Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

troffen, da die Verfahren auf Antrag der Beschwerdeführer ruhen, bis das vorzuschaltende verwaltungsgerichtliche Verfahren abgeschlossen ist.

Ich danke Ihnen und bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Frau Abgeordnete Röder, für die Berichterstattung. - Eine Debatte ist nicht vorgesehen worden. Somit treten wir in das Abstimmungsverfahren ein. Zunächst geht es um die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung in der Drs. 4/1335. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses einstimmig angenommen worden.

Wir treten dann in die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung in der Drs. 4/1336 ein. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Auch diese Beschlussempfehlung ist angenommen worden. Somit können wir den Tagesordnungspunkt 11 verlassen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Maßnahmen der Landesregierung zur Stabilisierung und Bestandserhaltung von Unternehmen

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1298

Einbringer für die PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Dr. Thiel. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl viele Konjunkturprognosen, die Ende des vergangenen Jahres abgegeben wurden, von einem, wenn auch bescheidenen, Aufschwung in diesem Jahr ausgehen, sind die Unternehmen in Sachsen-Anhalt in der Mehrzahl mit skeptischen Erwartungen ins neue Jahr gegangen.

Betrachtet man die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr, dann stellt man fest, dass für unser Land unter dem Strich voraussichtlich nicht mehr als ein Nullwachstum herauskommt. Die einzigen Bundesländer mit einem nennenswerten Wachstum sind Sachsen mit etwa 1,4 % und Thüringen mit etwa 0,8 %. Die Lage in Sachsen-Anhalt wird also weiterhin von Stagnation gekennzeichnet sein.

Die Aussichten sind genauso gut oder genauso schlecht wie vor einem Jahr. Ein notwendiges Wirtschaftswachstum von mindestens 1 bis 2 % pro Jahr liegt damit noch in weiter Ferne. Von einer wirtschaftlichen Erholung kann daher also keine Rede sein. Im Gegenteil. Es sieht so aus, als ob sich die negativen Trends im Handel, im Baugewerbe und im Dienstleistungssektor weiter fortsetzen werden und damit auch die positiven und stabilen Entwicklungstendenzen in der Industrie, die immer noch einen zu geringen Anteil an der Gesamtwirtschaft des Landes hat, überdeckt werden.

Diese schwierige wirtschaftliche Lage wird weiter verschärft durch eine Vielzahl von Firmenpleiten und Insolvenzen im Land. Bezüglich der Anzahl der beantragten Insolvenzen wurde zwar im Verlauf des vergangenen Jahres ein leichter Rückgang beobachtet, aber eine Trendwende ist nach meiner Auffassung nicht in Sicht.

Nach wie vor kritisch ist die Situation im verarbeitenden Gewerbe und bei unternehmensnahen Dienstleistungen. Die Anzahl der betroffenen Unternehmen ist etwa auf dem Niveau des Vorjahres stehen geblieben. Auch muss man die starke Bereinigung in den Vorjahren berücksichtigen. Das heißt, in Sachsen-Anhalt sind bereits so viele Unternehmen Pleite gegangen, dass sich mittlerweile die Spreu etwas vom Weizen getrennt hat.

Wohl jeder hier in Sachsen-Anhalt wünscht sich einen spürbaren Aufschwung und weniger Hiobsbotschaften wie Abbau von Arbeitsplätzen, Unternehmensschließungen oder -verlagerungen. Hier jedoch einige Fakten aus der jüngsten Zeit.

Wenn die Bundesagentur für Arbeit Dienstleistungen Dritter neu ausschreibt und offenbar nach einer Millionen-Beratung solche Lose zum Beispiel für die Gebäudereinigung festlegt, dass einheimische Unternehmen keine Chance mehr haben - das ist ein Hinweis einer Hallenser Firma -, dann stellt sich die Frage: Wo bleibt da der nachhaltige Protest des Wirtschaftsministeriums?

(Zustimmung bei der PDS)

Losgrößen wie zum Beispiel Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen können nur noch große Dienstleistungskonzerne bewältigen, die ihren Firmensitz eben nicht in Magdeburg, Erfurt oder Dresden haben. Regionalen Firmen werden somit Chancen einer stabilen Entwicklung genommen.

Zweites Beispiel: Wenn ein Sangerhausener Unternehmer nach monatelangem Ringen mit seiner kommerziellen Bank die Bereitschaft zur Finanzierung signalisiert bekommt, aber zwei Wochen vor dem Fristablauf der Antragstellung einen abschlägigen Bescheid erhält, so spricht das Bände für das Agieren einer Privatbank bei einem Investitionsvolumen von einer halben Million Euro.

Vom Landesförderinstitut gab es lediglich die lakonische Mitteilung, er habe in der Zeit vom 15. Dezember 2003 bis zum 31. Dezember 2003 Zeit, sich eine neue Bank zu suchen, da ab Januar 2004 teilweise beantragte Förderungen entfallen oder verringert werden.

Das sind Einzelbeispiele, könnte man sagen. Sieht aber unser Wirtschaftsminister den Wald vor lauter Fördermittelbäumen nicht mehr, wie es einer Pressemeldung aus den letzten Wochen zu entnehmen war? Ich zitiere Herrn Dr. Rehberger aus einer Pressemitteilung vom 9. Januar 2004:

„Das Jahr 2004 wird das Jahr der Firmeneinweihungen. Jetzt fahren wir die Ernte ein, für die wir seit Regierungsantritt die Saat gelegt haben.“

(Zustimmung bei der PDS)

Offenbar hat sich nicht wenig von dem als Unkraut in der Saat erwiesen.

(Heiterkeit bei der PDS)

Auch hierzu einige Beispiele. Im Juli 2002 wird das Vergabegesetz mit Tariftreuebindung gekippt.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

Im Januar 2004 schließt die Bilfinger Berger AG ihre Niederlassung in Magdeburg. Der Grund war nicht nur die schlechte Situation im Bauwesen. Es herrschen auch im Lande - so war es aus Unternehmenskreisen zu vernehmen - unbefriedigende Wettbewerbsbedingungen; denn Dumpingpreise können Firmen, die guten Lohn zahlen, irgendwann nicht mehr kompensieren.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Wieso haben sie dann ihren Sitz nach Leipzig verlegt, wo es ein solches Gesetz auch nicht gibt?)

Beispiel 2: Im März 2003 gab es ein Aufatmen bei der Landesregierung. Die Doppstadt AG, Werk Schönebeck - das Traktorenwerk -, ist offenbar gerettet. 45 Millionen € Fördermittel, davon 23 Millionen € Landesmittel, sind gesichert. Januar 2004: Das Traktorenwerk Schönebeck wird geschlossen. 45 Millionen € in den Sand gesetzt?

Drittes Beispiel: Schwarze Zahlen schreibende Unternehmen wie KSR International verlassen blitzartig ihre Produktionsstätten. Man kann aber auch gespannt sein, wann die Fördermittel in Höhe von 400 000 € wieder in die öffentlichen Kassen zurückfließen.

(Herr Grünert, PDS: Nie!)

Flex-Team Merseburg zieht wieder westwärts, weil es sich von Landes- und Kommunalpolitik seit 18 Monaten im Stich gelassen fühlt.

Unser Wirtschaftsministerium steht solchen Vorgängen „bedauernd“, „fassungslos“ oder „betroffen“, aber offensichtlich vor allem unwissend gegenüber.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Reden wir hier eigentlich über die Spitze eines Eisberges oder nur über eine Eisscholle? Genau das zu analysieren, wollen wir mit unserem Antrag erreichen.

Viele dieser Unternehmen haben früher oder in jüngster Zeit Unterstützung von der EU, vom Bund und von der Landesregierung in Form von Fördermitteln oder anderen finanziellen Garantien erhalten. Die Investitionszulage hat jedes Unternehmen gerne genommen. Hieraus erwächst aber auch eine besondere Verantwortung der Landesregierung und vor allem des Wirtschaftsministeriums, oben genannten Fällen noch wirksamer vorzubeugen, da es sich hierbei um öffentliches Geld handelt.

Ich bin der Auffassung, eine wirksamere Bestandspflege bei Unternehmen, vor allem bei solchen, die mit staatlichen Mitteln unterstützt worden sind, und eine Intensivierung der mittelfristigen Vorsorge für junge und vielleicht noch auf wackeligen Füßen stehende Existenzen stehen auf der Tagesordnung.

(Zustimmung bei der PDS)

Das ist angesichts der immer wieder geäußerten Überraschung des Wirtschaftsministeriums dringender geboten als bisher.

Das Wirtschaftsministerium verfügt über einen Bereich Bestandspflege und eine so genannte Mediationsordnung, aber diese scheinen in diesen Fällen nicht wirksam zu werden oder überhaupt nicht zu greifen. Es ist also dringend geboten, effektivere Begleitmaßnahmen festzulegen. Dafür einige Vorschläge von uns.

Ein erster Schritt könnte die Aktivierung der so genannten Taskforce sein, mit der Sie, Herr Minister Rehberger, Erfahrungen besitzen, da diese doch in Ihrer letzten Amtszeit besonders aktiv sein musste.

Ich sehe es als - im wahrsten Sinne des Wortes - unbedingt erforderlich an, vonseiten des Wirtschaftsministeriums hierbei helfend einzuwirken, vor Ort zu sein, um schon den Anfängen von Insolvenz und Verlagerung zu begegnen. Das ist auf jeden Fall besser, als im Nachgang Fördergelder zurückzuholen.

Eine weitere Möglichkeit, hierbei vorbeugend zu wirken, könnte der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung der neuen Investitions- und Strukturbank mit den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern Sachsen-Anhalts sein.

Alle in Sachsen-Anhalt geförderten Unternehmen könnten künftig einen Beraterscheck erhalten, den sie nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes einlösen können. Dieser sichert ihnen eine gründliche Prüfung und Beratung durch Experten der Kammern zu. Damit bestünde die Möglichkeit, Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.

Die Berater sollten den wirtschaftlichen Zustand des Unternehmens analysieren und dessen Chancen auf dem Markt bewerten. Im Mittelpunkt der Prüfung sollten insbesondere die Preispolitik, der Zustand der Produkte, die Absatzziele sowie die Auftragslage stehen. Wenn sich herausstellen sollte, dass das Unternehmen gefährdet ist, suchen die Berater gemeinsam mit der Bank nach einer neuen Strategie, um die Insolvenz oder auch die Verlagerung zu verhindern.

Ein solches Konzept für Existenzgründungen mit begleitender Beratung stammt aus Schleswig-Holstein. Dort wird es seit mehr als drei Jahren erfolgreich praktiziert. Die Zahl der Insolvenzen ging in dieser Zeit um 27 % zurück.

Drittens wäre es sinnvoll, bei der Ausreichung von Millionen an Subventionen einen Beirat bereitzustellen, in dem Banken und Landesregierung vertreten sein sollten, mit dem man rechtzeitig und vor allem wissend eingreifen kann.

Das wären aus unserer Sicht Vorschläge, die in ein Maßnahmenpaket für wirtschaftspolitische Steuerungsmaßnahmen zur wirksameren Hilfe für Unternehmen, die von Zahlungsschwierigkeiten und von Insolvenz betroffen sind, einfließen könnten.

Wo das Land Sachsen-Anhalt tatsächlich steht, verdeutlicht ein Vergleich der Innovationskraft aller Bundesländer in einer Untersuchung des ISW Halle-Leipzig. Als besondere Schwäche Sachsen-Anhalts heben die Wissenschaftler hervor, dass der Einsatz finanzieller Mittel im Vergleich zu anderen Regionen nicht effizient genug erfolgt. Als ein entscheidendes Manko bezeichnet es diese Studie auch, dass das Land nur über einen äußerst geringen Anteil an technologieorientierten, zukunftsorientierten Unternehmen verfügt. Umso dringender ist es nach unserer Auffassung, das Vorhandene zu erhalten und zu stabilisieren.