Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Mit dem nunmehr angefochtenen Gesetz wurden die Bestimmungen zu den erhöhten Altersgrenzen verändert. Nur diejenigen, die am 1. April 2003 das 65., 64. oder 63. Lebensjahr vollendet haben, können noch die Regelung mit der erhöhten Altersgrenze in Anspruch nehmen. Dies gilt für den Beschwerdeführer nicht, obwohl er die Bedingungen nach § 85 des Landesrichtergesetzes in der Fassung von 1993 erfüllt und sich nunmehr beeinträchtigt sieht.

Zum Landesverfassungsgerichtsverfahren Nr. 2 im Jahr 2004: Dieses wurde dem Ausschuss für Recht und Verfassung mit Schreiben des Landtagspräsidenten vom 18. März 2004 gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Landtages zur Beratung und Abgabe einer Beschlussempfehlung übermittelt.

Die Verfassungsbeschwerde zweier Landkreise richtet sich gegen § 3 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des Artikels 10 Nr. 10 des Haushaltssanierungsgesetzes 2003 vom 26. Februar 2003 und gegen die Fassung des Artikels 2 des Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 17. Dezember 2003.

Es wird die Feststellung begehrt, dass durch die Absenkung der Verbundquote gegen Artikel 88 Abs. 1 und 2 der Landesverfassung verstoßen wird.

Nach Artikel 87 Abs. 1 der Landesverfassung verwalten die Kommunen und die Gemeindeverbände ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung. Das Land sorgt nach Artikel 88 Abs. 1 der Landesverfassung dafür, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen ist nach Artikel 88 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung aufgrund eines Gesetzes angemessen auszugleichen.

Die Beschwerdeführer haben die allgemeine Entwicklung der Kommunalfinanzen dargelegt und festgestellt, dass die Ausfälle im kommunalen Finanzausgleich durch erhebliche Eigenanstrengungen zur Konsolidierung nicht kompensiert werden können. Durch die genannten Gesetze ist die Verbundquote abgesenkt worden, was nach Auffassung der Beschwerdeführer eine Kürzung und damit einen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich bedeutet. Die Kürzungen sind trotz Übertragung neuer Aufgaben erfolgt. Die Beschwerdeführer sehen, dass trotz aller Anstrengungen der Kommunen zur Reduzierung ihrer Ausgaben die kommunale Selbstverwaltung zum Erliegen kommt.

Der Ausschuss für Recht und Verfassung hat sich in seiner Sitzung am 24. März 2004 mit den Landesverfassungsgerichtsverfahren befasst und empfiehlt dem

Landtag einstimmig, in beiden Fällen keine Stellungnahme abzugeben. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dieser Empfehlung und bedanke mich für die halbwegs vorhandene gewesene Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Wortmeldungen gibt es nicht. Wir stimmen über beide Beschlussempfehlungen des Ausschusses ab. Wer stimmt zu? - Das sind offensichtlich alle. Stimmt jemand dagegen? - Niemand. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist das so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 13 ist abgeschlossen.

Da der Tagesordnungspunkt 14 erst morgen nach der Mittagspause behandelt wird, rufe ich nun den Tagesordnungspunkt 15 auf.

(Herr Dr. Püchel, SPD, meldet sich zu Wort)

- Ja, bitte.

Aufgrund der starken Beschleunigung des Ablaufs ist Frau Budde im Moment nicht anwesend. Sie wird gerade geholt. Ich bitte darum, einen kleinen Augenblick zu warten; es tut mir Leid.

Wir kennen hierbei nicht die Regelung wie bei der Fragestunde, dass dann alles zu Protokoll gegeben wird. Ich sehe tatsächlich keine andere Möglichkeit, als diesem Vorschlag zu folgen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, schaue ich mich erst einmal um, ob in diesem Fall alle Beteiligten da sind. Frau Dr. Hein sehe ich. Sie ist auch bereit.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Entwicklung der Kapazitäten in der Ausbildung von Lehrkräften in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1447

Ich bitte Frau Dr. Hein, für die einbringende Fraktion zu sprechen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja eine Binsenweisheit - die Landesregierung weiß es auch längst -: Die Zeiten, dass wir von einem Überhang an Lehrkräften in allen Schulformen nacheinander zu einem dramatischen Lehrkräftemangel kommen, sind absehbar. Absehbar ist auch die Ausbildungsdauer von Lehrerinnen und Lehrern. Sie beträgt im günstigsten Fall sieben Jahre. 1 080 Studienanfängerinnen in Lehramtsstudiengängen aus dem vergangenen Jahr stehen dem Land Sachsen-Anhalt also frühestens im Jahr 2010 zur Verfügung.

In den letzten Jahren war es erforderlich - wir haben hier mehrfach darüber debattiert -, über Arbeitsplatzsicherungstarifverträge und die Absenkung der tariflichen Ar

beitszeit sowie Abfindungsregelungen und Altersteilzeit den Lehrkräftebestand dem aufgrund zurückgehender Schülerzahlen sinkenden Lehrkräftebedarf anzugleichen.

Ich will hier heute nicht über die mehr oder weniger große Akzeptanz, über die Sinnhaftigkeit oder Unsinnigkeit einzelner Maßnahmen debattieren. Sie sind Tarifrecht und sie werden zwischen Tarifparteien ausgehandelt. Tarifregelungen waren und sind ja auch durchaus notwendig, will man auf Entlassungen verzichten. Hierin liegt also mein Problem nicht.

Das Dumme ist nur: Auch die im System verbleibenden Lehrkräfte werden unweigerlich älter und gehen irgendwann in die verdiente Rente. Für die Absicherung des Unterrichts der dann im System befindlichen Schülerinnen und Schüler sind wir verantwortlich, und dieser Verantwortung müssen wir uns heute schon stellen.

Wir haben darüber auch vor einem Jahr hier debattiert, als wir einen ähnlichen Antrag eingebracht haben, der nach einem Jahr, also im Januar dieses Jahres, mit einer übereinstimmenden Beschlussempfehlung des Ausschusses vom Landtag verabschiedet worden ist.

(Frau Feußner, CDU: Warum dann jetzt wieder?)

- Das muss Sie nicht wundern. - Nimmt man die Zahl der in Erfüllung der Tarifvereinbarung für den Unterricht tatsächlich zur Verfügung stehenden Lehrkräfte, dann treffen sich die Bestands- und Bedarfskurven in der Grundschule bereits im Jahr 2006, an den Sekundarschulen 2011 und am Gymnasium 2013. Das scheint zumindest in der Sekundarstufe, also am Gymnasium und in der Sekundarschule, noch lange hin zu sein, aber es scheint nur so. Es ist zu beachten, dass an den Sekundarschulen bereits im Jahr 2009 die Differenz zwischen Bestand und Bedarf vergleichsweise marginal ist. Merke: Die im vergangenen Jahr ins Studium gegangenen Lehramtsstudenten stehen uns frühestens im Jahr 2010 zur Verfügung.

Deutlicher wird das Problem noch, wenn man die allgemein bildenden Schulen in der Gesamtschau betrachtet. Dann nämlich entsteht über alle Schulformen hinweg bereits vom Schuljahr 2009/10 an ein Mangel an Lehrkräften. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Kurve an den Grundschulen ganz drastisch sinkt und die Situation dort ziemlich dramatisch zu werden droht.

Kultusstaatssekretär Willems hat in diesen Tagen in einer Presseerklärung kundgetan, dass der Bedarf an Lehrerstellen bis zum Jahr 2006/07 um 3 000 Stellen zurückgeht. Das erweckt den Eindruck eines erheblichen Überhangs. Er hat dabei aber nicht bedacht oder ausgeblendet, dass auch der Stellenbestand zurückgeht, der Überhang also nicht einmal ein Drittel der angegebenen Zahl beträgt und dann auch noch kontinuierlich weiter sinkt, was der Bedarf nach 2008 kaum noch tut.

Das müssen wir bei der Planung von Ausbildung und künftigen Einstellungen beachten. Genau um die Ausbildung geht es hier; nicht so sehr um die Werbung für den Lehrerberuf, sondern um die Kapazitäten, die dieses Land bereit ist, zur Verfügung zu stellen.

Für das Schuljahr 2003/04 ist gerade mal die Einstellung von 84 Lehrkräften vorgesehen, nicht aber an der Grundschule, wie das Kultusministerium verlauten ließ. Für das kommende Schuljahr liegt bis heute keine Ausschreibung vor - jedenfalls ist mir das nicht bekannt; das

müsste sehr kurzfristig gewesen sein -, sodass die Absolventinnen dieses Jahrganges sich wohl schon anderswo umgetan haben, denn woanders sind die Bewerbungszeiträume bereits abgelaufen.

(Frau Feußner, CDU: Bei uns doch auch!)

Sie gehen weg. Wir haben keine Ausschreibung für das kommende Jahr laufen. Wenn das Land dann endlich aufwacht, wird es vermutlich zu spät sein.

(Frau Feußner, CDU: Die Ausschreibung ist doch raus!)

- Ich kenne keine Ausschreibung. Wenn sie heraus ist, ist das in Ordnung. Trotzdem sind in anderen Ländern die Ausschreibungen bereits gelaufen.

(Herr Gürth, CDU: Ja und?)

- Wir werden ja sehen, wie viele übrig sind, die sich bei uns bewerben. So viele studieren bei uns nicht.

Die Tatsache, dass auch die wenigen derzeit in der Ausbildung befindlichen Grundschullehrerinnen nicht übernommen werden sollen, verwundert - ist doch in dieser Schulform als Erstes und am gravierendsten mit einem Ersatzbedarf zu rechnen.

Nun kann es ja aus der Sicht des Finanzministers sinnvoll erscheinen, dass Pädagoginnen aus anderen Schulformen in der Grundschule eingesetzt werden, um damit entstehende Defizite auf der einen Seite durch Überhänge auf der anderen Seite auszugleichen. Aber erstens ist das eine sehr kurzsichtige Entscheidung; denn die Probleme massieren sich innerhalb weniger Jahre, wenn auch der Bestand an Sekundarschullehrkräften sinkt. Das Loch, in das dann die Grundschülerinnen fallen, ist dann nur noch größer.

Zum Zweiten gibt es nicht umsonst eine Grundschulpädagogik. Wer schon einmal vor einer Klasse solcher kleiner Racker gestanden hat - mir ist das in meiner Ausbildungszeit passiert -, der hat trotz pädagogischer Ausbildung einen Heidenrespekt vor Grundschullehrerinnen. Die Spezifik dieser Ausbildung sollte man nicht unterschätzen.

Nun will ich bei weitem nicht sagen, dass eine Sekundarschullehrkraft das nicht kann. Aber das als System für den Defizitausgleich zu nehmen, halte ich pädagogisch für nicht angemessen. So etwas kann man bestenfalls noch einem Finanzminister durchgehen lassen, der keine pädagogische Ausbildung hat und das vielleicht nicht besser weiß, nicht aber einem Kultusminister. Ich meine, dass auch die Erfahrungen in jüngerer Zeit mit massenhaften Umsetzungen, die durchaus kritikwürdig zu sehen sind, einen kritischeren Blick erwarten lassen.

Es gibt also erheblichen Handlungsbedarf. Nun hat das Land aber vor, die Lehramtsausbildung für allgemein bildende Schulen in Magdeburg zu beenden und sie auf Halle zu konzentrieren, ohne dass erkennbar wäre, dass dort die notwendigen Aufstockungen vorgenommen werden.

Mit der Errichtung des Landesverwaltungsamtes wird außerdem die Zahl der staatlichen Seminare für Lehrämter reduziert und deren Kapazität halbiert, wie wir aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage erfahren haben.

In der Verordnung über die Zulassung zum Vorbereitungsdienst vom Januar 2004 ist für die Zahl der Ausbildungsplätze in der zweiten Phase erst an fünfter und

damit an letzter Stelle der Bedarf des Landes heranzuziehen. Davor stehen - in dieser Reihenfolge - das Haushaltsgesetz, die Zahl der zur Verfügung stehenden Seminarleitungen, die Aufnahmekapazität der Seminare - sie wurde bekanntlich halbiert - und die der jeweiligen Schulformen. Dass die Zahl der Schulen ebenfalls reduziert wird, ist bekannt. All diese Dinge gehen dem Bedarf offensichtlich voraus.

Das Haushaltsgesetz als erster Maßstab für die Ausbildung von Lehrkräften? Bei allem Verständnis für die auch in den nächsten Jahren brisante Haushaltslage im Land: Wir haben es in Zukunft doch insgesamt mit einem niedrigeren Stellenniveau zu tun als heute. Dann muss man doch in der Lage sein, den tatsächlichen Bedarf zum Ausgangspunkt der Planungen zu machen und die notwendigen Ausbildungskapazitäten zu schaffen.

Es kann nicht sein, dass das Land hierbei das Prinzip Hoffnung anwendet, nach dem Motto: Von irgendwoher kommen auf wundersame Weise Lehrerinnen und Lehrer daher und klopfen genau dann an die Tür des Kultusministers, wenn wir plötzlich Bedarf anmelden.

Wir müssen schon heute das Zeichen setzen, dass wir Lehrerinnen und Lehrer hier im Land dringend brauchen und auch bereit sind, sie hier im Land auszubilden, und zwar in der ersten und in der zweiten Phase.