Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Dazu zählt aus unserer Sicht in erster Linie, dass sich die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten eben doch an den prognostizierten Bedarfen orientieren müssen. Es ist zu berücksichtigen, dass bei weitem nicht alle Absolventinnen und Absolventen der Universitäten hier im Land bleiben. Vereinfacht, meine Damen und Herren, bedeutet dies: Das Land muss die Lehrkräfte, die es an den Schulen in den nächsten Jahren benötigt, selbst ausbilden und es muss dann noch dafür sorgen, dass diese im sachsen-anhaltischen Schuldienst wirklich eine Anstellung finden.

Dies wird umso deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass noch mindestens bis zum Jahr 2010 Vergütungsunterschiede zu den alten Bundesländern zu verzeichnen sein werden, und das in einer Zeit, in der im gesamten Bundesgebiet infolge einer Pensionierungswelle große Bedarfe an Lehrkräften entstehen werden, worüber seit Jahr und Tag auch in den alten Ländern diskutiert wird.

Der Landtag hat im Januar einstimmig einen Beschluss zur Sicherung des Lehrkräftenachwuchses gefasst. Die Landesregierung wird darin aufgefordert, auf der Grundlage der Planung dieses Bedarfes die erforderlichen Ausbildungskapazitäten an den Universitäten bereitzuhalten, zu planen und die dafür notwendige finanzielle Ausstattung zu bestimmen. Eigentlich war das ein erfreuliches Ergebnis, zumal dieses fraktionsübergreifend im Konsens entstand.

Die Erarbeitung einer mittel- und langfristigen Konzeption hinsichtlich der Ausbildungskapazitäten, die eine Darstellung der derzeitigen Kapazitäten der Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Phase einschließt, gewinnt vor dem Hintergrund der von der Landesregierung geplanten Schließung der allgemein bildenden Lehrerausbildung am Standort Magdeburg enorme Bedeutung.

Das, meine Damen und Herren, betone ich an dieser Stelle: Die SPD-Fraktion betrachtet dieses Vorhaben der Landesregierung als einen großen hochschul- und bildungspolitischen Fehler, den man so nicht akzeptieren kann.

(Zustimmung bei der SPD)

An Dramatik gewinnt dieser Fakt noch vor dem Hintergrund der zukünftig geplanten Finanzierung der Lehrerausbildung.

(Herr Gürth, CDU: Ja?)

Die Landesregierung sieht in ihrem Strukturkonzept vor, die allgemein bildende Lehrerausbildung an der Philosophischen Fakultät der Martin-Luther-Universität zu konzentrieren, aber gleichzeitig Mittel in Höhe von 4,5 Millionen € zu streichen. Wie das gehen soll, wissen wir noch nicht.

Auch ein Blick auf die Ausbildung in der zweiten Phase, auf die staatlichen Seminare, lohnt sich. Diesbezüglich hat die Landesregierung Anfang des Jahres eine Verordnung erlassen, die die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für Lehrämter bei beschränkten Kapazitäten vorschreibt. Frau Hein und auch der Minister wiesen darauf hin.

Auch in diesem Bereich droht Ungemach, wenn diese Zulassungsbeschränkungen tatsächlich wirksam werden sollten. Das bedeutet - darüber muss sich jeder hier im Raum im Klaren sein -, dass Lehramtsabsolventinnen und -absolventen abwandern. So ist das Problem eigentlich hausgemacht. Ist das gewollt?

Ich erinnere an die Entscheidung der Landesregierung, die Standorte der staatlichen Seminare auf zwei zu reduzieren und sie in das Landesverwaltungsamt einzugliedern. Erst reduziert man die Ausbildungskapazitäten und dann legitimiert man sie im Nachhinein mithilfe einer Verordnung. Auch diese Entscheidung halten wir vor dem Hintergrund der heutigen Debatte für eine falsche Weichenstellung, die das Problem verschärft.

Kurzes Resümee, meine Damen und Herren: Wir alle wissen, dass in den nächsten Jahren ein stetig steigender Lehrkräftebedarf besteht, bei unterschiedlicher Benennung der Zahlen. Wir wissen auch, dass wir mit einem ausgleichenden Zustrom von Lehrkräften aus anderen Ländern nicht rechnen können. Wir wissen auch, dass wir diese Bedarfe über unsere eigenen Ausbildungsstätten realisieren müssen.

Was plant jedoch die Landesregierung? - Erstens streicht sie die allgemein bildende Lehrerausbildung an der Uni Magdeburg und kürzt die Mittel für die Lehrerausbildung in Halle. Mit Interesse werden wir die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen und die Struktur- und Finanzdiskussion verfolgen, die damit zusammenhängt. Zweitens reduziert sie die Kapazitäten der staatlichen Seminare.

Das, meine Damen und Herren, hat aus unserer Sicht bis jetzt mit vorausschauender Politik nichts zu tun und mit Nachhaltigkeit schon gar nichts; denn letztlich ist entscheidend, ob das Land seine eigenen Lehramtsabsolventen auch in den Schuldienst übernimmt.

In den letzten Jahren hat die Landesregierung mit einer sehr späten Ausschreibung stets dafür gesorgt, dass viele einheimische Absolventen in andere Bundesländer abwanderten und eine Reihe von Stellen unbesetzt blieb. Damit wurde auch der Einstellungskorridor des Lehrertarifvertrags nicht erfüllt. Auch in diesem Jahr ist zumindest nach meiner Kenntnis die Ausschreibung noch nicht erfolgt. In anderen Bundesländern hingegen sind die Bewerbungsfristen bereits abgelaufen. Ich hoffe nur, dass wir es nicht wieder erleben, dass Stellen nicht besetzt werden können.

Dies hat, meine Damen und Herren, mit einer konstruktiven Politik, die junge Leute im Land hält bzw. ins Land lockt, nichts zu tun, und mit der Lösung des heute hier diskutierten Problems schon gar nicht.

Eines steht fest: Je weniger Lehrkräfte wir einstellen, umso größer wird der Bedarf an den Schulen. Deshalb entsteht wieder der Druck, sie auszubilden - eine sich bedingende Kette.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Landtag täte gut daran, dem Antrag der PDS-Fraktion zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank für Mittendorf. - Nun bitte, Frau Feußner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Anliegen, welches im Antrag der PDS-Fraktion deutlich wird, ist nicht neu. Das haben alle bereits gesagt. Das ist weithin bekannt. Wir haben schon häufig im Ausschuss darüber diskutiert. Das ist ein Thema, das uns allen aufgrund der demografischen Entwicklung sehr ernsthafte Probleme und Sorgen bereitet.

Deshalb bin ich der derzeitigen Landesregierung, das heißt, dem Kultusministerium, dafür dankbar, dass es erstmals ein schlüssiges Konzept zur Personal- und Stellenentwicklung von Lehrkräften an allgemein bildenden und öffentlichen Schulen des Landes SachsenAnhalt vorgelegt hat. Dies geschah im Herbst des vergangenen Jahres. Dieses Konzept wird bzw. muss ständig fortgeschrieben werden.

Mich wundert es schon, dass wir einen Antrag vorfinden, der inhaltlich in einen Kompromiss - Frau Hein, Sie sagten es bereits selbst - zu den Pisa-Anträgen eingeflossen ist und im Ausschuss bereits regelmäßig auf der Tagesordnung steht. Es hätte also dieses Antrags nicht bedurft. Aber da uns, wie schon erwähnt, das Anliegen so wichtig ist, werden wir es nochmals unterstützen.

Eigentlich wollten wir einen eigenen Änderungsantrag einbringen, der sich aber nicht wesentlich vom Inhalt her unterschieden hätte, sondern mit dem mehr stilistische Fehler korrigiert worden wären. Das werde ich am Ende meiner Rede vortragen.

(Heiterkeit bei der SPD - Zuruf)

Verehrte Anwesende! Die Personal- und Stellenentwicklung - -

(Herr Gallert, PDS: Jetzt hat jemand Redever- bot!)

- Bitte?

(Heiterkeit bei der PDS)

Das ist nicht so schlimm, wie es erscheint. Da kann ich Sie gleich beruhigen.

(Herr Gallert, PDS: Entschuldigung!)

Verehrte Anwesende! Die Personal- und Stellenentwicklung von Lehrkräften wird maßgeblich durch den Lehrertarifvertrag bestimmt. Einige Parameter sind durch diesen Vertrag vorgegeben und verändern auch zukünftig bestimmte Bedarfe. Die Umsetzung von Sekundarschul

lehrkräften und Grundschullehrkräften in andere Schulformen und zurück beeinflusst natürlich diesen Prozess bzw. macht ihn nicht einfacher.

Ich muss ganz ehrlich sagen, Frau Hein, wenn Sie jetzt diese Umsetzungen kritisieren und sagen, dass sie nicht optimal sind - darin gebe ich Ihnen vollkommen Recht -, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie damals gemeinsam mit der GEW im Zusammenhang mit dem letzten Tarifvertrag eben nicht eine schulformbezogene Bedarfermittlung forciert haben; vielmehr haben Sie genau das Gegenteil gewollt. Sie wollten einen flächendeckenden Tarifvertrag für alle Lehrkräfte. Da hätten wir uns diese Umsetzungen, die wir jetzt massenhaft vorgenommen haben, nämlich ersparen können. Aber das wollten Sie damals nicht.

Deshalb können Sie heute nicht sagen, dass das nicht die ideale Lösung ist. Das ist sie mit Sicherheit nicht. Aber Sie dürfen nicht Ihre eigenen Sachen von damals kritisieren bzw. müssen es dann selbst eingestehen.

Wichtig ist, die unterschiedlichen zukünftigen Bedarfe zu erfassen und für diese auch Vorsorgemaßnahmen zu treffen; denn obwohl wir derzeit von einem Überhang im Grundschulbereich sprechen, werden wir ca. im Jahr 2010 etwa 1 000 neue Lehrkräfte im Grundschulbereich benötigen. Derzeit haben wir nicht einmal 20 Grundschullehrerabsolventen. Das heißt, aus den eigenen Ressourcen werden wir dies bis zum Jahr 2010 wahrscheinlich nicht bewältigen können, wenn nicht entsprechende Aktionen im Vorfeld zum Tragen kommen. Im Übrigen sehen die Zahlen der nachfolgenden Grundschullehramtsstudenten wesentlich besser aus; sie sind wesentlich höher.

Anders ist die Situation bei den Gymnasiallehrkräften. In diesem Bereich gibt es derzeit ausreichend Lehramtsanwärter, die in dem vorhandenen Umfang nicht gebraucht werden. Ausgenommen sind die Absolventen, die in den Mangelfächern ausgebildet werden. Diese benötigen wir dringend.

Die Sekundarschule ist am stärksten von der demografischen Entwicklung betroffen. In diesem Bereich wird ein noch höherer Lehrerüberhang erwartet. Das wird sich natürlich auf den Wunsch, insbesondere in diesem Bereich ein Lehramtsstudium aufzunehmen, auswirken. Mit Sicherheit gibt es auch noch andere Gründe. Aber an den derzeitigen Studierendenzahlen kann man dies deutlich ablesen. Auch in diesem Bereich wird man dringend handeln müssen.

Sie haben von Ausschreibungen gesprochen, die bisher nicht gelaufen sind. Wir haben immerhin zum 1. Februar 2004 49 Stellen ausgeschrieben. Die anderen Ausschreibungen laufen derzeit auch. Wir werden noch vor dem 1. August 2004 103 Stellen ausgeschrieben haben. Ich denke, das wird im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich früher geschehen.

Sie haben zu Recht kritisiert, dass das im letzten Jahr zu spät gelaufen ist, wodurch wir nur noch wenig Chancen hatten, Lehramtsanwärter sowohl aus den anderen Bundesländern zu gewinnen als auch unsere eigenen im Land zu halten. Darin gebe ich Ihnen Recht. Aber in diesem Jahr haben wir die Ausschreibungen wesentlich früher vorgenommen.

Ich weiß, dass die Analyse, die Sie einfordern, derzeit im Ministerium durchgeführt wird. Vor dem Hintergrund des Instrumentariums der Zielvereinbarungen muss es mit den Universitäten gemeinsame Verständigungen dahin

gehend geben, wie die Bedarfe mit den vorhandenen Kapazitäten zu koordinieren sind. Diese Koordination bzw. die Umsetzung wird einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, da dies mit personellen Veränderungen an den Universitäten einhergehen muss. Deshalb ist es dringend geboten, diesen Prozess so bald wie möglich zu beginnen. Dabei werden wir die Intentionen der Landesregierung voll unterstützen.

Ich komme gleich zum Ende meiner Rede, Herr Präsident. Ich wollte nur noch kurz die Änderungen vortragen. Unter Punkt 1 Buchstabe a des Antrages müssen nach meiner Ansicht die Worte „entwickeln müssen“ durch die Worte „entwickeln werden“ ersetzt werden. Wie sie sich entwickeln müssen, das wissen wir nicht. Man kann nur den Prozess nachvollziehen, wie sie sich entwickeln werden.

Unter Punkt 2 - so würde ich vorschlagen - sollte es nur noch heißen:

„Dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft ist schriftlich vor Beginn der Haushaltsberatungen zum Haushaltsplan 2005 über das Ergebnis der Kapazitätsentwicklung Bericht zu erstatten.“

Denn das, was Sie unter Punkt 2 noch aufführen, steht bereits unter Punkt 1 Buchstabe a. Wie gesagt, es sind wirklich nur kleine stilistische Änderungen. Ich denke, darüber können wir uns, weil das nicht den Inhalt betrifft, verständigen. - Vielen Dank

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Feußner. - Zum Abschluss bitte noch einmal Frau Dr. Hein. Vielleicht können Sie auch gleich sagen, ob Sie diese Änderungsvorschläge übernehmen und wie wir damit verfahren können.

Vielleicht dazu zuerst. Ich denke, es geht schon darum, wie sich Ausbildungsplatzkapazitäten entwickeln werden, nämlich nach den Vorgaben der Landesregierung.

(Frau Feußner, CDU: Ja, das habe ich gesagt!)