die Arbeit, die noch immer mehrheitlich von Frauen gewählt und geleistet wird, zum Beispiel in Pflege- oder Erzieherberufen, ist wortwörtlich systemrelevant. Diese Berufe sind mit einem hohen Grad an Verantwortung sowie körperlicher Anstrengung verbunden. Dennoch werden Pflegerinnen und Erzieherinnen nicht angemessen bezahlt.

Ihre Tätigkeit ist also deutlich unterbewertet. Dieser Missstand ist wahrlich nicht neu.

Anstatt jedoch die Diagnose aufzustellen, Frauen sollten sich einfach häufiger für besser bezahlte, von Männern dominierte Berufe entscheiden, dann würde es mit der Entgeltgleichheit schon klappen, sollten wir uns vielmehr fragen, warum viele frauendominierte Tätigkeiten so niedrig bezahlt werden. Grundsätzlich soll jeder und jede bei der Berufswahl auch weiterhin seinen beziehungsweise ihren persönlichen Neigungen folgen können. Wir sehen also: In puncto Arbeitsbewertung und Entgeltdifferenzierung ist noch verdammt viel Luft nach oben.

Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus der präventive Effekt von Gehaltstransparenz. Zur Fachkräfterekrutierung, Mitarbeiterbindung und nicht zuletzt auch aus Imagegründen würden es Unternehmen wohl deutlich weniger wagen, Frauen schlechter als Männer zu vergüten, auch unabhängig von einer potenziellen gesetzlichen Pflicht und

(Volker Schnurrbusch)

drohenden Sanktionen. Wenn ein Unternehmen den Grundsatz von gleichem Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit wirklich verfolgt, hat es ja auch nichts zu befürchten. Im Gegenteil. Entgeltgerechtigkeit ist und wäre ein wichtiger Faktor, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Grundsätzlich bleibt es eine Tatsache, dass die Entgeltdifferenzen insbesondere auf die traditionellen Geschlechterrollenbilder zurückzuführen sind, auch wenn es diesbezüglich in den letzten Jahren Fortschritte gegeben hat. Ein reiner Einstellungswandel hilft nicht. Die großen Fragen und Herausforderungen bleiben: Wie ermöglichen wir tatsächlich gleiche Verwirklichungschancen? Wie ermöglichen wir potenziellen weiblichen Führungskräften den Sprung an die Spitze der Karriereleiter und insgesamt zu höheren Positionen? Es muss ja nicht zwangsläufig eine Quotenregelung sein. Insgesamt lassen sich verschiedene Ideen diskutieren, zum Beispiel Teilzeit und flexiblere Arbeitszeitmodelle auf Führungsebene, die Normalisierung verschiedener Familienmodelle, gegebenenfalls ein Coachingprogramm und noch vieles mehr.

Ich würde mich über eine weitere Diskussion freuen. Ich höre, dass die Jamaika-Koalition ihrem Antrag zustimmen möchte. Wir werden auf alle Fälle dem SPD-Antrag zustimmen und den Jamaika-Antrag ablehnen.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat Minister Jan Philipp Albrecht in Vertretung der Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung, die sich - ich will es noch einmal in Erinnerung rufen - im Einvernehmen aller auf der Innenministerkonferenz befindet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss korrigieren. Sie befindet sich auf der Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das ist ein wichtiger Unterschied, wenn Sie erlauben.

Ich erlaube, bin aber relativ sicher, dass ich recht habe.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Aber ich akzeptiere gerade bei diesem Tagesordnungspunkt, dass Sie mich korrigieren, und empfinde das auch als angenehm.

Dies ist natürlich erlaubt, aber es war nur ein kleiner Hinweis zur Ergänzung, der aufgegriffen werden darf.

Sehr geehrte Damen und Herren, bis heute erhalten Frauen im Durchschnitt 21 % weniger Gehalt als Männer. Das wurde heute schon mehrfach benannt. So groß ist trotz einer verfassungsrechtlich verankerten Gleichstellung immer noch der Lohnunterschied in Deutschland. Wir sehen hierbei noch nicht gut aus, auch nicht im Vergleich zu den anderen EU-Ländern. Denn im EU-Durchschnitt liegt die geschlechterspezifische Lohnlücke bei 16,3 %. Im internationalen Vergleich des Global Gender Gap Reports liegt Deutschland zwar auf Platz zehn, das ist aber keine Position, mit der wir uns zufriedengeben sollten. Island zum Beispiel befindet sich seit 2009 durchgängig auf Platz eins.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Ja! So ist das!)

Auch unsere nördlichen Nachbarn Norwegen, Schweden und Finnland, liegen vor uns. Wenn wir es einmal auf unser Bundesland herunterbrechen, so lag der Gender Pay Gap im Jahr 2018 bei etwa 15 %. Alle diese Zahlenwerke zeigen, dass wir noch ein Stück des Weges vor uns haben. Denn um die Lohnlücke zu beseitigen, muss an mehreren Stellschrauben gedreht werden.

Die Ursache für die Gehaltsunterschiede sind vielschichtig. Frauen arbeiten häufiger in sozialen und personennahen Dienstleistungen, die schlechter bezahlt werden als beispielsweise technische Berufe. Zudem befinden sich Frauen häufiger und länger in familienbedingter Erwerbsunterbrechung als Männer. Sie steigen anschließend öfter in Teilzeit wieder ein oder suchen sich Minijobs.

Die erst kürzlich veröffentlichte Gleichstellungsstrategie 2020 bis 2025 der EU untermauert, dass verschiedene Handlungsfelder angepackt werden müssen, um das Gefälle zu beseitigen. Dazu zählen unter anderem die geringe Erwerbsbeteiligung von

(Jette Waldinger-Thiering)

Frauen, die unsichtbare und unbezahlte Arbeit, die im Vergleich zu Männern höhere Teilzeitarbeit, die häufigen Berufsunterbrechungen und auch frauendiskriminierende Verhaltens- und Arbeitsweisen.

Diese Beispiele machen deutlich: Wir haben noch einige Themen zu bearbeiten, um Lohngerechtigkeit herbeizuführen. Ein Zertifizierungsverfahren, wie von der SPD vorgeschlagen, kann aber nicht die alleinige Lösung sein. Vor allem werden auf Bundes- und Landesebene, wie Ihnen allen sicherlich bekannt ist, bereits jetzt gute Maßnahmen ergriffen, die auch besser wirken. So hat zum Beispiel die erste Evaluation zum Entgelttransparenzgesetz die Bundesregierung dazu veranlasst, weitere untergesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um das Gesetz noch wirksamer zu machen. Und in SchleswigHolstein erarbeiten wir derzeit eine Gleichstellungsstrategie. Diese wird den öffentlichen Dienst genauso wie die Privatwirtschaft einbeziehen. In diesem Rahmen werden wir auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft einzelne Maßnahmen beraten, mit denen ungerechter Bezahlung entgegengewirkt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, angesichts der vielfältigen Ursachen für die ungleiche Bezahlung ist die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit als große Herausforderung anzusehen. Es bedarf der Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure im Land. Deswegen werden wir auch alle Ressorts, unsere schleswig-holsteinische Wirtschaft, die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft an einen Tisch holen. Wir wollen, dass endlich tatsächlich Gleichstellung zwischen Frauen und Männern erreicht wird, und wir freuen uns, wenn wir für diese Arbeit auch Ihre Unterstützung erhalten. - Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung in der Sache.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/2064 (neu), abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktion der SPD und die Abgeordneten des SSW. Wer ist dagegen? - Das sind alle andere Abgeordneten. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich lasse nun über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und

FDP, Drucksache 19/2169, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der CDU. Wer ist dagegen? Das sind die Fraktionen von SPD, die Abgeordneten des SSW, die Fraktion der AfD und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkte 18 A und 35 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Gesetzes zum Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/2177

b) Regelungen zur Barrierefreiheit im Medienstaatsvertrag zukünftig nachbessern - Teilhaberechte von Menschen mit Behinderungen wirksam verbessern!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2192

Barrierefreiheit in Rundfunk und Telemedien gewährleisten

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2270

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Ministerpräsident Daniel Günther.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1991, seit nunmehr 29 Jahren, gilt der Rundfunkstaatsvertrag. Die Medienlandschaft hat sich in dieser Zeit drastisch gewandelt, ebenso die Art und Weise, wie sich Menschen informieren. Deswegen passt der Rundfunkstaatsvertrag, so wie er ist, nicht mehr in die Zeit.

Heute gibt es unzählige YouTuber mit Tausenden von Abonnenten, Internetplattformen, die Medienangebote Dritter bündeln, Smart-TVs, deren Benutzeroberflächen kaum noch an frühere Fernseher erinnern. Es gibt Suchmaschinen und soziale Medien.

Die heutige Medienwelt ist von einer kaum noch überschaubaren Anzahl von Medienangeboten ge

(Minister Jan Philipp Albrecht)

prägt. Eine Vielzahl von Informationsangeboten bedeutet dabei nicht zwingend auch Vielfalt und Auffindbarkeit von Meinungen. Genau das ist der zentrale Punkt des Medienstaatsvertrages: Meinungsvielfalt im digitalen Zeitalter.

Der Medienstaatsvertrag hat zwei wichtige Regelungsziele. Zum einen muss die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste bis September 2020 ins deutsche Medienrecht umgesetzt werden. Zum anderen soll der Medienstaatsvertrag die wichtigsten Regelungsziele, insbesondere die Vielfaltssicherung, in die heutige Medienwelt übertragen.

Was sind die wichtigsten Neuerungen? - Die ehemals sehr weitreichende Zulassungspflicht für linearen Rundfunk wird größtenteils aufgehoben. Zulassungsfrei sind zukünftig Angebote, die durchschnittlich weniger als gleichzeitig 20.000 Nutzer erreichen. Bisher lag diese Grenze bei 500 Nutzern. Das ist insbesondere für viele YouTuber eine große Erleichterung. Für Medienintermediäre werden umfangreiche Vorgaben zur Transparenz und Diskriminierungsfreiheit eingeführt. Anbieter von Suchmaschinen, App-Stores und Sozialen Medien müssen zukünftig darüber aufklären, nach welchen Kriterien sie Medienangebote auswählen und anzeigen. Zudem können sich Medienanbieter in Fällen von vermuteter Diskriminierung bei einer Landesmedienanstalt beschweren.