Im Rahmen der Einführung von Gruppen in die Parlamentsarbeit sind heute die Studienkurse V 34 a und V 34 b der Fachschule für Verwaltung des Saarlandes unter Leitung von Herrn Frank Eisenbeis und Herrn Thomas Diehl bei uns zu Gast. Seien Sie uns herzlich willkommen.
Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 26. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.
Zu Punkt 1 der Tagesordnung. Dem Gesetzentwurf der DIE LINKE-Landtagsfraktion zur Änderung der Verfassung des Saarlandes sind die PIRATENLandtagsfraktion und die B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion zwischenzeitlich beigetreten. Der Gesetzentwurf liegt uns nunmehr als Drucksache 15/901 - neu - vor.
Zu Punkt 11 der Tagesordnung, dem Antrag der Koalitionsfraktionen „Demographischen Wandel im ländlichen Raum gestalten", Drucksache 15/908, hat die B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion mit der Drucksache 15/912 den Antrag „Demografischen Wandel gestalten - Zukunft im ländlichen Raum sichern" eingebracht. Wer dafür ist, dass dieser Antrag Drucksache 15/912 als Punkt 15 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann stelle ich fest, dass dieser Antrag als Punkt 15 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Punkt 11 beraten wird.
Zu Punkt 12 der Tagesordnung. Dem Antrag der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion betreffend „Verhandlungen über TTIP aussetzen: keine Aufweichung von europäischen Umwelt-, Arbeitsschutz-, Datenschutz- und Verbraucherschutzstandards durch das
Transatlantische Freihandelsabkommen!" ist die PIRATEN-Landtagsfraktion zwischenzeitlich beigetreten. Dieser Antrag liegt uns nunmehr als Drucksache 15/905 - neu - vor. Zu dem Thema hat die DIE LINKE-Landtagsfraktion mit der Drucksache 15/911 den Antrag „Freihandelsabkommen TTIP: Sorgen der Bevölkerung und der Verbände und Behörden ernst nehmen - Verhandlungen stoppen" eingebracht. Wer dafür ist, dass der Antrag Drucksache 15/911 als Punkt 16 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann stelle ich fest, dass dieser Antrag der DIE LINKE-Landtagsfraktion als Punkt 16 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Punkt 12 beraten wird. Die Fraktionen haben sich interfraktionell darauf verständigt, das Thema unmittelbar nach Tagesordnungspunkt 7 zu beraten. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird so verfahren.
Die DIE LINKE-Landtagsfraktion hat form- und fristgerecht zwei Fragen gestellt. Ich erlaube mir, vorab noch einmal auf einige Regularien hinzuweisen, wie sie die Geschäftsordnung des Landtages vorschreibt.
Die Dauer der Fragestunde darf 60 Minuten nicht überschreiten. Die Mitglieder der Landesregierung sollen die Anfragen kurz und präzise beantworten. Die Antwort der Regierung ist ohne Beratung zur Kenntnis zu nehmen. Anträge sind unzulässig. Die Regierung kann die Beantwortung von Anfragen ablehnen. Der Fragesteller ist berechtigt, zu jeder schriftlichen Frage bis zu sechs Zusatzfragen zu stellen. Stellt er weniger als sechs Zusatzfragen, können die restlichen Fragen von anderen Abgeordneten gestellt werden. Schließlich weise ich darauf hin, dass Zusatzfragen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anfrage stehen müssen, keine Feststellungen oder Wertungen enthalten und nicht in mehrere Fragen unterteilt sein dürfen.
Ich rufe nun die Frage 1 auf, gestellt von Herrn Fraktionsvorsitzendem Oskar Lafontaine. Sie lautet:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Montan-Stiftung-Saar wurde im Jahr 2001 zu gleichen Teilen von der Saarstahl AG in Konkurs und der AG der Dillinger Hüttenwerke als Industriestiftung gegründet. Satzungsmäßige Zwecke der Montan-Stiftung-Saar sind die Förderung der Wissenschaft in Forschung und Lehre einschließlich des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Förderung von Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung mit dem Ziel der Vermeidung von Arbeitslosigkeit und die Förderung von Projekten des Umweltschutzes. Weiterer Stiftungszweck ist die Förderung und Stärkung der Stahlindustrie an der Saar.
Das Kuratorium der Montan-Stiftung-Saar ist dafür verantwortlich, dass die Stiftung die als Satzungszweck formulierten Ziele auch verfolgt. Es legt die Grundsätze für die Verwaltung des Stiftungsvermögens fest, überwacht ihre Ausführung und bestimmt die Verwendung der Vermögenserträge. Das Kuratorium entscheidet auch darüber, welchem satzungsmäßigen Zweck im Rahmen der jeweils zur Verfügung stehenden Mittel der Vorrang zu geben ist.
Die Montan-Stiftung-Saar unterliegt gemäß § 10 Abs. 3 Saarländisches Stiftungsgesetz als privatnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts nur einer eingeschränkten Stiftungsaufsicht. Die Stiftungsaufsicht beim Ministerium für Inneres und Sport beschränkt sich auf § 15 des Saarländischen Stiftungsgesetzes, ersatzweise Bestellung von fehlenden Organmitgliedern, sowie auf § 87 BGB, Aufhebung der Stiftung bei Unmöglichkeit der Zweckerfüllung oder Gemeinwohlgefährdung. Satzungsänderungen sowie eine Auflösung der Stiftung durch Organbeschluss bedürfen der Genehmigung der Stiftungsbehörde.
Die Stiftungstätigkeit im Übrigen unterliegt keiner weitergehenden Kontrolle durch die Stiftungsaufsicht. Die Stiftung lässt sich jährlich von einem Wirtschaftsprüfer prüfen. Die Leitung und Vertretung der direkten und indirekten Beteiligungsunternehmen unter dem Dach der Montan-Stiftung-Saar obliegt den jeweiligen Vorständen beziehungsweise Geschäftsführungen, die Kontrollbefugnisse den jeweiligen Aufsichtsräten und Haupt- beziehungsweise Gesellschafterversammlungen.
Erste Zusatzfrage. In unserer Verfassung steht noch, dass Schlüsselunternehmen der Saarwirtschaft in Gemeineigentum überführt werden sollen. Vor diesem Hintergrund: Hält auch diese Landesre
gierung es für richtig, dass ein solches Schlüsselunternehmen, das mit vielen Millionen Steuergeldern saniert worden ist, von einer Stiftung geführt wird, die die Eigentümerrechte wahrnimmt und auf die das Land keinen Einfluss mehr hat?
Diese Frage muss man nicht nur aus heutiger Sicht beantworten, sondern natürlich im Lichte der damaligen Situation und dort insbesondere mit Blick auf die Vorgaben, die dazu gemacht worden sind, auch durch den Konkursrichter, der vorausgesetzt hat, dass es nach der Beendigung des Konkursverfahrens eine handlungsfähige Mehrheit geben muss. Es galt damals, eine politische Abwägung zu treffen, ob man einen solchen Schritt geht und damit die Beendigung des Konkursverfahrens ermöglicht, oder ob man diesen Schritt nicht geht und gegebenenfalls die Anteile hält, allerdings mit dem Risiko, dass das Konkursverfahren nicht hätte abgeschlossen werden dürfen.
Nächste Frage. Die Landesregierung ist ja auf die Verfassung des Saarlandes vereidigt. Ich habe vorhin den Verfassungsartikel erwähnt. Glaubt auch diese Landesregierung, dass die Vorgehensweise der Vorgängerregierung mit der Verfassung in Übereinstimmung zu bringen ist?
Ich gehe davon aus, dass alle saarländischen Landesregierungen der Vergangenheit genau wie die der Gegenwart ihr Handeln in Einklang mit der Verfassung sehen und es auch tatsächlich so ist.
Nächste Frage. Nach welchen Kriterien erfolgt die Besetzung des Kuratoriums? Hat die Landesregierung wenigstens auf die Besetzung einen gewissen Einfluss?
Organ der Montan-Stiftung-Saar ist gemäß der Satzung das Kuratorium. Die Funktion des Vorstandes als Vertreter im Rechts- und Geschäftsverkehr üben der erste Vorsitzende, der stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums und ein weiteres Kuratoriumsmitglied aus. Der erste Vorstand wurde von den Stiftern SAG und DH benannt. Jeweils zwei Mitglieder des Vorstandes sind gemeinsam zur Vertretung berechtigt.
Das Kuratorium besteht mithin aus sieben Mitgliedern. Die ersten Mitglieder des Kuratoriums wurden von den Stiftern berufen. Bei allen späteren Mitgliedern erfolgte und erfolgt die Berufung durch Beschluss des Kuratoriums. Das Kuratorium wählt aus
seiner Mitte einen ersten Vorsitzenden/eine erste Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende sowie ein weiteres Kuratoriumsmitglied aus. Der erste Vorsitzende, seine Stellvertreter und das weitere Kuratoriumsmitglied wurden von den Stiftern benannt. Mindestens zwei Kuratoriumsmitglieder sollen über langjährige unternehmerische Erfahrungen möglichst in der Stahlindustrie verfügen.
Die Amtszeit der Kuratoriumsmitglieder beträgt sechs Jahre vom Tage der Berufung an. Eine zweimalige Wiederberufung für jeweils weitere sechs Jahre ist zulässig. Spätestens ein Jahr vor Ablauf der Amtsdauer soll im Kuratorium über die Nachfolge beraten werden. Die Amtszeit endet spätestens mit der Vollendung des 75. Lebensjahres. Diese Altersgrenze gilt nicht für die erstmalige Bestellung durch die Stifter. Jedes Mitglied des Kuratoriums kann aus wichtigem Grund durch einstimmigen Beschluss aller anderen Mitglieder des Kuratoriums vorzeitig abberufen werden. Scheidet ein Mitglied vor Ablauf der Amtszeit aus, so hat das Kuratorium alsbald - spätestens bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ausscheiden - ein neues Mitglied für den Rest der Amtsdauer des ausgeschiedenen Mitglieds zu wählen und zu berufen.
Beträgt die Zahl der Kuratoriumsmitglieder weniger als drei Personen, so sollen der Präsident des Oberlandesgerichts Saarbrücken, der Präsident des Oberlandgerichts Hamm und der Vorstandsvorsitzende des Stifterverbandes für die deutsche Wirtschaft gemeinsam mit den verbliebenen Mitgliedern des Kuratoriums die notwendige Nachwahl vornehmen. Hilfsweise kann eine Notbestellung durch das zuständige Amtsgericht erfolgen. So viel zur Ausgestaltung und Besetzung des Kuratoriums.
Man kann es in einem Satz zusammenfassen: Das Kuratorium besetzt sich selbst nach. - Vierte Zusatzfrage: Wie beurteilt die Landesregierung die Mehrfachfunktion des Kuratoriumsvorsitzenden Dr. Müller, der nicht nur Kuratoriumsvorsitzender ist, sondern auch Vorsitzender der Geschäftsführung der Saarstahl Holding und Aufsichtsratsvorsitzender von Saarstahl und Dillinger Hütte? Sieht die Landesregierung bei dieser Verflechtung eine ausreichende Kontrolle innerhalb des Unternehmens für gegeben an?
Die Form der Besetzung sowohl des Kuratoriums als auch weiterer in Rede stehender Funktionen innerhalb der Unternehmen beziehungsweise des Konzerns steht im Einklang mit den Vorgaben des Stiftungsrechts und hat bisher auch der Stiftungsaufsicht keinen Anlass gegeben, hier einzuschreiten
oder Kritik zu üben. Im Übrigen ist dies eine Frage, die die Unternehmen selbst zu beantworten haben.
Dr. Müller müsste dann gegen sich selbst einschreiten, das ist eben ein Problem. - Nun kommen wir zur letzten Frage. Verfügt das Kuratorium über eigene Mittel und ist die Höhe dieser Mittel der Landesregierung bekannt?
Die konkreten Zahlen sind der Landesregierung nicht bekannt. Es werden die Jahresabschlüsse auf freiwilliger Basis eingereicht. Aber darüber hinausgehende Detailzahlen sind der Landesregierung und damit auch der Stiftungsaufsicht nicht bekannt.
Möchte noch jemand anderes eine Zusatzfrage stellen? - Wenn das nicht der Fall ist, ist diese Frage erledigt.
Ich rufe die Frage 2 auf, ebenfalls gestellt durch Herrn Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine. Die Frage lautet:
Welche Geldbeträge sind dem Land insgesamt im Zuge der Veräußerung des Landesanteils an der Saarstahl AG i. K. und der Landesbeteiligung an der Dillinger Hütte Saarstahl AG zugeflossen?
Die 26,8-prozentige Landesbeteiligung der Saarstahl AG wurde nach Maßgabe des Konkursrichters zu den Bedingungen des Zwangsvergleiches an die Struktur-Holding-Stahl veräußert. Das Land erhielt nach unseren bisherigen Recherchen für seine Anteile einen Erlös in Höhe von 14,059 Millionen Euro. Dieser wurde am 28.03.2002 haushalterisch vereinnahmt. Zu den gleichen Bedingungen hat auch die Saarstahl-Treuhand GmbH 48,1 Prozent der Saarstahl AG-Anteile an die SHS verkauft.
Daneben erhielt das Land nach den bisherigen Recherchen auf seine zur Konkurstabelle angemeldete Forderung einen Betrag von 8,457 Millionen Euro. Die haushalterische Vereinnahmung erfolgte am 26.11.2001.
Die 15-prozentige Beteiligung des Landes an der Dillinger Hütte Saarstahl AG wurde von der landeseigenen Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung Saar gehalten. Der mittelbare Landesanteil an der Dillinger Hütte Saarstahl AG wurde nach den bisherigen Recherchen zum Preis von 39,881 Millionen Euro an die Struktur-Holding-Stahl veräußert. Haus
halterisch vereinnahmt wurde der Betrag am 22.03.2002. Dieser Preis entsprach dem anteiligen Unternehmenswert der Dillinger Hütte, der durch ein Gutachten der Firma BDO im Sommer 2001 festgestellt wurde. Im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen DHS und DH war die Firma BDO auf Antrag des Vorstandes der DH durch das Landgericht Saarbrücken zum Vertragsprüfer nach Aktienrecht bestellt worden.
Zusätzlich wurde eine bis 31.12.2004 befristete Besserungsscheinregelung zugunsten des Landes für den Fall vereinbart, dass die SHS beziehungsweise eine Beteiligungsgesellschaft der SHS von der Usinor beziehungsweise deren Rechtsnachfolger mehr als 10 Prozent der Anteile an der DHS erwirbt und einen höheren Kaufpreis für die Anteile an der DHS bezahlt als das Land. Die geschilderte Besserungsscheinregelung kam wegen des Fristablaufes zum 31.12.2004 nicht mehr zum Tragen.
Sie haben gerade den Preis für 15 Prozent mit 39,8 Millionen Euro wiedergegeben. Sieben Jahre später hat Herr Mittal, als die Konjunktur und der Unternehmenswert richtig eingebrochen waren, für 21,2 Prozent 777 Millionen erhalten. Ich wiederhole: das Land 39,8 Millionen, Mittal für einen etwas höheren Anteil 777 Millionen. Hätte das Land etwas gewartet und mit Mittal verkauft, hätte es 555 Millionen Euro erzielt. Hält die Landesregierung diesen Preis bei dieser Entwicklung immer noch für angemessen?
Die jeweiligen Kaufpreise, die Sie jetzt genannt haben, wurden zumindest offiziell von dem Unternehmen nicht veröffentlicht. Vonseiten der saarländischen Kabinette, und damit auch der Ministerpräsidenten Lafontaine, Klimmt und Müller, wurden in dem relevanten Zeitraum von 1993 bis 2001 keine Gutachten zur Ermittlung des Unternehmenswertes der SAG, der DHS und der DH in Auftrag gegeben. Gleichwohl gab es das in Rede stehende Gutachten der Firma BDO, das den damaligen Kaufpreis als solchen belegt hat.