Juristisch versteckt sich die Problematik im Zusammenspiel der Tatbestandsvoraussetzungen zweier Normen zum einen im Diebstahlsparagrafen § 242 StGB, zum anderen in § 959 BGB, wo es um die Aufgabe des Eigentums, die sogenannte Dereliktion, geht. Diebstahl liegt nur vor, wenn die weggenommene Sache fremd ist. Fremd ist eine Sache aber dann nicht, wenn sie nach § 959 BGB herrenlos ist. Herrenlos ist die Sache dann, wenn der Besitz in der Absicht aufgegeben wird, auf das Eigentum zu verzichten.
Meine Damen und Herren, legen wir diese Maßstäbe an die Fälle A und B an, wird deutlich, dass besagter Herr D im ersten Fall das Eigentum an dem abgelaufenen Brot offenkundig aufgeben wollte. Es landete nach seinem Willen in einem unverschlossenen Müllcontainer, der an einer für jeden und jede zugänglichen Stelle stand. Ob es ein anderer entnimmt und seinen Hunger daran stillt, ist ihm egal, zumal das Haltbarkeitsdatum gerade erst abgelaufen ist.
Im Fall B sieht das völlig anders aus: Herr D sieht sich verantwortlich für die sichere Übergabe der kontaminierten Wurst an den lizenzierten Entsorger und bringt dies mit der Anbringung eines Fahrradschlosses an der Klappe des Containers zum Ausdruck.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie während Ihrer juristischen Vorlesung eine kleine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dolgner?
Also, ich kann garantieren, dass ich die Wurst nicht gegessen habe. - Werter Herr Kollege Peters, man müsste Ihnen eigentlich noch ein, zwei Stunden Zeit geben, um - vielleicht oben im Schleswig-Holstein-Saal - die juristischen Ausführungen zum Containern weiterzuführen.
Ihrem Landesvorsitzenden, Steffen Regis, gehalten haben, bevor er am 6. Juni 2019 - also in dieser Legislaturperiode - öffentlich die Justizminister dafür kritisiert hat, dass sie das Containern nicht legalisieren wollen. Er wollte das Containern grundsätzlich legalisieren. Ich vermisse bei den Ausführungen des Landesvorsitzenden allerdings die Spitzfindigkeiten. Ich glaube, er hat gefordert, es generell zu legalisieren.
- Jetzt kommt die Frage, Kollege Peters! Ich würde gern einmal wissen: Stimmen Sie mit der Pressemitteilung Ihres Landesvorsitzenden überein, oder hat da die grüne Landtagsfraktion eine andere Auffassung als der grüne Landesvorsitzende?
- Herbert Wehner pflegte zu sagen: An guten Tagen stimme ich zu 50 % mit den Aussagen meiner Partei überein.
Sagen Sie mir bitte, ob für Sie heute ein guter Tag - 50 % - ist, ein sehr guter Tag - 75 % - oder ein hervorragender Tag - 100 %.
- Ja, Steffen Regis ist kein Jurist und ist deswegen nicht so spitzfindig. Warten Sie doch einfach ab, was ich gleich erzählen werde. Vielleicht kommt dabei etwas heraus -
Ich könnte noch stundenlang weitermachen, denn es lassen sich diverse Abwandlungen konstruieren. Aber Sie zeigen, dass es allgemein abstrakte, rechtlich saubere und angemessene Regelungen des Phänomens Containerns nach meiner Überzeugung so nicht geben kann.
Ich habe daher einen anderen Vorschlag: Wir könnten das Justizministerium bitten, über den Generalstaatsanwalt in Schleswig eine allgemeine Weisung an die Staatsanwaltschaften herauszugeben, in der beschrieben werden könnte, in welchen Fällen des Containerns von einer Strafverfolgung abzusehen ist, in welchen Fällen Einstellungsmöglichkeiten nach den Opportunitätsregelungen der Strafprozessordnung - §§ 153 ff. StPO - genutzt werden sollen, und in welchen Fällen in der Regel unbedingt eine Anklage erfolgen soll. Wir kennen das - § 31 a BtMG, geringfügige Menge -: eine Generalweisung.
Das hätte auch den Charme, dass wir das hier im Land regeln können, ohne uns in einer aussichtslosen Bundesratsinitiative zu verzetteln.
Diesen Vorschlag würde ich sehr gern im Innenund Rechtsausschuss diskutieren. Das entspricht auch der geltenden Beschlusslage des Landtages. Wir haben im Juni 2019 mit Jamaika beschlossen:
„Geprüft werden soll ebenfalls, ob das geltende Strafrecht oder das Strafverfahrensrecht einer Anpassung bedarf, um die kollidierenden Interessen von Nachhaltigkeit und Eigentumsschutz im Falle der Inbesitznahme von weggeworfenen, noch verzehrtauglichen Lebensmitteln in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.“
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen uns den Antrag des SSW ja doch noch einmal genau angucken. Viele Ausführungen kann ich durchaus unterschreiben und bin da auf Ihrer Linie. Sie fordern aber die Legalisierung des Containerns, und das ist ein Eingriff in unsere Rechtsordnung, bei der man etwas genauer hingucken muss, was ja durch den Kollegen Peters begonnen wurde.
Eines wird aber deutlich: Ihr Hauptziel ist es, die Lebensmittelverschwendung in Deutschland zurückzufahren und zu bekämpfen.
Das hat aber mit Strafrecht in erster Linie nichts zu tun, und das ist auch das große Problem Ihres Antrages,
weil Sie hier zwei Dinge miteinander vermischen, die nicht zusammengehören. Das ist wie Milch und Zitronensaft, das ergibt flockige Milch, und die ist ungenießbar.
(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Das ist manchmal auch gute Salatsoße! - Heiterkeit - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Können Sie denn Milchshakes machen?)
Wir sind uns mit dem SSW durchaus einig, dass die Lebensmittelverschwendung in unserem Land ein nicht mehr akzeptables Ausmaß angenommen hat, das wir guten Gewissens nicht mehr hinnehmen können. Schätzungen zufolge werden in der EU 20 % der Lebensmittel weggeworfen. Das sind unfassbare Berge beziehungsweise Mengen. Es bedarf Strategien, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Dabei ist es sicherlich sinnvoll, wenn wir auf Erfahrungen zurückzugreifen, die in anderen europäischen Ländern mit anderen Lösungsansätzen als der Legalisierung des Containerns gemacht wurden. Deshalb wollen wir - das haben wir auch in unserem Alternativantrag zum Ausdruck gebracht - prüfen, ob Lösungsansätze, wie wir sie aus Frankreich, Tschechien oder Italien kennen, auch in Deutschland funktionieren, um beim Einzelhandel ein Bewusstsein zu schärfen, künftig sorgsamer mit Lebensmitteln umzugehen.