Protokoll der Sitzung vom 03.07.2003

Was sind die Aufgaben im Bereich der Wirtschaftspolitik, die wir in den vor uns liegenden Jahren lösen wollen? - Erstens. Wir müssen die Verkehrsinfrastruktur weiter voranbringen. Ich bin dem Kollegen Dr. Daehre sehr dankbar, weil er mit großem Engagement das Land auch in den Gesprächen mit dem Bund vertritt. Wer nicht erreichbar ist, der hat auch keine nennenswerten Chancen im Wettbewerb der Regionen. Deswegen glaube ich, dass wir gerade in diesem wichtigen wirtschaftspolitischen Punkt auf dem richtigen Weg sind.

Im Übrigen, Herr Kollege Püchel, ich bin Ihnen sehr dankbar für das, was Sie etwa in Sachen Saale-Kanal im Sinne des Landes unternehmen. Ich danke Ihnen ausdrücklich dafür.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann mir aber nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass das Dinge sind, die man in den letzten acht Jahren längst hätte machen können und müssen. Dass wir jetzt in diese rot-grüne Problematik geraten sind, ist eben leider auch auf Unterlassungssünden in der Vergangenheit zurückzuführen. Nichtsdestotrotz ziehen wir an einem Strang. Ich danke Ihnen, dass Sie dazu beitragen, dass wir das Problem im Sinne des Landes lösen.

Zweitens. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Bereich der Deregulierung, insbesondere im Verfahrensrecht, im Arbeitsrecht und in vielen anderen Bereichen. Durch die Investitionserleichterungsgesetze erbringen wir unsererseits Beiträge. Wir wären auch noch viel weiter gegangen und würden viel weiter gehen, wir wären sogar bereit, etwa im Bereich des Arbeitsrechtes, regional in Form einer Modellregion oder über Öffnungsklauseln

Dinge zu beschließen, die bundesweit aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht durchzubringen sind.

Ich hoffe immer noch, dass sich Herr Clement mit dieser Idee innerhalb der Berliner Regierung und Koalition durchsetzt. Wir warten darauf. Wir wären bereit, zur Deregulierung und Entbürokratisierung weitere Beiträge zu leisten.

(Herr Dr. Sobetzko, CDU: Zustimmung!)

Drittens. Meine Damen und Herren! Nach wie vor gilt, wir brauchen eine weitere nachhaltige Verbreiterung der industriellen Basis unseres Landes. Wir sind - ich habe die Zahlen genannt - auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel.

Viertens. Das ist genauso wichtig, wie die Verbreiterung der industriellen Basis: Wir brauchen eine nachhaltige Steigerung der Zahl und der Qualität der selbständigen Existenzen. Deswegen habe ich die Ego-Initiative in neuer Form aufgegriffen, Frau Budde, und hatte auch keine Schwierigkeiten, diesen, wie ich finde, zutreffenden Begriff zu nutzen. Wenn Sie aber hier erzählen, dass in dieser Sache bisher nichts geschehen sei, außer dass wir das verkündet hätten, dann müssen Sie in den falschen Veranstaltungen gewesen sein.

Wo sind denn die Gründungskorridore, die wir nutzen müssen? Es hat doch keinen Zweck, in einer Gemeinde, in der drei Bäckermeister gerade noch über die Runden kommen, einen vierten Bäckermeister mit öffentlichen Mitteln zu etablieren. Nach kurzer Zeit sind es wieder nur drei oder vielleicht sogar nur zwei. Wir brauchen dort Gründungen, wo es Sinn macht. Wo macht es Sinn? - Zum Beispiel aus den Hochschulen heraus, mit neuen Produkten und Verfahren. Dazu gibt es einen breiten Handlungsbedarf.

(Zuruf von Herrn Kühn, SPD)

Wir haben mit den Universitäten und Fachhochschulen - dafür bin ich sehr dankbar - eine ganze Reihe intensiver Gespräche darüber geführt, wie wir das gemeinsam erreichen. Wenn in Nordrhein-Westfalen ein Drittel aller Start-ups aus den Hochschulen kommt, dann kann es nicht sein, dass es bei uns gerade 10 % sind. Ich bin dankbar dafür, dass die Hochschulen auf diesem wichtigen Feld mitziehen.

Es gibt ein anderes Thema, um das wir uns intensiv kümmern, nämlich die Nachfolgeregelungen. Meine Damen und Herren! Wir haben eine wachsende Zahl von Mittelständlern, die aus Altersgründen beruflich Schluss machen wollen oder müssen. Diese haben keine Nachfolger. Früher war es so, dass der Sohn oder die Tochter den Betrieb übernommen hat. Das ist in vielen Fällen heute nicht mehr der Fall. Für diese Betriebe geeignete, neue Betreiber zu finden, ist eine zentrale Aufgabe der Existenzgründungsoffensive.

Nehmen Sie als drittes Beispiel den Tourismus, den ganzen Wellnessbereich. Auch in diesem Bereich besteht großer Handlungsbedarf. Unser Land kann, will und wird infolge der Anstrengungen aller Beteiligten die Zahl der Touristen steigern und damit auch auf diesem Sektor für weitere mittelständische Existenzen Optionen und Möglichkeiten schaffen. Kurz und gut: Wir tun in diesem Bereich wirklich eine Menge.

Verehrte Frau Budde, in Bezug auf die Außenwirtschaftsförderung müssen Sie in der Tat - das ist eigent

lich selten der Fall; denn Sie haben, was ich nicht rüge, gute Verbindungen zum Wirtschaftsministerium -

(Minister Herr Dr. Daehre lacht)

falsch informiert sein. Ich habe immer gesagt, dass es zu den wichtigen Aufgaben der Landesregierung von Sachsen-Anhalt gehört, insbesondere auch die Außenwirtschaftsbeziehungen zu den osteuropäischen Staaten, zu den Nachbarn zu verbessern, weil man erfahrungsgemäß mit diesen Nachbarn schneller und erfolgreicher Geschäfte machen kann als vielleicht mit anderen.

Ich habe allerdings in verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen - das kann ich hier ruhig wiederholen - eines gesagt: Ein Standort wie Kuba rechtfertigt es nicht, dass der Ministerpräsident und mehrere Minister unter dem Motto der Außenwirtschaftsförderung tage- oder wochenlange Reisen dorthin unternehmen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich fahre lieber nach Prag, nach Wien und nach Warschau, weil ich der Überzeugung bin, dass wir dort mit weniger Geld entschieden mehr erreichen.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen - es ist ein weites Feld; es kann alles nur stichwortartig angesprochen werden -: Die Zwischenbilanz, die ich nach rund einem Jahr ziehen möchte, lautet, dass es insbesondere im verarbeitenden Gewerbe durchaus ermutigende Tendenzen gibt. Das ist nicht irgendein Teil der Volkswirtschaft, sondern ein zentraler.

Aber die zentrale Aufgabe, die wir haben, nämlich im Bereich des Arbeitsmarkts zu wesentlich besseren Verhältnissen zu kommen, ist nicht gelöst. Deswegen bleibt es das Ziel der Landesregierung und das Ziel des Ministers für Wirtschaft und Arbeit, Sachsen-Anhalt zu einem Musterland für Unternehmer zu machen. Das ist ein steiniger Weg. Aber wir müssen diesen Weg gehen.

Ich füge hinzu: Je schneller die Bundesregierung zu Wirtschaftswachstum bundesweit beiträgt, umso schneller werden wir auch in Sachsen-Anhalt die Ziele, die wir uns gesetzt haben, erreichen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt bitte die Frage von Herrn Dr. Püchel.

Herr Rehberger, Sie haben auf die enge Abhängigkeit zwischen Bund und Land hingewiesen, was die Schaffung von Arbeitsplätzen usw. betrifft. Erklären Sie bitte einmal den Sinn oder die Logik Ihres Wahlslogans: Höppner geht, die Arbeit kommt.

Es war nach meiner Überzeugung der erste wichtige Schritt, um tatsächlich mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

(Lachen bei der SPD)

Wenn allerdings - das gebe ich zu, meine Damen und Herren - die Wählerinnen und Wähler am 22. September 2002 den zweiten entscheidenden Schritt getan hätten und auch auf Bundesebene eine bürgerliche Regie

rung etabliert hätten, dann wären wir schon weiter, als wir es mit Herrn Schröder sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Püchel, ich räume gern ein, dass dem ersten Schritt, der richtig war, nämlich in Sachsen-Anhalt eine neue Mehrheit zu etablieren, der zweite Schritt noch nicht gefolgt ist.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Jetzt gibt nur zwei Lösungsmöglichkeiten: Entweder macht Schröder das, was er angekündigt hat - dann macht er vieles, was die FDP seit langem fordert; das wäre immerhin nicht unerfreulich -,

(Herr Kühn, SPD: Helfen Sie ihm!)

oder er setzt es nicht durch.

(Frau Budde, SPD: Stimmen Sie doch dann zu, wenn das im Bundesrat ist! Steuersenkung! - Un- ruhe)

- Wir haben heute darüber diskutiert.

(Zurufe von der SPD)

- Verehrte Frau Budde, verstehen Sie,

(Frau Budde, SPD: Ich verstehe das schon!)

es war heute für mich ein Schlüsselerlebnis, als Herr Püchel sagte, der Finanzminister hätte bei der Frage, wie man sich mit dem Bund einige, ob bei null oder wie auch immer, herumgeeiert. Als Herr Püchel selbst später von der PDS danach gefragt wurde, hat er genau die Antwort von Herrn Paqué gegeben. Das heißt, auch Sie haben herumgeeiert. Aber es war sympathisch und von der Sache her richtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Frau Bud- de, SPD: Mann, Mann, Mann!)

Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. - Weitere Fragen werden nicht gestellt. Damit beginnt die Debatte der Faktionen. Ich erteile für die CDU-Fraktion Herrn Gürth das Wort.

(Frau Budde, SPD: Wie stimmen Sie ab im Bun- desrat zur Steuersenkung?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als uns vor einigen Wochen die Große Anfrage der SPD-Fraktion auf den Tisch flatterte, provozierte dies natürlich erst einmal Fragen. Knapp ein Jahr nach dem Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt stellt die SPDFraktion eine Große Anfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt.

Sie hätte doch eigentlich wissen müssen, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung klar war, dass die Daten, die wirtschaftlichen Kennziffern, die sie abfragt, aufgrund der Erhebungszeiträume viel mehr Auskunft geben über das, was das Resultat ihrer eigenen Regierungsarbeit war, als über das, was die neue Regierung in dem einen Jahr seit 2002, das sie zur Verfügung hatte, leisten konnte.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Sie waren nicht gut beraten, eine solche Anfrage zu diesem Zeitpunkt zu stellen.