Die Folgekosten, die durch ein späteres Eintreffen des Rettungsmittels oder des Arztes entstehen, steigen mit zunehmender Zeit nicht einfach kumulativ, sondern exponentiell. Aus diesem Grund müssen wir den Rettungsdienst modern und effektiv bezüglich der technischen Ausrüstung und der Kosten gestalten. Dabei
muss auch die Qualität stimmen. Ich denke, wir werden darüber im Ausschuss zu gegebener Zeit ausführlich diskutieren. - Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben ein paar Dinge bemühen müssen, um das Ganze auf einen Nenner zu bringen. Die SPD hat Sie in die Bredouille gebracht. Das hätte man relativ kurz fassen können.
Wenn ich das Wort „Rettungsdienst“ höre, meine Damen und Herren, muss ich an eine Episode im Bundestagswahlkampf denken. Die Deutsche Angestelltenkrankenkasse hatte zu einer gesundheitspolitischen Debatte eingeladen. Es war der erste Auftritt des neuen Gesundheitsministers. Sie werden sich sicherlich daran erinnern.
Alle waren gespannt, das ist klar. Die anwesenden Vertreter der Krankenkasse und auch der Rettungsdienstleister nahmen mehr oder weniger erfreut zur Kenntnis, dass der Minister verlautbarte, ein neues Rettungsdienstgesetz sei überfällig; die Vorgängerregierung hätte ewig Ankündigungen gemacht, es wäre nichts passiert und es wäre überhaupt immer so mit dieser Regierung gewesen.
Die Anwesenden nahmen verwundert zur Kenntnis, dass sich die Gesundheitspolitiker und -politikerinnen zwar nicht in bundespolitischen Fragen, aber doch in landespolitischer Hinsicht im Wesentlichen einig waren. Insbesondere im Hinblick auf das Rettungsdienstgesetz gab es einmütige Unterstützung getreu dem sozialdemokratischen Motto „Jetzt geht's los!“.
Ich kann mich gut an die Blicke meines damaligen sozialdemokratischen Nachbarn erinnern und er sich sicherlich auch an die meinigen. Natürlich haben wir uns ehrlichen Herzens gefreut, dass alle Unklarheiten beseitigt zu sein schienen. Wir waren uns sicher, dass jetzt auch die Kommunalpolitiker und -politikerinnen der Koalitionsparteien auf die Tube drücken würden.
Diese haben wiederum etwas mehr Zeit gebraucht, als wir es damals für möglich gehalten hätten, nämlich ungefähr zwei Jahre. Ihre Zustimmung haben mittlerweile Herr Lukowitz im Namen der FDP-Fraktion und Herr Scharf im Namen der CDU-Fraktion erteilt. Nun hat die Opposition wieder ein Problem: Ein Gesetz haben wir immer noch nicht, aber der Schuldige ist uns abhanden gekommen.
Dass die Koalition nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit mit gleicher Stimme spricht, halte ich, ehrlich gesagt, für einen ganz spannenden Vorgang. Die FDP emanzipiert sich. Aber ich persönlich bin bisher davon ausgegangen, dass der Fraktionschef der CDU für die CDU-Fraktion spricht und der Fraktionschef der FDP für FDP-Fraktion.
Die Elefanten kreißten, meine Damen und Herren, aber das Mäuschen des Ministers lässt noch auf sich warten.
Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zeugt von produktiver Ungeduld. Wir - das muss ich an dieser Stelle gestehen - hatten immer noch Tag für Tag an den Minister geglaubt. Aber der war wahrscheinlich mit der Reform der überörtlichen Sozialhilfe überlastet.
Nichtsdestotrotz: Dank der SPD-Fraktion können wir nun auch einmal über die Sache diskutieren. Ich werde jetzt nicht darüber unken, warum es der SPD-Fraktion erst in der Opposition gelungen ist;
denn gestern ist mir die Lösung auf den Tisch gekommen. Offensichtlich hat die SPD ihrem Fraktionschef versprochen, dass in seinem Landkreis die Leitstelle erhalten bleibt.
Meine Damen und Herren! Zur Sache: Den in Gefahr geratenen Bürgerinnen und Bürgern ist es, denke ich, egal, wo die Rettungswache steht, in welcher Rettungsleitstelle der Anruf eingeht und wo der Einsatz koordiniert wird. Ich denke, der Dreh- und Angelpunkt für Menschen in Not ist, wie lange sie auf Hilfe warten müssen - ins Rechtsdeutsch übersetzt: wie lang die Hilfsfrist ist. Deshalb muss diese Hilfsfrist das Maß aller Dinge, also auch das Maß für die Politik sein, das Maß aller Dinge für die Strukturen und ebenso das Maß aller Dinge für die materiellen Ressourcen und für das Personal.
Nun mag es zwar sein, Herr Minister, dass die Frist, wie sie richtig zu deuten ist, von der SPD übernommen wurde. Aber wenn meine Informationen stimmen, dann war in Ihrem Gesetzentwurf, den Sie dem Beirat vorgelegt haben, die Hilfsfrist verkommen zu einem Ermessensspielraum nach dem Motto: kommen oder nicht kommen. Ich denke, dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied. Darüber sollten wir dann reden.
Ich denke, bei diesem Thema ist jede Liberalisierung fehl am Platz. Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD trägt dem Rechnung. Er trägt auch einem zweiten wichtigen Punkt Rechnung: der Qualifikation des Personals. Wir stimmen dahin gehend zu, dass für den ärztlichen Einsatz tatsächlich nur Notärztinnen und Notärzte infrage kommen.
Die Politik kommt dennoch nicht umhin - das haben meine Vorgängerinnen und Vorgänger auch gesagt -, die Frage nach der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit zu stellen. Immerhin ist es nicht das Geld der Krankenkasse, das zur Disposition steht, sondern es ist das Geld der Versicherten.
In den Plädoyers für den Verbleib einer Leitstelle in jedem Landkreis wird in der Regel die Ortskenntnis als Argument angeführt. Ich weise an dieser Stelle nicht alle Bedenken zurück. Bei einer Reihe von Dingen sind wir uns sicherlich auch einig. Ich sage aber auch meine persönliche Meinung. Ich denke, im Zeitalter der Navigationssysteme dürfte es eine lösbare Aufgabe sein, die Rettungswagen - diese sind dann entscheidend - und die dann weiter entfernt liegenden Leitstellen mit der nötigen Navigationstechnik auszustatten.
Wenn die Leitstelle ohnehin 100 km entfernt ist, kann ich persönlich kein Argument erkennen, das gegen eine einzige Leitstelle sprechen sollte, wohlgemerkt: in kommunaler Trägerschaft - nach der Regel, dass Reformschritte möglichst immer in homöopathischen Dosen verabreicht werden sollen.
Ich nehme zu den einzelnen Punkten nicht weiter Stellung. Ich habe schon gesagt, dass unsere Auffassungen nicht sehr weit auseinander gehen werden. Ich begrüße den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Wir werden der Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales zustimmen. Insbesondere habe ich viel Sympathie für den goldenen Zügel im Sinne einer Verhandlungslösung im Entwurf der SPD-Fraktion. Die Krankenkassen sind mit im Boot. Überlegenswert wäre es vielleicht, auch die Leistungsanbieter mit ins Boot zu nehmen.
Alles in allem: Die SPD-Fraktion hat einen akzeptablen Vorschlag unterbreitet. Ebenso akzeptabel fände ich es, wenn die Landesregierung kurz vor ihrer Halbzeitbilanz auch einmal aus dem Knick käme.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die SPD-Fraktion beglückt den Landtag von Sachsen-Anhalt mit einem Entwurf für eine Neufassung des Rettungsdienstgesetzes. Ich habe den Eindruck gewonnen, es geht Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, um Populismus und Effekthascherei.
Sie titeln Ihre Pressemitteilung vom 17. Dezember 2003 - sie ist heute bereits erwähnt worden - wie folgt: „SPD bringt Entwurf für neues Rettungsdienstgesetz in den Landtag ein und reagiert damit auf die anhaltende Untätigkeit der Landesregierung“. Der Titel entlarvt Sie; denn Sie kritisieren sich damit selbst.
In den acht Jahren Ihrer Regierungsverantwortung von 1994 bis 2002 haben Sie den unbestrittenen Novellierungsbedarf ignoriert und nichts getan.
Es wurden Gutachten bei namhaften Beratungsunternehmen in Auftrag gegeben, gelesen, die Ergebnisse und Empfehlungen als politisch unerwünscht deklariert und in den Schubladen versenkt.
Meine Damen und Herren! Es ist aus parlamentarischer Sicht begrüßenswert, wenn nun auch die SPD-Fraktion gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht und sich in die Diskussion einbringen möchte; denn das Rettungswesen ist ein sehr wichtiges Thema, über das - da es in der Konsequenz um die Gesundheit unserer Bevölkerung geht - mit der nötigen Gelassenheit, Objektivität und Weitsicht diskutiert werden sollte.
Hinsichtlich der dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Zielvorstellung sehe ich im Übrigen überhaupt keinen Dissens zwischen den Fraktionen; denn oberste Priorität hat die Absicherung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten medizinischen Versorgung bei einem Unfall oder bei einem akuten Krankheitsgeschehen am jeweiligen Einsatzort. Dafür brauchen wir qualifiziertes medizinisches Assistenzpersonal und Notärzte. Im Anschluss an die Erstbehandlung vor Ort muss der Transport in ein nahe gelegenes Krankenhaus oder in ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung unter medizinischer Aufsicht sichergestellt sein.
Auf dem Weg zur Erreichung dieser Zielkoordinaten wird sich sehr schnell herausstellen, an welchen Stellen die Koalition andere Auffassungen hat. Im Übrigen - damit komme ich wieder zurück auf die Stichworte Gelassenheit, Objektivität und Weitsicht - werden wir uns als Koalition bei dieser Frage keinesfalls von der SPD-Fraktion wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf treiben lassen. Wir haben uns vorgenommen, das Rettungsdienstgesetz zu novellieren. Wir werden es auch tun, meine Damen und Herren.
Ich kann nicht auf alle Regelungsinhalte im Detail eingehen. Ich möchte aber doch an der einen oder anderen Stelle aufzeigen, wo der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion seinem Anspruch, den ich ihm natürlich auch unterstelle, nicht gerecht wird.
Sie tönen in Ihrer eingangs erwähnten Pressemitteilung, dass die Hilfsfristen nicht angetastet werden und in der bisherigen Form Bestandteil des neuen Gesetzes bleiben sollen. Sie verschweigen aber in Ihrer Information für die breite Öffentlichkeit, dass Sie durch Ihre Neuformulierung des § 7 faktisch drei Minuten draufschlagen, da die Zeit vom Ende des Meldegesprächs bis zum Eintreffen gemessen wird, und nicht wie im gültigen Gesetz ab dem Eingang der Notfallmeldung bei der Leitstelle.
Der Minister sprach in Bezug auf Ihren Entwurf schon davon, dass Sie von dem Referentenentwurf abgeschrieben haben, über den im Landesbeirat für den Rettungsdienst diskutiert wurde. Ich frage mich an dieser Stelle auch, ob Sie den Überblick über Ihre Vorlagen verloren haben und versehentlich vom falschen Blatt abgeschrieben haben.
Ein anderer höchst bemerkenswerter Punkt ist die Neugestaltung der Rettungsdienstbereiche und die Reduzierung der Zahl der Leitstellen. Das ist im Übrigen ein Punkt, den auch wir für wichtig halten. Gemäß § 3 bleiben die Träger des Rettungsdienstes wie bisher die Landkreise und die kreisfreien Städte, welche diese Aufgabe im eigenen Wirkungskreis wahrnehmen.
Allerdings sollen gemäß § 4 bei einem zwingendem öffentlichen Bedürfnis das MS und das MI durch Verordnung zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit zwingend eingreifen. Diese Begriffe sind einfach zu unklar und weisen ein hohes Maß an Unverbindlichkeit auf, mit dem Ergebnis, dass die Neugestaltung der Rettungsdienstbereiche und die Reduzierung der Zahl der Leitstellen im Unklaren bleibt.
Im Kontrast zu dem eben Gesagten finde ich allerdings auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit Ihrem Entwurf. Beispielhaft sind folgende Stichworte zu nennen: die integrierte Leitstelle, die Vertragsdauer für Leistungserbringer von maximal sechs Jahren, die Schiedsstellenverfahren und der Landesplan.
Ich ziehe mein Fazit: Der Entwurf der SPD-Fraktion ist sicherlich diskussionswürdig, er bleibt aber weit hinter den Ankündigungen zurück. Wir werden einen besseren vorlegen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren! Wir werden natürlich einer Überweisung an die entsprechenden Ausschüsse zustimmen.