Protokoll der Sitzung vom 03.07.2003

Sie sagen, wir müssen das Land Sachsen-Anhalt in eine Position der Beachtung bringen. Das können Sie ganz schnell haben: Stimmen Sie dem Vorziehen der Steuerreform zu.

(Herr Gürth, CDU: Machen Sie uns Vorschläge, wie wir die Steuerausfälle kompensieren sollen, dann machen wir es sofort!)

Stimmen Sie im Bundesrat zu. Damit können Sie bundesweit Beachtung finden. Vielleicht machen es andere Länder, in denen die FDP in dieser Form mitregiert, dann auch.

Sie können sich darauf verlassen, wir werden weiter nachfragen. Wir diskutieren dort, wo es sinnvoll ist, auch konstruktiv mit. Das sehen Sie beim Emissionsrechtehandel, das sehen Sie bei den Strukturfonds und bei der Chemikalienpolitik. In anderen Bereichen werden Sie es auch sehen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Budde, möchten Sie eine Frage von Frau Hüskens beantworten?

Na klar.

Bitte, Frau Dr. Hüskens.

Frau Budde, ich möchte Sie fragen: An welchen Stellen des Landeshaushaltes würden Sie die erforderlichen

Einschnitte ansetzen, um die Gegenfinanzierung für das Vorziehen der Steuerreform im Haushalt 2004 sicherzustellen?

Ich kenne Ihren Haushaltsplanentwurf nicht. Aber ich will Ihnen einmal so antworten: Es wird nicht ohne Kürzungen gehen. Ein Stück von dem, was Sie sozusagen als Konsolidierungsmöglichkeit aufzeigen, wird davon aufgefressen werden. Sicherlich ist das so.

Trotzdem werden Sie mir doch Recht geben - so haben Sie vorhin auch debattiert -, dass es richtig ist, diese Steuerreform vorzuziehen. Auch wenn die Erfolge und die Anstiege in den Steuereinnahmen erst nachgeschaltet kommen, muss man dies heute tun, weil das Land auch noch in fünf, sechs oder zehn Jahren - vielleicht nicht dieses Land, aber die Bundesrepublik - existiert. Deshalb sind langfristige Ansätze notwendig. Ich will Ihnen an dieser Stelle kein A für ein O vormachen. Das ist so.

Im Übrigen möchte ich, was den Haushalt angeht, eine Richtigstellung vornehmen. Herr Rehberger, lesen Sie einmal die Statistiken. 50 % der Verschuldung stammen aus den Jahren 1990 bis 1994. Der Nachtragshaushalt 2002 spiegelt die realen Zahlen wider. Das ist einfach so. Ich habe die Nase voll von dieser Geisterdiskussion. Damit brauchen Sie nicht wieder anzufangen. Diese Diskussion ist schlichtweg blöd. Sie haben mit dem Nachtragshaushalt 2002 nach den Jahren der Konsolidierung das erste Mal wieder einen Sprung. Das hilft Ihnen nicht, das wissen inzwischen fast alle.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. - Damit ist die Aussprache zur ersten Großen Anfrage beendet. Ich rufe nun die zweite Große Anfrage auf:

Soziokultur in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der PDS - Drs. 4/674

Antwort der Landesregierung - Drs. 4/822

Ich erteile nun für die PDS-Fraktion Herrn Gebhardt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren besuchen bundesweit über 17 Millionen Menschen jährlich Veranstaltungen in Stadtteilzentren, Kulturläden, Bürgerhäusern und in ähnlichen Einrichtungen. Die Tendenz ist steigend. Die wenigsten sind sich bewusst, dass diese Einrichtungen, in denen sie Konzerte und Ausstellungen, Kurse und Seminare erleben oder selbst anbieten, soziokulturelle Zentren sind.

17 Millionen Menschen bundesweit und jährlich belegen, dass Soziokultur bzw. soziokulturelle Arbeit ein wichtiger und mittlerweile nicht mehr wegzudenkender Bestandteil nicht nur innerhalb der Breitenkultur, sondern der Kulturlandschaft insgesamt ist. Dies war auch ein Grund für die PDS-Fraktion, sich diesem Thema zu widmen und der Landesregierung eine umfassende Große Anfrage

zu diesem Thema zu stellen. Mit dieser Anfrage wollte die PDS-Fraktion die Problemsicht auf diesem Gebiet erweitern und für dieses Thema sensibilisieren.

Dass es Probleme bei der Ausgestaltung, der Anerkennung und der Förderung soziokultureller Arbeit gibt, ist nicht neu. Der Eindruck wird aber durch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage verstärkt. Auf einige Probleme will ich hier eingehen.

Das erste Problem wird schon bei der Frage sichtbar, wer für die soziokulturelle Arbeit, für deren Förderung und Begleitung zuständig ist. Zweifellos ist ein Wesensmerkmal von Soziokultur, dass sich solche Einrichtungen nicht in der Trägerschaft des Landes oder des Bundes befinden, sondern eine kommunale Verankerung haben. Eine lokale Anbindung und eine starke Verankerung in den kommunalen Gemeinwesen ist ein soziokulturelles Wesensmerkmal.

Aber die soziokulturelle Infrastruktur, also das soziokulturelle Netz ist zweifellos im Landesinteresse, da das Kulturland Sachsen-Anhalt von dem Netz an soziokulturellen Einrichtungen entscheidend profitiert.

Da aber auch die Landesregierung in ihrer Antwort zugibt, dass sie nicht verkennt, dass die Soziokultur, wie andere Bereiche auch in der Kulturpolitik, aktuell mit erheblichen Finanzierungsproblemen konfrontiert ist und dass permanente Anstrengungen notwendig sind, kann ich nur schlussfolgern: Die beste Stärkung der Soziokultur durch das Land wäre eine solide Finanzausstattung der Kommunen.

Als erfreulich will ich an dieser Stelle erwähnen, dass die Landesregierung mitteilt, dass sich das in der Entstehung befindliche Landeskulturkonzept auch intensiv mit dem Thema beschäftigen wird. Wir begrüßen es, dass es konzeptionelle Vorstellungen des Landes auch zur weiteren Entwicklung von Soziokultur geben soll; denn das war auch eine wichtige Intention unseres damaligen Antrages für ein Kulturkonzept des Landes.

Umso größer ist aber die Verwunderung, wenn man feststellt, dass es kaum eine - oder besser gesagt: so gut wie gar keine - Datenlage bzw. ein mit Zahlen untersetztes Faktenwissen bei der Landesregierung gibt. Es gibt keine gesicherten empirischen Daten über die Einnahmensituation und über die Ausgabenstruktur, über die Planungssicherheit, über die ehrenamtliche Arbeit, über die Mitarbeiterstruktur und deren Qualifizierung bei soziokulturellen Zentren. Es gibt auch keine Daten zu den soziokulturellen Angeboten sowie über die Entwicklung der Besucherzahlen.

Nun kann man die Auffassung der Landesregierung durchaus teilen, dass der Aufwand für die Erhebung einer exakten Datenlage unangemessen hoch wäre. Aber wenn man zu bestimmten wesentlichen Kriterien, die die Soziokultur direkt ausmachen, keinerlei Kenntnis hat, kommt man zu der Schlussfolgerung: Der Landesregierung fehlt der Überblick über die soziokulturelle Struktur in Sachsen-Anhalt. Wenn einem der Überblick fehlt, fällt das Handeln und Agieren schwer.

Wir hoffen sehr, dass sich das ändern wird, denn spätestens bei der Erstellung eines Kulturkonzeptes und der damit verbundenen konzeptionellen Arbeit für den soziokulturellen Bereich müssen bestimmte Daten als Grundlage dienen.

Ein Beispiel in diesem Zusammenhang: Die Landesregierung nennt einerseits völlig zu Recht als ein wichti

ges Kriterium für Soziokultur, dass diese für alle Bürgerinnen und Bürger offen und zugänglich sein muss. Andererseits hat die Landesregierung aber keine Kenntnis darüber, ob die Einrichtungen bauseitig auch behindertengerecht ausgestattet sind. Wie soll dann ein Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger überhaupt realisiert werden? Wie gesagt, es ist nicht die Aufgabe der Landesregierung, solche Mängel konkret abzustellen. Aber Konsequenzen und Schlussfolgerungen daraus muss man schon ziehen können.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Aus nicht vor- handenen Daten?)

Aus unserer Sicht ruft diese Situation gerade nach einer zu schaffenden kompetenten Instanz im Lande, die einen solchen Überblick über soziokulturelle Zentren und deren Arbeit im Land hat, die im Interesse des Landes und vor allem der Zentren selbst wirkt und sich beispielsweise auch um Vernetzung und Kooperationen untereinander bemüht.

Unser Antrag zur Stärkung der Soziokultur wird diesem Anliegen gerecht und deckt sich im Wesentlichen mit den der Antwort zu entnehmenden Vorstellungen der Landesregierung, wo sie ihren eigenen Handlungsbedarf für die Stärkung von Soziokultur sieht. Hierzu nennt die Landesregierung neben der Förderung von landesweiten Projekten zur Weiterbildung und der Förderung von überregional herausragenden Projekten die Unterstützung einer entsprechenden Dachorganisation.

An dieser Stelle will ich anmerken, dass wir als PDSFraktion der Auffassung sind, dass eine Vernetzung von soziokulturellen Trägern eine der Landesaufgaben sein sollte. Mit den weiteren von der Landesregierung genannten Punkten in dieser Frage gehen wir konform.

Wichtig erscheint uns die Unterstützung der entsprechenden Dachorganisation, die es in Form der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren in SachsenAnhalt - kurz Lassa genannt - seit Oktober vergangenen Jahres gibt. Bis zum Jahr 1998 gab es bereits eine Anlaufstelle bzw. eine Dachorganisation für soziokulturelle Träger im Land - die damalige Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur, kurz LAGS genannt. Diese Landesarbeitsgemeinschaft wurde vom Land institutionell gefördert.

Die unbefriedigende Arbeitsweise und das unbefriedigende Wirken der LAGS führten im Jahre 1998 zur Abwicklung dieser Landesarbeitsgemeinschaft. Dieser Fakt wird nicht kritisiert - auch nicht von uns -, aber wir haben bereits damals darauf hingewiesen, dass eine Abwicklung noch kein Konzept für eine Neustrukturierung oder Neuorientierung der zu leistenden Arbeit darstellt.

Seit der Abwicklung der LAGS gab es keine neue landesweit agierende Koordinierungs- und Beratungsstelle für soziokulturelle Vereine im Land. Die PDS-Fraktion ist aber der Auffassung, dass es einer solchen Stelle bedarf. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage belegt das aus unserer Sicht recht deutlich. Die neu gegründete Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren in Sachsen-Anhalt - Lassa - bietet die Chance, eben diese Organisation zu etablieren.

Deshalb beantragen wir unter Punkt 1 unseres Antrages eine Prüfung seitens der Landesregierung, ob und mit welcher finanziellen Unterstützung des Landes eine soziokulturelle Dachorganisation etabliert werden kann.

Hierbei - das betone ich ausdrücklich - soll unvoreingenommen die Möglichkeit einer institutionellen Förderung geprüft werden, da eine solche Förderung auch eine hohe Planungssicherheit für die Organisation bieten kann.

Unter Punkt 2 unseres Antrages fordern wir die Landesregierung auf, die soziokulturellen Träger und die Zentren im Land künftig so zu fördern, dass ihre Arbeitsfähigkeit gewährleistet ist. Das steht nicht im Widerspruch zur Aussage der Landesregierung; denn in der Antwort auf die Große Anfrage heißt es - ich zitiere -:

„Das Land sieht seinen eigenen Handlungsbedarf darin, auch künftig eine angemessene Förderung für Projekte im Bereich Soziokultur vorzusehen, um punktuell Impulse geben zu können.“

Das sehen wir auch so.

Herr Gebhardt, möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Kehl beantworten?

Im Anschluss. - Nur müsste sich das in den aktuellen Zahlen widerspiegeln. Die Aussage der Landesregierung, dass das Land in den letzten Jahren die Fördermittel für Soziokultur gesenkt habe, stimmt so nicht. Durch die mitgelieferten Zahlen lässt sich belegen, dass in den letzten acht Jahren die Ausgaben für Soziokultur durchschnittlich 1,2 % - gemessen an den Gesamtausgaben für Kultur - betrugen. Im Jahr 2003 beträgt der Fördermittelansatz für Soziokultur - gemessen an den Gesamtkulturausgaben - gerade noch 0,32 %. Diese Entwicklung halten wir für sehr problematisch, wenn uns an der Arbeitsfähigkeit der soziokulturellen Zentren gelegen ist. Daher der Punkt 2 unseres Antrages.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP in Sachsen-Anhalt heißt es:

„Daneben gilt es, jene Bereiche von Kunst und Kultur zu fördern, die es in der öffentlichen Anerkennung noch schwer haben. Der Förderung der Breiten- und Volkskultur gilt in den nächsten Jahren unsere besondere Aufmerksamkeit.“

Wir teilen den Ansatz der Landesregierung, dass Soziokultur einen wichtigen Bestandteil der Breitenkultur darstellt. Insofern nehmen wir das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben, diesem Bereich eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, gern wörtlich. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. - Herr Kehl, nun bitte Ihre Frage.