Protokoll der Sitzung vom 28.10.2020

Jetzt kommen wir zu einem weniger schönen Antrag; mit dem werde ich mich nur kurz befassen. Hier Panik zu schüren und darauf hinzuweisen, was alles schiefgehen kann - ich kann es wirklich nicht fassen! Es gibt so viele Menschen, die sich gern impfen lassen würden. Es gibt so viele Menschen, die Angst um ihre Angehörigen haben. In einer solchen Situation darauf hinzuweisen, was alles schiefgehen kann, finde ich unter aller Würde ganz ehrlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und vereinzelt SPD - Claus Schaffer [fraktionslos]: Das ist doch nur ehrlich! Dar- um geht es doch!)

Ich kann nur sagen, dass ich mich in dieser Situation bei allen Forscherinnen und Forschern, bei allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Tag und Nacht daran arbeiten, die Bevölkerung besser zu schützen, herzlich bedanke. Ich denke, das tue ich im Namen von uns allen. Der Dank geht genauso an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern, in den Pflegeeinrichtungen, im öffentlichen Nahverkehr, in den Supermärkten. Alle tun ihr Möglichstes, damit wir gemeinsam durch die Pandemie kommen.

Es ist völlig klar, dass das, was in Russland passiert ist, bei uns nicht passieren wird. Hans Neve hat deutlich erklärt, wie die Abläufe bei uns sind. Natürlich wollen wir einen sicheren Impfstoff haben. Wir wissen, dass viele Menschen dringend darauf warten.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Bernd Heinemann [SPD])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Covid-19-Pandemie hat das Gesundheitswesen zum Thema Nummer eins gemacht - nicht nur auf Landes- und auf Bundesebene, sondern auch bei der Europäischen Union; denn der Mangel an Fachkräften, Intensivbetten, persönlicher Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln war kein singuläres Ereignis in Teilen Deutschlands. Vielmehr traf es mehrere europäische Länder noch deutlich härter, weswegen in unseren Kliniken auch EU-Bürger erfolgreich behandelt wurden. Ich möchte das noch einmal hervorheben, weil viele über die Europäische Union eher lästern. Das, was wir länderübergreifend erlebt haben, ist gelebte Solidarität innerhalb der Europäischen Union.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD und Beifall Kat- ja Rathje-Hoffmann [CDU])

Ein weiteres großes Problem, welches sonst bei Wirtschaftskrisen kaum in Erscheinung trat, ist die Konzentration der Arzneimittelforschung, vielmehr aber noch die Arzneimittelproduktion in China und Indien. Durch den zeitweiligen Zusammenbruch globaler Lieferketten drohten sehr schnell Engpässe bei der Medikamentenversorgung, selbst in Europa.

Auch wenn die Pandemie noch wütet - schon heute ist abzusehen, dass wir in Europa Nachholbedarf haben, auch im Hinblick auf eine hochwertige Gesundheitsversorgung für die über 400 Millionen Menschen, die in der Europäischen Union leben.

In den Grundzügen habe ich viel Sympathie für den vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion. Schließlich beruht er auf einer Entschließung des EU-Parla

(Dr. Marret Bohn)

ments, bei der die drittgrößte Fraktion, die der Liberalen, Mitantragsteller gewesen ist.

Es gibt aber ein paar Punkte, die ich noch zu bedenken geben möchte. Die von mir erwähnte Gesundheitsversorgung für über 400 Millionen Menschen ist ein ehrenwertes, aber auch ein kostspieliges Ziel. Zunächst würden wir uns, glaube ich, freuen, wenn wir es schafften, unseren Investitionsstau in Deutschland bei der stationären Versorgung komplett abzutragen sowie mehr Fachkräfte auszubilden und entsprechend zu bezahlen. Da wir schon in Deutschland eine Finanzierungslücke haben, fehlt mir ein bisschen die Idee, wo wir diese zusätzlichen Gelder akquirieren sollen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Das glaube ich, Frau Raudies. Darüber werden wir sicherlich im Europaausschuss sprechen.

Die Europäische Union ist föderal aufgebaut und unterliegt daher dem Subsidiaritätsprinzip. Wir erleben bereits innerhalb Deutschlands, dass hieran gezerrt wird. Wir können froh sein, dass wir eine föderale Republik sind; sonst hätte Markus Söder bereits im Sommer unsere Strände an Nord- und Ostsee gesperrt, weil ein Münchner Biergarten wieder einmal ein Corona-Hotspot gewesen ist.

(Beifall FDP)

Ich sage es bewusst: Solche weitreichenden Entscheidungen, die lokale oder regionale Gegebenheiten nicht berücksichtigen, sind schon innerhalb Deutschlands schwierig. Sie werden EU-weit noch deutlich weniger einfach.

Da der gesamte Antrag nur Sinn hat, wenn eine entsprechende Forderung über die Landesregierung und die Bundesregierung an die EU ergeht, sollte er federführend an den Europaausschuss zur weiteren Beratung verwiesen werden, damit er diesen Gang irgendwann nehmen kann.

Die Langzeitfolgen, auch bei jüngeren genesenen Menschen, zeigen, dass es sich bei Covid-19 halt nicht um eine Grippe handelt. Nach wie vor gibt es weder eine Behandlungstherapie noch einen Impfstoff, sodass die Vermeidung der Ansteckung bisher der einzige wirkliche Gesundheitsschutz ist, den wir der Bevölkerung bieten können. Das hat natürlich massive Einschnitte in das Leben aller Bürgerinnen und Bürgern zur Konsequenz.

Natürlich muss man faktenbasiert arbeiten und hinterfragen, ob alle Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, zweckdienlich sind. Das Kontrastprogramm dagegen liefert der wiederauferstandene

Antrag von den AfD-Leuten, den wir heute auch noch vorliegen haben. Er war ja schon liquidiert worden - so wie die Fraktion.

Sie bedienen sich Verschwörungsphantasien, wonach angeblich irgendjemand vorhabe, nicht zugelassene Präparate an die Bevölkerung auszugeben.

(Claus Schaffer [fraktionslos]: Das hat keiner gesagt!)

- Doch! So, wie Sie es hier dargestellt haben, vermitteln Sie genau diesen Eindruck.

(Claus Schaffer [fraktionslos]: Das habe ich so nicht dargestellt! Das ist nicht wahr!)

Sie dürfen nicht vergessen: Das hier ist Deutschland, nicht Putin-Russland, Herr Schaffer und Restvon-AfD. Sie übernehmen vollkommen das Gebaren von Verschwörungstheoretikern und Querdenkern. Es ist ein Spielen mit Ängsten und ein politisches Wirken abseits wissenschaftlicher Grundlagen.

Die Entwicklung eines neuen Impfstoffs ist komplex, kosten- und zeitintensiv. In der Regel vergehen viele Jahre. Wir haben bei Covid-19 aber etwas Neues. Es ist nicht so, wie Sie es hier dargestellt haben, dass etwa vor der Zulassung wichtige Zwischenschritte, zum Beispiel klinische Studien, weggelassen werden. Es ist nicht so, dass man Fünfe gerade sein lässt. Bei der Forschung zu Covid-19 wird wirklich weltweit an einem Strang gezogen. Man teilt sich die Arbeit, kann parallel arbeiten und braucht deshalb halt nicht so viele Jahre. Das ist neu und übrigens eine der wenigen positiven Folgen der Coronapandemie. - Der Neigung zu Verschwörungstheorien, der Sie unterliegen, erteilen wir eine klare Absage.

Schleswig-Holstein wird ebenso wie die Bundesregierung auf die Beachtung der notwendigen Vorsicht dringen, aber eben auch die Findung eines geeigneten Impfstoffs forcieren.

Gegen Corona gibt es noch keine Heilung; gegen Anträge der AfD schon, nämlich Ablehnung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich hätte jetzt einen Abgeordneten des SSW aufgerufen. Gestatten Sie mir deswegen folgende geschäftsleitende Bemerkung: Die Abgeordneten des SSW haben sich trotz negati

(Dennys Bornhöft)

ven Testergebnisses freiwillig in Quarantäne begeben. Ich finde, das verdient höchsten Respekt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Bornhöft, bitte unterstellen Sie mir nicht Dinge, die ich nicht gesagt habe, die auch nicht im Antrag stehen. Ich habe an keiner Stelle erwähnt, dass ich hier befürchte oder dass ich zusammen mit der AfD im Landtag befürchte, dass nicht zugelassene Impfstoffe hier auf den Markt kommen. Das ist Quatsch; das ist schlicht und ergreifend falsch. Das möchte ich von Ihnen in dieser Form nicht noch einmal hören.

Ich möchte aber noch ein paar Worte zu dem SPDAntrag verlieren; denn der hat es doch schon in sich. Es ist vielleicht gar nicht so verkehrt, hier auch einmal den europäischen Kontext ein bisschen aufs Korn zu nehmen. Denn wirklich stimmig ist tatsächlich nur der erste Absatz in Ihrem Antrag. Denn dort stellen Sie mindestens zwischen den Zeilen fest, dass die EU offensichtlich nicht in der Lage ist, diese Gesundheitskrise zu bewältigen. Bestätigt wird das tatsächlich durch die Infektionsverläufe, durch die Infektionszahlen auch im europäischen Ausland der EU. Denn dort läuft tatsächlich vieles sehr viel schlechter als bei uns. Die Lösung ist aber an dieser Stelle tatsächlich mehr EU, also noch mehr von dem, was eigentlich jetzt schon vollkommen falsch läuft und nicht funktioniert. Das macht mich beinahe fassungslos.

In der Tat folgen dann sieben Punkte, die eine nationale Verantwortung für die Gesundheit der Menschen in unserem Land Stück für Stück in die EU auslagern wollen.

Sozialpolitik, meine Damen und Herren, ist nationalstaatliche Aufgabe und nicht Aufgabe einer EU. Wenn wir ganz ehrlich sind, dann wissen wir: Selbst hier, in unserem Land, funktioniert eine vom Bund aufgestülpte Coronapolitik kaum noch so, wie wir uns das eigentlich wünschen. Denn wir haben weder einheitliche Maßnahmen, noch haben wir ein einheitliches Erfahrungspotenzial und ein einheitliches Infektionsgeschehen. Genau das ist vielleicht unser Glück, dass wir in einem föderalen System leben und die Bewertung vor Ort lokal differenzierte und abgestimmte und auch belegbare, hinsichtlich ihrer Wirksamkeit belegbare Maßnahmen er

fordern. Denn diese sind nach unserer Auffassung das Gebot der Stunde.

Was wir nicht wollen, ist ein Zentralismus, weder in der EU noch in Berlin, der für uns Maßnahmen trifft, die inzwischen sogar schon außerhalb der parlamentarischen Kontrolle laufen. - Vielen Dank.

(Beifall Jörg Nobis [fraktionslos] und Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Bernd Heinemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte es beinahe befürchtet. In dem Antrag war es nicht gleich zu erkennen; aber jetzt durch die Worte von Herrn Schaffer wird es klar: Sie wollen kein Europa. Sie wollen die Nationalstaaten. Sie wollen auch nicht, dass wir uns abstimmen, dass alles zusammenpasst. Das alles wollen Sie nicht. Deswegen diese ganzen Verschwörungstheorien, das böse Europa und die böse weite Welt.

Ich sage: Wir brauchen das Gegenteil. Wir müssen zusammenhocken, wir müssen uns unterhaken in Europa für eine gemeinsame Gesundheitspolitik, und zwar subsidiär.

Wir brauchen auch eine föderale Struktur, da haben Sie recht. Aber genau diese subsidiäre und föderale Struktur ist das, was Europa starkmacht. Denn wenn wir alleine versuchen, die Pandemie in den Griff zu bekommen, wenn wir einfach übersehen, dass Spanien und Frankreich Probleme haben, wenn wir nicht solidarisch sind und Franzosen beispielsweise hier in das UKSH holen und wieder gesund machen, dann sind wir wirklich entfremdet. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen nicht Ihre AfD-Politik, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.