Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

Ich möchte das einmal im Fußballjargon formulieren: Die unternehmerische Verantwortung der Beratungsstellen sitzt zurzeit, meine Damen und Herren, auf der Reser

vebank, weil das Spiel mit der bisherigen Förderpraxis allzu gut für sie läuft. Die unternehmerische Verantwortung der Beratungsstellen wird aber in das Spiel eingewechselt, wenn ein fallbezogenes Fördersystem zu konstatieren ist.

Dieses unternehmerische Denken brauchen wir für die Reformierung des Staatswesens so dringend. Daher ist es wichtig, dass es bei den Beratungsstellen endlich eingeführt wird.

Abschließend - Frau Grimm-Benne, Sie haben es bereits vorgetragen - will ich erwähnen, dass eine Belastung des Justizhaushaltes mit Sicherheit nicht in Betracht kommen wird, weil es für die Anwälte einerseits keine lukrative Tätigkeit ist und andererseits für die betroffenen Familien der Rechtsanwalt in psychologischer Hinsicht nicht die richtige Ansprechstelle sein wird. Wir wollen daher den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales federführend und mitberatend in den Ausschuss für Recht und Verfassung überweisen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Stahlknecht. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten ein in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/1314.

Einer Überweisung als solcher wurde nicht widersprochen. Dann kommen wir zur Abstimmung über die jeweiligen Ausschüsse. Folgende Überweisungen wurden vorgeschlagen: Ausschuss für Gesundheit und Soziales, Ausschuss für Finanzen, Ausschuss für Recht und Verfassung und Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport. Wünschen Sie darüber eine getrennte Abstimmung? - Das ist der Fall.

Dann lasse ich über die Überweisung in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales abstimmen. Wer ist für die Überweisung? - Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen.

Wer stimmt der Überweisung in den Ausschuss für Finanzen zu? - Keiner.

Wer stimmt der Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu? - Das ist eine Mehrheit.

Wer stimmt der Überweisung in den Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport zu? - Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist die Überweisung in den Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport abgelehnt worden.

Es wurde die Überweisung in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales federführend vorgeschlagen. Wer ist dafür? - Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales federführend und in den Ausschuss für Recht und Verfassung zur Mitberatung überwiesen worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 8 beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlicher Vorschriften (Fl/GFlH-AG)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1315

Einbringer für die Landesregierung ist der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der hier eingebrachte Entwurf eines Ausführungsgesetzes zum Fleischhygienegesetz und zum Geflügelfleischhygienegesetz enthält im Wesentlichen zwei Regelungsinhalte. Das ist zum einen die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage zur Erhebung von kostendeckenden Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleisch- und Geflügelfleischhygienerecht und zum anderen die Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit für die Ermächtigung der zuständigen Behörden, hoheitliche Aufgabe auf private Dritte zu übertragen.

Das Primat kommt dabei der Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage zur Erhebung von kostendeckenden Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleisch- und Geflügelfleischhygienerecht zu, also für die Durchführung der Schlachttier- und der Fleischuntersuchungen und der Hygienekontrollen.

Nach dem Fleisch- und Geflügelfleischhygienerecht sind gemäß dem Bundesrecht Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen zu erheben. Die kostenpflichtigen Tatbestände sind durch Landesrecht zu bestimmen, wobei die Höhe der Gebühren nach Maßgabe bestimmter EGGebührenrichtlinien zu bemessen ist. Die kostendeckenden Gebühren sind aufgrund der tariflichen Regelungen in den Kommunen und der Lebensverhältnisse in Deutschland höher als die von der Europäischen Kommission vorgegebenen Pauschalgebühren. Die betreffenden Rechtsakte der Europäischen Kommission lassen aber die Abweichung von den Pauschalgebühren zu.

Die derzeit geltenden landesrechtlichen Gebührenregelungen, die das Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt und die darauf gestützte Allgemeine Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt als gesetzliche Regelung zur Grundlage haben und in Teilen auch an das europäische Recht angepasst sind, haben in mehreren Verfahren vor den Gerichten nicht bestehen können.

In dem vorliegenden Entwurf werden der von den Gerichten geforderte Bezug zu den europarechtlichen Gebührenregelungen und die Möglichkeit der Erhebung kostendeckender Gebühren rechtssatzförmig hergestellt sowie die Allgemeine Gebührenordnung in den entsprechenden Kostentarifstellen geändert. Es ist ein rückwirkendes In-Kraft-Treten für noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Gebührenerhebungen seitens der zuständigen Behörden gegenüber den Wirtschaftsbeteiligten vorgesehen.

Dies ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in der Widerspruchsbehörde über 170 Widerspruchsverfahren aus fünf Landkreisen zur Entscheidung vorliegen, zwingend notwendig. Die bei den Landkreisen derzeit anstehenden Forderungen belaufen sich auf über 1,5 Millionen €. Monatlich kommen ca. 30 000 € hinzu, da einige Wirtschaftsbeteiligte keine kostendeckende Gebühr, sondern nur die EG-Pauschalgebühr bezahlen.

Die im Gesetzentwurf angestrebte Rückwirkung steht im Einklang mit den vom Bundesverfassungsgericht zur rückwirkenden In-Kraft-Setzung von Gesetzen entwickelten Anforderungen. Die Betroffenen haben zu keiner Zeit

eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die ein Vertrauen darauf begründet hätte, dass sie nur zu einer nicht kostendeckenden Pauschalgebühr herangezogen würden.

Neben dieser Kernproblematik ist in das Ausführungsgesetz die gesetzliche Möglichkeit zur Ermächtigung der zuständigen Behörden eingebaut, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Kosteneinsparung hoheitliche Untersuchungs- und Kontrollaufgaben auf private Dritte zu übertragen. Dieses Vorhaben entspricht der vorgesehenen Deregulierung von staatlichen Aufgaben und folgt der Intention der Schaffung eines modernen und schlanken Staates. Die Verantwortung der zuständigen Behörde wird durch die Beleihung von privaten Dritten keinesfalls gemindert.

Wenngleich der Bundesgesetzgeber derzeit diese Möglichkeit der Beleihung nicht vorsieht, verfügen die Länder über die Gesetzgebungskompetenz zur Übertragung behördlicher Aufgaben auf Dritte. Dazu existiert eine klare Aussage des Bundes, von der bisher die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht haben. - So weit meine Ausführungen zu den Regelungsinhalten.

Der Gesetzentwurf wurde entsprechend dem Beschluss der Landesregierung vom 9. Dezember 2003 mehreren Verbänden und berufsständischen Organisationen zur Anhörung übergeben. Ausführlich haben sich der Landkreistag und der Landesverband der Tierärzte im öffentlichen Dienst geäußert. Die Hinweise des Landkreistages zu der im Gesetzentwurf enthaltenen Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt, insbesondere der Gebührenobergrenze bei bestimmten Untersuchungsleistungen, wurden nach Prüfung übernommen. Die vom Verband der Tierärzte im öffentlichen Dienst geäußerten Bedenken hinsichtlich der Aufgabenübertragung auf private Dritte werden von uns nicht geteilt.

Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf in den Ausschuss für Finanzen zu überweisen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué)

Danke, Herr Minister. - Eine Debatte ist nicht vereinbart worden. Wünscht dennoch jemand das Wort?

(Herr Czeke, PDS: Ja!)

Herr Abgeordneter Czeke, bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir liegen so gut in der Zeit, dass ich es mir anmaße, ein paar Worte zu sagen. Es geht um Fleischhygiene. Der Sozialminister spricht dazu vonseiten der Landesregierung. - Das ist nun einmal bei uns so geregelt, obwohl Fleisch und die Veterinäre, die es zu untersuchen haben, ansonsten dem Agrarsektor unterstehen. Behandeln tut es dann der Finanzausschuss. - Als praktizierender Landwirt habe ich damit meine Probleme.

Es geht in dem Gesetzentwurf nur um Gebühren. Mir schwant, wer sie als Letzter wieder bezahlen darf. Es ist sicherlich korrekt, dass infolge der Umsetzung europäischen Rechtes in nationales Recht auch Sachsen-Anhalt gefordert ist, allerdings nur im Vollzug. Das ist eindeutig geregelt. Es geht nur um Kosten. Von den 14 Seiten, die

uns als Entwurf vorliegen, enthalten allein sieben Seiten die Gebührentabellen.

Dass wir im Rahmen der Bestellung Dritter, im Wege der Beleihung verfahren können, ist gängige Praxis. Wenn es die Amtsveterinäre in den Landkreisen nicht mehr schaffen, darf man sich eben auch zugelassener Tierärzte bedienen. Damit habe ich auch keine Probleme.

Probleme habe ich insoweit damit, als es um Fleischhygiene geht und eine Rundfunkmeldung gestern besagte, dass zwei Sorten Babynahrung zurückgerufen wurden, weil nicht auf BSE getestetes Rindfleisch im Umlauf war - gerade in Babynahrung. Da BSE auch etwas mit Fleischhygiene zu tun hat, möchte ich das zum Anlass nehmen, hier zu mahnen, dass wir auf nationaler Ebene weiterkommen und endlich ein einheitliches europäisches Recht schaffen. Das ist der Anlass, wegen dem ich mich zu Wort gemeldet habe.

Es kann nicht sein, dass die Bundesrepublik Deutschland BSE-Tests im 24. Monat vorschreibt, es in den Niederlanden aber im 30. Monat gemacht wird,

(Zustimmung von Minister Herrn Kley)

und französisches Rindfleisch, wenn es älter ist als zwei Jahre, in die Niederlande verbracht, dort geschlachtet wird und anschließend EU-einwandfrei auf den bundesdeutschen Tisch gelangt. - Das ist nicht einheitlich.

Der Spaß endet damit, dass im Entwurf steht - das ist in der Begründung nachzulesen -: rückwirkend in Kraft zu setzen am 1. April 1992. Das wird im Ausschuss anzusprechen sein. Ob das verfassungsgemäß ist, vermag ich beim ersten Überfliegen nicht einzuschätzen.

Dass per Verordnung das zuständige Ministerium ermächtigt werden soll, ist ebenfalls problematisch, weil wir als Legislative dann keinerlei Zugriff mehr darauf haben.

Wir sind der Meinung, dass das Thema problematisch ist. In der Presse schwirren Sachen wie „Der Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium erklärt kriminelle Machenschaften bei BSE-Tests.“ - er lässt aber offen, wer der Kriminelle ist - und die „Volksstimme“ schreibt dazu: „Unstimmigkeiten bei BSE-Tests untersucht.“ - Da geht man lapidar drüber weg. Ich zitiere:

„... Bei der Menge von Daten und Zahlen, die dort eingegeben werden, ist es kaum verwunderlich, dass es zu Unstimmigkeiten kommt...“

Das wundert mich aber doch. Wenn ich als Rinderhalter ein Tier in den Rechner eingebe, der in München steht, meldet mir der Rechner, wenn diese Nummer schon vergeben ist, und er sperrt sich dann dagegen. Es ist aber so, dass jeder „Kleine“, der sich irgendwo bei einem landwirtschaftlichen Unternehmen ein Rind hält, nicht bei der Berufsgenossenschaft angemeldet ist und auch kein landwirtschaftliches Unternehmen führt, nicht wissen kann, welchen Gesetzen er unterliegt. Wenn sein Tier zur Schlachtung gelangt, fehlt dann manchmal die Information, dass im Alter von 24 Monaten ein Test vorgeschrieben ist.

Wir befassen uns mit der reinen Theorie, der Festlegung, wer zu kontrollieren hat, und den Gebühren. Mir geht es um mehr. Für meine Fraktion bitte ich darum, dass sich nicht nur der Finanzausschuss, sondern auch der Agrarausschuss damit befasst. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Czeke. - Es gibt jetzt eine weitere Wortmeldung. Der Abgeordnete Herr Hauser hat für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es kurz, aber was gesagt werden muss, muss gesagt werden. Es geht um die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage zur Erhebung von kostendeckenden Gebühren und die Möglichkeit der Aufgabenverlagerung auf Dritte, um 170 Widersprüche in Sachsen-Anhalt, um 1,5 Millionen € jährlich und um 30 000 € monatlich.

Das Thema betrifft aber nicht nur Sachsen-Anhalt. Es betrifft vor allem auch Baden-Württemberg und Bayern. Das ist ein bundesweites Problem. Der Gebührenschock und die gigantische Gebührenerhöhung ist durch die BSE-Krise im November 2000 in Gang gesetzt worden. Es hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Ob das praktikabel war oder nicht, will ich jetzt nicht diskutieren.