Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1584

Einbringerin des Antrages ist die Abgeordnete Frau Dr. Sitte. Bitte sehr.

(Frau Fischer, Merseburg, CDU: Was kommt nach Punkt 11?)

- Nach Tagesordnungspunkt 11 kommt Tagesordnungspunkt 15. So haben sich die Fraktionen verständigt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Landtagssitzung am 2. April dieses Jahres hat der Landtag das neue Hochschulgesetz des Landes verabschiedet. Vor dem Hintergrund veränderter gesetzlicher Bestimmungen realisiert die Landesregierung ihre Pläne von der Hochschulstrukturplanung im Lande.

In Abschnitt 16 des Gesetzes - Strukturelle Übergangsvorschriften - wird in § 124 - Änderung, Neuordnung und Aufhebung von Fachbereichen und Studiengängen - Folgendes geregelt:

„Die Hochschulen und das Ministerium sollen vorrangig in Zielvereinbarungen zur Sicherung der Hochschulstrukturplanung und Neuordnung der Hochschulstruktur des Landes sowie zur Einhaltung des Haushaltsgesetzes die Aufhebung, Änderung, Verlagerung und Neuordnungen von Fachbereichen und Studiengängen vereinbaren. Nach einer Zielvereinbarung entscheidet das Ministerium durch Rechtsverordnung über die Aufhebung oder Verlagerung von Studiengängen oder Fachbereichen... Sofern Zielvereinbarungen oder Ergänzungsvereinbarungen... nicht innerhalb von acht Wochen nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes zustande kommen, ist der für Wissenschaftsangelegenheiten zuständige Ausschuss des Landtages durch das Ministerium über die Gründe für das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung oder der Ergänzungsvereinbarung zu informieren. Das Ministerium regelt das weitere Verfahren... im Benehmen mit diesem Ausschuss.“

Entsprechend § 126 Abs. 1 wird das Hochschulgesetz, von dem hier die Rede ist, am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten. Als ich den Antrag gestellt habe, war das Gesetz jedoch noch nicht verkündet und demzufolge nicht in Kraft. Im Rahmen der zweiten Lesung des Gesetzes ließ der Kultusminister in der Debatte den Landtag wissen, dass man in Verhandlungen mit den Hochschulen stehe und weitergekommen sei. Ich kann diese Verhandlungen mit Blick auf die vorhin zitierte Regelung des neuen Hochschulgesetzes nur als Vorbereitung zum Abschluss neuer Zielvereinbarungen verstehen.

Vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages haben die Abgeordneten gelernt, dass „sollen“ im

Gesetzestext nichts anderes als „müssen“ nach sich zieht, sofern der Bezeichnete kann. Weder für die Hochschulen noch für das Ministerium bestehen Bedingungen, die jene Sollvorschrift im Sinne der bisher praktizierten Interpretation verhindern. Wenn schon Zielvereinbarungen umgangen werden sollen, so müssen doch mindestens - sofern ich das Wort „vorrangig“ im Gesetzestext nicht falsch auslege - Ergänzungsvereinbarungen in Vorbereitung sein. Nach meiner Kenntnis wurde bislang keine der beiden Varianten in die Verhandlungen mit den Hochschulen eingeführt.

Nun wissen wir, dass es Hochschulen im Lande gibt, für die sich halbwegs schlüssige Kompromisse haben finden lassen. Wir wissen aber ebenso von außerordentlich schwierigen und konfrontativen Verhandlungsentwicklungen. Nichtsdestotrotz müsste es in jedem Falle zum Abschluss von neuen Ziel- oder Ergänzungsvereinbarungen kommen. Beides sollte im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft bis Ende Mai vorgelegt werden; denn das Zeitfenster von acht Wochen, welches sich nach In-Kraft-Treten des Hochschulgesetzes öffnet, ist außerordentlich knapp bemessen.

Das war allerdings eine bewusste Entscheidung. Vor allem fällt es - welch Überraschung - einmal wieder in die plenarfreie Zeit und in die Semesterferien. Da der Ausschuss aber aufgrund der Regelung des Gesetzes zum Landeshaushalt ein Votum zu Zielvereinbarungen abgeben muss, weil er im Falle des Nichtzustandekommens der Vereinbarungen zugleich über die Gründe zu informieren ist, und letztlich das weitere Verfahren im Benehmen mit dem Ministerium geregelt werden sollte, ist es nur logisch, dass Abgeordnete nicht einfach mit vollendeten Tatsachen konfrontiert werden wollen. Wenn wir keine Möglichkeit haben, im Vorfeld auf den Inhalt von Vereinbarungen direkt Einfluss zu nehmen, so will ich doch wenigstens über Inhalte der Verhandlungen im Vorfeld informiert werden und Entwürfe kennen lernen.

Konkret stellt sich auch die Frage, inwieweit das Konzept zur Hochschulstrukturplanung des Landes Sachsen-Anhalt vom August 2003 wirklich etwas mit diesen Vereinbarungen zu tun hat. Da der Minister hier im Landtag von weiteren Verhandlungen gesprochen hat, stellt sich auch die Frage nach deren Inhalten. Die PDS-Fraktion interessieren dabei insbesondere Änderungen in der formelmäßigen Bemessung von Kapazitäten und Kosten, in den Kürzungszielen und in dem angestrebten Zeitrahmen zur Umsetzung und natürlich erst recht in Strukturänderungen selbst.

Da die Landesregierung gedenkt, einen Doppelhaushalt aufzulegen und die Vorbereitungen dazu längst im Gange sind, müssen sich diese Änderungen auch im Budgetrahmen der Hochschulen niederschlagen, und zwar bis hin zu Regelungen, wer denn die Kosten der Umstrukturierung aufzubringen hat.

Meine Damen und Herren! Eine Zwischenbemerkung ist nach den Berichterstattungen der letzten Tage im Zusammenhang mit den Beraterverträgen an dieser Stelle wohl angebracht. Zur Konzipierung der Hochschulstrukturplanung hat der Minister zwei Arbeitsgruppen eingesetzt. Die erste bereitete Vorschläge zur Hochschulstrukturplanung aller Hochschulen vor und die zweite zur Zukunft der Hochschulmedizin, namentlich auch der Universitätsklinika.

Auch zu Zeiten des Magdeburger Modells hatte der damalige Kultusminister eine entsprechende Arbeitsgruppe

installiert. Auf deren Empfehlungen hat sich der Kultusminister dieser Landesregierung zur Legitimation seiner Vorhaben gelegentlich auch bezogen. Die PDS hat wesentliche Eckpunkte der Vorlagen beider Arbeitsgruppen abgelehnt.

Im Unterschied zur laufenden Wahlperiode konnten wir damals aufgrund zahlreicher Proteste die Umsetzung vor Ihrer Zeit verhindern. Laut Kultusministerium bzw. laut Kultusminister gründet das Strukturkonzept vom August 2003 auf der Vorarbeit dieser Arbeitsgruppen. Dennoch bestehen Differenzen.

Die Abweichungen wurden uns bis zum heutigen Tag - jedenfalls aus meiner Sicht - nicht schlüssig erklärt. Die Berechnungen der Hochschulen ergaben sogar völlig andere finanzielle Ergebnisse. Die vom Ministerium nachgelieferten Formeln brachten allerdings auch keinerlei Erklärung, wie das Ministerium jeweils zu den Kürzungszielen der einzelnen Hochschulen gekommen ist. Vielmehr erfolgte dann sogar kraft mathematischen Sachverstandes der Hochschulvertreter der Nachweis, dass die Formeln in sich auch nicht schlüssig waren. Es blieben also ungeklärte inhaltliche und finanzielle Differenzen bestehen.

Nachdem nunmehr bekannt wurde, dass es offensichtlich über Beraterverträge zum Einkauf weiterer externer Beraterkapazitäten gekommen sein soll, kann doch vermutet werden, dass sich aus diesen Ergebnissen eine ganze Reihe von Abweichungen erklären lassen könnten. Ich will an der Stelle natürlich nicht danach fragen, wie es zum Abschluss der Verträge gekommen ist. Das wird ein Untersuchungsausschuss ergründen. Interessieren würde mich dagegen sehr, warum der Ausschuss, sofern Hochschulstrukturplanungen tatsächlich Gegenstand der Untersuchungen dieser Beraterfirma gewesen sind, nicht über diese Ergebnisse informiert worden ist.

Im Zuge der letzten Haushaltsberatungen ist das Ministerium aufgefordert worden, den Ausschuss über den Fortgang der Planungen zu informieren. Auch in den zahlreichen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen des Landes ist nicht einmal ein Hinweis auf derartige Untersuchungsvorgänge gekommen. Ich gehe nicht davon aus, dass die alle bloß dichthalten wollten.

Das kann doch am Ende eigentlich nur bedeuten, dass auch den Hochschulen nichts davon bekannt war. Wenn das wiederum so ist, ergibt sich eine neue Frage: Wie konnte eine solche Beraterfirma ohne Konsultationen an den Hochschulen zu angemessen begründeten Ergebnissen kommen? Das wirkt schon alles einigermaßen merkwürdig, um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken.

Sollte das Kultusministerium zusätzliche Beratungsleistungen gekauft und bei seinem Konzept berücksichtigt haben, dann sollte es dem Landtag dies ebenso erläutern wie die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Anhörung, die das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit am 26. Februar dieses Jahres zur Hochschulstrukturplanung durchgeführt hat.

Dass die PDS in ihrem Antrag das aktuelle Ranking des Zentrums für Hochschulentwicklung, CHE, aufgenommen hat, hat vor allem inhaltliche Gründe. Zwischen diesem Ranking und den Positionen in der Anhörung des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit gibt es nämlich deutlich mehr Schnittmengen als zu den bekannt gewor

denen konzeptionellen Vorstellungen der Landesregierung. Da die Landesregierung ihrerseits aber nicht müde wird, zu betonen, wie wichtig ihr günstigste wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind, müssten sich doch zumindest jetzt Zweifel an der Richtigkeit einer ganzer Reihe von Verlagerungs- und so genannten Neuordnungsentscheidungen ergeben.

(Zustimmung bei der PDS)

Exemplarisch stehen dafür die Bewertungsergebnisse bezogen auf die Fachhochschule Magdeburg-Stendal. Exemplarisch stehen dafür die Positionierung der Esparma GmbH Osterweddingen zur Umstrukturierung des Fachbereichs Chemie/Pharmatechnik der Fachhochschule Magdeburg-Stendal

(Zustimmung bei der PDS und von Frau Budde, SPD)

und die Stellungnahme der Dow Olefinverbund GmbH Schkopau bezogen auf die Umsetzung eines Strategiepapiers zum Forschungscluster Chemie in Mitteldeutschland und im europäischen Netzwerk der Chemieregionen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Exemplarisch stehen dafür die Bewertung des Instituts für medizinische Neurobiologie Meltec GmbH, in der sogar von einem „Investitionsgrab“ gesprochen wird, sowie des Zenit Magdeburg und letztlich als Beispiel eben auch die Stellungnahmen des Verbandes der Chemischen Industrie e. V., der Ingenieurkammer SachsenAnhalt sowie der Technologie- und Gründerzentren in Halle, in Magdeburg und auch in Merseburg.

Will die Landesregierung zu einem nachhaltigen Konzept kommen, muss sie endlich konsequent die Potenziale von Wissenschaft und Forschung bündeln. Wirtschaftsförderung geht nur noch über den Ausbau von Wissenschaftsförderung. Wissenschaft und Bildung sind das Rückgrat der Wissensgesellschaft.

Wenn wir im Osten langfristig zu einem selbsttragenden Aufschwung kommen wollen, dann brauchen wir die strategische Einbindung der Innovationsproblematik über alle Bereiche hinweg. Wenn wir einen Prioritätenwechsel in der Förderung des Ostens fordern, dann meinen wir damit die gezielte Förderung von qualitativen Wachstumspotenzialen. Nicht in der Anpassung an den Westen, sondern in der Organisation innovativer Entwicklung liegt die Chance der ostdeutschen Bundesländer.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD)

Gegen die Billigkonkurrenz haben wir ohnehin keine Chance. Das haben die letzten 13 Jahre gezeigt. Wer sich das Lohnniveau der neuen Beitrittsländer anschaut, stellt fest, dass sich das dadurch noch viel schärfer zeigt.

Vergleicht man jedoch letztlich die Hochschulstrukturplanung des Kultusministeriums mit den vom Wirtschaftsministerium bestimmten Innovationsfeldern, dann passen auch da die Entscheidungen nicht zusammen.

Hochschulen - das wissen wir alle - müssen und sollen Widersprüchliches leisten. Das ist kein Nachteil, sondern das ist ihr Vorzug. Das ist unsere Chance. Spannende Hochschulen leben aus ihren Spannungen zwischen

Forschung und Lehre, Bildungs- und Ausbildungsfunktionen, Tradition und Innovation, Grundlagen- und Anwendungsforschung, Disziplinarität und Interdisziplinarität sowie regionaler und überregionaler Funktion.

Hochschulen erfüllen eben nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für die sie umgebende Gesellschaft wichtige Funktionen. - Ich denke, dass wir uns darin einig sind.

Wenn es der Landesregierung endlich gelänge, diesen komplexen Anspruch zum Ausgangspunkt ihrer Politik und ihrer Hochschulstrukturplanung zu machen und umzusetzen, dann brauchte ich solche Anträge hier nicht mehr zu stellen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD)

Danke, Frau Dr. Sitte, für die Einbringung. - Für die Landesregierung wird der Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Anmerkung vorab: Wenn Frau Dr. Sitte hier nach meinem Gefühl durchaus nicht ohne Stolz erklärt, ihre Fraktion habe die Umsetzung der Reformimpulse verhindert, die die vorige Regierung in Bezug auf die Hochschulen bereits entwickelt hatte, dann muss ich auch sagen, dass Sie eine Mitverantwortung daran tragen, dass die Hochschulen jetzt in einer so schwierigen Lage sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wider- spruch von Frau Dr. Sitte, PDS)

- Doch, Frau Dr. Sitte.

Das hängt damit zusammen - das gestehen auch die Hochschulen ein -, dass es einen erheblichen Reformstau gerade in Bezug auf die Strukturentwicklung und -bereinigung im Hochschulsystem unseres Landes gibt.

In der Tat hatte die vorige Landesregierung - das habe ich schon aus Gründen der Fairness immer wieder gesagt - eine ganze Reihe von profunden Analysen und auch Anregungen und Strategien entwickelt. Wenn Sie heute sagen, Sie hätten sich all dem damals in den Weg gestellt, dann weiß ich jetzt auch, warum dieser notwendige Reformprozess so lange hinausgezögert worden ist, bis eine Lage entstanden ist, aus der die Hochschulen jetzt in der Tat nur noch unter größten Schmerzen herauskommen. - Das muss ich einfach am Anfang sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Vielleicht habe ich Sie auch falsch verstanden, aber ich denke schon, gut hingehört zu haben.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Man könnte darüber noch einmal reden!)

Was den Antrag betrifft: Natürlich sind die Informationsbedürfnisse des Landtages von mir anzuerkennen. Ich habe immer gesagt, dass es für mich eine Selbstverständlichkeit ist, die parlamentarische Ebene an den verabredeten Knotenpunkten dahin gehend einzubeziehen, welche nächsten Schritte vorgesehen sind.