Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Auch inhaltliche Aspekte sprechen für eine Ablehnung. Was den Qualitätsanspruch von Schulen ausmacht, die inhaltliche Entwicklung von Schulen - ich nenne nur das Stichwort Schulprogramme -, das Angebotsspektrum von Unterrichtsfächern und darüber hinaus - über all diese Probleme haben wir uns schon ausgetauscht.

Verehrte Anwesende! Eine Hinauszögerung der Planung würde den derzeitigen Prozess verlängern. Die Unruhe würde sich noch erhöhen. Wir kommen an der demografischen Entwicklung nun einmal nicht vorbei. Eine noch länger andauernde Unsicherheit würde die Schulen noch mehr lähmen und erst recht eine qualifizierte inhaltliche Arbeit behindern.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, den Prozess der Umsetzung der Planung intensiv fachlich zu begleiten. Der Minister sagte bereits, dass er eine Arbeitsgruppe gebildet hat, die dies tun wird, sodass Härten gemindert und Transportwege optimiert werden und auch das Organisatorische ausreichend vorbereitet werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Frau Abgeordnete Feußner. - Damit ist die Debatte beendet und wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/1195 ein. Wir stimmen über die Emp

fehlung des Ausschusses ab, den Gesetzentwurf in der Drs. 4/1071 abzulehnen. Wer dem folgt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion abgelehnt.

Es wurde in der Debatte schon darauf hingewiesen, dass sich eine Abstimmung über den Entschließungsantrag erübrigt, da er untrennbar mit dem Gesetz verbunden ist.

Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 4 und kommen zu Tagesordnungspunkt 5. Daran wird sich die Fragestunde, Tagesordnungspunkt 6, anschließen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Beratung

Referendum zur EU-Verfassung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/861

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/885

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung - Drs. 4/1193

Die erste Beratung fand in der 24. Sitzung des Landtages am 4. Juli 2003 statt. Berichterstatter wird der Abgeordnete Herr Stahlknecht sein. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag und der Änderungsantrag sind in der 24. Landtagssitzung am 4. Juli 2003 federführend in den Ausschuss für Recht und Verfassung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen worden.

Der Ausschuss für Recht und Verfassung hat in seiner Sitzung am 4. September 2003 beschlossen, den Änderungsantrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Mit 7 : 5 : 0 Stimmen stimmte der Ausschuss dem Antrag der Fraktion der PDS zu.

Der mitberatende Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten hat sich in seiner Sitzung am 6. November 2003 mit der vorläufigen Beschlussempfehlung befasst und diese bei 4 : 7 : 0 Stimmen abgelehnt.

Daraufhin hat sich der Ausschuss für Recht und Verfassung in seiner Sitzung am 12. November 2003 erneut mit dem Antrag, mit dem Änderungsantrag und mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten befasst und die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung mit 7 : 4 : 0 Stimmen verabschiedet.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich danke, Herr Stahlknecht, für die Berichterstattung. - Wir treten jetzt in eine Debatte mit zehn Minuten Redezeit je Fraktion ein. Als erster Debattenredner wird der

Abgeordnete Herr Tögel für die SPD-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz klar: Die SPD ist für plebiszitäre Elemente im Grundgesetz, aber dies nicht nur von Fall zu Fall, sondern grundsätzlich und für alle Fälle, die sozusagen in verfassungsrechtliche Bereiche gehen, also nicht nur für einen einzelnen Gesetzentwurf wie diesen zum Vertrag über eine europäische Verfassung.

Es kann eigentlich nur das fehlende Wahlkampfthema der FDP in Bund und Ländern für die Europawahl im nächsten Jahr sein. Allerdings ist mir das als Motivation für die Aktion, die Sie im Bundestag und in den Landtagen, in denen Sie vertreten sind, eingeleitet haben, etwas zu wenig.

In diesem Zusammenhang ist Ihnen in Sachsen-Anhalt die PDS zuvorgekommen. Anderenfalls wäre ich davon ausgegangen, dass die FDP auch ihren eigenen Antrag eingebracht hätte.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das geht doch gar nicht!)

Wie Sie wissen, findet heute, morgen und übermorgen in Brüssel die Regierungskonferenz statt. Ihr Ergebnis ist völlig offen. Die letzten DPA-Meldungen gehen davon aus, dass sich die Regierungskonferenz auf Anfang nächsten Jahres vertagt, um dann noch einen Kompromiss vor allem in der schwierigen Frage der Stimmengewichtung im Rat zu finden. Ich persönlich hoffe auf ein Ergebnis zumindest im nächsten Jahr, besser allerdings noch an diesem Wochenende, welches möglichst wenig vom Konventsentwurf abweicht.

Was spricht nun gegen ein Referendum? In Deutschland gibt es dazu keinerlei Erfahrungen, jedenfalls nicht auf Bundesebene. Wir wissen überhaupt nicht, was passiert, wenn große gesellschaftliche Gruppen Kampagnen gegen einen Verfassungsvertrag oder gegen diese Verfassung für Europa starten würden.

Es gibt ja verschiedene Änderungswünsche. Sie betreffen beispielsweise den Gottesbezug in der Präambel oder die militärische Option. Eine Kumulation von gesellschaftlichen Gruppen, die aus partiellen Interessen dazu auffordern, gegen den Vertrag zu stimmen, würde unter Umständen dazu führen, dass dieser Vertrag abgelehnt würde, und das wäre für Europa schlecht und für Deutschland eine Blamage.

Ich frage auch einmal unter Kollegen: Wer kennt eigentlich den Text und kann beurteilen, ob er gut oder schlecht ist? Ich habe ein Exemplar mitgebracht. Das sind 350, genau 353 Seiten Verfassungsentwurf. Hierüber mit Ja oder Nein zu befinden halte ich persönlich für außerordentlich schwierig.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn es zu einer Volksabstimmung käme, müsste die Frage eigentlich lauten: Wollen Sie eine funktionierende EU oder wollen Sie sie nicht? Diese Frage kann man mit Ja oder Nein beantworten, aber eine Abstimmung über einen Verfassungstext dieser Komplexität ist nach meinem Dafürhalten nicht möglich.

Wir haben in Deutschland - Herr Stahlknecht hat das in seiner Rede bei der Einbringung des Antrags schon gesagt - eine funktionierende parlamentarische Demokra

tie. Bundestag und Bundesrat waren mit Vertretern am Verfassungskonvent beteiligt und müssen mit einer Zweidrittelmehrheit dem Verfassungsvertrag für Deutschland zustimmen. Ich denke, das ist eine sehr gute demokratische Legitimation. Das Scheitern, das ich für verheerend hielte, ist dann aus meiner Sicht relativ ausgeschlossen.

Nachdem Herr Stoiber im bayerischen Landtagswahlkampf ebenfalls ein Referendum gefordert hatte, was scheinbar die Idee für die FDP war, dieses in die Kampagnen für die Europawahlen aufzunehmen, ist die CSU wieder davon abgerückt; denn selbst im Bundestag hat die CSU gegen den Antrag gestimmt, und Herr Stoiber ist sehr zurückhaltend damit umgegangen, nachdem klar war, dass er dafür innerhalb der Unionsparteien kein Mehrheit finden wird.

Ausnahmsweise empfehle ich Ihnen einmal: Nehmen Sie sich die CSU zum Vorbild.

(Herr Kosmehl, FDP: Das machen wir!)

Rücken Sie ab von Ihrer Idee, ein Referendum durchzuführen. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung zuzustimmen. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Tögel. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Borgwardt reden. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tögel, ich darf Ihnen erst einmal ein Kompliment machen. Wenn ich mich nicht selbst ausgiebig vorbereitet hätte, dann könnte ich Ihren Diskussionsbeitrag inhaltlich voll mittragen.

Mit dem Antrag der PDS-Fraktion haben wir heute Abend zu später Stunde über einen Sachverhalt zu entscheiden, über den mittlerweile im Deutschen Bundestag abschließend beraten wurde. Trotz der ganz offensichtlich eingetretenen Erledigung der Sache möchte ich in Ergänzung zum Kollegen Stahlknecht kurz die Auffassung der CDU-Fraktion darstellen.

Sofern sich die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten überhaupt noch auf einen Vertragstext einigen, steht im nächsten Jahr die Ratifizierung der Verfassung der Europäischen Union durch die Mitgliedstaaten an. Die Entscheidung über die Annahme einer Verfassung ist nach der Auffassung der Fraktion der PDS und der FDP die grundlegendste aller Entscheidungen. Da die Europäische Union nicht mehr nur eine Union der Staaten, sondern auch eine Union der Bürger sein will, muss den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, sich im Wege eines Volksentscheids zu dem Verfassungstext zu bekennen. - So zumindest die von uns wahrgenommene Argumentation der PDS und der FDP.

Dazu soll nun in Artikel 23 des Grundgesetzes ein Absatz eingefügt werden, mit dem geregelt wird, dass für die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zur Einführung einer europäischen Verfassung die Zustimmung durch Volksentscheide notwendig ist.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Für die CDUFraktion ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die im Antrag der PDS-Fraktion in der Drs. 4/861 erwähnte Initiative der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag

bereits in den Ausschussberatungen in Berlin von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU - Herr Tögel hat das schon erwähnt - und des Bündnis 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP abgelehnt wurde.

So hat beispielsweise der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages über die FDP-Initiative in seiner 30. Sitzung am 5. November dieses Jahres abschließend beraten und den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion abgelehnt. Der Deutsche Bundestag ist der Ausschussempfehlung vor kurzem gefolgt. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn wir in Kürze über die Anträge der Fraktionen von SPD und PDS befinden. Die notwendige Verfassungsänderung würde allein schon am Deutschen Bundestag scheitern.

Die PDS und die FDP fordern also ein Referendum über die europäische Verfassung. Mein Kollege Kosmehl von der FDP-Fraktion wird sich sicherlich nachher eingehend dazu äußern.

(Herr Kosmehl, FDP: Sehr gern!)

Herr Kosmehl, Sie stehen mit dieser Aufforderung - das sage ich ganz offen - vielleicht im Lichte der Öffentlichkeit sicher nicht ganz allein da. Sie sollten sich aber ernsthaft fragen, ob Sie und Ihre Partei nur dann eine große Bürgerpartei werden, wenn Sie bei dieser Frage um jeden Preis dem Zeitgeist folgen. Herr Kollege, ich glaube, wohl kaum.