Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

In diesem Zusammenhang möchte ich ein Schreiben der Deutschen Kinderhilfe Direkt e. V. vom 5. April 2004 erwähnen, das an Herrn Dr. Püchel und sicherlich auch an die anderen Fraktionsvorsitzenden im Landtag gerichtet worden ist. Darin heißt es - ich zitiere -:

„Wir sehen hier eine akute Gefährdungslage für unsere Kinder, da das vom Gericht bestätigte Importverbot leer läuft, wenn national wieder gezüchtet werden darf. Wir bitten Sie dringend, sich dieser Thematik anzunehmen, um die Gesetzeslücke, die durch den Nichtigkeitsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts entstanden ist, unverzüglich zu schließen.“

Dieses bislang bundesrechtlich geregelte Zuchtverbot finden Sie in § 9 unseres Entwurfes wieder. Das Gesetz

ist vor allem eine Antwort auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2002, wonach bestimmte Regelungen der Gefahrenabwehrverordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden vom 26. März 2002 - tatsächlich sind es alle wesentlichen Regelungen dieser Verordnung - nichtig sind.

Unter anderem führte das Gericht aus, dass es zur Anknüpfung an eine Rasseliste einer gesetzlichen Grundlage bedürfe und dies nicht im Verordnungswege geregelt werden könne. Nach der aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelten Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes setzten Eingriffe von erheblichem Gewicht ein Parlamentsgesetz voraus.

Meine Damen und Herren! Alsbald nach dieser Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat die SPDFraktion mit dem Antrag in der Drs. 4/605 nach den Konsequenzen gefragt, die die Landesregierung zu ziehen beabsichtigt. Aufgrund der Plenardebatte am 14. März 2003 hat die Landesregierung am 18. Juni 2003 im Innenausschuss die Handlungsoptionen dargestellt und zugleich ihr Interesse an einer Meinungsäußerung des Ausschusses bekundet.

Die Vertreter der SPD-Fraktion im Innenausschuss haben daraufhin beantragt, der Innenausschuss möge folgende Empfehlung an die Landesregierung beschließen:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, ein Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden (Landeshundegesetz) vorzulegen.“

Zur Begründung haben wir ausgeführt, als Konsequenz aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts seien entsprechende Regelungen in Gesetzesform zu fassen. Diese Beschlussvorlage der SPD-Vertreter wurde in der Sitzung des Innenausschusses am 5. September 2003 mehrheitlich abgelehnt. Dies bedauere ich, weil die Ministerialverwaltung sicherlich eher als Abgeordnete in der Lage ist, ein auch handwerklich gutes Gesetz in einer doch recht komplizierten Materie zu fertigen.

Seitens der Landesregierung wurde jedoch in Aussicht gestellt, den Kommunen wie in der Vergangenheit durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften, durch Besprechungen zur Gefahrenabwehr und gegebenenfalls durch die Überreichung einer Muster-Gefahrenabwehrverordnung Hilfestellung zu geben. Tatsächlich gibt es den Entwurf eines Runderlasses des Innenministeriums. Er trägt die Überschrift „Durchführung von Maßnahmen zur Abwehr der von Hunden ausgehenden Gefahren“. Diesem Entwurf ist eine Muster-Gefahrenabwehrverordnung beigefügt.

Dieser Entwurf eines Runderlasses ist den Regierungspräsidien und den Polizeidirektionen mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 zugeleitet worden. In dem vom Leiter der Polizeiabteilung des Ministeriums, Herrn Martell, unterzeichneten Schreiben heißt es, dass die Veröffentlichung im Ministerialblatt in Kürze erfolgen werde. Gemäß Nr. III des Erlasses tritt er mit seiner Veröffentlichung in Kraft. Die Veröffentlichung, Herr Minister, ist jedoch bis heute nicht erfolgt. Also ist der Erlass auch noch nicht in Kraft. Es ist lediglich den nachgeordneten Sicherheitsbehörden empfohlen worden, schon jetzt danach zu handeln.

Herr Minister, warum ist der Erlass bis heute nicht veröffentlicht? Wo bleibt die Hilfestellung für die Kommunen?

Sie erwecken den Anschein, als ob Sie sich ein wenig hinter den Kommunen verstecken und ihnen die Verantwortung aufbürden. Das kann nicht Ihre Absicht sein. Ich kenne Äußerungen von Ihnen unmittelbar nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Herbst 2002, die vermuten ließen, dass Sie recht energisch tätig werden wollten. Es gibt aber auch Äußerungen aus der CDU-Fraktion und aus der FDP-Fraktion, zuletzt im „Wittenberger Wochenspiegel“ von gestern, die ich hier lieber nicht wiedergeben möchte, weil sie nicht in den Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung passen, wie wir sie heute hier führen wollen.

(Oh! bei der CDU)

Nach meiner Überzeugung reichen Erlasse ohnehin nicht aus, um den von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu begegnen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 16. März 2004 die Zulässigkeit von Rasselisten ausdrücklich bestätigt. Sie bedürfen aber, wie gesagt, einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Grundlage in Form eines Parlamentsgesetzes.

Ich fasse zusammen. In Sachsen-Anhalt hat es in den vergangenen Jahren Beißvorfälle gegeben - bis hin zu einem Todesfall -, die ein gesetzgeberisches Handeln erforderlich machen. Es ist an der Zeit, dass der Landtag ein Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Hunden berät und beschließt.

Ich bitte um Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD, und von Frau Schmidt, SPD)

Herr Rothe, möchten Sie eine Frage beantworten? - Herr Laaß, bitte.

Sehr geehrter Herr Rothe, ich habe eine Frage zu dem Gesetzentwurf, den Sie hier eingebracht haben, und zwar zu § 3. Dort schreiben Sie, dass gefährliche Hunde im Einzelfall Hunde sind, mit denen eine Ausbildung zum Nachteil des Menschen, zum Schutzhund oder auf Zivilschärfe begonnen oder abgeschlossen worden sei. „Oder“ haben Sie geschrieben. Das heißt also: Jede Ausbildung zum Schutzhund würde einen gefährlichen Hund entstehen lassen. - Wissen Sie, wie viele Rettungshunde, wie viele Blindenhunde in Sachsen-Anhalt eine Schutzhundausbildung haben?

Ich kann Ihnen die Zahl nicht nennen, Herr Kollege.

Es sind mehrere Tausend. Ich habe es auch nicht auf der Stelle herausbekommen, aber unser Verband, der 7 600 Mitglieder hat, hat ca. 2 000 Schutzhunde in Sachsen-Anhalt. Das heißt also, Sie stellen mit dieser Aufzählung die von verantwortungsvollen Leuten ausgebildeten Blindenhunde, Rettungshunde und Spürhunde, die auch parallel auch eine Schutzhundausbildung durchlaufen, in die Kategorie der gefährlichen Hunde.

Eine zweite Frage, die ich anschließen möchte: Haben Sie sich bei dem Gesetzentwurf mal überlegt, was normalerweise die Regel ist, wenn man einen Gesetzentwurf in das Parlament einbringt, was dieses Gesetz kosten würde? Wissen Sie, was ein Chiplesegerät kostet? - Das kostet ca. 200 €. Wenn jede Kommune ein Geräte haben müsste, wären das nicht nur ein paar Cent, sondern es geht richtig ins Geld.

Haben Sie sich einmal überlegt, welcher bürokratische Aufwand mit diesem Gesetzentwurf installiert wird, und haben Sie sich unter der Prämisse der Kosteneinsparung der Kommunen, die hier vorhin angesprochen worden ist, auch gefragt, inwieweit dieser Gesetzentwurf zur Verwaltungskosteneinsparung beiträgt? - Danke.

Also, Herr Kollege Laaß, jetzt muss ich doch mal ein bisschen polemisieren. Herr Wolpert hat das ja heute Vormittag schon getan und mich mit diesem Gesetz als einen Regulierungsfanatiker hingestellt. Wir könnten uns natürlich auch zurückziehen auf die Position - ich weiß nicht, ob das liberale Programmatik ist - zu sagen: Freier Biss für freie Hunde!

(Oh! bei der FDP)

Das ist ganz sicherlich nicht meine Position.

Wenn Sie von Kosten reden, Herr Laaß und Herr Kosmehl, dann betrachten Sie bitte auch den Verlust der Gesundheit oder sogar des Lebens von Opfern solcher Beißvorfälle.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der FDP - Herr Kosmehl, FDP: Das ist doch reine Polemik!)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, erteile ich Herrn Minister Jeziorsky das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Menschen, insbesondere Kinder, müssen wirksam vor Angriffen gefährlicher Hunde geschützt werden. Dies wird am besten durch ausreichende Vorsichtsmaßnahmen und verantwortungsbewusstes Verhalten der Hundehalter bewirkt. Wir sind uns sicherlich einig darüber, dass die meisten Hundehalter sich dieser Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln.

Gleichwohl haben sich in der Vergangenheit dramatische Beißvorfälle ereignet, die, wie wir wissen, zu verschiedenen landes- und bundesrechtlichen Regelungen geführt haben, mit denen der Schutz vor besonders gefährlichen Hunden verbessert werden sollte. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelungen war vielfach umstritten und häufig hatten diese Regelungen vor Gericht keinen Bestand. Dies betraf auch die von meinem Amtsvorgänger erlassene Gefahrenabwehrverordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden vom 26. März 2002. Mit dieser Verordnung war für die im Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde genannten Hunderassen unter anderem ein Zucht- und Handelsverbot geregelt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März dieses Jahres war insbesondere strittig, ob Verbote oder

Schutzmaßnahmen an der Rassezugehörigkeit festgemacht werden dürfen. Aufgrund dessen habe ich die zuständigen Gefahrenabwehrbehörden im Dezember letzten Jahres mit einem umfangreichen Erlass und einer Muster-Gefahrenabwehrverordnung ohne Rassebezug auf die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten hingewiesen. Herr Rothe hat das in seiner Einbringungsrede beschrieben. Die Behörden sind darauf hingewiesen worden. Der Erlass ist noch nicht veröffentlicht und damit noch nicht in Kraft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor ca. acht Wochen hat das Bundesverfassungsgericht das bundesgesetzliche Verbot der Einfuhr und Verbringung von Hunden vier bestimmter Rassen in das Inland bestätigt. Es handelt sich um die Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier sowie um Kreuzungen von Hunden dieser Rassen untereinander oder mit anderen Hunden. Für diese Hunde gebe es, so das Gericht, genügend Anhaltspunkte dafür, dass sie für Leib und Leben für Menschen so gefährlich sind, dass ihre Einfuhr und ihr Verbringen in die Bundesrepublik Deutschland unterbunden werden kann.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung von Hunderassen ist nach Auffassung des Gerichts jedoch die weitere Beobachtung und Überprüfung des Beißverhaltens von Hunderassen erforderlich. Bei Vorliegen verlässlicher Ergebnisse müssten bestehende Regelungen entsprechend angepasst, also bestimmte Rassen wieder herausgenommen oder noch nicht erfasste Rassen neu aufgenommen werden.

Ferner hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das im Tierschutzgesetz und in der TierschutzHundeverordnung geregelte Zuchtverbot für die hier in Rede stehenden Hunde insbesondere dem Schutz der Menschen diene und deshalb als Maßnahme der Gefahrenabwehr in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle.

Für dieses landesrechtlich zu regelnde Zuchtverbot sieht die Agrarministerkonferenz die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung in Deutschland. Hierzu soll bis zur Herbst-Agrarministerkonferenz unter Beteiligung der Gremien der Innenministerkonferenz ein Lösungsvorschlag erarbeitet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dem Bemühen um eine möglichst bundeseinheitliche Regelung zum Zuchtverbot halte ich es für nicht sachgerecht, dass die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf erneut eine landesgesetzliche Regelung anstrebt, die in verschiedenen Punkten rechtlich zumindest zweifelhaft ist.

So soll zum Beispiel nach § 9 des Gesetzentwurfs Zucht, Kreuzung und Handel mit gefährlichen Hunden im Sinne des § 3 unter Strafandrohung verboten werden. In § 3 werden jedoch von den Hunden, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als besonders gefährlich eingestuft werden können, solche Hunde ausgenommen, bei denen der Phänotyp dieser Rasse nicht deutlich hervortritt. Diese Regelung dürfte kaum dem insbesondere bei einer Strafandrohung zu beachtenden Bestimmtheitsgebot genügen.

Im Gegensatz zu dieser unbestimmten Ausnahmeregelung soll das Verbot jedoch in vollem Umfang solche Hunde treffen, die als Schutzhunde ausgebildet worden

sind oder bei denen mit der Ausbildung zum Schutzhund begonnen wurde. Ich nehme an, dass diese Regelung vor Gericht ebenfalls kaum Bestand haben dürfte.

Des Weiteren soll gemäß § 10 des Gesetzentwurfs der Umgang mit einer Reihe weiterer Hunderassen unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt werden. Der Gesetzentwurf liefert jedoch keinerlei Begründung dafür, warum ausgerechnet die in § 10 genannten Rassen dem Erlaubnisvorbehalt unterworfen werden sollen. Insbesondere müsste man sich hierbei nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts richten und über diese Rassen zunächst zuverlässige Beißstatistiken erstellen. Übereilte Gesetze dürften prompt wieder vor dem Verfassungsgericht landen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion enthält neben den Widersprüchen und Unklarheiten die Forderung nach einem umfangreichen Erlaubnisverfahren, das zu einem zusätzlichen, nicht erforderlichen bürokratischen Aufwand führt. Dies steht im krassen Widerspruch zu allen Bemühungen um eine sachgerechte Entbürokratisierung. Dies gilt auch für die vorgesehene Einführung von Verhaltensprüfungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass dieser Gesetzentwurf an die Ausschüsse überwiesen wird. Ich sehe mit Interesse den Erörterungen in den Ausschüssen entgegen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Die Debatte wird eröffnet durch den Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Hunde und Gefahren, die von ihnen ausgehen könnten, beschäftigt die Politiker im Land und im Bund seit geraumer Zeit intensiv. Ganz Deutschland war schockiert, als im Frühjahr 2000 der sechsjährige Volkan in Hamburg von zwei so genannten Kampfhunden getötet wurde.

In der Folge wurden schärfere Hundeverordnungen in den Ländern und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde erlassen. Weitere Beißvorfälle konnten dennoch nicht vermieden werden. Auch in SachsenAnhalt führte aggressives Verhalten von Hunden dazu, dass Menschen zu Schaden kamen. Aber hierbei handelt es sich um Einzelfälle. Solche Vorfälle stellen somit eine Ausnahme dar.

In der Öffentlichkeit tobte aber ein heftiger Streit um die so genannten Kampfhunderegelungen. Tierschützer und Hundehalter liefen dagegen Sturm, Opfer und Betroffene kämpften um eine Verschärfung. In diesem Klima hatte schließlich auch das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr dieses Jahres über die gegen das Bundesgesetz gerichtete Beschwerde von 53 Hundehaltern zu entscheiden.