Protokoll der Sitzung vom 22.09.2023

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach, diese Regie rung ist ein Geschenk! – Heiterkeit FDP, SPD, SSW)

Geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der deutschen Wirtschaft ging es schon besser – auch der schleswig-holsteinischen. Insofern ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung einen Entwurf für ein Gesetz zur Entlastung der Unternehmen, nämlich das Wachstumschancengesetz, vorgelegt hat.

(Beifall SSW und FDP)

Wachstum für unsere Wirtschaft, steuerliche Vereinfachung und eine bessere Steuergerechtigkeit, das ist es, was dieses Gesetz beinhalten soll. Die Ziele sind ohne Frage richtig und wichtig. Ich habe mir den Entwurf angesehen und fiel über Folgendes: Anhebung der GwG-Grenze nach § 6 Absatz 2 EStG von 850 Euro auf 1.000 Euro. Außerdem ei ne Erhöhung der Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen von 110 Euro auf 150 Euro.

Da stehe ich dann ein wenig ratlos und frage mich: Sieht so eine umfassende Steuervereinfachung aus, die unsere Unternehmen benötigen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben? Weitere Details

(Birgit Herdejürgen)

aus dem fast 300-Seiten-Entwurf erspare ich Ihnen und mir auch an dieser Stelle.

Ich sehe aber auch, dass das Gesetz sehr gute Punkte enthält. Aber ich glaube, das bringt eines unserer großen Probleme auf den Punkt: Wir verlieren uns in Deutschland viel zu oft in Details. Wir verlieren den Blick für das große Ganze. Und dann stehen wir da und stellen fest: Viele unserer europäischen Nachbarn machen es irgendwie besser. Es gibt da einen Nachbarn, der so etwas nördlich von hier angesiedelt ist, und er ist immer unser großes Vorbild. Aber ich muss sagen: Ein dänischer Wirtschaftsminister hier in Schleswig-Holstein hat bisher die Richtlinien vom Umfang her auch nur vergrößert. Da müssen wir noch mal ein bisschen arbeiten, dass wir da richtig dänischen Bürokratiedrive reinbekommen.

(Beifall SSW)

Zudem müssen die Entlastungen finanziert werden. Entlasten wir die Unternehmen, was in der Sache richtig ist, fehlen die Einnahmen an anderer Stelle. Sie fehlen nicht nur in Berlin, nein, sie fehlen auch im Land und in unseren Kommunen. Den Kommunen gehen durch dieses Gesetz deutschlandweit geschätzte 7 Milliarden Euro an Einnahmen verloren. Ich lasse mich da in der nächsten Zukunft gern belehren.

Das wollen wir aber insgesamt nicht mitgehen. Wenn die Bundesregierung ein Gesetz beschließt, dann muss der Bund auch die Kosten tragen. Das muss klar sein.

(Beate Raudies [SPD]: Leute, das ist ein Steuergesetz!)

Wir unterstützen daher den Antrag von CDU und Grünen. Es muss eine Gegenfinanzierung für die Einnahmeausfälle geben, und die Entbürokratisierung muss konsequent vorangetrieben werden.

(Beifall CDU)

Auch der Bericht der Landesregierung zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen widmet sich der Frage, wie wir attraktive Bedingungen für Unternehmen schaffen können.

Wir können festhalten: Man kann den Bericht flüssig lesen, und man bekommt diverse Schlagworte aufgelistet. Aber die Substanz fehlt, vor allem fehlen die proaktiven Maßnahmen der Landesregierung. Die sind darin nicht so stark enthalten.

Ich möchte hier für einen SSW zwei Bereiche als ganz wichtige Punkte kommentieren, zum einen die Grenzregion und zum anderen die Hafenwirtschaft.

Zur Grenzregion. Der unentbehrliche Pflichtsatz ist schnell im Bericht gefunden, nämlich:

„Die Zusammenarbeit mit Skandinavien und insbesondere mit Dänemark soll weiter verstärkt werden.“

Das finden wir selbstredend richtig gut. Auch, dass dieser Anspruch mit entsprechenden Geldern hinterlegt werden soll und dass der dänische Markt bearbeitet werden soll, um hier Ansiedlungsprojekte an Land zu ziehen. Aber wie genau, dazu gibt es leider keine näheren Angaben. Dazu gab es auch keine Angaben im Einzelplan 06, als wir in den Haushaltsverhandlungen waren. Auf Nachfragen hieß es dann: Na ja, das ist ja so immer in unserem Gesamtkontext zu finden. – Kurz danach hat dann der Minister nachgebessert und gesagt: Oh, jetzt kommt ein Dänemarkkümmerer. – Viel gehört haben wir aber allerdings auch noch nicht.

Der Informationsgehalt für den nördlichen Landesteil und die Grenzregion ist wirklich dünn. Da ist vielleicht noch zu nennen, dass man nette 6,4 Mil lionen Euro in das Konversionsprojekt nach Lübeck packen möchte. Dafür ist die Region durchaus dankbar. Aber wenn man einmal vergleicht, wie viel an Strukturmitteln in den holsteinischen Bereich fließen, muss man sagen: Da gibt es eine SüdNord-Schieflage.

Das ist sehr schade, zumal wir eigentlich schon vielversprechende Fahrpläne vorliegen haben. Ich denke da an die Konferenz „nordwärts“ im November, auf der wir über Entwicklungsperspektiven der Industrieproduktion im deutsch-dänischen Grenzraum diskutiert hatten. Da sind viele konkrete Projekte und Handlungsfelder vorgestellt worden, die wir als Ziel gut in diesen Bericht hätten integrieren können.

Der zweite Punkt, bei dem mir etwas sehr aufgestoßen ist, betrifft unsere Häfen, also unsere maritime Wirtschaft, also die Hafenwirtschaft und die entsprechenden Kapitel im Bericht. Das ist ja dann so ein Suchspiel gewesen, wo diese Maßnahmen jetzt verortet sind. Da wird man auf die Seite 34 verwiesen, und wenn man sich die Seite 34 anguckt, dann stellt man fest, das fällt ziemlich dünn aus. Das sind Entbürokratisierungsmaßnahmen, das begrüße ich. Wenn es aber darum geht, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für unsere Häfen zu verbessern, dann ist das mit Verlaub, Herr Minister, einfach viel zu wenig.

(Beifall SSW, SPD und Dr. Heiner Garg [FDP])

(Sybilla Nitsch)

Da kommen wir zu einem unserer Lieblingsthemen. Hier müsste doch auch das Notwendige mit dem Praktischen verbunden werden, um hier auch mal konkrete Ansagen zu machen und zu sagen: Warum investieren wir denn nicht die Schlickgelder aus der entsprechenden Vereinbarung mit Hamburg in die Zukunftsfähigkeit unserer Häfen? – Das wäre der richtige Ort, um hier mal konkrete Ansagen zu machen.

(Beifall SSW und FDP)

Hier erwarten wir, dass sich das Land endlich mal zu den landeseigenen Häfen an der Nordseeküste bekennt, sprich Husum und Büsum.

(Beifall SSW)

Am Ende steht die Frage: Was braucht unsere Wirtschaft wirklich, und wie kann die Politik konkret unterstützen? Wir müssen sicherstellen, dass die bei uns ansässigen Unternehmen gerade ordentlich unterstützt werden und wir sie weiter stärken können. Wir müssen an die Ansiedlungspolitik ran, an die Ausweisung von Gewerbeflächen, an die Bürokratie, an die Energiepreise und an die Gewinnung und Ausbildung von Arbeitskräften. Dafür braucht es endlich pragmatische Maßnahmen und vor allen Dingen ordentliche Ansätze. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir haben es ein paarmal gehört. Es hilft am Ende des Tages kein Softeis-Optimismus. Wir müssen ordentlich in die Zukunft gucken und die Herausforderungen sehen und da anpacken. – Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt FDP)

Zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Bernd Buchholz das Wort.

(Beifall Thomas Losse-Müller [SPD])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat sind viele Punkte aus diesem Bericht angesprochen worden, die schwierig sind. Eines ist aber vor allem schwierig: Es sollte ein Bericht zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein.

(Beate Raudies [SPD]: Genau!)

Ehrlicherweise ist ja eine Bestandsaufnahme eine Fleißarbeit über das, was bisher schon geschah. Ich vermisse eine einzige Maßnahme, die seit der Konstituierung dieser Landesregierung als zusätzliche

neue Maßnahme zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beigetragen hat.

(Beifall FDP, SPD und SSW)

Das Einzige, das neu ist, Herr Minister, ist in der Tat das Thema Welcome Center. Dafür wird viel Geld in die Hand genommen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass dieses Welcome Center als Informations- und Beratungseinrichtung ohne jegliche Form von eigenen Kompetenzen ausgestattet werden soll. Das ist Wahnsinn, meine Damen und Herren. Das bringt aus meiner Sicht gar nichts.

(Beifall FDP, SPD und SSW)

Was nicht ganz richtig ist: Meine Kollegin Krämer hat vorhin gesagt, Sie hätten keine Anstöße zum Thema Bürokratieabbau gegeben. In der Tat findet sich im Bericht, dass Sie mit dem Mittelstandsbeirat Vorschläge für eine Bundesratsinitiative erarbeiten wollen. Nur, Herr Minister: Wir würden gern sehen, wie dort eine wirkliche gemeinsame Bundesratsinitiative daraus wird. Ich kann Ihnen eines sagen: Auch in der letzten Legislaturperiode gab es ein riesengroßes Vorschlagspaket des Mittelstandsbeirats zum Thema, was auf Bundes- und Europaebene revidiert werden könnte. Die meisten der Bestimmungen, die der Mittelstand dabei in Angriff nehmen würde, befinden sich im Bereich der Finanzverwaltung.

(Zuruf FDP: Hört, hört!)

Zu einer gemeinsamen Bundesratsinitiative ist es genau deshalb nicht gekommen, und jeder ahnt, woran das liegt: Weil natürlich an dieser Stelle dann in einem Finanzministerium permanent gesagt wird: Oh oh, es drohen Steuerausfälle!

(Annabell Krämer [FDP]: Ja!)

Herr Minister, deshalb bin ich gespannt auf das, was Sie auf die Reise schicken, und wünsche, dass, bevor der Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes aus dem Bund auf dem Tisch liegt, wir möglicherweise und hoffentlich darüber diskutieren können.

Im Hinblick auf das Wachstumschancengesetz des Bundes bin ich einigermaßen fasziniert von der Argumentation der Union.

(Zurufe FDP: Ja!)

Wenn bei einem Gemeinschaftssteueraufkommen bei einem solchen Gesetz 2,6 Milliarden Euro zu lasten des Bundes gehen würden, 2,4 Milliarden Euro zulasten der Länder und 1,9 Milliarden Euro oder 1,4 Milliarden Euro – je nachdem – zulas

(Sybilla Nitsch)

ten der Kommunen, insgesamt also 7 Milliarden Euro, dann frage ich Sie: Wenn das der Bund komplett übernehmen soll, sind Sie dann bereit auch zu sagen, dass die durch die Konjunkturimpulse erzeugten Steuermehreinnahmen der Bund allein bekommt?

(Beifall FDP und SPD – Christopher Vogt [FDP]: Genau!)