Protokoll der Sitzung vom 04.07.2003

(Frau Bull, PDS: So ist es!)

den Bürgern das näher zu bringen,

(Beifall bei der PDS)

und sie hätte auch ein gutes Argument in den Verhandlungen über die Abschnitte III und IV in der Hinterhand, um sagen zu können: Wir brauchen in diesem Entwurf für eine Verfassung mehr Subsidiarität, wir müssen uns genau überlegen, welche Kompetenzen bei der EU bleiben und welche Kompetenzen wir in den Nationalstaaten behalten müssen, um dieses auch den Bürgern verkaufen zu können. Die Regierung muss das dann den Menschen erklären.

Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion geht im Hinblick auf einige Punkte über den PDS-Antrag hinaus. Die Landesregierung soll sich für die generelle Einführung plebiszitärer Elemente einsetzen.

Die FDP-Fraktion bekennt sich zur repräsentativen Demokratie. Aber: Wir halten auch Elemente der direkten Demokratie auf Bundesebene für eine wünschenswerte, aber in aller Ruhe zu erprobende Bereicherung. Die Demokratie lebt vom Engagement der Bürger in Gesellschaft und Staat. Durch Elemente der direkten Demokratie würden wir einerseits die Chance für eine politische Mitwirkung aller Bürger ausbauen und andererseits würden wir auch die Verantwortung jedes einzelnen Bürgers erhöhen.

Beide Anträge sind aus der Sicht der FDP-Fraktion inhaltlich durchaus begrüßenswert. Allerdings ist die Natur der Sache eben auch sehr komplex und sie berührt auch die Grundsätze unserer Demokratie. Aus diesem Grunde sollten wir über sie durchaus ausführlich diskutieren.

Ich beantrage daher eine Überweisung beider Anträge zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht und Verfassung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten.

(Beifall bei der FDP und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Röder. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Tögel das Wort. Bitte sehr, Herr Tögel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die SPD sich seit Jahrzehnten für plebiszitäre Elemente im Grundgesetz einsetzt,

(Lachen bei der PDS)

das ist bekannt. Das brauche ich an dieser Stelle nicht weiter erklären. Es wird aber mit uns keine Rosinenpickerei geben, etwa dass man sagt: Gerade für das, was uns heute aktuell und passend erscheint, wollen wir ein Referendum machen. Das wird es mit uns nicht geben.

Fordern Sie als FDP Ihre Bundestagsfraktion auf, dass sie sozusagen plebiszitäre Elemente komplett in das Grundgesetz einführt. Dann können wir gern darüber reden. Wir haben bereits Anfang der 90er-Jahre den Versuch gemacht, eine gemeinsame deutsche Verfassung hinzubekommen, der leider in diesem Punkt zumindest gescheitert ist. Wie gesagt, Rosinenpickerei wird es mit uns nicht geben.

Wenn ich Herrn Stoiber höre, der sich zum Beispiel erst gegen die Konventsergebnisse ausgesprochen hat und sich dann für ein Referendum eingesetzt hat, drängt sich mir manchmal der Eindruck auf, dass er eigentlich gar nicht will, dass es eine Mehrheit findet. Diese Diskussion sollten wir aber im Ausschuss führen. An der Stelle, wie gesagt, sind wir für eine komplette Einführung von plebiszitären Elementen und nicht nur für Referenden.

Herr Abgeordneter, Sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Kosmehl zu beantworten? - Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Kollege Tögel, weil Sie gerade die FDP-Bundestagsfraktion ansprachen und dass man die Einführung plebiszitärer Elemente vielleicht ausdehnen sollte, frage ich Sie ganz konkret: Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihrem ersten Koalitionsvertrag im Jahr 1998 festgeschrieben und sich damit beauftragt, die Einführung plebiszitärer Elemente voranzutreiben. Bekannterweise ist bis zur Bundestagswahl im Jahr 2002 jedoch nichts geschehen. Nun steht eine noch schwammigere Formulierung im neuen Koalitionsvertrag.

Ich hätte schon erwartet, wenn Sie die FDP-Bundestagsfraktion auffordern, etwas zu unternehmen, weil es im Koalitionsvertrag steht, dass man es einführen will, dass Sie sagen, warum bis jetzt noch nichts geschehen ist.

Meines Erachtens gab es in der letzten Legislaturperiode mehrere Initiativen, die gescheitert sind. Frau Klein hat vorhin eine Initiative erwähnt,

(Zuruf von Frau Dr. Klein, PDS)

die tatsächlich darauf zielte.

Ich kann Ihnen versichern: Ich habe mich bei der Bundestagsfraktion dahin gehend rückversichert, ob das ein Standpunkt wäre, den die Bundestagsfraktion mittragen würde. Das ist natürlich der Fall. Wenn wir eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat absehen

könnten, dann würde es mit Sicherheit nicht an der rotgrünen Bundesregierung scheitern. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tögel. - Für die CDU-Fraktion erteile ich den Abgeordneten Herrn Stahlknecht das Wort. Bitte sehr, Herr Stahlknecht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Darin wird eine nahezu flächendeckende Einführung plebiszitärer Elemente gefordert.

Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte hinweg eine repräsentative Demokratie, die aus meiner Sicht gut funktioniert.

Veränderungen, Herr Kollege, drängen sich meist dann auf, wenn etwas nicht funktioniert. Insofern sehen wir von der CDU überhaupt keinen Anlass, etwas, das gut funktioniert, das den Staat staatswert macht, so weit aufzubohren und infrage zu stellen.

(Zustimmung bei der CDU)

Allerdings ist natürlich darüber nachzudenken, ob dann, wenn epochale Ereignisse eingetreten sind, die Menschen in diesem Land durch eine Beteiligung mitgenommen werden. Es wäre darüber nachzudenken, ob es nicht bereits im Grundgesetz eine ähnliche Überlegung gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf auf den Artikel 146 des Grundgesetzes hinweisen. Der sagt nämlich, wenn Deutschland sich eine Verfassung gibt, dann müsse diese Verfassung vom deutschen Volk beschlossen sein. Wenn man diesen Gedanken auf den europäischen Verfassungsvertrag überträgt, der aber - das will ich nur erwähnen - keine Verfassung im staatsrechtlichen Sinn ist, sondern ein Vertrag, dann kann man in der Tat darüber nachdenken, ob man die Menschen daran beteiligt.

Darüber sollten wir im Ausschuss ganz unaufgeregt fachlich diskutieren. Ich will aber auch an die Kolleginnen und Kollegen der FDP eines sagen, damit keine falschen Eindrücke entstehen: Unser Herz tendiert dann eher zu einer Volksbefragung. Volksbefragungen beteiligen die Menschen. Sie können sich dazu äußern. Aber es hat eben kein bindendes und damit auch kein ratifizierendes Moment. Das ist eine Frage des Spielraums, über die wir uns unterhalten wollen.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, wir sollten der Überweisung beider Anträge in den Ausschuss zustimmen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Stahlknecht. - Frau Dr. Klein, Sie haben noch einmal das Wort.

Ganz kurz noch einmal zwei Punkte. Die letzte Initiative von Rot-Grün gab es im Sommer 2002. Sie ist im Ju

ni 2003 abgelehnt worden; sie hat keine Zweidrittelmehrheit bekommen. Dafür gestimmt haben die SPD-Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die PDS-Fraktion, die halbe Fraktion der FDP und von der CDU-Fraktion nur ein Abgeordneter, Herr Schwarz-Schilling. So war das Stimmenverhältnis.

Zweitens. Herr Staatsminister, es ist verständlich, wenn man 50 Jahre lang keine plebiszitären Elemente auf der Bundesebene angewendet hat, müssen erst einmal entsprechende Erfahrungen gesammelt werden. Man kann sagen, es gibt immer ein erstes Mal. Probieren wir es einmal.

Wenn wir in die Europawahlen gehen, dann müssen wir auch über die europäische Verfassung reden, und wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern erklären, warum sie Abgeordnete für das Europaparlament wählen sollen. Dazu sind gerade die Gedanken in dem Verfassungskomplex nützlich.

Wir sind auch nicht mit allem einverstanden, was uns vorliegt. Aber das ist ein Kompromiss. Deshalb muss man die positiven und die negativen Seiten abwägen. Aber dazu werden wir noch kommen. Insofern sage ich nur, versuchen wir es einfach einmal.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Meine Damen und Herren! Wir treten in den Abstimmungsprozess zur Drs. 4/861 und zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion in der Drs. 4/885 ein.

Zunächst wurde von Frau Röder ein Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung federführend und zur Mitberatung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten gestellt. Wenn Sie damit einverstanden sind, stimmen wir darüber gleich zusammen ab, oder beantragt jemand, getrennt abzustimmen? - Nein. Dann können wir über die beiden Anträge zusammenhängend abstimmen.

Wer der Überweisung in die genannten Ausschüsse seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Gegenstimmen? - Keine Gegenstimme. Enthaltungen? - Keine Enthaltung. Damit ist dieser Antrag einschließlich des Änderungsantrages in die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 21 abgeschlossen.

Ich rufe für heute den letzten Tagesordnungspunkt, den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung

Europäischer Verfassungskonvent - Entwurf eines europäischen Verfassungsvertrages und der EU-Gipfel von Thessaloniki

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/869

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/898

Änderungsantrag mehrerer Abgeordneter - Drs. 4/900