Wenn ich auf das FAG abhebe, so sind auch interessante Zahlen zu nennen. Im Jahr 1995 haben die Kommunen noch 2,22 Milliarden € bekommen, im Jahr 2000 waren es noch 2,11 Milliarden €, und in diesem Jahr werden es wahrscheinlich 1,58 Milliarden € sein. Das sind auch wieder 640 Millionen € weniger. Bei einer solchen Entwicklung ist doch die Katastrophe quasi vorprogrammiert.
Nun, meine Damen und Herren, tue ich nicht einfach so, als könnte man das Problem mit einer Gelddruckmaschine lösen. Ich weiß auch, dass das nicht geht. Aber als Regierung und regierungstragende Fraktionen müssen Sie es sich gefallen lassen, dass der Maßstab der Bewertung Ihres Tuns das ist, was Sie im Jahr 2001 den Wählern versprochen haben, auch den Wählern in den Kommunen.
Aufgabe der Opposition ist es, dieses Defizit immer wieder zu benennen und Ihnen deutlich zu machen: Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Tatsache ist: Die Kommunalfinanzen haben in SachsenAnhalt und in weiten Teilen der Kommunen der Bundesrepublik ein historisches Tief erreicht. Ich befürchte - der Haushaltsplanentwurf 2004 lässt dies schon erkennen -, das wird künftig sogar noch getoppt.
Der PDS-Antrag verfolgt das Ziel, in der heutigen Aktuellen Debatte die Position der Landesregierung sowie der Landtagsfraktionen zu diesem Problem transparent zu machen. Einiges hat der Herr Finanzminister dazu bereits gesagt. Uns allen ist klar: Die Kommunalfinanzen sind kommunizierende Röhren zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Aber Tatsache ist doch auch: Auskömmliche Kommunalfinanzen zu sichern, ist ein gesamtstaatliches Problem in Deutschland. Ich kann mich daran erinnern, dass schon seit mindestens 20 Jahren eine Gemeindefinanzreform in Deutschland eingefordert wird. Der Bund und alle Länder haben die Kommunen zunehmend wie Stiefkinder behandelt und sehen sie oftmals als Sparkasse an. Vom Konnexitätsprinzip will ich gar nicht sprechen, das wird laufend verletzt. Das wissen Sie alle.
Vom Staatsaufbau her sind die Kommunen eigentlich die wichtigste Ebene in der Bundesrepublik; denn dort leben und arbeiten die Menschen. Das ist die Lebensebene. Die Bundesebene und die Länderebene sind reine Verwaltungsebenen. So müssten die Prioritäten gesetzt werden. Aber in Bezug auf die Machtverteilung, sprich die Finanzmachtverteilung, sind die Kommunen absolute Bittsteller und Quälgeister.
Der ehemalige Präsident des Deutschen Städtetages, Herr Professor Seiler, damals Oberbürgermeister von Karlsruhe, sagte es einmal in einem kurzen Satz: Artiges Kind braucht nichts, artiges Kind kriegt nichts. Die Herausforderung lautet deshalb, Herr Finanzminister: Den Kommunen muss eine grundlegend überarbeitete, verbindliche und dauerhafte Finanzausstattung gesichert werden.
Ich unterstelle, dass die Landesregierung dies im Grunde nicht anders sieht. Daraus ergibt sich natürlich eine Reihe von Fragen. Diese beziehen sich auf den mittel
fristigen Ansatz: Nach welchem Konzept bringt sich die Landesregierung zum Beispiel in die Föderalismuskommission ein? Wie kann eine veränderte Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen - ich denke, diese steht auch zur Diskussion - aussehen und wie die darauf aufbauende Finanzverteilung? Wie kann das Gemeindefinanzsystem weniger konjunkturanfällig gestaltet werden?
Zur Gemeindewirtschaftssteuer haben Sie sich schon geäußert. Das ist eine offene Frage, darauf will ich gar nicht im Detail eingehen. Aber es muss darüber gesprochen werden. Was hält die Landesregierung zum Beispiel von einem Zuschlagsrecht der Kommunen auf die Einkommensteuer? Wie sieht die Landesregierung die zukünftige Rolle der kommunalen Bodensteuer? Befürwortet sie die Verankerung des kommunalen Konnexitätsprinzips im Grundgesetz?
Ich denke, im Zusammenhang mit der Föderalismuskommission muss darüber nachgedacht werden, ob es nicht sogar Verfassungsrang haben sollte und haben müsste nach dem Grundsatz: Wer das Gesetz beschließt, muss auch die Kosten tragen und darf sie nicht nach unten durchreichen.
Wir brauchen eine kurzfristige Lösung. Ehe die Föderalismuskommission Ergebnisse zeitigt, wird - das wissen wir alle, meine Damen und Herren - noch sehr viel Wasser die Elbe hinunter fließen. Wie will die Landesregierung den Kommunen sofort und kurzfristig helfen und den Ruf der Bürgermeister und Landräte aufnehmen, der durchs Land schallt: Rettet die Kommunen?
Können Sie es sich leisten, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sich für die Verwaltungsreform mindestens noch weitere sechs Jahre Zeit zu lassen? Wie sollen die Mehrkosten und die nicht erzielbaren Einsparungen letztlich verkraftet werden?
Wird die Landesregierung an die Nöte der Kommunen denken, wenn es am 19. Dezember 2003 im Vermittlungsausschuss auch um die Gemeindefinanzen geht, Herr Minister?
Ich wünsche mir den reformerischen Geist der alten Preußen, die dem Land vor 200 Jahren mit ihren Reformen einen Entwicklungsschub gegeben haben. Die ehemalige preußische Provinz Sachsen ist ja das Kernland unseres heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Aber wo sind heute die reformerischen Preußen mit den Visionen und dem langen Atem für die Zukunftssicherung unseres Bundeslandes? Bisher kann ich sie auf der Regierungsseite leider nicht - vielleicht noch nicht - erkennen. Auch Saarländer könnten eigentlich gute Preußen sein, wenn sie sich ein bisschen Mühe gäben.
Gemessen an den Wahlversprechen und den sich zuspitzenden, finanziell bedingten Erstarrungen in unseren Kommunen, sollte die Landesregierung den Kommunen endlich wieder eine Perspektive geben. Verweisen Sie nicht auf Berlin; auch dort kann man vieles kritisch anmahnen. Ich sagte es: Über Jahrzehnte ist dort Falsches geleistet worden. Aber zuvörderst steht das Land in der Verantwortung für die Kommunen in Sachsen-Anhalt und hier ist diese Verantwortung einzufordern.
Danke, Herr Abgeordneter Dr. Polte. Würden Sie noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Köck beantworten?
Eine lustige Frage. Sie hatten auf die Zeit vor 195 Jahren und auf den preußischen König verwiesen. Von wem und wie alt ist, glauben Sie, folgender Ausspruch:
„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein, die Staatskasse aufgefüllt werden, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Leute müssen lernen zu arbeiten, anstatt auf öffentliche Rechnung zu leben.“
- Cicero also. Das ist wohl wahr. Aber wir haben hier eine ganz konkrete Verantwortung und dieser müssen wir uns stellen. Deswegen gehen wir in die Bütt. - Danke.
Jetzt kehren wir in die Gegenwart zurück. Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Lukowitz für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich komme tatsächlich wieder in die Gegenwart zurück. Wir haben von allen Seiten zur Kenntnis genommen, dass uns die kommunalen Finanzen große Probleme bereiten. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass es ein sehr schwieriges und komplexes Thema ist, das alle drei Staatsebenen berührt, die Bundesebene, die Landesebene und die kommunale Ebene.
Ich möchte nach dem Verlauf der Debatte eigentlich nur auf drei Punkte eingehen. Ich möchte auch nicht nach dem Verfahren „Haltet den Dieb“ vorgehen, sondern ich möchte mit Ihnen gern über unsere Vorstellungen reden.
Es ist inzwischen allen klar geworden, dass die Kommunalfinanzen in Deutschland in das schwierigste Fahrwasser seit Jahrzehnten geraten sind. Wir rechnen heute mit einer Rekordverschuldung der Kommunen deutschland
Wir stellen fest, dass die Grundsicherungspflichten teilweise gefährdet sind, dass die freiwilligen Leistungen noch viel mehr gefährdet sind und dass wir diese Probleme besonders im Osten, aber auch im Westen zu verzeichnen haben. Deshalb ist es richtig - ich möchte das unterstützen -, dass die Kommunalfinanzen ein Problem in Deutschland insgesamt sind, nicht nur im Osten oder im Land Sachsen-Anhalt.
Deswegen muss man sagen, auch wenn ich nicht in Richtung Berlin treten möchte, dass eine Gemeindefinanzreform schon längst fällig gewesen wäre. Die Bundesregierung schiebt seit Jahren diesen Dauerbrenner mit vielen Ankündigungen und Kommissionen vor sich her. Jetzt ist dieser Dauerbrenner zur Zeitbombe geworden. Wir sind gegenwärtig dabei, diese Zeitbombe zu entschärfen. Deshalb richten sich meiner Auffassung nach die Proteste der kommunalen Gebietskörperschaften in erster Linie via Berlin, meine Damen und Herren.
Eine umfassende Gemeindefinanzreform ist bitter nötig. Das ist auch von vielen Vorrednern festgestellt worden. Es gibt eigene Vorschläge der FDP, auf die ich hinweisen möchte, weil Herr Gallert, der jetzt leider nicht anwesend ist, immer fragt: Wie wollt ihr eigentlich die Situation lösen?
Ich will nur kurz darauf eingehen. Wir wollen die Gewerbesteuer, die sich überlebt hat, rigoros abschaffen und sie nicht revitalisieren, wie es die Bundesregierung vorsieht. Wir wollen stattdessen ein Zweisäulensystem einführen, nämlich eine wesentlich stärkere Umsatzsteuerbeteiligung der Gemeinden plus ein Zuschlagsrecht der Kommunen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Ich glaube, die Frage ist so gestellt worden. Das ist vom Grunde her die Strategie, die die FDP zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen fährt. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass dies politisch im Augenblick nicht umsetzbar ist.
Wir wissen, dass diese wichtige Reform, die nach vorn zeigen würde, im Moment nicht durchzusetzen ist. Wir brauchen sofort und schnell ein Lösung. Deshalb treten wir für ein Sofortprogramm ein.