Protocol of the Session on April 9, 2014

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere 25. Landtagssitzung. Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 25. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.

Frau Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit Schreiben vom 02. April 2014 mitgeteilt, dass die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, Frau Anke Rehlinger, beabsichtigt, in der heutigen Landtagssitzung eine Regierungserklärung zum Thema „Fachkräftesicherung - für ein starkes und modernes Saarland" abzugeben.

Die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion hat mit Schreiben vom 04. April 2014 gemäß § 56 der Geschäftsordnung beantragt, eine Fragestunde zum Thema: „Grubenwasserhaltungskonzept der

RAG AG“ durchzuführen. Es wird vorgeschlagen, die Fragestunde im Anschluss an die Regierungserklärung durchzuführen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird so verfahren.

Die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion hat weiterhin die Durchführung einer Aktuellen Aussprache gemäß § 57 der Geschäftsordnung beantragt, und zwar zum Thema „Neue Pläne zum Vierten Pavillon". Es wird vorgeschlagen, diese Aktuelle Aussprache nach der Fragestunde durchzuführen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird so verfahren.

Zu den Punkten 1 und 2, den von der LINKEN und B 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Gesetzentwürfen zur Änderung des Saarländischen Mediengesetzes, sind die Mitglieder des Erweiterten Präsidiums übereingekommen, die Aussprache wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam durchzuführen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird so verfahren.

Zu Punkt 4 der Tagesordnung, dem Antrag der Oppositionsfraktionen „Studierende sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligen - Hochschulzukunft fair gestalten“, haben die Koalitionsfraktionen mit der Drucksache 15/873 den Antrag „Breit angelegten Diskussions- und Beratungsprozess über die Weiterentwicklung des Hochschulsystems des Saarlandes fortführen" eingebracht. Dieser Antrag liegt uns zwischenzeitlich als Drucksache 15/873 - neu - vor.

Wer dafür ist, dass der Antrag Drucksache 15/873 neu - als Punkt 10 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass dieser Antrag als Punkt 10 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Punkt 4 beraten wird.

Zu Punkt 5 der Tagesordnung. Dem Antrag der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion betreffend „Syrischen Flüchtlingen Zuflucht gewähren" ist die PIRATEN-Landtagsfraktion zwischenzeitlich beigetreten. Der Antrag liegt uns nunmehr als Drucksache 15/ 868 - neu - vor. Zu diesem Thema haben die Koalitionsfraktionen mit der Drucksache 15/872 den Antrag „Saarland stellt sich der humanitären Verantwortung für syrische Flüchtlinge" eingebracht. Wer dafür ist, dass dieser Antrag der Koalitionsfraktionen als Punkt 11 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass dieser Antrag als Punkt 11 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 5 beraten wird.

Zu Punkt 6 der Tagesordnung. Die Fraktionen sind übereingekommen, den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Generationenpolitik, Drucksache 15/860,

nach Punkt 9 der Tagesordnung zu behandeln. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erteile nun Frau Ministerin Anke Rehlinger das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung zu dem Thema

„Fachkräftesicherung - für ein starkes und modernes Saarland“

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierung aus Christdemokraten und Sozialdemokraten ist am 09. Mai 2012 mit dem Ziel angetreten, die Eigenständigkeit des Saarlandes zu sichern und die jährliche Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 abzubauen. Das ist die Geschäftsgrundlage unseres Handelns.

Wir haben aber auch die Aufgabe, den Blick über dieses Datum hinaus zu richten. Wir haben die Pflicht, unseren Blick darauf zu richten, was die zukünftigen Bedingungen für ein selbstbestimmtes und eigenständiges Saarland sind. Wir haben uns der Frage zu stellen, wie wir zukünftig leben und arbeiten wollen. Wie wollen wir die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und die zukünftigen Arbeitsbedingungen der Menschen durch unser heutiges Handeln gestalten?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, durch unser heutiges Handeln müssen wir die Grundlage für ein starkes und modernes Saarland schaffen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ihnen allen ist die Lage bekannt. Das Saarland wird in naher Zukunft gravierend unter der demografischen Entwicklung zu leiden haben. Noch am 30. November 2013 hatten wir exakt 991.292 Einwohner. Wenn wir keine Gegenmaßnahmen einleiten, könnte die traurige Prognose Wahrheit werden, dass die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2025 auf unter 930.000 Einwohner sinkt. Parallel dazu sinkt auch der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter um 84.000 Personen. Schon heute spricht die Bundesagentur für Arbeit in ihren Analysen vom eintretenden Fachkräftemangel. In den Gesundheitsund Pflegeberufen gibt es bereits bemerkenswert lange Vakanzzeiten bei offenen Stellen. Im Saarland betrifft dies insbesondere examinierte Gesundheitsund Krankenpfleger sowie Altenpflegekräfte, und natürlich besteht in der Berufsgruppe rund um die Themen Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege Fachkräftemangel.

In den technischen Berufen besteht der Fachkräftemangel bundesweit auf Ingenieurebene und bei nichtakademischen Fachkräften. Im saarländischen Handwerk, speziell in den Bereichen Klempnerei,

(Präsident Ley)

Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik kommen bereits heute auf 100 Stellen lediglich 73 Arbeitssuchende. Auch im Bereich Mechatronik, Automatisierungstechnik und Energietechnik wird der Fachkräftemangel deutlich. Alleine in der Energietechnik ist im Saarland der Bestand offener Stellen gegenüber der Anzahl der gemeldeten Arbeitssuchenden doppelt so hoch.

Der Fachkräftemangel hinterlässt seine Spuren im Bereich Fahrzeugtechnik, Metallbau, Schweißtechnik, aber auch in der technischen Forschung und Entwicklung, der Konstruktion und des Gerätebaus sowie bei Expertinnen und Experten für die Ver- und Entsorgung. Auch im Hotel- und Gastronomiegewerbe wird es zunehmend schwieriger, Fachkräfte zu finden. Bereits heute dauert es dort deutlich länger als vor einigen Jahren, offene Stellen zu besetzen. Allein im vergangenen Jahr ist hier die durchschnittliche Vakanzzeit um knapp zwei Wochen auf rund 90 Tage gestiegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schaffung der Grundlagen eines starken und modernen Saarlandes geht nur auf der Basis einer starken und modernen Wirtschaft und auf der Basis einer ausreichenden Zahl gut ausgebildeter Fachkräfte. Das zeigt, Fachkräftesicherung geht uns alle an. Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes hängt maßgeblich von der Frage der Fachkräftesicherung ab. Das ist keine einfache, aber eine leistbare Aufgabe.

Wir haben bereits eine Reihe von Positivbeispielen in Betrieben, die frühzeitig eine eigene Strategie zur Fachkräftesicherung entwickelt haben. Ich will im Rahmen der Regierungserklärung diese ganz bewusst an verschiedenen Stellen konkret benennen, denn das soll uns und den Unternehmen Mut machen und verdeutlichen, dass wir die bestehenden Herausforderungen tatsächlich bewältigen können.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Neben dem Mittelstand ist die Industrie die zweite tragende Säule unserer Wirtschaft. Die Industrie schafft Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung. Sie sorgt für Investitionen und Innovationen. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt im Saarland bei 27 Prozent. Der Anteil unserer Industrie an der Bruttowertschöpfung beläuft sich auf 25 Prozent. Damit hat das Saarland nach Baden-Württemberg die zweitgrößte Industriedichte in Deutschland.

Unsere saarländische Industrie hält auf die eine oder andere Weise die Welt zusammen. Wissen Sie, was Istanbul, Madrid und London verbindet? - Stahl aus Dillingen. Sei es die Haliç-U-Bahn-Brücke in Istanbul, der Stadttunnel von Madrid oder der Heron Tower mitten in der Londoner City, Tonnen Dillinger Grobbleche wurden hier verbaut.

Auch unsere kleineren Unternehmen haben eine große Tradition. Sie entwerfen ausgeklügelte Techniken und konkurrieren weltweit. Ihnen, Frau Abgeordnete Heib, ist bestimmt die Bartz-Werke-GmbH bekannt, ebenfalls ansässig in Dillingen. Das Unternehmen wurde 1897 gegründet. Damals wurden Herde und Öfen produziert, die noch heute in einigen Haushalten zu finden sind. Heute sind die BartzWerke ein bedeutender Zulieferer von Gussteilen und dünnwandigen Rohrteilen. In mehr als 100 Jahren hat sich das Unternehmen Weltruf erarbeitet. 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten täglich am Unternehmenserfolg.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Zur größten Industriebranche gehören die Automobilhersteller und ihre Zulieferer. Es folgen die Metallerzeugung und der Maschinenbau. Diese drei Schlüsselindustrien stehen für 70 Prozent des Gesamtumsatzes des Verarbeitenden Gewerbes. Saarländerinnen und Saarländer liefern die wesentlichen Teile unzähliger Autos. Der Slogan stimmt: Die Hülle aus Bayern, das Herz aus dem Saarland. Mit rund 8.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die ZF Getriebe GmbH unser größtes Unternehmen. Mit mehr als 6.000 Beschäftigten folgen die Ford Werke in Saarlouis. Seit 34 Jahren produziert Ford an der Saar - damals war manch einer hier im Plenum noch gar nicht auf der Welt. Seitdem wurden in Saarlouis bereits mehr als 12 Millionen Ford-Modelle gefertigt.

Zu unseren Traditionsunternehmen zählt auch Villeroy & Boch in Mettlach. Viele von uns, auch regionale Abgeordnete wie Stefan Krutten, sind sicherlich mit V&B aufgewachsen. Seit über 265 Jahren produziert Villeroy & Boch Keramikwaren und exportiert sie in die Welt. Das durch die Fusion eines deutschen und eines französischen Unternehmens entstandene Familienunternehmen ist auch ein gutes Beispiel für eine lang anhaltende deutsch-französische Freundschaft.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Diese Beispiele zeigen, dass unsere heimische Industrie mit gut ausgebildeten Fachkräften schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten robust aufgestellt ist. Das soll auch in Zukunft so bleiben.

Natürlich ist unsere industriestarke Wirtschaft exportorientiert und abhängig von der Weltkonjunktur. Die Prognosen für 2014 sind gut. Die IHK Saarland erwartet ein kräftiges Wirtschaftswachstum von 2 bis 2,5 Prozent und auch einen neuen Beschäftigungsrekord. Wenn das so kommt, hätten wir alle gemeinsam viel erreicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Den Beschäftigungsrekord erreichen wir allerdings nur mit ausreichend Fachkräften. Und exakt hier liegt unsere Aufgabe. Denn wir sprechen bereits in

(Ministerin Rehlinger)

einigen Branchen nicht mehr von einem drohenden Fachkräftemangel, es gibt ihn bereits. Das Thema Fachkräftemangel ist längst kein abstrakt-theoretisches mehr, sondern ist schon ein konkret-praktisches geworden.

Wir alle im Plenum kennen das Problem aus unseren Wahlkreisen und Heimatorten. Jeder von uns kennt Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, geeignetes Personal zu finden oder zu binden. Und dabei geht es meist gar nicht mal um die Großbetriebe, sondern um die kleinen und mittleren Betriebe. Sie werden als erste den Fachkräftemangel zu spüren bekommen.

Nehmen wir zum Beispiel die Gemeinde Nalbach. Den Abgeordneten Berg und Schmitt ist die Plakoma GmbH sicherlich bestens bekannt. Plakoma ist ein erfolgreicher Maschinenbauer mit eigener Planung und Konstruktionsabteilung. Facharbeit durch Fachkräfte ist die Grundlage des Unternehmenserfolgs.

Ein anderes Beispiel ist die Firma Dürr Assembly Products aus der Heimat der Ministerpräsidentin und auch der Abgeordneten Schramm bestens bekannt. Dürr Assembly Products ist ein weltweit tätiger, führender Anbieter von Anlagen für anspruchsvollste Montage- und Prüfabläufe in der Automobilproduktion. Von Indien über China bis sogar nach Bayern überall werden diese Anlagen aus Püttlingen eingesetzt. Dafür braucht Dürr heute und auch morgen Ingenieure und Techniker.

Auch direkt vor der Tür des Landtages, in Saarbrücken, sind überaus moderne Unternehmen zu finden. Die DeVeTec GmbH beispielsweise, ein junges Unternehmen, das 2000 gegründet wurde und das sich neben dem klassischen Maschinen- und Anlagebau die Entwicklung und Herstellung von Energierückgewinnungssystemen auf die Fahnen geschrieben hat. Das passt außerordentlich gut in die Zeit, das ist außerordentlich innovativ. Offensichtlich ist das auch anderen aufgefallen, denn DeVeTec wurde mit dem „Querdenker-Award" in der Kategorie Innovation ausgezeichnet. Querdenker sind genau das, was wir in diesem Land brauchen. Aber wir brauchen auch eine gute Mannschaft: Spezialisten aus den Bereichen Maschinenbau, Fertigung, Projektentwicklung und kaufmännische Betreuung.

Wir alle erfahren vor Ort die Folgen des Fachkräftemangels, und wir alle sind als Entscheidungsträger dazu verpflichtet, auf das Ausmaß des Problems und seine Bedeutung für die saarländische Industrie, das saarländische Handwerk und den Dienstleistungsbereich eine Antwort zu geben. Diese Antwort muss gemeinsam erfolgen. Denn nur gemeinsam begegnen wir dem Fachkräftemangel wirksam und

nachhaltig. Das wiederum erfordert Mut für neue Wege.

Im „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar” haben wir diesen Mut aufgebracht. Deshalb gilt mein Dank an allererster Stelle den Partnern dieses Zukunftsbündnisses: der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland der Bundesagentur für Arbeit, dem Deutschen Gewerkschaftsbund Rheinland-Pfalz/Saarland, der Arbeitskammer des Saarlandes, der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände, saar.is, der Handwerkskammer des Saarlandes und natürlich auch der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement und Ihre Leidenschaft. Die Abstimmungsrunden waren nicht immer einfach. Es gab unzählige Gespräche, Telefonate und Sitzungen. Aber ich meine, Politik muss darauf ausgerichtet sein, auf beste Lösungen hinzuarbeiten. Und Sie wissen, die Suche nach dem Konsens ist nicht immer die leichteste Aufgabe. Aber an dieser Stelle hat sich die Mühe gelohnt. Gemeinsam haben wir über 170 Einzelmaßnahmen zusammengetragen. Gemeinsam haben wir ein Gesamtkonzept geschaffen. Darauf können und darauf sollten wir stolz sein. Deshalb ein herzliches Dankeschön an alle, die an der Erstellung dieses Strategiepapiers mitgewirkt haben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar" hat eine konkrete Umsetzungsstrategie erarbeitet. Uns ist damit ein Papier gelungen, das es in dieser Detailschärfe im Saarland noch nicht gegeben hat. Es benennt Maßnahmen und Potenziale ganz konkret und versieht sie auch mit einer verbindlichen Zeitplanung. Es verdeutlicht den jeweiligen Handlungsbedarf und liefert erstmals einen umfassenden Überblick. Im Namen der saarländischen Landesregierung freue ich mich, Ihnen deshalb eine so bislang nie dagewesene Strategie vorstellen zu dürfen. Der Handlungsrahmen und die Umsetzungsschritte werden darin aufzeigt. Mit dieser Strategie legen wir den Grundstein einer auf nachhaltige Fachkräftesicherung ausgerichteten Politik. Es ist die Brücke in die Zukunft, die Brücke in ein starkes und modernes Saarland.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)