Dabei ist es sicherlich sinnvoll, wenn wir auf Erfahrungen zurückzugreifen, die in anderen europäischen Ländern mit anderen Lösungsansätzen als der Legalisierung des Containerns gemacht wurden. Deshalb wollen wir - das haben wir auch in unserem Alternativantrag zum Ausdruck gebracht - prüfen, ob Lösungsansätze, wie wir sie aus Frankreich, Tschechien oder Italien kennen, auch in Deutschland funktionieren, um beim Einzelhandel ein Bewusstsein zu schärfen, künftig sorgsamer mit Lebensmitteln umzugehen.
Mir als Freiem Demokraten ist es natürlich am allerliebsten, wenn wir am Ende den liberalsten Lösungsansatz wählen, der momentan in Italien vorliegt, wo man versucht, mit gesetzlich geregelten steuerlichen Anreizen die Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen, indem man Spenden steuerlich begünstigt.
Der vom SSW vorgeschlagene Weg ist allerdings unseres Erachtens der falsche Weg. Das Legalisieren des Containerns ist zum einen kein effektives Instrument, um Lebensmittelverschwendung in großem Ausmaß in unserem Lande entgegenzuwirken. Zum anderen ist es ein nur schwer zu rechtfertigender Eingriff in unsere Eigentumsordnung, denn es gibt mildere Mittel, um hier zu einer Lösung zu kommen.
Lieber Kollege Harms, lieber Kollege Dirschauer, es ist ja richtig, dass das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, den Bereich des strafbaren Handelns verbindlich festzulegen. Ihre Schlussfolgerung aber, dass hier eine schnelle Gesetzesänderung beschlossen werden könne, teile ich nicht. Die Legalisierung des Containerns wäre ohne Frage ein Eingriff in das Grundrecht des Eigentums und würde im Ergebnis wie eine Enteignung wirken, da das Eigentum in Teilbereichen nicht mehr durch das Strafrecht geschützt wäre. Jeder Grundrechtseingriff aber bedarf einer besonderen Rechtfertigung, und der Eingriff muss stets verhältnismäßig sein. Das gilt eben auch für Gesetze. Daran ändert auch die Sozialbindung des Eigentums nichts.
Da der Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, müssen wir diese Grundprinzipien des Verfassungsrechts eben auch bei Gesetzesänderungen beachten. Es ist aus den eingangs dargelegten Gründen schon fraglich, ob die Legalisierung des Containerns überhaupt geeignet ist, der Lebensmittelverschwendung effektiv entgegenzuwirken.
Entscheidender aber ist, dass die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen offenkundig nicht das mildeste Mittel sind, um ein durchaus legitimes Ziel zu verfolgen. Genau hier liegt das verfassungsrechtliche Problem Ihres Lösungsansatzes. Das italienische Modell verfolgt einen deutlich sinnvolleren Ansatz und ist mit Sicherheit ein milderes Mittel,
um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen und zurückzufahren. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob die Lösungsansätze anderer EU-Länder nicht wirkungsvoller und vor allem weniger grundrechtsintensiv sind. Je weniger der Staat in die Grundrechte eingreift, desto besser. Und bei geringen Eingriffen haben Sie die Freien Demokraten auf Ihrer Seite.
Nun noch eine Anmerkung zum Schluss an den geschätzten Kollegen Lars Harms. Was mich ja wundert, ist, dass Sie überhaupt nicht auf das Modell Dänemarks eingehen. Dänemark hat in der Tat das liberalste Modell, um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Da zählt nämlich ausschließlich Bürgerengagement, und Dänemark ist Spitzenreiter im Zurückdrängen der Lebensmittelverschwendung ohne Zwangsmaßnahmen und ohne Eingriffe in Eigentumsrechte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden in der Tat im Grunde über Lebensmittelverschwendung in Deutschland, ein wirklich beschämendes Thema und eines, welches wir hier im Hause schon mehrfach diskutiert haben. Denn dies ist bereits der fünfte Antrag in dieser Legislaturperiode, der sich mit dem Thema der Lebensmittelverschwendung befasst. Am Ende dieser Themenkette gibt es nun Menschen, die in den Müllbehältern von Supermärkten nach verwertbaren Lebensmitteln suchen, die sie dann für sich verbrauchen oder auch anderen Menschen zur Verfügung stellen. Bei diesem sogenannten Containern kann der Straftatbestand des Diebstahls - zumeist des Diebstahls geringwertiger Sachen -, des schweren Diebstahls und nicht selten auch des Hausfriedensbruchs oder der Sachbeschädigung begleitend erfüllt sein.
Der SSW beabsichtigt nun, von einer Strafe dann abzusehen, wenn jemand aus einem Abfallbehälter zum Beispiel abgelaufene Konserven oder einen überreifen Apfel herausholt, der zuvor durch einen
Lebensmittelhändler entsorgt wurde. Das Wegwerfen von noch verzehrfähigen Lebensmitteln ist ein großes Problem, das gelöst werden muss, das steht völlig außer Frage. Die Legalisierung des sogenannten Containerns kann hier nicht das Problem lösen. Warum soll der Griff in den Abfallbehälter straflos sein? Weil es eine gute Tat ist, gegen Ressourcenverschwendung vorzugehen? Weil es sich um vermeintlich wertlosen Abfall handelt?
Die Antwort - das hörten wir bereits - hierauf ist komplexer, als man zunächst annimmt: Im Strafgesetzbuch wird nicht zwischen wertlosem und wertvollem Diebesgut unterschieden. In einem Urteil von 1911 hieß es einmal: Die Wertlosigkeit einer Sache als solchen gewährt Dritten nicht das Recht zur Wegnahme. Eigentum bleibt Eigentum. - Es hängt also ganz allein vom Willen des Eigentümers ab, ob er abgelaufene Sachen wegwerfen will oder Dritten freiwillig zur Verfügung stellt. Wenn der Eigentümer seine Nahrungsmittel bewusst einer Beseitigung durch den Abfallentsorger zuführen will, um eventuelle Haftungsrisiken durch den Verzehr von verdorbenen oder gar gefährlichen Lebensmitteln auszuschließen, so muss die Rechtsordnung dies akzeptieren. Das Eigentum der Lebensmittelhändler pauschal aus dem strafrechtlichen Schutz herauszunehmen, stünde im Widerspruch zur zivilrechtlich geregelten Zuordnung des Eigentums.
Tatsächlich geht es hier auch im Detail um die juristische Bewertung des Eigentumübergangs oder der Eigentumsaufgabe. Auch das ist kürzlich höchstrichterlich entschieden worden. Im Übrigen bieten die Vorschriften des Strafrechts und des Strafprozessrechts Instrumente, dem persönlichen Unrechts- und Schuldgehalt von solchen Bagatelldiebstählen im konkreten Fall Rechnung zu tragen. Größtenteils werden diese Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Harte Strafen sucht man in diesem Deliktfeld vergebens.
Die Justizministerkonferenz hat im Juni 2019 in Travemünde eine Legalisierung des Containerns abgelehnt. Stattdessen hat man sich für eine freiwillige Abgabe von Lebensmitteln durch den Einzelhandel ausgesprochen. Auch die Bundesregierung sieht keinen Bedarf einer gesetzlichen Regelung zum Wegwerfen noch genießbarer Lebensmittel. Zu einer kleinen Anfrage „Lebensmittelverschwendung verhindern“ wurde mit Blick auf Frankreich erläutert - ich zitiere hier mit Erlaubnis des Präsidiums -:
„Anders als in Frankreich ist es in Deutschland seit vielen Jahren selbstverständlich, dass zahlreiche Supermärkte unverkaufte und
noch genießbare Lebensmittel auf freiwilliger Basis an ‚Die Tafeln‘ oder andere soziale Einrichtungen abgeben.“
Dass das noch immer nicht wirksam genug ist, darüber haben wir hier schon genug gehört, und das unterstreiche ich ganz klar.
Der Antrag des SSW allerdings setzt hier am falschen Ende dieser Themenkette an. Eine Bekämpfung der Ursachen bringt mehr als eine Bekämpfung der Symptome. Herr Dirschauer, in Ihrem Redebeitrag haben Sie dann tatsächlich doch vorn angesetzt und nicht das gesagt, was Ihr Antrag eigentlich beinhaltet. Deswegen kann ich Ihrer Rede eher folgen als Ihrem Antrag.
Da hier im Haus stets gern nach Lösungsvorschlägen gefragt wird, verweise ich auf die Ausführungen des Abgeordneten Schnurrbusch vom 21. Juni 2019 anlässlich der Landtagsdebatte, denn hier wurden konkrete Vorschläge zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten aufgezeigt: Verbraucher und Transporteure müssen endlich für diese Problematik sensibilisiert werden. Auch das hörten wir schon. Die regionale Vermarktung sowie die Direktvermarktung durch die Landwirtschaft müssen gestärkt werden.
Die Verschwendung von Nahrungsmitteln ist ein ethisches Problem und führt zu Verschwendung von Ressourcen. Denn mit jedem entsorgten Lebensmittel ist auch ein nutzloser Verbrauch an Wasser, Ackerboden, Energie und auch anderen Rohstoffen verbunden. Den Antrag des SSW lehnen wir in der Sache ab, nicht nur, weil er aus unserer Sicht am falschen Ende ansetzt, sondern weil ein entsprechender Antrag bereits am 11. April 2019 in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Laut Plenarprotokoll vom 17. September 2019 erfolgte eine Überweisung in die Ausschüsse für Recht und Verbraucherschutz sowie Ernährung und Landwirtschaft. Das Ding läuft bereits im Bundestag.
Der Antrag des SSW hat damit tatsächlich auch ein bisschen was mit der Verschwendung von Lebensmitteln gemein: Er ist in dieser Form überflüssig. In der Sache sollten wir uns aber die Mühe machen, im Ausschuss ausführlich darüber zu reden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mehrere Dinge ansprechen. Das erste ist: Uns geht es nicht nur um Lebensmittelverschwendung - natürlich geht es uns auch darum -, aber unser Antrag hat selbstverständlich auch eine soziale Komponente, nämlich dass wir Menschen haben, die - egal aus welchen Gründen - nicht genügend zu essen haben und einfach genötigt sind, zu containern oder sich Waren irgendwo, zum Beispiel bei Tafeln, zu besorgen. Dieses soll auch ein kleiner Beitrag dazu sein, die Situation dieser Menschen ein bisschen zu erleichtern. Das ist uns ganz wichtig, auch in der Bewertung des Antrages.
Der Kollege Rossa hat gerade eben noch einmal gefragt: Warum denn nicht so wie in Dänemark? Das sind die Weltmeister im Lebensmitteleinsparen.
Weil wir eine gnadenlose Furcht davor haben, von der FDP einen auf den Deckel zu kriegen für Regelungen, die per Gesetz geschaffen werden.
In Dänemark ist es so, dass man auch Kleinstpackungen kaufen kann. Das spart auch etwas. Hier bei uns müssen Menschen große Packungen kaufen, obwohl sie alleine leben. Sie können nur die Hälfte davon verzehren, und die andere Hälfte geht in den Müll. In Dänemark ist man auf die Idee gekommen, gesetzlich vorzuschreiben, dass die Preise für kleine Packungen mit denen für große Packungen gleichzusetzen sind. Sie greifen da massiv in den Markt ein und sagen ganz klar: Der Preis für das jeweilige Gramm ist immer derselbe. Wenn ihr ein Angebot für eine Wurst von 300 g macht, dann muss das gleiche Angebot auch für 150 g gelten. Das gibt es bei uns hier nicht. Da würde auch die FDP als erstes „Hurra“ schreien, wenn wir vorschlagen würden, so etwas hier einzuführen.
Deswegen denke ich schon, dass unsere Lösung die etwas Sanftere ist. Sie stellt im Übrigen, Herr Kollege Rossa, auch einen wesentlich geringeren Eingriff dar als die Regelungen, die es beispielsweise in Frankreich oder Tschechien gibt, wo Läden verpflichtet werden, alle Waren irgendwo anders hinzubringen, beispielsweise zu den Tafeln. Bei uns ist das derzeit freiwillig.
Wir können uns darüber gerne im Ausschuss unterhalten. Ich bin sofort bei Ihnen, wenn wir eine gesetzliche Vorgabe machen, dass sämtliche Gebinde den gleichen Grammpreis kosten sollen. Es bereitet mir keinen Schmerz, ich habe keinen Schmerz damit, dass wir die Läden verpflichten, dass sie die Waren sofort zu den Tafeln bringen, und zwar auf deren Kosten. Das bereitet mir keinen Schmerz. Wenn wir dann das Containern trotzdem noch legalisieren, wäre das auch okay.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es hat sich einiges bewegt, seitdem wir, Lars Harms, die Probleme mit dem Plastikmüll in der Schlei öffentlich bearbeitet und Lösungen gefunden haben. Sie glauben gar nicht, wie schnell das System reagiert. Wer heute beim Discounter verpackte Lebensmittel entsorgen will, hat ein riesiges Problem, weil sie nicht in den Kreislauf zurückgeführt werden können und von den Biogasanlagen nicht angenommen werden. Zu Recht, weil in diesem kleingeschredderten Biosubstrat letztlich über Kläranlagen, Biogasanlagen - siehe Schleswig, das haben wir hier rauf und runter diskutiert - das Ganze entweder in einem Mikrofilter oder tatsächlich in den Gewässern landet.
Das wollen wir alle verhindern. Also wird ausgepackt oder - das ist heute der Fall - es gibt Entsorgungsketten, die dafür sorgen, dass rechtzeitig die Lebensmittel aus dem Discounter wiederverwertet oder zur weiteren Nutzung in den Lebensmittelverzehr abgegeben werden. Die Tafeln können sich vor Lebensmitteln nicht mehr retten, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums liegen. Die sind also schon alle gut versorgt.
Alles, was an Backprodukten aus dem Discounter oder dem Lebensmitteleinzelhandel wieder herausgeht, wird heute tatsächlich als Tierfutter wiederverwertet. Sie wissen alle, dass Schweine gerne auch Brot oder Kuchen fressen, also gibt es auch da eine Kette, die dafür sorgt, dass diese Lebensmittel zumindest nicht, wie wir es immer behaupten, weggeworfen werden.
Es gibt die Biotonnen, und es gibt auch Biogasanlagen, die sich auf solche Entsorgungswege spezialisiert haben. Deswegen ist es auch nicht hinnehm
bar, auch moralisch nicht hinnehmbar, wenn in einer Verarbeitungskette sehr hochwertige Lebensmittel mit einem hohen Verarbeitungsgrad wahllos in den vermeintlichen Müll geworfen werden. Dass es nun wirklich 20 % sind, Herr Rossa, die in irgendeiner Form nicht genutzt werden, stimmt nicht. Es gibt die Kaskadennutzung - darauf wollte ich noch einmal ausdrücklich hinweisen.
Wer auspacken muss, dem ist daran gelegen, dass das vorher verwertet wird, auch für den menschlichen Verzehr. Wenn das nicht gelingt, dann soll es als Tierfutter verwertet werden, wenn das nicht möglich ist, soll es in die Biogasanlage. Trotzdem sind wir alle dazu auch angehalten, dass die Lebensmittelverschwendung weniger wird.