Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Das ist korrekt. - In Dänemark liegt die Eigenkapitalquote ungefähr bei 40 %. Dort reißen sich die Unternehmen um die Auszubildenden. Was meinen Sie, was ein Ausbildungsfonds, eine Zwangsabgabe für Auswirkungen auf diese Situation haben könnte?

Ich glaube ganz einfach, dass wir dadurch allen Jugendlichen eine berufliche Erstausbildung ermöglichen können, und zwar eine betriebliche oder eine betriebsnahe Ausbildung, keine Warteschleifenpolitik oder auch keine außerbetriebliche Ausbildung. Übrigens, sehr geehrte Kollegen von der FDP, es gibt einen Unterschied zwischen einer außerbetrieblichen und einer überbetrieb

lichen Ausbildung. Das erkläre ich Ihnen nachher aber gern noch einmal.

(Unruhe bei der FDP)

Es sind wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe. Das machen wir nachher. - Ich glaube wirklich, dass dadurch die Qualität der Ausbildung gesteigert werden kann und dass wir durch den Pool an Geld, den wir hierdurch zur Verfügung haben, auch in innovativen Berufen ausbilden können.

Zurzeit bilden wir in einem zu engen Berufsspektrum aus. Wir haben 400 Berufe. 70 % der Jugendlichen wählen die zehn häufigsten Berufe. Das sind Handwerksberufe. Das sind Berufe, in denen wir überbetrieblich ausbilden, in denen wir dual ausbilden, in denen wir außerbetrieblich oder über Bedarf ausbilden. Die brauchen wir aber nicht im Land. Das sind die 32 000 Jugendlichen, von denen ich vorhin gesprochen habe. Ich glaube, mit einem solchen Fonds können wir in innovativen und modernen Berufen ausbilden, die wir im Land brauchen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Abgeordnete Ferchland. - Für die CDUFraktion wird der Abgeordnete Herr Gürth sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Überschrift des SPD-Antrages „Die Jugend braucht Ausbildungsplätze“ gelesen habe, habe ich erst einmal gedacht, dem kann man nur zustimmen. - Selbstverständlich. Man kann die Überschrift noch in der Weise ergänzen: „Die Jugend braucht anspruchsvolle Ausbildungsplätze“, und man müsste noch hinzufügen: „Die Jugend braucht nach einer anspruchsvollen Ausbildung einen anspruchsvollen und vernünftig bezahlten Arbeitsplatz“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir reden aber hier nicht über die Überschrift, sondern über den Antrag, der danach folgt. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion, dem Landtag die Besorgnis über die rückläufige Zahl von angebotenen Ausbildungsstellen erklären zu lassen, ist weder kreativ noch zielführend.

Geht man einmal in den Text hinein, kann man gleich in den ersten Sätzen feststellen, dass Sie mit veralteten Zahlen operieren, die nicht stimmen. Es ist hier von 9 700 betrieblichen Ausbildungsstellen die Rede. Es sind über 10 500. Gespräche des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit mit der Arbeitsverwaltung, die ja diese Registrierung durchführt, haben zu dem Ergebnis geführt, dass am Ende des Ausbildungsberatungsjahres in der Arbeitsverwaltung ca. 13 500 Stellen registriert werden können, und nicht die Regierung, sondern die Arbeitsverwaltung geht davon aus, dass wie in den Jahren zuvor, so schwer der ganze Prozess auch ist, jedem Jugendlichen ein Ausbildungsplatz angeboten werden kann.

Aber es lohnt sich, von den veralteten Zahlen in dem SPD-Antrag wegzuschauen und sich die aktuellen Zahlen anzusehen und einmal in die Tiefe zu gehen.

Schauen wir einmal ins Detail. Was hat sich verändert und was hat sich verbessert? - Der Minister hat zu Recht festgestellt, dass die Lage sehr angespannt ist, weil wir in diesen Jahren sehr viele Schulabgänger haben und weil sich gleichzeitig die wirtschaftliche Lage in einem Prozess des Entwickelns nach unten befindet. Dass dabei die Schere auseinander gehen muss, das ist jedem - auch im Pisa-Zeitalter - klar.

Aber wir stehen in diesem negativen Entwicklungsprozess, der sich in den Jahren 2006 und 2007 auflösen wird, in einer guten Position; denn wir haben im Vergleich der Rückgänge der angebotenen Ausbildungsplätze nicht einen so großen Rückgang zu verzeichnen wie die anderen Bundesländer. - Das macht noch nicht hoffnungsfroh. Deswegen lohnt es sich, doch einmal ins Detail hineinzuschauen.

Wo steht Sachsen-Anhalt bei den Ausbildungsplätzen? - Wir können feststellen, die Landwirtschaft und der öffentliche Dienst bieten annähernd gleich viele Ausbildungsplätze für die Jugendlichen wie in den Vorjahren an. In der Industrie ist sogar - das ist sehr erfreulich - ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Aber es gibt vor allem Rückgänge im Handwerk und bei den freien Berufen - im Handwerk um 5,9 % und in den freien Berufen um ganze 25 %.

Wenn wir uns die Debatten der letzten Monate über die betriebliche Situation von Handwerk und freien Berufen in Erinnerung rufen, dann müssen wir uns darüber nicht wundern. Deswegen hätte ich mir von den Sozialdemokraten anstatt eines solchen Antrages lieber Engagement in Richtung Bundesebene gewünscht, dass man das Handwerk nicht, so wie es in der letzten Zeit von der Bundesregierung gemacht worden ist, hinsichtlich der Zukunftsperspektiven, die es hat, ständig verunsichert, oder das Handwerk sogar schlichtweg vors Schienbein tritt.

Man kann doch nicht dem Berufszweig, der in Deutschland am besten dasteht und am weitesten in der Ausbildungsquote vorn steht, nämlich dem Handwerk, das seit Jahren über den eigenen Bedarf hinaus ausbildet, das die höchsten Ausbildungsquoten hat, mit dem System des großen Befähigungsnachweises sagen: Was ihr da macht, das interessiert uns gar nicht; absprachewidrig schaffen wir drei Viertel aller Meisterberufe als Voraussetzung für den eigenen Betrieb ab. - Das ist kontraproduktiv.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Auftragslage für die freien Berufe ist extrem angespannt und hat sich nach unten entwickelt. Die Ursachen dafür kennen wir. Wie man vor diesem Hintergrund auf der einen Seite als Sozialdemokratie auf Bundesebene die freien Berufe noch zusätzlich in die Gewerbesteuer einbeziehen möchte und gleichzeitig hier den Rückgang von Ausbildungsplätzen beklagen kann, das verstehe, wer will.

Ich möchte noch einen weiteren Fakt hinzufügen, weil es sich wirklich lohnt, ernsthaft über die Zukunft unserer jungen Menschen und über die Frage, wie wir die Situation für sie in Zukunft verbessern können, zu sprechen. Eine ernst zu nehmende Zahl ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen den zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätzen und dem Wunsch der jungen Menschen, als Schulabgänger eine Ausbildung zu machen. Wir haben einen Zuwachs von 67,3 % an unbesetzten Stellen.

Das bedeutet, Wunsch, Eignung und Befähigung und die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze gehen immer weiter auseinander.

Deswegen ist es wichtig, dass wir uns mit dieser Angelegenheit einmal befassen; denn klar ist - deswegen geht mein Appell nicht nur an die Wirtschaft, sich weiterhin anzustrengen, was Ausbildungsplätze betrifft, sondern mein Appell geht auch an die Jugendlichen und die Elternhäuser -: Wer ohne Schulabschluss vor der Frage der Ausbildung steht, der wird kaum Chancen haben. 14 % aller Schulabgänger in Sachsen-Anhalt haben noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss.

Wenn sich die Eltern selbst mit ihren Kindern nicht anstrengen, der Bedeutung einer vernünftigen Ausbildung in der Schule gerecht zu werden, werden wir die Situation der Jugendlichen nicht erleichtern, sondern erschweren. Deswegen gilt es, bei der Frage der Ausbildung bereits bei der Bildung anzusetzen und nicht heute mit Zahlen und Statistiken zu hantieren.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich noch sagen: Der Antrag der SPD-Fraktion kann nur abgelehnt werden, nicht wegen der veralteten Zahlen, sondern wegen der falschen Schlussfolgerungen, die die SPD aus diesen falschen Zahlen zieht. Dieser Antrag macht ganz deutlich: Die Position der Sozialdemokratie ist eine Misstrauensposition gegenüber der Wirtschaft. Wenn wir nicht weiter vertraglich etwas regeln, droht die SPD mit Zwangsabgaben und zusätzlicher Bürokratie.

Lieber Herr Metke, erfahrungsgemäß schaffen mehr Bürokratie, mehr Steuern und mehr Abgaben nicht mehr Beschäftigung, mehr Ausbildung, sondern das ganze Gegenteil. Deswegen empfehle ich, Ihren Antrag abzulehnen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Gürth. - Herr Metke, Sie haben noch einmal die Möglichkeit, zu erwidern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will gern noch einmal auf einige Dinge eingehen, die hier genannt worden sind. Herr Gürth, ich gehe doch recht in der Annahme, dass Sie dem Ältestenrat angehören? Ist das so?

(Herr Gürth, CDU: Das ist richtig!)

- Ja. - Dann wissen Sie sicherlich auch, wann unser Antrag eingegangen ist. Ich habe jetzt wahrscheinlich Ihre Intelligenz etwas überschätzt,

(Oh! bei der CDU)

sonst hätte ich natürlich zu Beginn meiner Ausführungen gesagt, dass dies die Juli-Zahlen sind und dass ich natürlich in meinem Redebeitrag seriöserweise die AugustZahlen genannt habe, die zu dem Zeitpunkt, als wir den Antrag gestellt haben, noch gar nicht vorliegen konnten.

(Herr Gürth, CDU: Die Schlussfolgerungen sind trotzdem falsch!)

Insofern verfügen wir nicht über hellseherische Fähigkeiten. Aber ich werde das nächste Mal genau ausführen, warum es gegebenenfalls entsprechende Abweichungen

gibt. Wie gesagt, wenn ich dabei Ihre Intelligenz überschätzt haben sollte, bitte ich um Nachsicht.

Nun will ich einmal ein Argument aufgreifen, das Sie gebracht haben und bei dem sehr deutlich wird, dass offensichtlich gar nicht ernsthaft mit diesem Thema umgegangen worden ist. Zumindest muss ich Ihnen das unterstellen. Sie sagen, wir hätten einen Rückgang bei den freien Berufen zu verzeichnen und das hänge damit zusammen, dass die freien Berufe im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer jetzt nach Ihrer Auffassung zusätzlich belastet würden.

Dazu will ich sagen: Die Debatte um die Gewerbesteuer ist erst zu einem Zeitpunkt aufgemacht worden, als das Ausbildungsjahr längst begonnen hatte. Das heißt, das kann nicht dazu geführt haben, dass die freien Berufe weniger ausbilden. Das ist pure Demagogie, die Sie hier betreiben.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch bezüglich des Handwerksbereiches muss man sich über die Argumentation der FDP wundern,

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

die einen ehemals abgeschotteten Bereich, der geöffnet werden soll, in dieser Art und Weise schützen will. Ich denke, dass die Änderungen nicht dazu geeignet sind, hier weniger Ausbildungsplätze anzubieten. Das Handwerk weiß das, glaube ich, auch sehr genau. Es sagt nämlich selbst, dass es in naher Zukunft diese Fachkräfte brauche.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Kehl?

Vielleicht können wir das zum Schluss machen. Die Debatte ist ja im Grunde genommen gelaufen.

Zu dem, was auch Herr Minister Rehberger ausgeführt hat. Natürlich ist es so, dass die Bemühungen anerkannt werden müssen. Ich glaube, jeder, der in seinem Wahlkreis einigermaßen verantwortlich mit dem Thema umgeht, ist in diese Bemühungen einbezogen, mit den Kammern, mit den Verbänden, mit den Gewerkschaften zusätzliche Ausbildungsplätze auf den Weg zu bringen.

Aber ich frage mich: Muss das denn jedes Jahr eine solche Hängepartie sein?

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Soll es sozusagen der Normalfall sein, dass die Schulabgänger 30, 40, 50 Bewerbungen schreiben und jedes Mal eine Absage erhalten? - Ich denke, das kann nicht der Normalfall sein.

Ihr Staatssekretär hat das sehr wohl erkannt. Er kennt offensichtlich auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Er hat nämlich in der vergangenen Woche sehr deutlich gesagt: Für eine Vollversorgung brauchten wir eigentlich 20 500 betriebliche Ausbildungsstellen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Das ist die Realität.