Auch der heute vorliegende Gesetzentwurf ist nicht zu akzeptieren, weil er genau diesen Strohhalm zerbricht.
Die Gründe für die Überschuldung vieler Haushalte ist so mannigfaltig wie das Leben. Die einen rutschen durch eigene Unerfahrenheit oder Sorglosigkeit in die Schuldenfalle, andere bleiben auf offenen Rechnungen sitzen. Kommen dann Mahn- oder Vollstreckungsbescheide ins Haus, scheint für viele die Situation ausweglos. Dann brauchen sie Menschen, die ihnen helfen - aber nicht nur beim Ausfüllen der Formulare für ein Insolvenzverfahren; vielmehr brauchen sie zunächst sozialpädagogische Hilfe, um letztlich bereit zu sein, dieses Verfahren, das für sie zunächst sehr kompliziert und langwierig erscheint, anzunehmen und bis zum Abschluss durchzustehen.
Aus diesem Grund war im ursprünglichen Gesetz zur Ausführung der Insolvenzordnung festgeschrieben, dass die Beratung ein Angebot zu psychosozialer Begleitung und pädagogischen Maßnahmen einschließen kann - eine für alle Beteiligten sehr sinnvolle Möglichkeit.
Das Angebot der psychosozialen und pädagogischen Begleitung darf nunmehr nicht mehr in den Insolvenzberatungsstellen unterbreitet werden. Der entsprechende Passus wurde im vorliegenden Gesetzentwurf ersatzlos gestrichen. Warum - so frage ich mich - bleiben dann nach wie vor die Anerkennungsvoraussetzungen an die Berufsbilder von beratend tätigen Personen bestehen, wie zum Beispiel von Diplom-Sozialpädagoginnen oder auch von Diplom-Sozialarbeiterinnen? Für Beratungskräfte, die keine sozialpädagogische Ausbildung haben, ist nach wie vor eine Zusatzqualifikation erforderlich.
Weiterhin soll die Möglichkeit gestrichen werden, dass die betroffenen Personen auf Wunsch auch im gerichtlichen Verfahren von den Mitarbeitern beraten und vertreten werden können. Viele Schuldner werden das gerichtliche Verfahren dann nicht mehr durchführen wollen, weil sie dazu allein einfach nicht in der Lage sind.
Der vorliegende Gesetzentwurf kann nicht losgelöst von der im Entwurf vorliegenden Änderung der Ausführungsverordnung zur Insolvenzordnung gesehen werden; denn erst dann wird das gesamte Ausmaß der Änderungen sichtbar. Bislang bestand die Möglichkeit, bei Bedarf von der Regelung, pro Landkreis und kreisfreier Stadt eine anerkannte Stelle zu finanzieren, abzuweichen - zum Beispiel bei flächenmäßiger Änderung des Landkreises. Da diese Möglichkeit ebenfalls gestrichen wurde, stellt sich die Frage: Was wird nun nach einer Kreisgebietsreform, die von den Koalitionsfraktionen ja nicht mehr abgelehnt wird?
Das größte Problem wird aber die nunmehr geregelte Finanzierung der Beratungsstellen werden. Auch wir sind nicht generell gegen Pauschalierungen, aber sie sollten nur dann Anwendung finden, wenn sie dem tatsächlichen Finanzbedarf entsprechen. Die Festlegung,
die Fallpauschale nur nach der Anzahl der Gläubiger pro Fall auszuzahlen, greift entschieden zu kurz.
Zukünftig sollen die abgebrochenen Beratungen, die Einmalberatungen und die Begleitung im und nach dem gerichtlichen Verfahren oder auch die Begleitung des Zahlplans nach dem außergerichtlichen Vergleich nicht finanziert werden.
Der Herr Ministerpräsident hat verschiedentlich erklärt, dass die Rechtsanwälte, die ebenfalls als geeignete Personen im Insolvenzverfahren anerkannt sind, die Insolvenzverfahren viel billiger bearbeiten könnten. Ich will meinen Berufskollegen nicht zu nahe treten, aber ich bezweifle das.
Wenn man dem folgt, dann würde das bedeuten, dass mehr Schuldner letztlich die Rechtsanwälte aufsuchen sollen, um das Insolvenzverfahren durchführen zu lassen. Die Konsequenz wäre ein erheblicher Anstieg der Kosten für die Prozesskostenhilfe; in den Justizhaushalt sind dafür aber keine höheren Beträge eingestellt. Selbst in der Begründung zu dem Gesetzentwurf geht man davon aus, dass eine Erhöhung der Ausgaben im Justizbereich nicht zu befürchten sei, da aufgrund einer Hemmschwelle die Rechtsanwälte von diesen Schuldnern kaum aufgesucht würden. Vielleicht sollten Sie sich auf eine einheitliche Begründung verständigen.
Ferner muss im Zusammenhang mit der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs die mangelnde Einbeziehung der Verbände, welche die Beratungsstellen vertreten, kritisiert werden. Die Gläubigerkategorien und Fallpauschalen wurden festgelegt, ohne die Verbände zu ihren Erfahrungen anzuhören. Das zeugt von einer erheblichen Missachtung der Arbeit der Verbände.
Um diese Anhörungen nachholen zu können, werden wir der Überweisung des Gesetzentwurfs an den von Ihnen vorgeschlagenen Ausschuss zustimmen. Wir beantragen jedoch zusätzlich eine Überweisung an den Ausschuss für Recht und Verfassung, um die Frage, ob Auswirkungen auf den Justizhaushalt zu befürchten sind, zu klären. Den Intentionen dieses Gesetzentwurfs können wir jedoch nicht folgen. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist offensichtlich unstrittig, dass es überschuldete Menschen gibt, die der Beratung und Hilfe bedürfen und diese auch in Anspruch nehmen. Um die Umstellung der Förderpraxis besser bewerten zu können, habe ich in den letzten Tagen mit Trägern von Beratungsstellen und Beratern selbst mehrere Gespräche geführt. Die grundsätzliche Reaktion reichte von Ablehnung bis Befürwortung.
Die bisherige Förderpraxis der pauschalen Erstattung von Personal- und Sachkosten bot keine Anreize zur Steigerung von Qualität und Effizienz der Beratung. Das sehen auch die Befürworter so. Nach der für das Jahr 2002 vorliegenden Statistik differiert die Anzahl der in
den insgesamt 29 Beratungsstellen abgeschlossenen Fälle zwischen drei in Gardelegen und 67 in Quedlinburg. In den großen Städten mit mehreren Stellen geht die Zahl deutlich darüber hinaus.
Einige Fragen werden in der Diskussion in den Ausschüssen jedoch näher zu betrachten sein, die ich aufgrund der Kürze der Redezeit nur kurz anreißen kann. Durch die Einführung der Fallpauschalen entsteht den Beratungsstellen ein Defizit an Fördermitteln von ca. 50 % pro Beratungskraft. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass künftig vorrangig Fälle bearbeitet werden, die einen zügigen Abschluss erwarten lassen.
Allein daraus ergeben sich für die Beratungsstellen mehrere Fragen, so zum Beispiel diese: Können künftig Erstberatungen berücksichtigt werden, aus denen sich überhaupt erst ergibt, ob eine Aussicht auf Abschluss besteht? Was wird aus den Fällen, die aus den unterschiedlichsten Gründen - meine Vorrednerin hat darauf hingewiesen - abgebrochen werden? Diese machen bei einigen Beratungsstellen einen Anteil von ca. 11 % aus. Die Klärung solcher Einzelfragen bleibt zwar einer Rechtsverordnung vorbehalten, diese Fragen werden in den Ausschussberatungen und der zu erwartenden Anhörung dazu aber sicherlich wieder aufgerufen werden.
Zu den Einzelheiten des vorliegenden Artikelgesetzes. Zu § 2 ist vorgesehen, die bisher enthaltende psychosoziale Beratung zu streichen. Sie findet in der Praxis zwar tatsächlich statt, weil in den Beratungsstellen in der Regel auch Beratung nach dem BSHG als Aufgabe der Landkreise durchgeführt wird, es ist aber eigentlich nicht Aufgabe dieses Gesetzes, dies zu regeln.
Die substanzielle Veränderung erfolgt mit der vorgesehenen Rechtsverordnung in § 5. Darauf bin ich schon eingegangen.
Im Namen der FDP-Fraktion beantrage ich eine Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Recht und Verfassung zur Mitberatung.
Danke, Herr Abgeordneter Rauls. - Für die SPD wird die Abgeordnete Frau Grimm-Benne sprechen. Doch zuvor habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler des Rathenau-Gymnasiums Bitterfeld bei uns zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist der zweite Akt der Haushalts- und Sozialpolitik der Landesregierung. Den ersten Akt durften wir bei der Verabschiedung des Haushalts 2004 erleben, der zum Abbau von Schuldnerberatungsmöglichkeiten im Land führen wird.
Dabei zeigt gerade die Entwicklung der vergangenen Jahre, dass ein rapider Anstieg der Verbraucherinsolvenzverfahren zu verzeichnen ist und ein Mehrbedarf an Beratung besteht. Gerade der Anteil der Jugendlichen steigt dramatisch an. Bereits jeder zehnte Jugendliche in
Sachsen-Anhalt ist verschuldet. Diesen jungen Menschen muss eine Beratung gewährleistet werden, um eine Chance für den Start in ihr Leben zu haben.
Zur Lösung der steigenden Schuldenproblematik muss sicherlich zum einen im Vorfeld etwas geleistet werden. Damit meine ich, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um gerade den Jugendlichen den Umgang mit Geld zu vermitteln.
Zum anderen muss aber auch Schuldnerberatung für die Menschen gewährleistet werden, die sich bereits in schwierigen finanziellen Situationen befinden. Dazu kann nur der Ausbau einer qualifizierten Schuldnerberatung beitragen und nicht die Kürzung der Mittel und der Möglichkeiten.
Schon mit den bisher bestehenden Kapazitäten ist es schwierig, die überschuldeten Menschen zu beraten. Dieser Gesetzentwurf wird die Situation im Land verschärfen. Beispielsweise werden sich die Wartezeiten für eine Beratung sichtlich verlängern.
Es gibt bereits Studien für das Land Berlin, die belegen, dass das Land Einsparungen allein durch die Tätigkeit von Schuldnerberatungsstellen hat. Durch eine außergerichtliche Einigung werden Kosten für die Insolvenzgerichtsverfahren vermieden.
In der Begründung zum vorgelegten Gesetzentwurf wird darauf verwiesen, dass mit einem Anstieg der Ausgaben im Bereich der Justiz nicht zu rechnen sei, da bei den Personen, die Beratungshilfe erhalten, eine Hemmschwelle bestehe, Anwälte aufzusuchen. Es geht hierbei jedoch nicht nur um eine Hemmschwelle bei den Betroffenen, sondern um die Frage, dass es praktisch kaum Anwälte geben wird, die sich dieser Fälle annehmen werden. Theoretisch ist es sicherlich richtig, dass die verschuldeten Personen zu Anwälten gehen können. Das entspricht aber nicht der Realität.
Es gibt zum einen in Deutschland kaum Anwälte, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben, zum anderen handelt es sich bei den Schuldnern, die eine Beratungsstelle aufsuchen, um Beratungshilfefälle. Diese Beratungshilfe deckt bei weitem nicht die Kosten, die dem Anwalt entstehen.
Für die Beratung zur Herbeiführung einer außergerichtlichen Einigung würde der Anwalt 46 € erhalten, führt er Gespräche und Besprechungen mit den Gläubigern, erhält er 224 €. Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege hat errechnet, dass der Schuldnerberatungsstelle Kosten in Höhe von 500 € entstehen würden. Der Anwalt würde also weniger als die Hälfte der entstandenen Kosten ersetzt bekommen. Was das für die Praxis bedeutet, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Es werden sich kaum Anwälte finden, die Insolvenzverfahren betreiben werden.
Aufgrund der Kürzung der finanziellen Mittel wird die Schuldnerberatung in Sachsen-Anhalt eingeschränkt und die verschuldeten Personen werden dadurch in das gerichtliche Verfahren gedrängt. Dadurch entstehen wiederum neue Probleme. Die Zahl der Verfahren bei den Insolvenzgerichten wird drastisch ansteigen und somit auch die dafür erforderlichen Kosten im Rahmen des Justizhaushaltes, zum Beispiel auch die Kosten für die Prozesskostenhilfe, ansteigen lassen.
Die beabsichtigte Änderung der Insolvenzordnung auf Bundesebene ist im Gesetzentwurf überhaupt nicht berücksichtigt worden. Die beabsichtigte Änderung der Insolvenzordnung auf Bundesebene versucht gerade das
zu vermeiden und dem entgegenzuwirken. Das Schwergewicht wird auf die vorgerichtliche Einigung gelegt. Es ist doch widersinnig, dass wir im Land Sachsen-Anhalt diesem Trend entgegenwirken.
Wir werden einer Überweisung in den Ausschuss und Gesundheit und Soziales federführend und in die Ausschüsse für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport sowie Recht und Verfassung als mitberatende Ausschüsse zustimmen. Dort werden wir sicherlich Gelegenheit haben, über einzelne Fragen des Gesetzentwurfes zu diskutieren. Insbesondere ist die Frage des InKraft-Tretens des Gesetzes zu klären, denn das Gesetz soll rückwirkend in Kraft treten.
Wir werden in den Ausschüssen auch eine Anhörung, insbesondere der Liga der Wohlfahrtsverbände, beantragen, die seit Mai letzten Jahres versucht, Einfluss auf diesen Gesetzentwurf zu nehmen. Bisher ist kein einziger Vorschlag der Liga der Wohlfahrtsverbände im Gesetzentwurf berücksichtigt worden. - Ich danke Ihnen.
Ich danke Ihnen, Frau Grimm-Benne. - Für die CDUFraktion wird der Abgeordnete Herr Stahlknecht sprechen. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung der Verbraucherinsolvenz ist - darin stimmen wir mit der SPD und der PDS überein - mit Sicherheit einer der wichtigsten gesetzgeberischen Schritte der letzten Jahre gewesen, wichtig deshalb, weil - wie von Ihnen dargestellt - eine steigende Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern eben nicht nur unter vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten leidet, sondern nicht in der Lage ist, fällige Forderungen langfristig zu begleichen, damit schlichtweg im Haushalt überschuldet ist.
Die Insolvenzberatungsstelle bietet in diesen Fällen die letzte und in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die einzige Möglichkeit, als ersten Schritt ihrer Tätigkeit die materielle Lebensgrundlage dieser überschuldeten Familien sicherzustellen. Sie bietet die einzige Möglichkeit, eine außergerichtliche Einigung durch Schuldenverzicht herbeizuführen.
Nach der jetzigen Förderpraxis wird eine jährliche Pauschale für die Erstattung der Personalausgaben sowie ein jährlicher Festbetrag für Sachausgaben gewährt. Diese Förderung, meine Damen und Herren, erfolgt unabhängig von der Dauer der Bearbeitung des Falles, unabhängig von der Effizienz der Beratungstätigkeit und unabhängig vom Erfolg der Beratung.
Das hat zu einer Belastung des Haushalts in der Weise geführt, dass in den Haushalt des Jahres 2003 Mittel in Höhe von 1 147 300 € eingestellt worden sind. Eine Umstellung auf die beabsichtigte fallpauschalierte Förderung führt zu einer Reduzierung des Ansatzes in diesem Haushaltsjahr auf 608 455 €. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Insolvenzberatungsstellen aufgrund der niedrigen Förderung vermutlich mehr Fälle zügiger bearbeiten werden und sich damit auch die Wartezeiten für die betroffenen Familien verkürzen.
Ich möchte das einmal im Fußballjargon formulieren: Die unternehmerische Verantwortung der Beratungsstellen sitzt zurzeit, meine Damen und Herren, auf der Reser