Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW, AfD und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Herr Minister, ich bin Ihnen wirklich nicht nur sehr dankbar dafür, dass Sie sich acht Wochen vor Inkrafttreten der Novelle zur Düngeverordnung 2020 mit dem Aufschub zum 1. Januar 2021 und den Verschärfungen in roten Gebieten dazu positioniert haben, womit die Landwirtschaft dann leben muss, sondern ich bin Ihnen auch ausdrücklich dankbar dafür, dass Sie sich sowohl beim Berufsstand als auch bei denen bedankt haben, die sich um den Gewässerschutz kümmern; denn sie haben alles richtig gemacht.

Richtig ist, dass die EU-Nitratrichtlinie, die es schon seit fast 30 Jahren gibt, in Deutschland nicht entsprechend umgesetzt wurde. Im Jahre 2018 wurde nach Vorlage der Düngeverordnung 2017 wieder geklagt beziehungsweise Klage angedroht. Wir haben mehrfach darüber gesprochen, dass die 800.000 € täglich, die für Deutschland als Strafgeld angedacht worden sind, natürlich keiner zahlen will und wir handeln müssen. Der Handlungsdruck war groß. Wir haben es mithilfe der Bundesländer tatsächlich geschafft, auf Bundesebene eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift vorzulegen, die für ganz Deutschland gilt und gleiche Bedingungen festlegt,

und zwar mit dem scharfen Schwert der EU-Kommission, die vorgibt, wie Messverfahren auszusehen haben, wie Messstellen auszuweisen sind, wie Messreihen zu interpretieren sind, also wie am Ende gemessen wird und wie das ganze Zahlenwerk ausgewertet wird. Bundeseinheitlich gelten beispielsweise sowohl für Bayern, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen als auch für Schleswig-Holstein die gleichen Vorgaben.

Die Berechnungen aufgrund der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundes, die ich nur begrüßen kann, da für alle die gleichen Bedingungen gelten und alle genau wissen, wie mit der Düngeverordnung und den Messstellen umzugehen ist, haben in Schleswig-Holstein Folgendes ergeben - das hat der Minister bereits deutlich gemacht -: Rund 60 % der Landesfläche - jetzt bitte ich Sie, wirklich aufzupassen - waren in der Düngeverordnung 2017 als sogenanntes rotes Gebiet ausgewiesen. Rot hat nichts mit politischer Farbenlehre zu tun, sondern rot bedeutet: Achtung, in diesen Gebieten ist irgendetwas mit dem Wasser nicht in Ordnung. 2017 waren also 60% der Landesfläche rot. Das Grundwasser war nicht in Ordnung.

Die Politik war aufgefordert, mit der Verwaltung etwas zu unternehmen, das heißt, Verschärfungen vorzunehmen, und die Verschärfungen betrafen besonders die Landwirtschaft. Es hat einen Maßnahmenkatalog mit vielen Verschärfungen gegeben, mit teuren Investitionsentscheidungen in der Landwirtschaft, die auch umgesetzt wurden. Aufgrund des Urteils haben wir im Jahr 2020 nachgeschärft, und ab 2021 gibt es noch einmal eine Schippe an Verschärfungen drauf.

Klar ist, bei 60 % der Landesfläche sind theoretisch mindestens 60 % der landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein von den Verschärfungen betroffen. Dementsprechend waren sie im öffentlichen Diskussionsprozess immer diejenigen, die auf diesen 60 % der Landesfläche etwas falsch gemacht haben und in der Kritik gestanden haben. Wir erinnern uns wahrscheinlich alle gemeinsam - das ist jetzt gut ein Jahr her - an die ersten großen Demos, organisiert vom Berufsstand. Das waren 3.000, 4.000 oder 5.000 Leute, die zum Teil sogar Städte dichtgemacht haben und die Forderung erhoben haben: Hackt nicht immer auf den Berufsstand ein, sondern zeigt doch auch mal, wie wir uns in der Zukunft verbessern können, wie wir gemeinsam Verbesserungen herbeiführen können. Zeigt uns, wie ihr von der Politik euch vorstellt, wie wir letztendlich mit der Natur oder in diesem Fall mit dem Wasser umgehen sollen.

Das haben wir getan, und siehe da: Wir haben die roten Gebiete aufgearbeitet, und was ist am Ende dabei herausgekommen? Es sind nicht mehr 60 % der Flächen in Schleswig-Holstein rot, sondern es sind, objektiv gemessen unter Berücksichtigung des scharfen Schwerts der EU-Kommission und durch sie abgesegnet, nur noch 10 %.

(Beifall CDU, FDP und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Was sagt uns das, insbesondere auch mir, der das zum Besten gibt? - Das sagt uns ganz klar und deutlich: Es muss sich etwas verbessert haben; denn sonst könnte man unter der scharfen Beobachtung der EU-Kommission so etwas nicht einfach behaupten. Es werden jetzt also Messstellen und Messreihen herangezogen, die eindeutig belegen, dass nur noch auf 10 % der Landesfläche Schleswig-Holsteins etwas im Argen ist. Das ist nicht nur für die Landwirtschaft, sondern insbesondere für die Daseinsvorsorge - wir alle brauchen sauberes Wasser eine Superaussage.

(Beifall CDU)

Diese Superaussage will ich auch hier noch einmal öffentlich nutzen und mich bedanken, und zwar nicht nur beim Bundeslandwirtschaftsministerium, sondern natürlich auch bei den Bauern und bei den Gewässerschützern; das habe ich eingangs schon einmal getan. Wenn wir alle objektiv daran arbeiten, dass das Wasser noch sauberer wird und sauber bleibt, dann kann der Berufsstand auch mit Verschärfungen gut leben; denn er hat jetzt in der öffentlichen Darstellung ein positives Image erfahren. Da sind wir uns alle einig. Ich hoffe, dass Sie damit genauso zufrieden sind wie ich. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Doris Fürstin von Sayn-Wittgen- stein [fraktionslos])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Wieder debattieren wir im Landtag über die Düngeverordnung. Es ist eine Neverending Story, die 1991 mit dem Inkrafttreten der EU-Nitratrichtlinie begann und bis heute nicht zu Ende ist. Eines noch, Heiner Rickers: Ich glaube, es

ist Ihnen noch nie gelungen, mich sprachlos zu machen. Heute war es fast so weit.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Herr Minister, Ihnen danke ich ganz herzlich für den Bericht, und den Jamaikanern danke ich ganz herzlich für den Antrag. Das, was uns heute als Erfolg verkauft werden soll, wird - das ist meine feste Überzeugung - der EU-Nitratrichtlinie wieder nicht gerecht. Die Düngeverordnungen der Länder müssen auf der Grundlage der im Mai vom Bund novellierten Düngeverordnung neu gefasst werden. Der Minister hat es ausgeführt. Anlass ist das EU-Urteil zur nicht richtlinienkonformen Umsetzung der EUNitratrichtlinie in Deutschland. Verlassen Sie sich darauf, sowohl die EU als auch die Mitgliedsländer, die in zum Teil sehr entschiedenen Verfahren - Dänemark, Niederlande - die Nitratrichtlinie umgesetzt haben, werden sehr kritisch auf die Ergebnisse schauen. Das sollten wir auch tun.

In der Ausschusssitzung am 21. Oktober 2020 hat die Staatssekretärin die Düngeverordnung für Schleswig-Holstein vorgestellt, und das Ministerium hat in dem Zusammenhang im Ausschuss zugesichert, über die Anhörungsergebnisse zu berichten. Hier sei einmal festgestellt: Wir haben vom Ministerium bis heute keine einzige Information zu den Verbandsanhörungen bekommen. Allerdings sind die Stellungnahmen mittlerweile zum Teil veröffentlicht. Die Stellungnahmen der Verbände zu der hier gefeierten Landesdüngeverordnung sind sehr ernüchternd und geben durchaus Anlass zur Sorge.

Die erste Nitratkulisse von 2018 stufte die Hälfte des Landes als nitratbelastet ein, und die Phosphatkulisse umfasste rund 20 %. Der 2. Nährstoffbericht des Landes Schleswig-Holstein - Sie erinnern sich wurde im März 2020 vom Minister vorgestellt. Er wird zitiert mit: Die Nährstoffüberschüsse sind in den vergangenen Jahren nicht gesunken und belasten Grundwasser, Oberflächen- und Küstengewässer weiter stark. - Professor Taube wird zitiert mit: Die Stickstoffbilanzen haben sich im Zeitraum 2013 bis 2017 gegenüber dem Zeitraum 2007 bis 2012 nicht verbessert, in einigen Regionen sogar leicht verschlechtert.

Und Herr Rickers stellt sich hier hin und behauptet, dass - offensichtlich in den vergangenen drei Monaten - alles so viel besser geworden sei?

(Zuruf CDU: Genauso ist es!)

Meine Damen und Herren, das alles sind doch alarmierende Ergebnisse. Die Antwort der Landesregierung ist diese Landesdüngeverordnung. Sie kommt

(Heiner Rickers)

zu dem Ergebnis, dass nur noch 10 % des Landes Nitratkulisse seien, und Phosphatkulissen gebe es in Schleswig-Holstein gleich gar nicht mehr.

(Beifall CDU - Zuruf CDU: Genau!)

Bei seiner ganzen Rechnerei hat Herr Rickers eines vergessen: Die gesamten Grundwasserkörper, die laut Wasserrahmenrichtlinie in schlechtem Zustand sind, werden nicht mehr berücksichtigt. Sie sind aber immer noch in schlechtem Zustand; sie werden nur nicht mehr berücksichtigt. Das ist der Trick der ganzen Nummer.

(Zuruf CDU: Das ist doch Blödsinn!)

Dargestellt werden nur die Bereiche, in denen eine Überschreitung des Schwellenwertes für Nitrat festgestellt wird. Meine Damen und Herren, das ist keine Schönfärberei, das ist Schönrechnerei!

(Beifall SPD)

Wir waren uns hier immer einig: Durch die Umsetzung der Düngeverordnung darf es nicht zur Ungleichbehandlung der Länder durch unterschiedlich streng gefasste Landesdüngeverordnungen kommen. Vor allen Dingen müssen Ungerechtigkeiten vermieden werden. Diese können etwa dadurch entstehen, dass die gut wirtschaftenden Betriebe in Schleswig-Holstein schlechtergestellt werden als die Betriebe, die nicht ausreichend verantwortungsbewusst mit dem Wasser umgehen.

(Beifall SPD)

Um die Vermeidung von Ungerechtigkeiten zu gewährleisten, haben Bund und Länder eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung beschlossen. Dabei handelt es sich nicht um eine Eins-zu-eins-Umsetzung dessen, was die EU vorgegeben hat. Diese Verwaltungsvorschrift hat dazu geführt, dass es bei uns in Schleswig-Holstein - so liest man es - im Vergleich zu den anderen Bundesländern zu der deutlichsten Reduzierung überhaupt gekommen ist. Vielleicht fragen wir einmal den Kollegen in Rheinland-Pfalz, wieso es bei ihm nicht so drastisch wie in Schleswig-Holstein gelungen ist; vielleicht hat er anders gerechnet.

Ganz ehrlich, Herr Minister: Mir ist unverständlich, wie diese AVV zustande kommen konnte und wie Sie ihr zustimmen konnten. Wenn ich bedenke, wie die G-Länder, das heißt die grünen Umwelt- und Landwirtschaftsminister, bei der Sauenhaltung im Kastenstand Stärke demonstrieren wollten, frage ich mich: Warum ist das nicht auch zum Schutz des Trinkwassers und des Grundwassers gelungen?

(Unruhe CDU)

- Was soll ich tun?

(Zuruf CDU: Weiter!)

Die Umweltverbände äußern vehemente Kritik, die Trinkwasserversorger schlagen Alarm. Und Hand aufs Herz: Der Landwirtschaft erweisen Sie damit einen Bärendienst. Wenn man das „Bauernblatt“ und die Stellungnahmen aufmerksam liest, stößt man auf einen entscheidenden Punkt: Es steht zu befürchten, dass die von der Landwirtschaft eingeforderte Rechtssicherheit mit dieser Landesdüngeverordnung nicht erreicht wird. Es gibt keine Regelungen für nachweislich gewässerschonend arbeitende Betriebe und keine Lösung für die Gülleverteilung im Land; denken Sie an die Berichterstattung von Professor Taube im Ausschuss. Es fehlt eine Optimierung des Messstellennetzes. Wir erhalten auf viele Fragen keine Antworten.

Die Ergebnisse des Nährstoffberichts und die Forschungsergebnisse der CAU sollten berücksichtigt werden. All die Forderungen nach flächengebundener Nutztierhaltung sowie - eine wichtige Forderung der Bauern - nach Gewässerschutz- und Managementberatung sollten gemeinsam mit der Landwirtschaft aufgegriffen werden.

Kommen Sie bitte jetzt zum Schluss.

Ja. - Davon hören wir aber nur andeutungsweise etwas; angeblich gibt es Planungen. Aber ganz ehrlich: Im Haushalt sehen wir davon noch gar nichts. - Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Minister für den Bericht sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im MELUND und im MLLUR, die mit Hochdruck an der Umsetzung der Düngeverordnung arbeiten. Das ist keine leichte Aufgabe. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausweisung der viel diskutierten roten Gebiete passierte im September 2020 den Bundesrat und ist im Oktober 2020 von der

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Bundesregierung bestätigt worden. Sie muss muss! - bis Ende des Jahres umgesetzt werden.

Im Jamaika-Antrag, der hier im Februar 2020 beschlossen wurde, haben wir ein einheitliches Verfahren zur Ermittlung der roten Gebiete gefordert. Das war erforderlich, weil diese unsägliche Diskussion um Messstellen - als ob die Messstellen das eigentliche Problem seien und nicht die Nährstoffüberschüsse - sonst nicht zu einem Ergebnis gekommen wäre.

Der einheitliche Rahmen liegt jetzt vor. Das Ergebnis ist eine erheblich verkleinerte Gebietskulisse ja. Aber daraus einen Rückschritt für den Gewässerschutz abzuleiten wäre falsch. Denn - erstens -: Die Düngeverordnung gilt flächendeckend. Alle Bauern und Bäuerinnen sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie bedarfsgerecht düngen und keine Nährstoffüberschüsse produzieren.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Heiner Rickers [CDU] und Oli- ver Kumbartzky [FDP])

Zweitens. Bilanzüberschüsse treten im Land flächendeckend auf, insbesondere in Regionen mit intensiverer Tierhaltung. Professor Taube und Professor Henning - sie sind bereits mehrmals zitiert worden - haben in ihren Vorträgen zum Nährstoffbericht darauf hingewiesen. Dabei haben sie die entscheidende Bedeutung der betriebsbezogenen Stoffstrombilanzen herausgestellt.

Drittens. Wir haben in Schleswig-Holstein aufgrund der geologischen Gegebenheiten eine hohe Filterwirkung der Böden für Nitrat; aber diese ist endlich. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass sehr genau zu prüfen ist, welche Konsequenzen es hat, wenn sich diese Wirkung - Stichwort: Pyrit - weiter abbaut.