Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

In der Öffentlichkeit tobte aber ein heftiger Streit um die so genannten Kampfhunderegelungen. Tierschützer und Hundehalter liefen dagegen Sturm, Opfer und Betroffene kämpften um eine Verschärfung. In diesem Klima hatte schließlich auch das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr dieses Jahres über die gegen das Bundesgesetz gerichtete Beschwerde von 53 Hundehaltern zu entscheiden.

In den verschiedenen Bundesländern bot sich währenddessen auch mit Blick auf die erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein unterschiedliches

Bild. Das Land Bayern besitzt seit mehreren Jahren eine formal-gesetzliche Regelung zu Kampfhunden mit einer entsprechenden Verordnungsermächtigung. Entsprechende Gesetze existieren ebenfalls in Bremen und in Nordrhein-Westfalen. Andere Länder, zum Beispiel Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und BadenWürttemberg, arbeiten mit Verordnungen. Weitere Länder planen die Verabschiedung formeller Gesetze.

In Sachsen-Anhalt wurde mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2002 die Gefahrenabwehrverordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden vom März 2002 in den wesentlichen Vorschriften für nichtig erklärt, weil die der Gefahrenvorsorge dienenden rassespezifischen Regelungen dieser Ministerverordnung nicht auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 94 SOG LSA hätten erlassen werden dürfen.

Meine Damen und Herren! Nunmehr wissen wir, wie sich das Bundesverfassungsgericht zu diesem Thema positioniert hat. Mit der Entscheidung vom 16. März 2004 wurde die grundsätzliche Zulässigkeit von Rasselisten und weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung gefährlicher Hunde bestätigt. Allerdings kippte das Gericht das bundesrechtlich verordnete Zuchtverbot. Nach seiner Auffassung sind dafür im Rahmen der Gefahrenabwehr ausschließlich die Länder zuständig.

Mit dieser neuen Situation müssen wir nun umgehen. Hierfür stehen verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung. Die SPD-Fraktion hat mit ihrem Gesetzentwurf eine Option aufgezeigt. Ich halte dieses Vorgehen jedoch für übereilt und für überstürzt. Es nützt niemandem, wenn die Länder einzeln mit irgendwelchen Regelungen vorpreschen, die sie nicht untereinander abgestimmt haben.

Ein bundeseinheitliches Vorgehen ist dringend erforderlich. Es ist wichtig, Länder übergreifende, verhältnismäßige, tierschutzgerechte und vor allem verfassungsgemäße Regelungen zu finden. Dabei sind wir uns alle einig, dass der Schutz des Menschen immer oberste Priorität genießen muss.

Jedoch muss auch beachtet werden, dass speziell in Bezug auf Rasselisten zuverlässige Daten zu ermitteln, Bissstatistiken zu führen und Fachleute anzuhören sind. Außerdem sollte ein besonderes Augenmerk auf die personenbezogenen Voraussetzungen für die Haltung solcher Tiere gelegt werden. Allein auf Rassen abzustellen, wird nicht genügen.

Eine pauschale Kriminalisierung von Hundehaltern darf es nicht geben. Insbesondere § 3 Abs. 3 Nr. 2 Ihres Gesetzentwurfes - Herr Laaß sprach es vorhin bereits an - diskriminiert Hunderte, gar Tausende von Hundehaltern, die in Vereinen Hunde ausbilden, die wiederum der Allgemeinheit zur Verfügung stehen und zum Schutz der Allgemeinheit eingesetzt werden.

Bevor wir uns über Details wie Ausbruchsicherheit, Rasselisten, Erlaubnistatbestände, Maulkorb- und Leinenzwang sowie Haftpflichtversicherung unterhalten, sollten wir auf jeden Fall die Bundesinnenministerkonferenz im Juli abwarten. Erst dann können zuverlässige Aussagen darüber getroffen werden, wie die Länder gemeinsam das Problem so genannter gefährlicher Hunde angehen wollen. Die Alleingänge einzelner Länder haben letztlich nur groteske Auswirkungen.

Wenn überall unterschiedliche Vorschriften gelten, könnte dies bedeuten, dass ein Hundehalter, der an einer Landesgrenze wohnt, in dem einen Land seinen Hund mit Maulkorb und Leine zu führen hat, falls die Haltung des Tiers nicht ganz und gar verboten ist, während er 5 km weiter das Tier frei laufen lassen darf.

Die Sicherheitsstandards sind zu vereinheitlichen. Verwirrung bei den Haltungsvoraussetzungen und die damit zwangsläufig verbundenen Schlupflöcher für unseriöse Halter können wir uns bei diesem sensiblen Thema nicht erlauben. Selbstverständlich werden wir im Innenausschuss gern darüber diskutieren. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Nun bitte Herr Gärtner für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wird wiederum ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, welches das Hohe Haus schon des Öfteren in den Ausschüssen und im Plenum beschäftigt hat. Es ist ein Thema, das zu einer starken Frontenbildung, ich würde sogar sagen, zu einer förmlichen Frontenverhärtung geführt hat.

Auf der einen Seite gibt es eine Vielzahl von Hundehaltern, die sich durch die Diskussion diskriminiert fühlen. Auf der anderen Seite gibt es die Leute, die vor Beißattacken von Hunden geschützt werden wollen und sollen. Gerade weil dieses Thema so umstritten ist, ist die Politik aufgefordert, ausnahmsweise ausgesprochen sachlich damit umzugehen.

Der Ausgangspunkt der Diskussion über so genannte gefährliche Hunde ist der Erlass des Innenministeriums vom Juli 2000 und das diesbezügliche Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom Dezember 2002, welches diesen Erlass außer Kraft gesetzt hat. Das war letztlich folgerichtig; denn bereits im Jahr 1999 habe auch ich während der Debatte im Parlament davor gewarnt, Kampfhunde undifferenziert zu verbieten, da es gar keine Definition dieses Begriffs oder eine Hunderasse gibt, die man so bezeichnen kann.

Hinzu kommt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom März 2004, in dem Regelungen zum Hundezuchtverbot im Tierschutzgesetz und in der Tierschutzverordnung für nichtig erklärt worden sind. Das Gericht war der Meinung, dass dies Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind, welche wiederum in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.

Nunmehr gibt es zwei Wege. Entweder man belässt es beim jetzigen Zustand oder man legt einen Gesetzentwurf vor, wie es die SPD-Fraktion getan hat. Ich nehme es vorweg: Unsere Fraktion hält den von den SPD-Fraktion vorgeschlagenen Weg für inhaltlich höchst problematisch und in der Umsetzung für völlig unpraktikabel.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Aus unserer Sicht kann es eine konkrete Einteilung von Hunden nach Gefährlichkeitsstufen nicht geben. Die Bio

logie ist zu komplex, um eine Schwarz-Weiß-Entscheidung treffen zu können.

Es ist schon eigenartig, wenn man über eine nirgends definierte Angelegenheit per Gesetz Rechtsvorschriften erlassen will. Den Kampfhund als Rasse gibt es derzeit nicht. Das Gesetz klärt in keiner Weise die Frage, was einen solchen Hund ausmacht. So ist auch völlig unklar, wie man beispielsweise Kreuzungen einstufen soll und insbesondere, wer das klären soll.

Zugleich wird in der Begründung ausgeführt, dass die namentlich aufgeführten Rassen durch eine besonders große Zahl von Bissattacken aufgefallen sind. Nach meiner Kenntnis gibt es gar keine amtliche, offizielle Beißstatistik.

Einzelne Rassen mit Verboten zu belegen funktioniert nicht. Es ist vielmehr notwendig, dass gegen verantwortungslose Hundehalter härtere Sanktionen verhängt werden. Das ist der Knackpunkt der ganzen Sache. Deshalb ist es kein Hundeproblem, sondern vielmehr ein Problem, welches in erster Linie die Hundehalter betrifft. Damit müssen wir uns beschäftigen.

Es ist zu überlegen, ob in der Bundesrepublik Deutschland eine für jeden Hundehalter bzw. für jede Hundehalterin obligatorische Hundeversicherung eingeführt wird, die dann in bestimmten Fällen genutzt werden kann. Diese sollte für alle Hundehalter obligatorisch sein.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir uns prinzipiell zunächst die Bestimmungen des gültigen Tierschutzgesetzes anschauen sollten, die schon sehr weitreichende Festlegungen in Bezug auf die uns heute interessierende Frage enthalten.

Dann gebe ich noch eine Frage von interessierten Hundehaltern weiter: Wo kann man in Sachsen-Anhalt überhaupt einen Wesenstest machen lassen? Das ist mir nicht bekannt.

Zudem sind die Kriterien, die im Entwurf festgelegt werden, weltfremd. Auf den Fehler hat der Kollege Rothe bereits hingewiesen. Ich halte zudem die in demselben Paragrafen festgelegten Zuverlässigkeitsregelungen für überaus problematisch, wenn nicht sogar für diskriminierend, insbesondere in den Absätzen 2 und 3.

In diesem Zusammenhang weise ich auch auf Warnungen von Behindertenorganisationen hin, die befürchten, dass bei einer Verabschiedung des Gesetzes viele Menschen mit Behinderungen ihre Assistenzhunde abgeben müssen. Ich glaube, das können Sie nicht wirklich beabsichtigen.

Jetzt komme ich noch zu einem Riesenmanko dieses Entwurfs, der ein überaus hohe Regelungsdichte besitzt: Wer soll das bezahlen? Das, was dem Entwurf völlig fehlt, ist eine Kostenfolgeabschätzung,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

insbesondere auch für die Kommunen. Aus den genannten Gründen kann die PDS dem Vorhaben der SPD nicht zustimmen.

Wir wollen eine Haftpflichtversicherung für alle Hundehalterinnen und Hundehalter. Wir treten für Maulkorb- und Leinenzwang im öffentlichen Raum ein. Zugleich sind dann aber die Kommunen aufgefordert, ausreichend Hundeauslaufwiesen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen plädieren wir für eine bundeseinheitliche Rege

lung. Der Gesetzentwurf geht aus unserer Sicht in die falsche Richtung und ist zudem in der Praxis nicht umsetzbar. Aus diesem Grund wird die PDS einer Überweisung nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Zunächst haben wir die Freude, auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Wolfen-Nord begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erteile ich Herrn Wolpert das Wort. Er spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versucht die SPD-Fraktion, eine vermeintliche Gesetzeslücke zu schließen, die angeblich dadurch entstanden ist, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts die Gesetzgebung - diesmal auch bezogen auf den Bund - in Bezug auf so genannte Kampfhunde insoweit aufgehoben hat, als der Bund sich angemaßt hatte, über seine Kompetenzen hinaus neben einem Einfuhrverbot auch ein Zuchtverbot für besagte Kampfhunde festzuschreiben.

Der vorliegende Gesetzentwurf geht allerdings über das Schließen einer vermeintlichen Gesetzeslücke bezüglich der Zucht von Kampfhunden weit hinaus. Diente die Gesetzgebung des Bundes lediglich dazu, abstrakte Gefahren, die von Hunden ausgehen, abzuwehren, ist nunmehr ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, der auch weitgehende Regelungen hinsichtlich konkreter Gefahren durch auffällig gewordene Hunde andenkt.

Der Ausgangspunkt der gesamten Diskussion war der schreckliche Vorfall in Hamburg, bei dem ein Kind von zwei streunenden Kampfhunden getötet wurde. Betrachtet man diesen Fall einmal genau, kann man erkennen, dass diese Hunde bereits vorher auffällig gewesen sind, dass das dem Ordnungsamt zugetragen worden war, dass aber nichts geschehen ist. Es war bereits eine konkrete Gefahr entstanden und gar nichts war geschehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun ging ein Aufschrei durch die Republik, weil nämlich ein Sommerloch entstanden war und nichts zu schreiben war, und die Bundespolitiker haben nichts Besseres zu tun, als ein Abwehrgesetz für abstrakte Gefahren zu erlassen, obwohl eine konkrete Gefahr sich verwirklicht hatte. Ein Handlungsdefizit ergießt sich plötzlich in eine Gesetzesform.

Wir haben im Land Sachsen-Anhalt ausreichende Gesetze, die derartiges verhindern könnten. § 8 SOG besagt in einem kurzen, klaren Statement: Wer Eigentümer eines gefährlichen Hundes ist, der hat sich dementsprechend zu verhalten. - In einem weiteren Paragrafen wird die Ermächtigungsgrundlage dafür gegeben, dass Maßnahmen getroffen werden können, Maßnahmen bis hin zur Beschlagnahme des Hundes.

Aber das, was hier passiert, ist ein Paradebeispiel für das, was der Städte- und Gemeindebund gerade eben noch als Beispiel für das angeführt hat, was man nicht tun sollte, wenn man eine Deregulierung anstrebt.

Vieles ist schon zur rechtlichen Lage gesagt worden. Ich versuche einfach, mit Ihnen ein Beispiel unter dieses Gesetz zu subsumieren. Stellen Sie sich vor, eine liebe Oma geht mit ihrem Dackel in Bitterfeld am Goitzschestrand entlang. Weil nun dieser Strand nicht allein von der Oma genutzt wird, sondern auch von den Anrainern, befinden sich dort auch Katzen. Was tut ein guter Dackel? - Er rennt unkontrolliert einer Katze hinterher.

(Frau Bull, PDS, lacht)

Nun kommt § 3 Abs. 3 Nr. 6: Dieser Hund ist gefährlich. Den Studenten fragt man: Wie ist die Rechtslage? Den Anwalt fragt man: Darf ich den Dackel behalten?

Schauen wir einmal: Die Oma bedarf nunmehr einer Erlaubnis, um diesen Hund weiterhin zu behalten. Dazu muss sie 18 Jahre alt sein. Das ist wohl anzunehmen.

(Heiterkeit)