Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

fe-Kurs. Nein, es bringt nichts. Angenommen es ist nur ein Minderjähriger da, der helfen kann, der hat noch keinen Führerschein. Auch das Wissen vom Erste-Hilfe-Kurs ist nicht ausreichend, es muss einfach öfters trainiert werden.

Schauen wir nach anderen Ländern. In Dänemark, Norwegen und auch in zahlreichen US-Bundesstaaten ist Wiederbelebung seit vielen Jahren fest im Lehrplan verankert. In Norwegen beispielsweise wird in rund 73 Prozent der Fälle bei einem HerzKreislauf-Versagen mit der Laienreanimation begonnen. Das ist fast viermal so viel wie in Deutschland. Man muss auch dazu sagen, Norwegen hat seit den Sechzigerjahren Wiederbelebung fest im Schulplan verankert. Der Experte Van Aken, ein renommierter Anästhesist, hat bereits 2006 gesagt, dass die Reanimationsübungen im Schulunterricht praktikabel seien. Er sagte: Zwei Schulstunden jährlich ab Klassenstufe 7, also ungefähr mit zwölf Jahren, beispielsweise in Biologie und Sport würden für einen dauerhaften Lernerfolg sorgen. Es werden natürlich nicht nur die Kinder in der Wiederbelebung geschult, sondern auch die Lehrer. Es sind auch sehr viele Multiplikatoren; die Schüler sagen ihren Eltern, was passiert ist, die Lehrer erzählen es Freunden und Kollegen. Wenn man sieht, was alleine dadurch für ein Dominoeffekt entsteht, weiß man, was man erreichen kann.

Der Schulausschuss der 395. Kultusministerkonferenz hat der Einführung von Schulunterricht in Wiederbelebung zugestimmt. In Baden-Württemberg gibt es bereits Wiederbelebung im Schulunterricht. Dort ist seitdem die Laienreanimation von 20 auf 40 Prozent gestiegen. Sie hat sich also wirklich verdoppelt. Das hat für das ganze Bundesland BadenWürttemberg 1,5 Millionen Euro gekostet, um die Schulen entsprechend mit Erste-Hilfe-Puppen auszustatten. Das sind aber Kosten, die Leben retten. Wenn dadurch nur ein einziges Leben gerettet werde konnte, dann ist es das auch schon wert. Menschenleben kann man nämlich nicht einfach mit Geld aufrechnen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es sind sehr viele Kooperationen möglich mit verschiedenen Hilfsorganisationen, beispielsweise mit dem Roten Kreuz. Es gibt aber auch Kooperationen mit dem Malteser-Hilfsdienst und den anderen Hilfsorganisationen.

Gehen wir nach Nordrhein-Westfalen, nach Köln. Es ist eine Stadt mit 1,2 Millionen Einwohnern, also mehr Einwohner, als das Saarland als Bundesland hat. Dort wurden in drei Tagen genug Lehrer ausgebildet, die als Multiplikatoren für alle weiteren Lehrer und für die kompletten Schulen ausreichen. In drei Tagen wurde eine Stadt versorgt, die mehr Einwohner hat als unser ganzes Bundesland. Wenn man

(Ministerin Bachmann)

sieht, wie einfach es ist, Leben zu retten durch prüfen, ob jemand noch lebt, durch Hilfe rufen, Rettungskräfte alarmieren und durch drücken, also beginnen mit der Herzdruckmassage, dann denke ich, ist das etwas, was wir in den Schulen lehren können.

Ich darf kurz auf den Antrag der Großen Koalition eingehen. Der widerspricht ja unserem Antrag nicht. Er ist praktisch ergänzend beziehungsweise geht noch weiter. Der Antrag der Großen Koalition zeigt auch, was bisher bei diesem Thema im Saarland unternommen wurde. Natürlich werden wir diesem Antrag auch zustimmen. Denn ob die Reanimation in den Unterricht kommt, weil auf dem Antrag „PIRATEN“ gestanden hat oder „CDU und SPD“, das ist letzten Endes egal, wenn dadurch Menschenleben gerettet werden. Deshalb stimmen wir auch dem der Großen Koalition zu, möchten aber auch noch einmal für Unterstützung für unseren Antrag werben. Danke sehr.

(Beifall von den PIRATEN.)

Zur Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordneten Stefan Krutten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich sage es jetzt zum wiederholten Male: Das Ministerium macht das schon, das Thema ist bereits in der Umsetzung. Wir hatten im Mai den Antrag betreffend Merkblatt Schulbuchausleihe in arabischer Sprache. Ich habe es damals schon gesagt, das Bildungsministerium reagiert bei solch aktuellen Themen sehr schnell, ist also sozusagen immer „up to date“. Schon damals stellte sich mir - und ich auch Ihnen die Frage, ob man mit solchen Themen unbedingt das gesamte Parlament beschäftigen muss oder ob nicht eventuell eine Nachfrage im Ministerium oder eine Anfrage in dem entsprechenden Ausschuss dazu ausreichen würde.

(Zurufe aus den Oppositionsfraktionen.)

Wie schon gesagt, unser Ministerium ist stets bestrebt, immer auf dem aktuellen Stand zu sein und entsprechend schnell zu reagieren.

(Beifall von der SPD-Landtagsfraktion. - Zurufe aus der CDU: Stets bestrebt!)

Ja, „Sie bemühte sich stets“. In Ihrem Antrag geht es nun darum, das Thema Reanimation in den Lehrplänen der weiterführenden Schulen als Pflichtfach einzuführen. Sie haben es eben erwähnt, auf Beschluss des 395. Schulausschusses der Kultusministerkonferenz vom Juni 2014, der einstimmig zu

stande kam, also auch mit Stimmen des Saarlandes, hieß es, es sollen ab Klassenstufe 7 bis zur Klassenstufe 9 zwei Unterrichtsstunden eingeführt werden. Die Länder wurden dann ja auch aufgefordert, die Lehrkräfte entsprechend auszubilden und zu schulen.

Das Saarland hat bereits bei der Überarbeitung der naturwissenschaftlichen Lehrpläne reagiert und in den Klassenstufen 7 bis 8 an Gemeinschaftsschulen das Thema Reanimation in die Lehrpläne aufgenommen. Zur weiteren Unterstützung wurden dann im Frühjahr 2015 Gespräche mit den Hilfsorganisationen und Rettungsdiensten - Deutsches Rotes Kreuz, Malteser, Johanniter, Arbeiter-Samariter-Bund und DLRG - geführt, wobei es dann natürlich insbesondere um die praktische Umsetzung ging, also auch das Üben an Schulungspuppen. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen - ich bin Ersthelfer -, die praktische Umsetzung ist natürlich bei diesem Thema sehr wichtig, denn es bringt nichts, wenn man das nur irgendwo im Unterricht in zwei Schulstunden theoretisch abhandelt.

Die Fortsetzung dieser Gespräche wurde auf den November vertagt, weil im Oktober dieses Jahres auf europäischer Ebene Leitlinien zur Reanimation verabschiedet wurden und diesen Leitlinien wollte man natürlich nicht vorgreifen. Deshalb wurde das Thema, was die praktische Umsetzung betrifft, auf den November vertagt. Nach einer erfolgreichen Lösung für die praktische Umsetzung können die entsprechenden Maßnahmen dann auch unproblematisch in die Lehrpläne aufgenommen werden, sprich auch für die Klassen 9 beziehungsweise an Gymnasien.

Aktuell werden dazu zwei Varianten diskutiert. Die eine wäre, die Hilfs- und Rettungsdienste übernehmen die Umsetzung gegen eine finanzielle Entschädigung. Die zweite Variante wäre, die Lehrkräfte werden geschult, um die Schüler und Schülerinnen auszubilden. Dazu müssten die Übungspuppen beschafft werden, was dann die Sachkostenträger zu tragen hätten, und natürlich muss die Einlagerung beziehungsweise die Hygiene bei den Übungspuppen dann auch gewährleistet werden. Das heißt also, die Umsetzung, wie im PIRATEN-Antrag gefordert, ist bereits in die Wege geleitet beziehungsweise teilweise umgesetzt.

Wir werden den Antrag ablehnen, da er durch Regierungshandeln bereits erledigt ist. Außerdem ist für uns, wie eben schon gesagt, eine effektive Umsetzung definitiv nur möglich, wenn auch der entsprechende Praxisanteil gewährleistet ist. Deswegen werden diese Gespräche, da Oktober vorbei ist und die entsprechenden Leitlinien verabschiedet sind, mit den Hilfs- und Rettungsorganisationen aufgenommen. Wenn sie abgeschlossen sind, kann auch zeitnah die Umsetzung für alle weiterführenden

(Abg. Maurer (PIRATEN) )

Schulen erfolgen. Sie sehen also, unser Ministerium arbeitet in dieser Sache vorbildlich.

Daher bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, nochmals verbunden mit der Bitte, das Plenum künftig nicht mehr mit Themen zu beschäftigen, die sozusagen zum Alltagsgeschäft des Ministeriums gehören. Wie gesagt, hier würde definitiv eine Nachfrage beim Ministerium oder eine Anfrage im entsprechenden Ausschuss ausreichen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke für die Aufmerksamkeit. Glück auf!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun die Abgeordnete Barbara Spaniol von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Krutten, Sie haben ja sehr nett gesprochen, ich war ganz begeistert. Nur am Schluss muss ich sagen, wenn die PIRATEN das Thema nicht auf die Tagesordnung gesetzt hätten, hätten wir hier überhaupt nicht darüber gesprochen. Dann hätten wir auch nicht erfahren, wie toll unser Ministerium ist.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen und Zuru- fe.)

Platz für eine Debatte muss immer sein. Dann könnten Sie es ja auch einmal schaffen, dem Antrag der Opposition zuzustimmen. Da vergeben Sie sich nichts. Das gehört auch dazu. Die Nummer war vorhin jedenfalls ziemlich schräg. Aber gut.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Bei diesem Thema, Kolleginnen und Kollegen, stellt sich doch die Frage, ob wir spontan reanimieren könnten, ob wir zum Beispiel aus dem Stegreif wüssten, wie genau man Erste Hilfe leistet. Sicherlich nicht unbedingt. Wir wissen alle, dass es im Notfall auf jede Sekunde ankommt. Es ist eine traurige Wahrheit, dass in Deutschland bei einem Herzstillstand in fast zwei Drittel der Fälle zwar andere Personen anwesend sind, aber nur in jedem dritten Fall mit Wiederbelebungsversuchen begonnen werden kann.

Die Experten sind sich einig, mit konsequenter Schulung von Laien könnte die Überlebensrate von jetzt 10 auf 18 gesteigert werden, um nur einmal Zahlen zu nennen. Entsprechend mehr Menschenleben könnten pro Jahr gerettet werden. Ich glaube, da sind wir uns einig. Die Kollegin hat eben Norwegen erwähnt. Auch Dänemark hat vor 10 Jahren die sind uns immer ein Stück voraus - mit dem Erste-Hilfe-Unterricht an Schulen begonnen. Dort ist die Wiederbelebungsrate von 20 auf 55 Prozent ge

stiegen. Die Überlebensrate hat sich verdoppelt. Ich glaube, die Zahlen sind eindeutig. Da ist gar nichts hinzuzufügen.

Die KMK hat ja zu Recht über den Schulausschuss empfohlen, Module zu diesem Thema einzuführen, und zwar mit zwei Unterrichtsstunden pro Jahr ab Jahrgangsstufe 7. Das ist alles schon gesagt. Das ist alles gut und richtig. Die Länder müssen die Lehrkräfte entsprechend schulen. Das muss nun umgesetzt werden.

Wie gesagt, das Land hat ja in diesem Bereich schon etwas getan. Es wurde gerade angekündigt, es kommt noch mehr. So soll es sein. Wir reden an der Stelle ja auch nicht - um das abzuschließen über Reanimation in der Schule, weil der Unterricht so langweilig und einschläfernd ist, dass die Schüler wiederbelebt werden müssen. Es ist in der Tat ein sehr ernstes Thema. Es geht nämlich um etwas ganz anderes. Es geht darum, Kinder und Jugendliche fit zu machen, damit sie im Ernstfall wirkungsvoll helfen können, damit Leben gerettet werden kann. Das muss man immer noch einmal sagen. Deshalb hat auch dieses Thema seine Berechtigung, hier im Plenum diskutiert zu werden. Das finde ich gut. Wenn jetzt etwas geht, freuen wir uns. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Michael Neyses von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jährlich sterben in Deutschland circa 10.000 Menschen an Aussetzern des Herz-Kreislauf-Systems, die mit dem beherzten Einleiten einer Reanimation zu retten wären. In diesen Fällen kann eine Reanimation die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes überbrücken und so das Leben der Betroffenen retten.

Hierzu ist es natürlich notwendig, die entsprechende Technik der Herzmassage und die grundsätzliche Vorgehensweise im Notfall zu beherrschen. Die meisten Deutschen besuchen in ihrem Leben genau ein Mal einen Erste-Hilfe-Kurs, und zwar im Zuge ihres Führerscheinerwerbs, und das war‘s dann auch. Allerdings wird dieses Wissen höchstens ganz rudimentär beim Schauen von Filmen aufgefrischt. Das reicht natürlich bei Weitem nicht aus, um den Menschen die Technik im Gedächtnis zu bewahren und erst recht nicht, um ihnen die Angst vor einem beherzten Einschreiten zu nehmen. Das ist es nämlich, worauf es ankommt: Die Situation zu erkennen und

(Abg. Krutten (SPD) )

sich sicher genug zu fühlen, um gezielte Maßnahmen zu ergreifen.

Somit ist der Vorschlag der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2014 durchweg positiv zu beurteilen und gut geeignet, die Erste-Hilfe-Ausbildung zu stärken und auf diesem Weg die Zahl an vermeidbaren Todesfällen durch unterlassene Hilfeleistung zu reduzieren.

Als erfolgreiche Beispiele lassen sich Norwegen und Dänemark nennen. Dort werden bereits seit längerer Zeit Reanimationskurse fest im Unterricht verankert, und zwar mit großem Erfolg. Die Zahl der Menschen, die beherzt eingreifen, liegt um 50 Prozent höher als vor den Maßnahmen. Dies wiederum führt zu drei Mal so vielen Überlebenden bei Herz-Kreislauf-Ausfällen.

Nun wird in dem Antrag der PIRATEN vorgeschlagen, jährlich zwei Mal 45 Minuten Schulunterricht aufzuwenden, um den Schülern wiederholt dieses Wissen und die entsprechenden Fähigkeiten zu vermitteln. Wir GRÜNE halten das ebenfalls für eine geeignete Maßnahme und werden aus diesem Grund dem Antrag zustimmen.

Auch dem Antrag der Koalitionsfraktionen stimmen wir zu, auch wenn es sich eher um eine Rechtfertigung als um eine Reaktion auf den Antrag der PIRATEN handelt. Sie möchten die saarländischen Hilfsund Rettungsdienste einbeziehen, das ist auch sinnvoll. Das sollte nun aber auch zeitnah passieren, das darf keine Hängepartie werden. Daher werden wir uns im Bildungsausschuss regelmäßig über den Fortgang der Beratungen berichten lassen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Das Wort hat Gisela Rink von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Reanimation ist heute das zweite bildungspolitische Thema, bei dem wir uns im Grunde genommen einig sind. Trotzdem muss jeder darüber reden, und ich glaube, so kann man Themen auch zerreden.

Ich sage nur drei Dinge. Erstens. Das Thema ist wichtig, es ist in Bearbeitung und es hätte wirklich des Antrages der PIRATEN nicht bedurft, das muss man ganz klar festhalten. Zweitens. Die Sache ist noch in Bearbeitung und somit noch nicht abgeschlossen, zumal es eine EU-Richtlinie gibt, die es zu berücksichtigen gilt. Der Kollege Krutten hat dies eben in aller Form erklärt und ausführlich dargelegt.

(Vizepräsidentin Spaniol übernimmt den Vorsitz.)

Auch ein dritter Punkt erscheint mir sehr wesentlich. Die Umsetzung soll erfolgen unter Einbeziehung der Hilfs- und Rettungsdienste. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass man die Fachkräfte einbezieht, die dann auch mit den Rettungspuppen in die Schule gehen und den Schülern die praktische Umsetzung beibringen können. Ich kann nur sagen …