Protokoll der Sitzung vom 16.10.2012

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die LINKE hat, von heute an betrachtet, in den zurückliegenden drei Plenarsitzungen versucht, den saarländischen Medien und der saarländischen Öffentlichkeit mitzuteilen, man sehe ein Problem - das es aber nie gab. Man hat versucht, uns davon zu überzeugen, es gäbe einen Skandal - der nie einer war. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der LINKEN, ein indianisches Sprichwort sagt: Wenn du auf einem toten Gaul sitzt, dann steige ab! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gaul, den Herr Lafontaine hier zum dritten Mal zu reiten versucht hat, hat noch nie gelebt. Herr Lafontaine, steigen Sie ab!

(Beifall von den Koalitionsfraktionen. - Zurufe der LINKEN.)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine. - Herr Lafontaine, Sie haben insgesamt noch zwei Minuten. Aber die PIRATEN und die GRÜNEN haben Ihnen ihre Zeit überschrieben, somit hat Ihre Fraktion nun noch insgesamt 17 Minuten.

(Beifall von der LINKEN.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte war bis jetzt schon spannend, und daher bin ich durchaus zufrieden, dass wir diese Debatte geführt haben.

Für mich war nun von besonderem Interesse, dass, obwohl die Zahlen eindeutig sind, hier so getan wurde, als gebe es bestimmte Sachverhalte überhaupt nicht. Die Zahl, über die wir gesprochen haben, die im Zentrum unserer Ausführungen stand, betraf den Abbau gesicherter Arbeitsplätze durch Umbau in prekäre Arbeitsplätze. Die Zahlen habe ich Ihnen genannt: Es waren 1.000 gesicherte Arbeitsplätze. So haben mir das auch leitende Mitarbeiter der SZ, die aber nicht gerne öffentlich diskutieren wollen, gesagt.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Genau so! - Zurufe von der CDU und der SPD: Lächerlich!)

Ich komme gleich noch darauf zu sprechen. Es soll aber, Herr Kollege Jost und Herr Kollege Theis, noch andere Leute geben, die, wenn sie sich äußern, Rücksicht auf andere nehmen, dies auch abhängig davon, in welchem Abhängigkeitsverhältnis diese anderen stehen. Das soll es durchaus geben. Ich möchte Sie insoweit auch einmal mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit vertraut machen; auch wenn Sie das noch nicht gemerkt haben, es soll so etwas geben.

(Beifall von der LINKEN.)

Sie waren doch auch mal in einem Beschäftigungsverhältnis. Wenn Ihr Arbeitgeber eine andere Meinung gehabt hätte und Sie hätten den Mut gehabt, sich zu äußern, so hätte ich Ihnen natürlich gerne Komplimente gemacht.

(Zurufe der Abgeordneten Theis (CDU) und Jost (SPD).)

Ich sage aber hier nach wie vor: Es ist für mich ein einmaliger Sachverhalt, und davon gehe ich auch nicht ab, dass Sie hier sogar noch rechtfertigen, dass die Stiftung keinerlei Einspruch erhoben hat, als 600 Arbeitsplätze in prekäre Arbeitsplätze umgewandelt wurden.

(Beifall von der LINKEN.)

Und Sie haben auch noch die Dreistigkeit, hier zu sagen: Alles wunderbar, alles bestens. Die Belegschaft ist glücklich, die Belegschaft ist zufrieden. Und Verdi hat im Übrigen auch gesagt, man sei voller Optimismus. Verdi müsste man aber die Frage stellen, weshalb keiner der vier Punkte - - Sie haben das hier ja sachlich gemacht, Herr Kollege Pauluhn. Sie hatten nicht das Temperament, das mich bewegt, wenn es um prekäre Arbeitsplätze geht. Sie haben das ja sachlich gemacht.

(Lachen bei den Koalitionsfraktionen.)

Wenn aber eine der vier Forderungen, die Sie hier vorgetragen haben, realisiert wird, können Sie gerne kommen und mir Vorwürfe machen. Ich werde Ihnen dann auch sagen, dass ich mich an der Stelle geirrt habe.

(Abg. Theis (CDU) )

(Abg. Pauluhn (SPD) : Dann machen wir das doch!)

Ja, ja, das machen wir. Das ist ja hier protokollarisch festgehalten. Wir werden ja sehen, ob die das machen. Nun werde ich Ihnen mal vorlesen, was die Rheinische Post bei der Aachener Zeitung gemacht hat, und dort hat sie nur 25 Prozent. Sie will natürlich 50 Prozent haben, die bekommt sie aber nicht, weil das Kartellamt es verbietet. Ich hoffe, dass das Kartellamt vielleicht noch die Frage stellt, ob ein solcher Konzentrationsprozess bei regionalen Zeitungen, wie er zurzeit im Gang ist, gut ist. Sie haben das hier befürwortet. Wir sehen das ganz anders, aber aus Zeitgründen kann ich darauf nicht eingehen.

Verdi sagt, das können Sie unter www.verdi.de nachlesen, zum Erwerb der Aachener Zeitung durch die Rheinische Post, und nun hören Sie mir mal bitte zu: „In Aachen herrscht ein rauer Wind, seitdem die RP einen Anteil von 25 Prozent am Aachener Zeitungsverlag (...) gekauft hat, beschreibt Franz Blatt,“ - da haben Sie nun auch einen Namen, den Sie überprüfen können - „ver.di-Gewerkschaftssekretär, die Situation vor Ort. Im Jahr 2010 ist (...) die erste Leiharbeitsfirma gegründet worden, in der Redakteure arbeiten müssen, die bislang im Aachener Mutterhaus beschäftigt waren.“

Ist es nicht unsere Pflicht, wenn wir Verantwortung für die Belegschaft der Saarbrücker Zeitung haben, mal die Frage aufzuwerfen, ob die Politik, die die Rheinische Post bei der Aachener Zeitung macht, hier ebenfalls eingeführt wird? Leiharbeitsfirmen für Redakteure - interessiert Sie das überhaupt nicht? Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Töne hört, die hier vorgetragen worden sind. Es sind Sachverhalte, die Sie nicht ignorieren können und zu denen Sie gefälligst Stellung nehmen müssen!

(Beifall von der LINKEN und B 90/GRÜNE.)

Es geht noch weiter. „Auch Neueinstellungen werden nicht mehr im Verlag selber beschäftigt, sondern in der Euregio Content GmbH, einer ebenfalls nicht tarifgebundenen Verlagstochter. Wer dort als Berufseinsteiger landet, muss Gehaltseinbußen von 30 Prozent hinnehmen.“ Gehaltseinbußen von 30 Prozent - interessiert Sie das alles nicht? Ist die Belegschaft glücklich darüber, dass ihr solche Entwicklungen drohen?

Wenn man sagt, bei der Saarbrücker Zeitung wird das nicht kommen, was beim Aachener Verlag geschehen ist, ist das eine beispiellose Naivität. Wissen Sie, was die Rheinische Post machen will, wenn sie 200 Millionen Euro investiert hat? Sie möchte diese 200 Millionen möglichst schnell amortisieren, wie es so schön heißt, und sie wird dann weiterhin versuchen, Personalkosten zu drücken. Das kann

ins Protokoll aufgenommen werden. Sie werden dann sehen, dass das in nächster Zeit so ist.

Ich glaube, Sie, Herr Kollege Pauluhn, waren es, der gesagt hat, der Haustarifvertrag ist ja dann noch besser. Ich stelle mir die Frage: Wenn er besser ist, warum besteht dann die Gewerkschaft und die Belegschaft darauf, den normalen Tarifvertrag einzuführen? Diese Logik würde ich nicht begreifen, aber das können Sie mir dann erklären. Das ist aber nicht unser Streitpunkt. Wenn er wirklich besser wäre, würde ich auch sagen: Macht das bitte.

Wir haben jetzt eine Leiharbeitsfirma für die Redakteure und Neueinsteiger mit einem Verlust von 30 Prozent. Dann wird die wöchentliche Arbeitszeit verlängert von 36,5 Stunden auf 40 Stunden. Das mag Sie ja alles nicht interessieren, aber das sind Sachverhalte, die uns interessieren. Sie können sagen, das sei Polemik oder Stimmenfängerei. Im Übrigen, wenn Ihre Analyse stimmen würde, meine Herren Kollegen von den Koalitionsparteien, müssten Sie doch froh sein, dass ich hier diesen Unsinn vortrage, denn die Beschäftigten von der Saarbrücker Zeitung würden alle sagen: „Was redet der denn da für einen Unsinn!“

(Abg. Theis (CDU) : Das machen die auch. Sprechen.)

Vielleicht, wenn Sie mit ihnen reden. - Nun komme ich zu einem Satz, Herr Kollege Theis, der Ihnen vielleicht erschließt, worum es da geht: „Zeitungszusteller mussten Lohnkürzungen um bis zu 50 Prozent hinnehmen.“ - 50 Prozent Lohnkürzung! „Ein Betriebsratsmitglied der Rheinischen Post spricht hinter vorgehaltener Hand - von einer ‚offen gewerkschaftsfeindlichen Haltung’ seines Verlages...“ Auch hier haben Sie den Sachverhalt, dass das Betriebsratsmitglied nicht mit Namen genannt werden will. Ist Ihnen das eigentlich bekannt, Herr Kollege Theis die Kolleginnen und Kollegen von der SPD wage ich nur noch zögerlich zu fragen -, dass es wirklich so in Betrieben ist, in denen wirtschaftliche Macht ist, dass nicht alle sich trauen, gegen die Geschäftsführung, den Vorstand oder wen auch immer vorzugehen und sei es nur im Rahmen einer öffentlichen Meinungsäußerung? Ist Ihnen das wirklich nicht bekannt?

(Abg. Theis (CDU) : Das sind zwei Paar Schuhe.)

Herr Kollege Theis, hören Sie mir bitte zu. Sie haben ja hier durchaus Ihre Position qualifiziert vorgetragen; es macht mir Vergnügen, Ihnen zuzuhören. Also hören Sie mir auch zu. Wenn das richtig wäre, was Sie sagen, dass die Belegschaften den Mut haben, auch dann etwas zu sagen, wenn es der Geschäftsführung, dem Vorstand, dem Anteilseigner missfällt, wären wir tatsächlich in einer ganz anderen Gesellschaft angekommen. Dann hätte wirt

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

schaftliche Macht keine Auswirkungen mehr auf das Verhalten der Beschäftigten.

Nun muss ich hier mal einige Kolleginnen und Kollegen ankucken. Es ist doch bekannt, dass der Abbau von gesicherten Arbeitsplätzen dazu geführt hat das ist ja genau das Thema bei der Saarbrücker Zeitung -, dass sich das Klima in den Betrieben weiter verschlechtert hat und dass Gewerkschaftsarbeit immer schwieriger geworden ist. Jemand, der einen befristeten Arbeitsvertrag hat, hat natürlich nicht den Mut, sich an gegen die Geschäftsleitung oder gegen den Gesellschafter gerichteten Aktionen zu beteiligen. Ist das denn so schwer zu begreifen? Wir greifen das doch nicht aus dem Nichts.

(Abg. Jost (SPD) : Doch.)

Hier sind in großem Umfang prekäre Arbeitsplätze eingeführt worden. Eine Gesellschaft, die ich hier genannt habe, ist mitgetragen von der Saarbrücker Zeitung; das ist ja alles von langer Hand vorbereitet. Wir haben ja bereits diese Kostensenkungen durch die Einführung prekärer Arbeit. Sie sollten zumindest unseren Ansatz, der darin besteht, zu sagen: „Wir müssen darauf hinweisen, dass hier den Beschäftigten Nachteile drohen“, nicht einfach vom Tisch wischen. Es ist doch dokumentiert! Das Einzige, was gesagt worden ist, war: Bei den Aachenern hat die Rheinische Post nur 25 Prozent, dort ist die Familie immer noch Hauptgesellschafter. Ich habe mich dort mit Leuten unterhalten. Wenn man das tut, erfährt man, dass der Druck von dem Gesellschafter kommt, der sehr renditeorientiert arbeitet.

Hier ergibt sich übrigens für Christdemokraten eine besondere Tragik! Einer der Hauptgesellschafter ist ja die Familie Arnold, das war mir bei der letzten Diskussion gar nicht bekannt. Der Gründer dieser Zeitung war ein Mann, der weit links von der heutigen Politik stand. Er hatte ein Anliegen; ich habe es Ihnen hier genannt, ohne zu wissen, dass es um dieselbe Familie ging. Sein Anliegen war es, wirtschaftliche Macht so abzubauen, zu demokratisieren, dass genau die Folgen nicht mehr auftreten, von denen ich hier gesprochen habe. Er hat sogar wörtlich gesagt: Formale Demokratie in der Politik, aber Feudalismus in der Wirtschaft.

Herr Kollege Theis, ich spreche Sie jetzt an, wenn Sie mir bitte Ihr Ohr leihen würden. Im Übrigen möchte ich noch zu der Diskussion von heute Morgen sagen: Man kann Parlamentsdebatten auch im Fernsehen verfolgen. Die Krokodilstränen des Herrn Hans für den Kollegen Bierbaum waren völlig unangebracht. Es hat allerdings einen Vorteil, das möchte ich noch sagen: Man kann auch abschalten. Das kann man im Saal nicht; insofern greife ich manchmal auf dieses technische Mittel zurück.

(Lachen und Beifall bei der LINKEN.)

Aber zurück zu Ihnen. Dieser Mann hatte ein ernsthaftes Anliegen. Ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken. Wenn dieser Geist noch herrschen würde und all diese Dinge, die ich Ihnen hier vorgetragen habe, Fiktion wären - ich glaube, Sie, Herr Kollege Pauluhn, haben dieses Wort benutzt -, wären wir in einer ganz anderen Situation. Aber es ist nun einmal so, dass die Verlagspolitik der Rheinischen Post so charakterisiert wird, wie ich Ihnen das hier vorgetragen habe. Da nützt es auch nichts, dass eine Vollredaktion garantiert ist. Was ist eine Vollredaktion? Der eine versteht dieses darunter, der andere jenes. Und eine Vollredaktion in Leiharbeit oder zumindest teilweise in Leiharbeit ist ja wohl nicht das, was wir anstreben.

Es wird gesagt: Dieser Redakteur hat sich aber bisher nicht kritisch geäußert. Einige Redakteure haben mir beispielsweise gesagt: Wir sind in den nächsten Jahren dort nicht mehr beschäftigt, also brauchen wir uns nicht mehr großartig darum zu bemühen. Aber bleiben wir doch bei den Punkten, die Sie genannt haben. Ich wäre sofort still, wenn die vier Punkte, die Sie hier genannt haben, die Verdi ja auch schon bei den beiden Presseerklärungen angeführt hat, realisiert werden würden. Dann bräuchte ich hier gar nicht zu argumentieren.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Heute Morgen haben Sie noch gesagt: Wenn einer von den vier realisiert würde.)

Ja, das gilt auch weiterhin. - Dann hätten wir keine Prekarisierung, wir hätten keinen Stellenabbau. Ich muss Ihnen aber sagen, es ist immer schwierig, in einer ökonomischen Situation, die man nicht voraussehen kann, auf ewig Stellen zu garantieren. Aber Prekarisierung ist Thema, dem man sich stellen muss. Ich kenne Unternehmer, die mir sagen: „Ich mache einiges, um Personalkosten zu reduzieren, wenn ich nicht anders kann. Aber ich greife nicht zum Mittel der Prekarisierung“. Das gibt es! Sie sagen mir: „Warum mache ich das nicht? Weil ich mir vorstelle, wie es mir und meiner Familie gehen würde, wenn ich auf einem prekären Arbeitsplatz wäre.“ Auch in dieser Diskussion habe ich das gehört. Man kann manchmal Personalkostenreduktion nicht vermeiden, aber zum Mittel der Prekarisierung muss man nicht greifen. Die Partei DIE LINKE hat hier doch ein ernsthaftes Anliegen vorgetragen!

Das andere ernsthafte Anliegen, das ich aus Zeitgründen nicht vortragen konnte, besteht darin, dass die Konzentration der Zeitungen nach meiner Auffassung eine grundsätzliche Frage der demokratischen Ordnung berührt. Eine demokratische Ordnung setzt eine Pluralität in der Medienlandschaft voraus. Ich bleibe dabei - und deshalb unser Vorschlag -: Die beste Pluralität in der Medienlandschaft erreichen Sie nicht dadurch, dass Sie führende Verlagshäuser engagieren, um das Zeitungsgeschäft zu

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

managen. Die beste Pluralität wäre erreicht worden, wenn der Belegschaftsanteil bis zu 50 Prozent aufgestockt worden wäre. Das wäre finanziell machbar gewesen. Alles andere sind Zweckbehauptungen, auch die Behauptung, Finanzinvestoren hätten vor der Tür gestanden, auch die Behauptung, der Konzern hätte zerschlagen werden sollen und so weiter. Es wäre eine saarländische Lösung möglich gewesen, ich bleibe dabei. Es ist bedauerlich, dass Sie das nicht sehen.

Ich mache Ihnen ein Angebot, aber es muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Wenn eine dieser vier Forderungen realisiert wird, bin ich der Erste, der sich hier hinstellt und sagt: „Ich erkenne die Arbeit all derjenigen an, die das durchgesetzt haben.“ Wenn aber der Prozess der Prekarisierung weitergeht, wäre es an der Zeit, dass Sie sich hier entschuldigen. Ich bin mal gespannt, ob Sie es tun werden.

(Beifall von der LINKEN.)

Das Wort hat der Abgeordnete Reinhold Jost. Herr Abgeordneter, da die CDU Ihnen die Redezeit zur Verfügung gestellt hat, haben Sie noch insgesamt knapp 11 Minuten.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was wir eben erlebt haben, insbesondere beim ersten Auftritt von Herrn Lafontaine, war gespielte Empörung, geheuchelte Entrüstung und hemmungslose Verunglimpfung.