Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Lassen Sie uns doch endlich die alten Zöpfe abschneiden. Wir müssen in der Tat ideologiefrei über Bildungs- und Wissenschaftspolitik diskutieren. Deswegen haben wir auch ganz klar vorgeschlagen - auch der neue Kultusminister dieses Landes, Herr Professor Olbertz, tritt dafür ein -: Wir brauchen mehr Eigenverantwortung für die Schulen, mehr Autonomie für die Hochschulen, mehr Wettbewerb.

Zu dem Thema Wettbewerb zwischen den Hochschulen gehört auch, dass man die Studenten in der Bundesrepublik nicht mehr hin und her schickt über eine zentrale Vergabestelle für Studienplätze. Die muss endlich fallen, meine Damen und Herren. Das ist ein Freiheitsthema für Bildungseinrichtungen, auch in diesem Land.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué)

Sie haben auch mit Ihrer Wissenschaftspolitik nach außen immer wieder den Eindruck vermittelt: SachsenAnhalt will nicht mehr, sondern weniger Studierende.

(Zuruf von Frau Rogée, PDS)

Diese Landesregierung wird auch an dieser Stelle einen Schwerpunkt setzen mit ihrem internationalen Hochschulmarketing. Wir werden im Ausland, aber auch in ganz Deutschland dafür werben, dass junge Menschen

ein Interesse daran haben, hier an den Universitäten und Hochschulen zu studieren. Das ist die Politik dieser Regierung. Das haben Sie in der Vergangenheit versäumt.

Und, Herr Püchel, was die Spallationsneutronenquelle anbelangt, eines der acht größten EU-Forschungsvorhaben mit einem Gesamtvolumen von 7 Milliarden €: Diese Spallationsneutronenquelle ist ein ganz wichtiges Forschungsvorhaben, insbesondere für den Osten und die neuen Bundesländer.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Deshalb haben wir uns ja dafür eingesetzt!)

Ich war, wie Sie wissen, bildungs- und forschungspolitische Sprecherin im Deutschen Bundestag.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Ja, das müssen Sie wirklich sagen, das weiß man nämlich nicht! - Frau Bull, PDS: Sagen Sie das dazu; das ist besser so!)

Ich war mir dessen bewusst, dass es in Europa noch mehr Mitwettbewerber gibt, im Übrigen heute noch. In Großbritannien gibt es zwei Mitbewerber für dieses ESSProjekt, und in Schweden. Es geht darum, dass die nächste Bundesregierung sich für den richtigen Standort in den neuen Bundesländern entscheidet, das sage ich ganz klar.

Ich kann nicht verstehen, dass Sie in Ihre Informationspolitik damals die Bundestagsabgeordneten - das war im Juni vergangenen Jahres - und auch die Wissenschaftler der hiesigen Universitäten nicht einbezogen haben. Ich habe in diesem Jahr, Anfang dieses Jahres, noch mit Naturwissenschaftlern an der Martin-LutherUniversität gesprochen, die noch nichts über dieses EUVorhaben, über dieses Forschungsprojekt gewusst haben. Ich habe es ihnen erzählt.

(Lachen bei der PDS - Frau Bull, PDS, klatscht)

Jetzt, als klar ist, dass diese Landesregierung sich auch an der Kofinanzierung für dieses EU-Forschungsprojekt beteiligen wird, bin ich gern bereit, das auch zu unterstützen. Denn die Entscheidung dafür fällt im nächsten Bundestag durch die nächste Bundesregierung.

(Frau Dr. Hein, PDS: Da wollen Sie ja wieder hin!)

Meine Damen und Herren! Leider hat die FDP-Fraktion heute noch nicht so viel Redezeit wie die anderen Fraktionen.

(Zurufe von der SPD)

Deswegen sage ich Ihnen: Es kommt für die Politik dieses Landes darauf an, dass wir auch Visionen vermitteln. Die FDP hat die Vision, dass das Eingangsschild zu Sachsen-Anhalt lautet: „Willkommen in der Zukunft!“, wie ich es neulich in einer mittelständischen Firma, einem Medienunternehmen, gesehen habe. Ich möchte, dass die Menschen, die wir zu Besuch haben, den Eindruck gewinnen, dass sie hier in der Zukunft sind, dass sie sehen, dass etwas passiert und moderne Arbeitsplätze entstehen.

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Das muss die Politik sein, das ist unser Ziel. Dafür hat der Ministerpräsident unsere volle Unterstützung. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Beifall von der Regierungsbank)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat noch 38 Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich frage deshalb die Landesregierung: Besteht die Absicht, diese Redezeit in Anspruch zu nehmen? - Das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst.

Wir sind etwas über der Zeit. Ich schlage vor, dass wir uns um 13.30 Uhr wieder im Plenarsaal einfinden, und unterbreche die Sitzung.

Unterbrechung: 12.31 Uhr.

Wiederbeginn: 13.33 Uhr.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich wäre sehr froh, wenn Sie langsam die Plätze einnehmen würden. Wir wollen fortfahren.

Nach der Unterbrechung durch die Mittagspause setzen wir die dritte Sitzungsperiode mit dem Tagesordnungspunkt 3 fort:

Fragestunde - Drs. 4/36

Es liegen fünf Kleine Anfragen vor. Wir beginnen mit der Frage 1 der Abgeordneten Frau Ferchland zu dem Thema Weiterführung der Landesstelle für Frauenpolitik.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frauen- bzw. Gleichstellungspolitik hatte in den letzten Jahren immer einen hohen Stellenwert in SachsenAnhalt. Die Staatssekretärin für Frauenfragen bzw. die Landesbeauftragte sowie die Leistelle für Frauenpolitik hatten daran einen erheblichen Anteil.

Ich frage die Landesregierung:

1. Sieht die Landesregierung die Weiterführung der Leitstelle für Frauenpolitik vor und wie wird die Arbeit der Leitstelle für Frauenpolitik strukturell und inhaltlich aussehen?

2. Wird es auch künftig eine Staatssekretärin bzw. eine Landesbeauftragte für Frauenfragen im Land Sachsen-Anhalt geben?

Danke. - Für die Landesregierung antwortet in Vertretung des Ministers für Gesundheit und Soziales Minister Professor Dr. Olbertz. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anfrage der Abgeordneten Ferchland beantwortet die Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Die Landesregierung sieht bis auf weiteres die Weiterführung einer Leitstelle für Frauenpolitik vor. Inhaltlich bestimmen sich die Aufgaben der Leitstelle weiterhin nach dem Beschluss der Landesregierung zur

Wahrnehmung der Frauenpolitik des Landes SachsenAnhalt vom 16. Juni 1998.

Zu 2: Ob es in Zukunft im Ministerium für Gesundheit und Soziales eine Landesbeauftragte für Gleichstellung und Frauenpolitik geben wird, hängt von der Struktur der Projektgruppe Gender-Mainstreaming in der Staatskanzlei ab, wie sich aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten ergeben hat. Das heißt, das wichtige Thema Gleichstellung gibt es weiterhin. Die Form der Wahrnehmung wird im Zusammenhang mit dem Stichwort Gender-Mainstreaming in der nächsten überschaubaren Zeit geklärt werden. - Danke schön.

Danke, Herr Minister.

Ich rufe die zweite Fragestellerin auf, Frau Abgeordnete von Angern. In der Frage 2 geht es um die Wegweisung.

Der Koalitionsvereinbarung ist unter der Überschrift „Innere Sicherheit“ zu entnehmen, dass ein „ausdrückliches Wegweisungsrecht in Fällen häuslicher Gewalt“ eingeführt werden soll. Dem Interview des Ministers für Gesundheit und Soziales Herrn Kley vom 1. Juni 2002 in der „Magdeburger Volkstimme“ ist zu entnehmen, dass dies nach seiner Meinung nicht erforderlich sei.

Ich frage die Landesregierung:

Welche inhaltliche Aussage in dem Bereich häusliche Gewalt ist zutreffend und wie wird die Landesregierung das Gewaltschutzgesetz der Bundesregierung umsetzen?

Danke. - Für die Landesregierung antwortet der Minister des Innern Herr Jeziorsky.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Frage der Abgeordneten Frau von Angern namens der Landesregierung wie folgt.

Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, im Zuge der geplanten Novellierung des SOG Sachsen-Anhalts eine ausdrückliche Befugnis zur Wegweisung in Fällen häuslicher Gewalt einzuführen. Die Landesregierung wird hierzu einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen.

Die Ausführungen von Herrn Minister Kley in dem Interview mit der „Magdeburger Volksstimme“ stehen nicht im Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung. Minister Kley hat in dem Interview lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass nach dem geltenden Gefahrenabwehrrecht eine Rechtsgrundlage vorhanden ist, um zum Schutz der Opfer häuslicher Gewalt den Störer aus der Wohnung zu verweisen, ihm die Rückkehr in die Wohnung zu verbieten und seine Rückkehr in die Wohnung auch tatsächlich zu verhindern. Hierbei sind insbesondere die Platzverweisung und die Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung der Platzverweisung zu nennen.

Bei dem Gewaltschutzgesetz der Bundesregierung handelt es sich um das Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11. Dezember 2001. Dieses

Gesetz bildet die Grundlage für gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen.

Die Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes sowie die ebenso mit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes geänderten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Lebenspartnerschaftsgesetzes bedürfen keiner landesgesetzlichen Umsetzung. Es handelt sich um geltendes Recht, das auch von den Zivilgerichten und Familiengerichten des Landes Sachsen-Anhalt anzuwenden ist. Auch die jeweils dazugehörenden Verfahrensvorschriften gelten unmittelbar.